Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 09, 1904, Zweiter Theil, Image 10

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Yas Gesetz der
WAPW.W« -,—..,
.- : » - « J- ;
Erde.
Ins-an vsn
Anton sfreiberrn von Verfall
III-—-m
i
(6. Fortsetzung)
Zweimal hatte er schon eine er- T
solgreiche Streife unternommen, dasi
Cochtoild aus dem hochoogl so beun
ruhigt, daß kein Stück mehr darin:
Land. heute war ein regnerischerI
ag, die Nebel brauten aus der Alrn I
—- das rechte Wetter, um das Geistar »
auszuleeren. Sie sollten nur tout-I
men mit dem ganzen Troß, keine s
Schale sollten sie mehr finden. i
Er sperrte die Alm zu und stieg!
aufwärts der Schneid zu, singend und (
psei·!end, mit dem Bergstock absichtlich (
anstoßend. Vorher bog er abseits
in die Latschen und holte aus sichere-n
Versteck den Studen. Lautlos schlich
er dem Grat zu, trotz des Nebel-, der
ihn wie ein schützender Mantel um
salx jede Deckung benutzend. Der
essel des Geislars lag vor ihm. Ein
kalter Wind zog heraus.
Er horchte — alles still! Wenn er
das Gemswild austreiben wollte,
mußte er es bei dem Wind direkt
angehen, sonst rührte es sich nicht. So
stieg er eine wohlbekannte Schatte hin
ab, bis aus den Jägersteig, der rings
durch die Wände des Geistars führte.
Da wurde Wild flüchtig, derGems
psiss ertönte, glücklich ausgetrieben,
nnd war, wie Alban aus dem Ge
räusch des abgehenden Gerölls deut
lich hörte, nahm die Flucht des Wildes
die Richtung nach dem Weißalm
reoier.
Er wendete sich, zufrieden mit dern
Gelingen seines Plans, wieder der
Schneid zu, als etwas herauslam ge
en ihn in die Rinne — Mensch oder
Wild«i Berdatnmti »Wenn es ein
s- s-.
I
chqu III, III cH clll Jsgch VII Alls-Jl
bacher selbst vielleicht, dem das läch
tigwerden des Wildes ausge allen.
Was dann? Jmmer näher lam es,
blieb wieder stehen. Jetzt löste sich ein
Schatten im Nebel. Wahrhaftig, ein
Mann! Er blieb stehen. Das Herz
Zitterte ihm. Alban nahm die Büchs
an die Wange, sür alle Fälle. Da
tlzeilte sich der Nebel etwas. Er biitte
bald laut ausgelacht. Ein Gemsuock
stand keine zwanzig Schritt unter ihm
—- ein MotdskerL die Krulen hoch
und weit,e D·x»e pötzliche Entlastung
seiner gescannten Mit erzeugte ein
Jäbes Lustgesühl, das sich mit dem
Schuß entlad, der jetzt gegen die
Wände drang, den ganzen Kessel
durchrollte und drüben wieder an
schlug in endlosem Echo. Der Bock
stürzte tin Feuer. —- Als Alban vor
ibm stand, das rothe Blut rieseln sah
Ivf den weihen Steiiküx Fa fkilsiette
III "— grade so gut könnte ein Mensch
daliegen s- der Rohrbacherl — Aber
fett Gar leine Zeit zu solchen Gedan- «
len. Er kniete nieder, den Bock aus-.
inbrechem Eben war er sertig damit
und im Begriff, die Beute nun aus
den Rücken zu schwingen, da rieselten
irgendwo Steine. Alban griss nach
der Büchs. Jetzt ging es im einen,
was kommt, wird geschossen. Sein
Auge bliste vor Leidenschaft Da
erschien aus dem Fels-tapf, dicht oder
ihm, ein Mann. »Halt, Lump!" Al
ban stockte der Atbem. Er hatte die
Stimme erkannt, der Franz, tein
anderer. »Die Reserl — die Schandt«
guckte es ihm durch das Hirn, dann
noch einmal die Stimme. «Büchs
weg, oder ich schieß«, der Arm der Ge
alt bewegte sich — da trachte es
chon bei Albam
Die Gestalt war im Nebel ver
Lchwun·den.·-·Er glaubte noch« einen
Ullskllf ZU yccclh oclllll Mal llUcH Illu.
— Alban tlapperten die Zähne. Wenn
er ihn erschossen hat? Dann war es
Nothwehri Nicht wahr ist’s —- die
Resi! — Mörder — Vater und
Sohn! Da war er schon auf den
Beinen. So rasch wie möglich auf die
Weißalm, wenns wirklich so wär —
oder soll er nachschauen? Vielleicht
teht er noch, elendiglich ang’schossen.
Da faßte ihn sei-ge Furcht. Jm Lau
ses konnte ihm keiner an. —
Die Weiße-im trat schon aus dem
Nebel. Da stuhte er plöhlich Er
vernahm Stimmen von der hütte her
aus. Das war bös. Er wischte sich
in dem nassen Gras den Gemöschweiß
orgsiiltig von den Händen, trocknete
ch die nasse Stirn und sprang pfei
end der Aim zu, absichtlich harmlos.
a tönte ihm sein Name aus dem Ne
bel entgegen-»O war eine weibliche
, Stimme, die ihn jäh an den Platz
Weite. Aber das war ja die ReserL
,Ilhan« klang es wieder. est ant
wortete er mit einem hellen auchzer,
nnd ohne sich einen weiteren danten
iiher das Unglaubliche zu machen,
s M er iiber Stock und Stein zur
Weiß Gott« da stand sie vor der
Ihiir, in der gleichen Kapuze wie ein
Endl, und winkte ihm entgegen
Eine neue Ueberraschung, der Anderl
" M hinter Rele Das nahm ihm
f use Freude.
Ha, wo steckst du denn. Ali-ans Bei
de- Rebel!« Anderl sah forschend an
seim Gewand hinab. Jest war
f Ists wieder ans, der Anders isi her
M . ipi , k.
. - usi- IFFM THE-kif- ZTTH TI
»Is
«Wo werd ich denn stecken!« erwi
derte er trotzig. «Gidt doch allerhand
Wethum Was willst du aus der
ißalm, Anderli Sag’s gleich.«
»G’wiß nichts Schlimmes. Glaubst
du, ich wär sonst mitkommen?« mischte
sich Resl darein. «hab auch einmal
tehn wollen, was du machst da herv
den. Schau dich doch um. Mertft
du net, daß eine Sennerin da wart«
Resl hatte bereits Wasser ausgesetzt
siir den Kasser. Hell loderte die
Flamme unter dem Kessel. Eine be
hagliche Wärme herrschte, die Bant,
der Tisch waren bliyblantgefegh aus
dem Boden lag iein AsterL Alban
sah sich ganz erstaunt um.
«Gelt, da schaust!« meinte Resl la
chend. «Werd mich wohl noch daraus
verstehen —- was ?" Sie hatte die Ka
puze zurückgeschlagen und goß den
Kassee ein.
»So, jetzt setz dich her und laß ein
vernünftiges Wort mit dir reden,« be
gann sie.
Alban gehorchte verwirrt.
»Der Wachter muß nachgeben in
der Sach mit dem Lüdemann, und
das mußt du machen, deswegen bin i
tommen.«
Aldan sah sichtlich unangenehm be
troffen aus Resi.
«Desweg’n? Daß ich hels, den
Wachter von seinem Hof zu vertrei
deni Thät dir das wirklich g’fallen,
Resli Er hat mich ausg’nommen,
der Wachter. —- ,
— .Darum sollst du ihn vor seinem
Unglück retten,« erklärte Rest.
»Mit ihn doch du, Anderl, und du,
Resll Jhr seid ja dick Freund mit die
Leut. Der Anderl mit dem Vater« du
mit dem Sohn· Oder seid ihr es
nimmer? hat es da auch schon
’tracht? Resli Andetl!" Alban leuch
tete die Begeirde aus den Augen, eine
bejahende Antwort zu erhalten.
»Das ist alles anders, wie du
denkst,« erklärte Anderl. »Ich stehe
iehr gut mit Herrn Liideniann, bin
ihrn zu Dank verpflichtet, und er hat
mich gern —- aber das sind Geschäfts
achen, die er selbst nicht ändern kann.
r Wachter ste t dem Werk im Weg,
und er hat das echt gegen sich. Wenn
er auf die Ablösung nicht eingeht, bei
der er nur gewinnen kann. so wird er
einfach zur Ablö ung gezwungen nach
dem Berggesetz, a hilft alles nichts.
Also red halt mit dem Wachter, Al
ban—ef nutzt ihrn doch nichts.«
»Mir zulieb, Alban—ja?« Reil
reichte ihm die hand und sah ihn so
Zrztnnig an« daß er allen Haß und
rarn ver aß.
»Gem. eil.giku.«
Eben wollte Anderl de Thiir öffnen,
da wurde diese rnit Gewalt ausgeris
sen, und der Rohrbacher stand vor
den dreien, die Büchse in der Hand.
All-an wußte sofort, was es galt.
»Aber von einer Leiche kam er nicht«
soviel glaubte Alban aus seinen Zü
gen zu lesen.
Der Rohrbacher übersah ihn ganz,
so überrascht war er über den An
blick seiner Kinder. »Ihr seid rnir
gerad abgegangen da heroben,«
herrschte er sie an. »Seit wann macht
ihr denn Bergpartien miteinander?
he, Rele«
»Das ist sehr einsach,« übernahm
Anderl rasch die Antwort, »und soll
durchaus kein Geheimnis sein. Wir
Eollten den· Alban»bi»tt»en, »m»it dem
Wschkct clll vernullsllgeg Moll zu
reden. eDeswegen sind wir da.«
Der Rohrbacher lachte höhnisch.
,.Ah, deswegen? Da schau an! Was
der Wachter andir für einen Freund
hat, hab ich noch gar nicht g’wußt.«
»Ein jeder hat ihn an rnit, der Un
recht erleiden muß. Nohrbacher.«
«Unrecht! Unrecht!« brüllte der
Rohrbacher. «Al)er war red ich denn
mit dir! Mit dem hab ich’s zu thun.«
Er trat aus All-an u, der seht wie
ter seine volle Fassung gewonnen
hatte. »Du warst im Geistar, teine
Stunde ift’s noch her, haft g’schossen.
Gesteh eil« Der Thür sich zuwen
dend, rief er: «Nur ’rein, Herr Lüdes
mann, er kann nimmer auc.«
Bei Nennun dieses Namens zuckte
All-an unbewu t zusammen, eine Last
fiel ihm vom herzem und seine ganze
Verschmitztheit erwachte. Franz trat
ein, nicht wenig betroffen von der Ge
sellschaft, die er erblickte.
»Er war es fchon,« polterte der
Rohrbacher fort.
»Sie leugnen natürlich, daß Sie
vor einer Stunde im Geistar geschos
sen? Auf mich geschossen?« fragte
Franz. »Aber das ist "a sehr einfach
— trefflich —— —da ha en wir ja zwei
. ngen. Wie lange sind Sie schon
ier, Fräulein Rele« wandte er sich
an das Mädchen, das in höchster Er
regung dem Auftritt usah.
»Gut-de vor Jhnen nd wir elem
men,« sagte sie mit einer leisen Schat
tirung der Stimme.
»Und Alban war da, wie Sie die
Alm heiraten —- in diesem Raums«
»gut« entgegnete Rest fest.
« ie hat einmal g'logen, se t red
du, Inderl,« begann der Rohr eher
« halte ei für unmöglich, das
der san vor einer Stunde eines
M im Sei-tat M —«
.Oho, dai lautet schon anders.
Warum haltst du ei für unmögl
Wenn er um die Zeit da war, inu t
du ei ja wissen und gewiß wissen,
daß er ihn net gemacht hat, wie das
«Weiter steh i nur dein Gericht
Also Rohrhacher, vor das G’richt!«
Alban war dicht var den Bauer ge
treten nnd sah ihn durchdringend an.
«J wart schon lang aus ein Treffen
dort niii dir —«
Der Rohrbacher verlor si tlich seine
Haltung, die Worte Alhan reckten
ihn. «Das g ’schieht auch, oerlaß dich
drauf Js denn das net gar zii start
—mitten im Geistar schießen. Wir
wollen ja mit dem G’richt nix zu thun
haben-gel, Herr Franz? Aber das
stolngt einem ia dazu —- also meine
Schuld is’s net —« Mit jedem Wort
wurde er unter dein Blick All-ans
zahmer. —
Franz drohte Alban mit der Hand.
«Für diesmal dedante dich bei deni
Fräulein da. Sehr romantisch, nicht
wahr, Resl?« wandte er sich an das
Mädchen. »Ein Wilderer!'«
Aldan ließ das ruhig über sich er
gehen, jeder heiß gegen diesen Mann
war in ihm erloschen. Er war so
selig über den glücklichen Ausgang
seiner unbedachten That, wie über
Rest, die ihn offen gegen diesen Mann
in Schutz nahm.
Der Rohrbacher drangir. »Weiter!
Weiter! Mit dem G’red da! Und ihr
geht hinaus,« wandte er sich besehlend
an die Geschwister »Marsch!
Marsch!" Er drängte Reil zur Thüi
hinaus.
Doch in dieser hatte der ganze Vor
gang wieder alte Empfindungen und
Erinnerungen wachgerusen. So wes
ni sie davon verstand, ahnte sie doch
instinktiv, dasz es hier einen Kampf
galt, in dein sie an der Seite Llldans
stehen mußte. So regte sich ein ihr
sonst völlig unbetanriter Trotz. Sie
trat zu Alban und reichte ihm die
Hand. »Sorg dich net, Alban, es
Isammd UAA «"-X --X---. »He-- III-h
L
«»...... ...«., ....» .«.»..., ........
mußt’ sein.«
Der begriss die Worte taum in Ge
genwart dieses Franz. in dem er sei
nen verhaßten Nebenhuhler sah, und
preßte nur die tteine Hand. »Ich
dank dir, Rest, ich werde dir das nie
rergesien.«
Wie ein Traum verschwand alles,
die Männer, das liebe Gesichtert, die
hand, die er eben noch in der seinen
gehalten. Er griss sich an die Stirn,
—- wie war das? — Es kommt alles
noch anders! Die Welt ist gar nicht
so schlecht —- wunderschön ist sie, ein
wahres Glück ist sie, nur mu man es
verdienen. Und das Herz I r ihm so
voll Liebe, daß er nicht begriff, wie
man hassen konnte. —
Dtei Wochen waren darüber ver
gangen, Alban hatte teinen Schritt
mehr in das Nachbarrevier gethan.
Er war sroh, daß er von unten nichts
ternahm, was ihn aus seinem seligen
Traum ausschrecken konnte.
Gestern aber hatte er doch etwas
gehört; Agl, die Wurzelsammterin,
hatte es ihm hinterbracht. Vom Berg
wert ist der Wachter von Haus und
Hos vertrieben worden —- soll ihm
zwar gut bezahlt worden sein, aber
die Prozesse haben längst alles weg
gesressen, nur die Weißalm sei ihm
geblieben, der könnten sie nicht an,
und herlassen thät er fte um teinen
Preis.
Alban war eben mit dem Reinigen
des Stallö beschäftigt, ats er einen
ungewohnten Laut vernahm das
Knarren eines Fuhrwerts. Das war
hier nur zweimal im Jahr zu hören,
bei der Ab- und Ausfahrt von der
Alm, wenn der Bauer das Hütten
gcräth brachte und heimholte.
Er trat in das Freie, ob nicht viel
leicht der Ton aus dem That tiime,
do hörte er es wieder deuttich unten
im Wald, immer näher: es war der
oite Wagen des Wachters, hochbepackt
mit hauzrath, Kosserm Betten, und
mitten daraus, in eine Decke gewickelt,
saß oder lag vielmehr der Wachterz
Leben dem Bräunl aber« schritt die
O-»244--4 D-- II-I-CZJ
’ Uslll lusltgcu Schuhu-. Un aus-tu
sagte alles. Das Bräunl hatte Mühe,
die Steile heraufzutammen. Endlich
hielt der Wagen vor der Hütte.
»Je? heißt es da beim »Wachter«!«
rief A ra dem Vater zu.
Der hob sich mühsam aus den Kis
sen und ließ feinen Blick über die Mai
schweifen, dann nickte er mit dem
Kopf. Er war ein gebrochener Greis.
All-an trat das Wasser in die Au
gen. »An-te Afra!« sagte er in rath
toser Verlegenheit.
«Arrni« Sie warf trokig den Kopf
auf. «So ift mir grad net zumuth.
Paß auf, Vater, da heroben wirft
gleich wieder werden. Das ist eine
andere Luft!«
Sie athmete tief ein. »So, jetzt
hilf mir den Vater herunterheben,«i
forderte sie Alban auf. l
Doch den Wachter ergriff dieScham.
»Laßt mich! Wär noch schöner! J
tann schon selber. O, so weit ist's
noch net.« Dabei deriagte ihm der
Uthem vor Anstren ung, nnd Afra
mußte ihn stühein ann blieb er vor
der iitte stehen. »Als-) da sterbe ich!«
« htvas, wer wird denn vorn
Sterben reden, erst recht leben wir da
betet-ein« erwiderte Afra mit ermun
gener Laune, «allen zum Froh da
unten.«
»Ernst« Der Wachter schüttelte den
Kopf. »Den hab ÄEgeeininnl g’habt,
fest ift er mir Or n.'
»Dann lqj dir den weinen leiden,
wir ist er gwsenf sagte Asra
.
W
Sie führte den Vater in die hätte,
während Alban das Bräunl· aus
spannte und den Wagen adleerte.
Stitck fiir Stück trug er die Reste
des Wachterhofs in die hätte, die den
Reichthum laum faßte. Zule t tam
die Truhe. Sie wog wie Bl Sie
war sein Schicksal, das ihn immer wie
ter zu Boden zwang.
7
Lüdemann hatte seine Erwartungen
nicht zu hoch gespannt. Nohrbach be
deutete fiir ihn einen Sieg auf allen
Linien. Es hatte ihm wirklich nichts
gefehlt als die Kohle. Das WeriMars
bach, durch eine Bahn mit der Grube
verbunden und von ihr reichlich ge
nährt, nahm einen ungeheuren Auf
schwang.
So ging Lüdemanns ganzes Mii
hen und Trachten dahin, die Produk
tionstoiten mögli st zu erniedrigen,
um das tausende ublitum durch ei
nigermaßen angemessene Preise bei
guter Laune zu erhalten und jeder
auswärtigen Conlurrenz die Spitze
zu bieten. Vereinheitlichung des Be
triebs, maschinelle Vervollkommnung
sollten zu dem Ziel führen Unwilltiir
lich gesellte sich dazu noch ein Drittes:
ein überhasteter, einem Raubbau sehr
nahetommender Betrieb der Grube,
die den an sie gestellten Anforderungen
taum gerecht werden tonnte.
Der Grube Nobrbach war bei aller
augenblicklichen Ergiebigleit nicht
leicht beizulommen, das Wasser mach
te Schwierigteiten, die Flöße waren
vielfach verworfen, geknickt und wech
selten störend an Mächtigteit Kam
man an ergiebige Stellen, wurde mit
Jieberhasi gefördert und versendet,
ohne daß man sich Zeit nahm, die ge
leerten Gänge mit taubem Gestein zu
stillen oder angemessen zu verzimmern,
bis dann wieder bei unergiebigen em
pfindlicher Mangel eintrat. Das
Gleichmaß der Nutzung fehlte. Die
Warnung der Sachverständigen ver
hallten ungehört.
Liidemann, gewohnt, an sich selbst
die höchsten Anforderungen zu stellen,
unerschöpslich zu sein an Arbeitslei
stung, empiirte sich gegen jedes «es
geht nicht! Das verträgt’s nicht«, das
er immer zu hören bekam. Das wa
ren siir ihn alles Antliinge an die
Zeiten ewig ängstlicher Vorsicht und
Bedenken — alles muß gehen! Die
Erde will überhaupt nichts geben, al
les muß ihr abgerungen werden!
Das sahen aber viele nicht ein, und
darunter war einer, von dem es Liis
demann am meisten schmerztu An
dreas Rohrbacher, sein Günsiling, aus
den er große Hoffnungen gesetzt, den
er fast mit väterlicher Liebe umschloß,
ewisserinaßen als seinen ideellen Er
n. Ja, er stand der Idee einer Ver
bindung des jungm Mannes mit sei
ner Tochter durchaus nicht fern.
Anderl aber betrachtete sich als der
bitter des großväterlichen Testaments.
Die Mahnung des Sterbenden in der
Grube, der in seiner letzten Stunde
zu ihm ein so felsenfeftes Vertrauen
gefaßt, hatte einen unauslöschlichen
Eindruck aus ihnchinterlafsem
So stand er nun zwischen dem Einst
und dem Jetzt, zwischen dem Rohr
bachhof, den ihm tin Sterbender auf
die Seele gebunden, und dem Süde
mann, der seine Zukunft in der Hand
hatte, zwischen Asra, die ihm nichts
mehr sein lonnte als eine wehmüthige
Erinnerung, und Beisei, von der ihn
eine Kluft trennte, über die es fiir
ihn leine Brücke gab.
Dieser Tage wurde sie nach vier
jähriaee Abwesenheit erwartet. Wide
mann war der Einsamteit satt, sie
sollte den haushalt führen. Und sie
wird sich auch auf die Seite des Va
ters stellen und in ihm nur den Be
diensteten sehen —- und das wird er
nicht ertraaen.
Und jetzt. eben als er aus der Gru
be tarn, meldete ihm der Schichtenjnei
ster: herr Liidemann habe nach ihm
ask-hielt » solle sofort auf sein Bu
reau kommen. —- Das war seit Wo
chen nicht mehr geschehen. Und mor
gen lam Besshi —
Er ließ sich bei Lüdernann melden.
Der Mächtige kam ihm selbit in das »
Vorzirnmer entgegen und ergriff ihn’
bei der Hand. (
»Ich habe mit Jhnen ein ernstesl
Wort zu sprechen, Andreas. Jch will (
nicht gestört sein"·, bemerkte er zu dem !
Bediensteten. ;
Anderl war völlig verwirrt vonj
diesem unerwarteten Entgegenlpmij
men, Furcht beschlich ihn um seine
Festigteit So machte Liidemann es
immer. wenn er einen Schlag vor
hatte, und eine seltsame Kraft ging
von dem Mann aus, wenn er herzlich
war.
Der Diener schloß die Thitr hinter
ihnen.
Lüdemann legte beide Rinde aus
die Schultern Anderls und sah ihn
mit seinen tiefen Augen fest an. «Du
Er nannte ihn fast immer Andreas,
seit er im Dienst war. »Der würdige
Enkel deines Großvaters —- aber am
Ende —- ich bin es auch — und die
besten Köpfe lind es —- miissen es
sein —- also machen wir Frieden —
willii hat«
Andreas fand teine Worte. diese
Augen bezauberten ihn förmlich
»Schau, ich will die deinen Willen
gar nicht brechen, nur —- nur etwas
lenten —- du mußt mir doch zugeben,
daß ich der ersahrenere bin. Zugegk
beni«
.Ger«n, herr Ltidemann —- der
tausendmal ersahrene —- aber —«
»Wer um die Erfahrung handelt
ww - ..-.--— -———.
es sich nich-, wirst du sager via-il
wahrt Sondern um Ueberzeugungen,
und du hast die Ueberzeugung, daß ich
das Unglück deiner heimatb bin.«
»Das habe ich nie behauptet —
herr Litdemann —« Anderl erschrack
selbst itber den Gedanien. «
»Bebauptet nicht, aber die Ueber
zeugung trägst du in dir — ich sauge
den Boden aus, vertreibe die Bauern
und hinterlasse einst, wenn es mit dem
Aussaugen zu Ende, eine Wüste —«
« Anderl wurde immer unbeimlicher.
Das war wirtlieb seine Ueberzeugung,
aber nimmer hätte er es gewagt, auch
nie siir sich insgeheim, sie in so harte
Worte zu tleiden.
»Bitte, entschuldige dich nicht, es ist
ja etwas Wahres daran —- ia, ja,
schau nur so erstaunt —- aber das geht
einmal nicht anders, jeder Organis
mus arbeitet so ,immer ein Theil aus
Kosten des anderen. Der Zuwachs
des einen ist die Abnahme des andern,
wenn nur das Saldo zugunsten des
Gesammtwachstbums —- was liegt
dann an dem einen oder andern ver
liimmerten Theil! Jetzt kommen wir
sur Sache. Der vertiimmerte Theil
soll nicht gerade Rohrbach sein, die
heimath, der zuliebe nicht.« Liidemann
schlug Anderl tröstig auf die Achsel,
sein Blick bekam einen warmen Aus
druck. »Anderl, ich stehe allein —
Franz ist mir aus der Art geschlagen,
er icenn nur einmal vernichten, was
ich gebaut. Ersetz mir ihn, laß mich
aus dich bauen—ich gebe dir Rohr
bach dafür, deine Heiniath, ich will es
zu einem Paradies machen, zu einem
Garten —- nur laß mich nicht allein!
Schwör mir Gefolgschaft, unlösliche
Gesolasckasti —— Bessn kommt moraen
— ich möchte mehr Klarheit zwilchen
uns.«
Die letzte Bemerkung verwirrte An
derl völlig, sie war nicht mißzuver
stehen, aber andererseits das Verspre
chen, das er dem Großvater in der
Stunde des Todes »geben« seine ei
gene Ueberzeugung —- '
»Du mußt dich entscheiden —«
drangte Liidemann. »Wer nicht fiir
mich ist« ist wider mich. Also? Willst
du, oder willxt du nichts«
Anderl fii lte, er stand an dem
Scheidewng entweder mit Liidemann
durch dick und dünn, aber wenigstens
mitten in das thatenvolle Leben hin
ein, das ihn umbrausie, oder abseits
pon ihm, in die alte Enge, vor der
ihm in der Erinnerung schon graute.
»Ich will, herr Liidemcnn —« An
derl ergriff die dargereichte Rechte.
Liidemann hielt sie lange fest. »Ich
tyan dir, du sollst mit mir zufrieden
ein —«
Lüdemann ließ den feierlichen Ton
plötzlich fallen und trat ron Anderl
weg. on feinen Schreibtisctx
»Da habe ich eine verdrießliche
Sache. der einmal ein Ende gemacht
werden muß. Sie betrifft die Leute
auf der Weiße-im Wenn ich wollte.
könnte ich die ganze Weißalm den
Leuten lurztveg abnehmen, ich habe
sämmtliche anotheten daraus erwor
ben —- das will-ich aber nicht —- ich
will die Sache in Frieden geschlichtet
haben —- ober herunter niiiisen sie, da
oben dulde ich sie nicht mehr. Stirbt
Nr Mensch einmal im Winter —habe
ich ihn umgebracht. — Du kennst die
Leute ja von Jugend auf —- die Toch
ter stand dir einmal sogar nahe, wenn
ich nicht irre —— thu’ mir den Gefallen
und rede mit den Leuten. Noch sei ich
zur Milde gestimmt, ich wäre sogar
bereit. dem eilten Mann den Thurm
da oben zur Wohnung einrichten zu
lassen — wenn er sofort abzieht —j
sonst nicht —- sonst tiindige ich die;
Hypothek, und die Weißalm gehörtj
mir —- dann ist ein Ende. Jchl
denke, diese Mission muß dir zeigen»
daß ich nicht gar so schlimme Dinge;
mit dir vorhabe. Es müßte aber-s
rasch geschehen, womöglich noch heute.«
Anderl dachte an Asra. Die pein-.
lichste Ausgabe, die er hätte erhalten
können. Er wollte eben eine auswei
chende Antwort geben, als etwas Un
erwarietes geschah
Cis-Minn- ftiismcs nn- Ffsiik kursiv
and stürzte sich in die sur-Je Lade
manns. »Papa, da bin ich —- und
bleibe ich!« —- Bessni Das enganlie
gende graue Neisekleid zeigte schlanke,
edle Forum unter dem weichen her
renhut war das schwere Goldhaar in
einen Knoten geknüpft.
Anderl vergaß iiber den Anblick
glanz, daß er jeht stören mußte-die
sra —die Weißalm —
Liidemann mußte seine Tochter
aufmerksam machen. «Iiennst du den
Derrn nicht?«
Da wandte sie sich erst —- sah einen
Augenblick forschend —- dann stieg
» tiese Röthe unter dem Schleier auf
— dann helle Freude. »Anderl! Ent
schuldigen Sie — Sie haben sich so
wenig verändert — du hast — das
will ich nicht sagen —- im Gegentheil
—Sie haben sich sogar —- ich wohl
auch —ja, ja, es tst auch schon
lange —"
»Fun; Jahre, gnädiges Fräulein
-—« hat Anderl daraus, dem die Ver
wirrung Bessha allen Muth zurückge
geben.
«Wirklich, nicht länger? Und Sie
sind jeht wieder hier —- bei Jhrem
Vater —-"
»Das weniger,« erklärte Liidemann,
»bei mir ist er, im Wert, nachdem er
ein ausgezeichnetes Steigerexamen ge
macht. Ja, ja, sieh ihn dir nur-an,
ej sieckt was in ihm, braucht nur ge
weckt u werden« Aber nun eine
Bitte, ssy.«
Andert machte Miene, sich zurückzu
ziehen, Liidemann hielt ihn much
»Sie können fest gehen, ndreas,
W
nnd die Sache au der Bleika gut
machen —- ei soll s Probe tüel sein-«
Beisv stuttr. »Aus der Weißalmf«
Litdemann war sichtlich ärgerlich.
die Aufmerl amleit Bessys erregt du
haben. «A ja, eine dumme -
schichtel Schlichten soll er-—schlich
en —«
»Das ist doch die Alm, in die wir
bei dem Gewitter geslohen.« wandte
sich Bessy zu AnderL »Da war ja
doch die Asra Sennerin, ein ganz bra
ves Mädchen.«
»Natürlich, alle Sennerinnen sind
ja brav und edel. Aber herunter
müssen sie, so viel weiß ich. Jetzt geh,
Andreas-, laß dich nicht aushalten!«
«Vielleicht, wenn ich mitginae!«
sagte Beyy rasch. »Wir waren uns
einmal recht gut, diese Asra und« ich.
Oder könnte ich dir was verderben?«
wandte sie sich ge n Anderl, dem das
Blut ins Gesicht Krieg bei diesem Vor
schlzseBesshT
» nn du willst ——was sollst du
verderben! Also nimm-meine Tochter
mit,« befahl er AndetL »Jeßt ist es
ein Uhr. anderthalb Stunden hinaus
—tönnt ihr bis sechs Uhr wieder da
sein. Aber ja nicht länger ausblei
ben! Andreas lann dir beim Hinauf
weg alles erzählen. Jn einer halben
Stunde ist meine Tochter bereit und
erwartet dich im Garten.« Er machte
das gewohnte Zeichen der Entlassung,
indem er ganz freundschaftlich mit der
Hand winkte. —-—
Eine Gluthhitze brannte über den
Wiesen, als Bessy und Anderl der
Höhe zuschritten. Solange der Weg
durch das Dorf führte und überall
ihnen Neugierige nachbliatten, schwie
gen sie.
»Jetzt müssen Sie mir die Geschichte
von der Weißalm erzählen, damit ich
weiß. wie ich mich zu verhalten habe,
begann Bessv» als der Wald sie aus
nahm. »Wie kamen die Leute akisdie
Weißalm?«
»Der Wachterhof wurde dem Werk
einverleibt —«
Niv- dess Mann bin-i hncki mit OOZII
,,,,,,,
und Seele an seinem Besitz."
Eben darum hat man ihm den hof
mit Gewalt genommen.«
»Aber das tann man doch nicht
»Das tann man nach dem Berg
se .
»Hu-r das ist ja abscheulich, empö
rend! Das hat mein Vater geduldetk
»Ihr Vater hat es angeordnet.
dann haben sie sich aus der Weißalns
festgesetzt. die noch ihr Eigenthum ist.v
»Und jetzt sieht der Papa sein Un
recht ein, und wir sollen sie zurück
holen?«
(Fortsehung solgt.)
..—-——-— - ww
TdLerteven m den Grube-«
Man schreibt aus dem rheinischen
Grubengehiet: Wer einmal eine Gru
benbesahrung mitgemacht hat, der hält
es sür unmöglich, dasz außer den die
Fördertarren ziehenden Pferden noch
andere Thiere da unten ihr Dasein
fristen tönnen, da ihnen, wie man an
nehmen sollte, doch alle Existenzbedin
gungen fehlen. Und doch sind den
Spuren der Menschen animalische Pa
rasiten auch in der Finsternis der
theilweise stundenlang sich hin-ziehen
den unterirdischen Gänge gefolgt, und
zwar gerade solche Viersüßier, die aus
der Oherwelt nirgends Schonung ge
nießen: Mäuse und Ratten. Jn der
Grube sind sie ziemlich sicher; bei dem
schwachen Schein der Grubenlampes
können sie etwaigen Versolgungen
leicht entgehen, der Bergmann selbst
aber läßt sie ruhig gewähren, da sie
teinen Schaden anrichten tönnen. Sie
werden geduldet, sast darf man sagen,
gerne geduldet, denn sie ersiillen gewis
sermaßen eine hhgienische Aufgabe.
Was der Anappe weawirst, das besei
tigen sie gründlich mit nie versiegendem
Appetit; Wursthaut, Papier, in wel
ches Mise, Wurst u. s. w. gewickelt
war es verschwindet rasch und spurlos
und mit ihm so manche andere Dinge,
. die sich überall, wo vieleMenschen ton
;zenrrrrt Irno, nun einmal oemerroar
machen.
Vorsichtig müssen die Bergleute aber
mit ihrem Vesperbrot sein; legen sie es
an eine den Lagern irgendwie zugäng
licheStelle, dann ist es für sie verloren,
zum mindesten aber so angefrefsen,
dass nur ein guter menschlicher Magen
es sich zuführen läßt« ohne heftig zu
proteftiren. Merkwürdig ist, dasz Rat
ten und Mäuse sich gegenseitig mög
lichst aus dem We e gehen. Die Gru
be, in denen Mäu e hausen, ist von
Ratten frei und umgekehrt; unlaute
ren Wettbewerb dulden die Lang
schwänze unter sich so wenig, wie die
hunde in Konstantinopet
Manchmal, wenn sie in die Enge ge
trieben werden, geben namentlich die
Ratten aggrefsio vor. Ein Bergmann
in Grube »Kiinig« verfolgte eine Rat
te,-die sich seinFriihstiick schmecken ließ.
Das Thier gerieth in einen todten
Winkel. von wo es iein Entlommen
mehr sah. Ein Sah und es hatte sich
in den Arm des Verfolgers festgebisi
len. Die Ratte mußte todtgedriickt
werden« ehe man ihre Zähne aus dem
Fleische des Mannes liisen lonnte. In
alten, nicht mehr befohrenen Schlich
ten, hausen auch große Kolonien von
Fledermäusem Ueber Tag verharren
fie in ungestörter Siestri; sobald aber
der Abend tommt, schwirren sie schaa
renweise hinaus aus den Jnseltenfang.
-— -«---. -.--- s-—
Unser Urtheil über die Welt ift ost
r.ur das Echo ihres Urtheils über uni.
Die Bohnhö e sind die Kirchhöfe der
alten Vehogl it.