Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 12, 1904, Zweiter Theil, Image 9

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    I · « Ytzisraska
StaatI-3nzeiger Und Yerold
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. . Jin Regens
Zählt man die Zeit im Jahr,
rin freudon war ein-Herz,
Sinkt wen’ge Stunden nur,
Die andern trug es Schmerz.
Zählt man die Zeit im Jahr,
Drin blau der Himmel blieb,
Sind’s wen’ge Tage nur,
Die andern waren trüb’.
Drum, da der himmel selbst
So oft in Thriinen steht,
Klrik nimmer, Menschenherz,
Daß disk nicht besser gehi.
« J. Kerner.
K
Ver Tag der Armen.
Novelleite von Louise Westtirch,
Jn dem eleganten Hause Promena
denstraße No. 5 findet Freitags zwi
schen acht und zwölf Uhr jeder Be
dürstige ein Frühstück oder einenZehr
pfennig. Nieman fragt nach feiner
Berechtigung. Niemand nach seiner
Vergangenheit; nicht einmal nach sei
nem Namen. Schweigend schneidet
die behäbige Haushiilterin in weißer
Schürze eine Scheibe Brod vom Laib
herunter, reicht den Teller Sappe, das
Geldstück. »Guten Morgen«, »Schö
nen Dant«, das ist Alles.
Gleichwohl versäumt Heinrich
Schmidt niemals, dem Vorüberzug
seiner Armen persönlich beizuwohncn,
denen er meist etwas in die Hände
drückt. Jcn Sommer auf seiner Ve
randa, im Winter im Hausflnr sitzt
er in sauber gebürfietecn Rock, mit
blendend weißerWäsche angethan, auf
dem Kopf den breittrempigen Pflan
zerhut — eine Gewohnheit, die er mit
anderen von »drüben« herübergebrncht
hat -— aufrecht und still; still und auf
recht zu seinen Füßen sitzt Pinisch,
der struppige Rattenfänger.
Wenig weiß die Haushiilterim noch
weniger wissen die Nachbarn von
Heinrich Schmidt’s Vergangenheit. Er
ist früh ausgewanderi, Einige sagen
nach Indien, Andere nach Amerika.
Drüben hatte er gearbeitet oder ge
stohlen, Kaffee gepflanzt oder Skla
denhandel getrieben, wer tann’s wis
sent Und mit weisen Haaren uno
gesülltem Beutel ist er eines Tages,
still wie er ausgezogen war, zurückge
kehrt, und hat das haus in der Pro
menadenstraße be ogen. Seine Ge
heimnisse, wenn f welche hat« kennt
nur Pintsch Mit ihm hört die ge
träniie Haushäiterin ihren Herrn oft
wunderliches Zeug sprechen, nur wur
de es leider immer still in der Stube,
gerade wenn sie ihr Ohr recht bequem
an das Schlüsselloch gelegt hatte. Ue
brigens lagerten in des HerrnSchreib
tisch zwei schwarze Schattenrifse, ein
blutjunger Mensch mit tiihn geboge
ner Nase, »fast wie Herrn Schmidi
feine. aber doch noch ein ganz Theil
sders«, und eine schwarze Dame mit
einem Lockenkopf.
Zwischen acht und zwölf: Heinrich
Schmidt nahm seinen Platz aus der
Veranda ein. Der Oleander blühte,
schon färbte sich der wilde Wein roth.
Herbft draußen, Herbst drinnen. Zwi
schen acht und zwölf an jedem Frei
tag! Nicht ahnten, dic hier kamen und
gingen, Hilfe und Troft fanden, daß
dieser Tag der Barmherzigkeit im
Grund nur eine Bußiibung war, de
ren der reiche Mann sich unterzog. An
diesem Tag, zu dieser Stunde hatte er
einen Menschen absichtlich, wissentlich
ins Elend gestoßen, dem er hätte hel
fen lönnen, den er hätte retten miifs
sen, und jetzt lud er die Armen nnd
Elenden allwöchentlich zu sich, einzig
um sich wieder und wieder zu bewei
sen, dafz damals nicht Hartherzigteit,
nicht Geiz ihm die Hand verschlossen,
nein, nur Gerechtigkeit. »Rache,'«
Ins-i- mnnkhmnl sit-It loiio Stimm- in
stiller Nacht. Und sei es selbst Nachei
Er bereute nicht. Ja, er war in die
alte Heimath eigentlich nur zurück
gekehrt, um zu sehen, wie der Schul
dige unter seiner gerechten Strafe sich
wand. Sein brennendster Wunsch
war-, basz sein abgehärteier Körper so
lange zusammenhalten möge, bis ihm
der Anblick seines Todseinbes in Qual
und Noth geworden wäre.
Einst hatte dieser Verhaszte seinem
Herzen sehr nahe gestanden. Zwei
Knospen an einem Zweig waren sie
ausgewachsen, der blondloctige Karl
und er, und über die geslictten und
verwachsenen Röelchen hatten ihre sti
schen Gesichter einander in herzlicher
Bruderliebe ugelacht.
Die Unze irennlichen nannten die
Nachbarn sie, sie ergänzten einander.
Karl, slint wie ein Wiesel an Glie
dern, Zunge und Verstand, alles
hastig ersassenv, und hastig lassenb,
voll Begeisterung, voll Leibenschast,
ewig wechselnd wie ein Apriltag;
Deinrich langsam, schwerfällig, aber
stetig, zäh, eigensinnig. Karl sollte
ein Danbwerk ergreifen, aber er wollie
Künstler werden, Maler, Dichter,
Musiter, er hatte zu allem Talent;
heim-ich lernte bei einem Kausmannz
er war dazu bestimmt und es war
ihm genehm. et wich nicht ohne Nö
ibigung aus been einmal besaheenen
Geleit
Da trat die Liebe in ihr Leben.
Eistter als bie Natur« riß sie sie aus
einander, was Jene verknüpft hatte.
Deine-ich gewann sich eine Braut und
da Karl sie erblickte, begehrte er ihrer. i
Er befttirmte sie mit Worten, er ver
führte sie mit Liedern, die er auf fie
dichtete. Er war fchön wie Achill nnd i
gewandt wie Odhffeus und das Bild
des Verlobten verblaßte in des Mäd
chens wantelmiithigem setzen. Siej
flohen miteinander; es ging, wie das »
alte Volkslied erzählt: !
i »Sie find gewandert in weite Fern’,;
!«Sie haben gehabt nicht Grün non-»
Stern,
ISie find verdorben, geftorben.«
i Aber nur das Weib ftarh, der
IMann lebte weiter ohne Glück, ohne
Stern
Den Betrogenen aber litt es nicht
in der Heimath Er raffte feine Er
sparnisse zufammen. Fort! nur fort
von einer Stätte, wo jeder Stein ihn
an die Treulofen mahnte. Jenfeits
des Weltmeers schaffte er mit der
Kraft von Zweien, einmal fiir fein
Vorwärtskommen, das andere Mal
um zu vergessen, um die Gedanken in
feinem Hirn zu tödten· Er hörte
nichts mehr von drüben, er wurde
reich. Da fand ihn über dem Ocean
ein Brief feines Bruders, ein Brief,
der von Elend und Reue, von tiefem
Fall und mühsamem Emporringen
erzählte. Aber der Kämpfende hatte
Boden gewonnen, und jetzt, jetzt war
Iihm Geleaenheit gegeben, sich fiir im-’
mer auf sicheren Grund zu retten
Eine kleine Vertrauensfteltuna stand
ihm offen, aber er bedurfte dazu einer
Raution weniger hundert Mart nur.
Und er hatte Niemand, Niemand, der
ihm die vorftrecken tonnte, Niemand
anhei- dem Vrudek. «
An einem Freitag Morgen tam der
Brief. An einem Freitag Morgen
zwischen acht und zwölf schrieb Hein
rich Schmidt mit fester Antwort:
»Mein Bruder Karl ist todt. Todte
bedürfen leiner Kaution«
Und nun suchte er diesen Bruder
durch ganz Europa und fand ihn
nicht« War er gestorben? Er fand
auch tein Grab.
Und während sre vorüberziehen,"
alte Mütterchen, blasse Kinder, Män
ner und Burschen, dentt er an den
Entschwundenen und daß sein Leben
ein Bruchstiict bleibt, wenn er hin
übergeht, ohne ihn gefunden zu ha
ben. Da tritt ein Neuer ein, ein
greiser Mann in geflicktem Kittel.
Auf sein verwittertes Gesicht hat das
Leben in wunderlichen Runen eine
lange traurige Geschichte gezeichnet.
Heinrich Schmidt hätte ihn taum be
achtet. aber Pintsch steht auf, tnurrt
und schnappt und tnurrt wieder mit
gesitüubtem Haar. Und da sein Herr
seht den Blick schärft, durchzuckt ihn
blitzschnell eine Erinnerung War es
nicht solch ein Gesicht, das sich Abends
über sein Bett gebeugt hat? Galt
nicht solchen Zügen sein erstes: »Gu
tenacht, Vater?-« Tolles Spiel der
Phantasie. —- Aber wag hat der
fremde Mann? Sein gebeugter Rü
cken hebt sich, seine Augen weiten sich,
starren gespensterhasiem Grausen auf
einen ing, den Heinrich Schmidt am
Finger trägt, ein abgetragenes Ring
lein, das ihm einst die Liebste gab. —
Zlbwehrend streckt er die Hände aus«
susllullcclw, Illlllllllkilllls
»Dein-rieb Schmidi?«
»So heiß’ ich. Was soll’s?«
Der Bettler schlägt die Hände vor
das Gesicht. »Ich —- heisz’ auch —
Schrnidt, Karl Schmidt.«
Karl Schmidti
Der Hausherr ist ausgesprungen.
Seine Lippen bewegen sich, aber er
sindet lein Wort. Da stehen sie sich
also gegenüber zum ersten Mal seit
vierzig Jahren. Da ist er nun, der
Augenblick, den er so süß ersehnt hat,
der Tag des Triumphs der Rache.
Tausendmal hat er sich dies Wieder
sehen ausgemalt und was er dabei
empfinden, thun und sprechen würde,
tausendmal sich den schnöden Verrath,
das brechende Auge der Geliebten vor
gestellt. Und in dieser Stunde sieht
er nichts von dem Allen. Ein ande
res Augenpaar blickt aus ihn herab,
ihn und den Verlorenen dort mit glei
chem Liebesgliick umsangend, seiner
Mutter Augen. ilnd nicht den Mann,
der ihm bübisch Glück und Liebe stahl,
vermag er zu erschauen, er sieht ein
lockiges Bübchen, das ihm die roth
bäckigste Seite seines Apfels entge
genhält: «Beisz zuerst ab, Heinrich«
Die Arme sinten ihm schlass herab
vor Verwunderung über sich selbst.
Vergessen, ausgelöscht das ganze Le
ben seiner Lust und seiner Vitterieiti
und nur Eins lebendig: dasz dieser
Mann sein Bruder ist, daß sie einst
aus demselben Raps ihre Suppe ge
lösselt, aus demselben Kopstissen ge
schlafen, daß des Vaters Bande seg
nend aus Beider Haupt geruht haben
— und daß es ein gut Ding sein
würde, sich auch Seite an Seite hin
zustrecken zum lebten Schlaf wie einst
zum ersten, sie, die beiden einsam Ges
alterten, die doch zusammen gehö
ren —
,,Großvater, ich hol’ Ihnen einGlas
Wein,« saat inzwischen die gutmü-»
thige Haushalterin zu dem Bedürfttq
gen. »Sie sehen erbärmlich aus« « ;
Der Bettler schüttelt still den Kopf.
Langsam biickt er sich nach dem ot,
der seinen zitternden Händen e al
len ist. Der Andere schweigt noch
immer.
Da wirft Karl Schmidt sich auf die
.Steinsliesen vor dem Stummen nie
der. »Vergieb mir! Dein Fluch hat
mein Leben zerbrochen, ihr Leben!
Laß es genug seini«
Ein seltsames Zucken geht durch die
steinernen Züge des alten Pslanzers.
lind plötzlich bricht der lang verschüt
tete Thränenquell in seinem Jnnertl
auf. Heiße Tropfen rieseln über seine
Wangen. Er breitet die Arme aus.
»Mein Bruder!«
Das war der Tag der Armen.
Freitags zwischen elf und zwölf Uhr.
—
Wie ich meinen schwersten Fisch
erlegte.
Eine Erinnerung aus dem Bürgertrieg
von Max Wülsert
Gerade yor 41 Jahren bin ich als
junger Bursche, um die Welt zu sehen,
mit wenig Geld, aber großem Selbst
vertrauen nach Nordamerika gegangen.
woselbst ich zunächst in Ermangelung
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Ist-Ists Ubssbsbss ULIWIIOIVUIIV Nil IS'
z zefsionstrieg auf Seiten der Union in
Heinem New Yorter Regiment mit
machte.
Dieses Regiment gehörte zu den
Truppen, welche Charlefton belagerten
und dabei die ganze untere Hälfte der
Stadt in Trümmer schaffen. Die un
gemein niedrige Küste von Süd-Caro
lina besteht faft in ihrer ganzen gut
dehnung aus an efchwemmten Mme
und Inseln, zwi chen welchen oft viele
Meilen lange, breite und schmale Mee
resarme, tief in’s Land einfchneidend,
vorzügliche Schlupfwinlel für Fische,
Schildtröten, Alligatvren und anderes
Gethier bilden. Das von uns am
meisten geschätzte Wassergeschöpf war
aber die Auster, welche in vorzüglicher
Güte und oft außergewöhnlicher
Größe mafsenhast im Schlamm der
dem Ozean zunächst liegenden Jnfeln
und Untiefen vorkommend, bei eintre
tender Ebbe leicht zu erbeuten war.
Auch Schildkröten von enormer Größe
kamen öfters auf unsere Sandinsel,
um ihre Eier zu legen, bei welcher Ge
legenheit sie unsere willtommene Beute
wurden. So erinnere ich mich eines
besonderes- großen Exemplars dieser
Seethiere, welches über 300 Pfund
tvog und eine höchst schmackhafte
Schildkrötensupve fiir’5 ganze aller
dings nur 250 Mann starke Regiment
lieferte, während die unvertilgbare
Schale in ein Museum nach New York
wanderte.
Wir hatten unter Standquartier
auf Folly Island, eigentlich nur eine
bis zwanzig Meter Höhe aufgethiirmte
Sanddüne von 4——5 Kilometer Lange
ullU l—«- UllUlllcscc Ocelle. ·Jtll All
fang unserer Oklupation noch reichlich
mit Palmen, Sykamoren, Magnolien
und Nadelholzbäumen bewachsen, war
sie ein tleines, aber nicht uninteressan
tes Stück Land. Wenn man am
frühen Morgen oder bei Sonnenunter
gang von der Höhe hinan-blickte auf
den unendlichen Ozean, der feine Wo
gen leise murmelnd auf den Strand
rollte oder in wilder Sturmeswuth
donnernd gegen die Jnsel schleuderte,
dabei in alle möglichen Farben und
Töne getaucht war, konnte man stun
denlang diesem erhabenen Natur
schauspiele mit Entzücken und Bewun
derung lauschen und zusehen.
Das Zeltlager unseres Regimentg
war nur wenige Schritte von der höch
sten Fluthgrenze entfernt aufgeschla
gen, so daß man bei gänzlicher Abs
wesenheit des ewi« weiblichen Ele
mentes von der Jnse zu jeder Tages
zeit ungenirt vom Zelte aus direit ins
azurblaue Meer steigen und die heran
rollenden Sturzseen der Dünung iiber
sich hinwegbrausen lassen konnte. Eine
etwas bedenkliche Schattenseite hatte
nun allerdings dies Bergniigem das
waren die zahlreichen Haifische, die
sich in Eremplaren von oft unheim
licher Größe zeigten und zur Vorsicht
mahnten. Man pflegte deshalb auch
nie weiter als bis ur Hälfte in das
weit hinein flache eer zu gehen,wo
bei man stets scharfen Ausguck auf die
charakteristischen dreieckigen Rücken
flossen des heimti.ickiichen Seeräubers
halten mußte, die man etwas weiter
trauszen bald da, bald dort über dem
Wassersptegel auftauchen fah. Mehr
mals wurden Badende von verhält
nismäßig kleinen Haifischen angefal
Ylen und eines Tages einem Neger der
Unterschenlel glatt abgebissen, so daß
der arme Kerl an Verblutung starb,
ehe ihm ärztlickp Hilfe zu Theil wer
Tden konnte. Die Haifische wurden da
’l)er von uns gründlich gehaßt und noch
mehr gefürchtet als die Alligators,
welche näher am festen Lande die zwi
sschen den Jnseln befindlichen Sümpfe
’1«nd Wasserläufe unsicher machten.
Unsere militärifche Thätigteit be
schränkte sich darauf; den Feind durch
häufige Vorstöße zu beunruhigen, wo
bei viel Pulver verlnallt wurde und
euf beiden Seiten so Mancher in’s
Gras beißen mußte. Dem gleichen
Zwecke dienten auch fortwährende
Streifziige durch die uns zunächst lie
genden größeren Jnseln, deren dem
Festlande zugewendete Seiten meist
noch in den Händen der Südstaatler,
von denselben stark befestigt, während
die am Meere liegenden Uferstrecken,
soweit die Geschosse unserer Monitorg
und Kanonenboote reichten, voni Feind
verlassen waren. Dieser Rayon nun
war der Platz, wohin wir fast täglich
mit größeren oder kleineren Patrouil
len lamen, und zwar war es, soweit
es unser Regiment betraf, eine süd
lich von unserem Standquartier ge
legene große Insel, welche nach einem
längst ausgestorbenen Jndianerstamm
den melodischen Namen Kiawa Js
land trug. Zur Zeit der Ankunft un
frrer Truppen gab es auf dieser theil
weise dicht bewaldeten Jnsel neben
anderem Gethier auch noch viele Hir
sche, die aber bald den Weg alles
Fleisches gegangen, d. h. in den nim
mersatten Mägen unserer Soldaten
verschwunden waren. Das östliche Ufer
der Jnsel fiel an manchen Stellen steil
in’s Meer ab, so daß man bei ruhi
gem Wetter bis auf den Grund der
trhstallhellen Fluth blicken konnte.
An ein-r dieser Stellen, die unsere
Patrouillen täglich passirten, konnte
man fast regelmäßig einen riesigen
Haifisch beobachten, der offenbar in
der Erwartung, daß doch einmal der
eine oder der andere unserer Soldaten
m’s Wasser fallen könnte, den Bewe
gungen der Menschlein am Ufer mit
boshaft lüsternen Augen folgte, bis
das seichter werdende Wasser ihn
zwang, weiter hinaus in’s Meer zu
schwimmen. Das tückische Thier schien
uns die Verlörperung aller der bös
artigsten Haifische, die an der dorti
gen Küste Unheil angerichtet hatten,
und um’s Leben gern hätten unsere
Soldaten dem Burschen die Ladungen
eines Dutzend Militärgewehre in den
Leib gejagt. Allein mit Rücksicht auf
die dadurch hervorgerufene allgemeine
Alarmirung war das Schießen auf
Kiawa Island während der Patrouil
iengiinge strengstens verboten, und
überdies war die Stelle, wo sich der
Haifisch meist sehen ließ, dem Feuer
einer feindlichen Befestigung ausge
setzt, deren Besatzung, wie die Franzo
sen Anno 1870, aus jeden einzelnen
Mann mit dem größten Geschütze zu
schießen pflegte. So war es also mit
der geplanten Erlegung des llnge
thiims vorläufig nichts, und wir tonn
ten noch monatelang bei Gelegenheit
rnserer Partrouillengänge die Bei
ianntschaft mit dem «Menschenfresser«,
wie der Haifisch schließlich wohl mit
cKorbi Formen-It man-d- immsr end-disk
erneuern, sowie unseren Haß gegen ihn
befestigen.
Da drang eines Tages die ebenso
uberraschende als erfreuliche Kunde
in’s Lager, daß General Sherman
seinen kühnen Zug mitten durch die
Südftaaten nahezu vollendet, schon bis
an die Küste vor Savannah gelangt
sei und infolgedessen das lang bela
gerte Charleston von den Südstaatlern
demnächst geräumt würde. Die am
weitesten vorgeschobenen Posten brach
ten in der That die Nachricht, daß
während der Nacht in den feindlichen
Forts reges Leben gewesen sei, auch
habe man anhaltend das Kommen und
Gehen von Eisenbahnzügen vernom
men. Daraufhin wurden sofort Pa
trouillen gegen das Festland vorge
schictt mit dem Auftrage, Nachrichten
darüber zu bringen, ob etwa die auf
ten unserem Standquariier zunächst
liegenden Jnseln vorhandenen Befesti
gungen wirklich vom Feinde geräumt
worden seien. Jch erhielt den Befehl,
mit einer Ahtheilung nach Kiawa Js
land zu gehen und dort zum gleichen
Zwecke Umschau zu halten. Sofort
tam mir der Gedanke, diese, vielleicht
letzte Gelegenheit zu benutzen, ukn dein
bestgehaizten Menschenfresser eine rcht
gesalzene Abschiedsvisiie zu machen.
Jch erbai und erhielt vom Major die
Erlaubniß, auf die Bestie schießen
lassen zu dürfen, sobald es sich her
ausstellen sollte, daß der Feind wirt
lrch auch die dortige Festung verlassen
habe.
Meine Leute requirirten nun zu
nächst aus der Schlächierei eine Menge
Seite, sowie eine reichliche Portion
Fleischabfälle. welche als Köder für
den haifisch dienen sollten. Der unsere
Inseln trennende Meeresarm wurde
hierauf wie stets in einem von Negern
geruderten Ponton übersetzt, die mit
gebrachten Strick-e und Fleifchabfälle
an einem geeigneten Orte versteckt und
sodann die Richtung gegen die uns nur
zu wohlbekannteFestung eingeschlagen.
Bald konnten wir uns mit Vergnügen
davon überzeugen, daß das Fort in
der That verlassen, die Vorräthe mit
genommen und die darin befindlichen
Geschütze, welche uns oft genug warm
gemacht hatten, vernagelt oder sonst
unbrauchbar gemacht worden waren.
Sofort ging es nun in beschleunigtem
Tempo zurück an den Landungsplatz,
um das dort untergebrachte Material
zu holen und von dazu der Stelle, wo
sich der Haifisch stets zu zeigen pflegt-e.
Zunächst erlebten wir die Enttäusch
ung, daß der Haifisch an der gewohn
ten Stelle nicht zu sehen war. Aber
schon nach kurzem Verweilen an dem
Platze rief einer von den Leuten:
»Dort tommt er!« und richtig — die
bekannte dreieckige Rückenflosse tauchte,
immer näher kommend, über der nur
leise ivogenden Dünung auf. Zwei
Mann wurden nun beordert, den nicht
sehr appetitlichen Köder mit mächti
gem Schwunge in’5 Meer zu werfen
und dann sofort wieder die Gewehre
mit den übrigen auf die Stelle zu rich
ten, wo der Bursche auftauchen mußte,
um den Köder zu packen. Zugleich
schärfte ich den Leuten nochmals auf
das eindringlichsteein, nur gemeinsam
auf das Kommando »Feuer« zu schie
ßen. Deutlich lonnte man nun be
obachten, wie der Fisch die so heiß
begehrte leckere Beute ein« paarmal
mißtrauisch umtreiste, dann tam der
C)2»l--- -.«- L-— THE-c
unsessth III-laws USE Uck Oel-II clsIFUL,
um sich in der Nähe des großen Bis
sen-s auf die Seite zu legen und ihn
zu packen. Jn dem Moment, wo der
hellere Bauch und der riesige Kopf auf
der Oberfläche sichtbar wurden, krach
ten auf Kommando wie niit einem;
Schlage die Ladungen sämmtlicher
Gewehre in den Kon und Leib des«
Ungethijms. Der Hai peitschte das
Wasser zu Schaum und schoß mit sei
ner halben Länge aus dein Wasser
gegen uns empor, als ob er seine
Feinde zu sich in’g Meer hinabreißen
« wollte, und fant nach wenigen Zuckun
gen todt in die blaue Fluth zurück.
Sofort wurden die Gewehre wieder
sfrisch geladen, um etwa auftauchende
s Vettern des Getödteten in Respett zu
shaltem dann stieg der Kompagnie
»fpaßmacher, ein fideler J:l"cinder, mit
« den Seilen in’s Wasser und befestigte
dieselben an dem mächtigen Körper
sunserer Beute, so daß wir dieselbe,
sollerdings unter Vergiefzung vieler
z Schweißtropfen, dem Ufer entlang bis
; an den Landungsplatz schleppen konn
ten, woselbst die Neger beim Anblick
des verhaßten Feindes einen Freuden
tanz um denselben aufführten. Dann
wurde der Haifisch, welcher sicher fünf
Meter lang und ein paar tausend
Pfund schwer war, am Ponton befe:
stigt und bis zum Lagerplatz des Re
girnentz befördert. Auch dort war
großer Jubel über dag erlegte Unge
thiim, ein Jubel, der sich in’s Unge
messne steigerte, als fast gleichzeitig
’der Befehl eintraf, das; unser Regi
sinent am nächsten Morgen dag vom
sFeind verlassene Charleston besetzen
s und damit Follh Island für immer
Adieu sagen sollte. —
s
!
—
Das gerade Gegenthetb
Jn einem Dorfe des vorderen Oden
waldg lebt der Müllerschorsch ein al
ter ,,Oretväller« von echtem Schrot
und Korn. Nach seinem Spruch:
»Wann mer aach schaffe konnt, mer
will ja nit!" ist er kein Freund von
vielem Arbeiten, und bei diesen
Grundsätzen findet er reichlich Zeit,
tagsiiber in den verschiedenen Wirth
schaften nach dem Rechten zu sehen.
Bei all seinen Vorzügen ist Schorsch
nicht stolz, er redet leutselig jeden
Fremden mit »Du« an. Eines schö
nen Tages kommt Schorsch aus sei
nem Rundgang in eine Wirthschast,
in der der Chef einer bekannten Cigars
renfabrit, den wir einmal Schutze
nennen wollen, als Gast weilt. Herr
Schulze will bei dem guten Kunden
von Wirth etwas daraufgehen lassen,
nnd da in der Mittagszeit keine wei
teren Gäste anwesend sind, wird unser
Schorsch aufgefordert, einen Schuppen
mitzutrinlen. Die freundliche Einla
dung wird ohne Umstände angenom
men und bald ist man dabei, zum
Zeitvertreib mit dem Wirth einen klei
nen Herzsolo zu spielen. Das Spiel
beginnt und dauert einige Zeit; da
alle drei geübte Spieler sind, wird
rur das Nothwendigste gesprochen.
Da auf einmal glaubt der Müller
schorfch bemerkt zu haben, daß bei
Schulzens Spiel nicht alles in Ord
nung sei, er thut einen kräftigen Zug
aus seiner Pfeife, räuspert sich und
sagt mit der ihm eigenen Gewächs
ruhe?
W
FtSchulzr. allerveil hoste befchums
me .«
Schulze springt wüthend auf, wirft
die Karten auf den Tisch und don
nert los:
»Was fällt Ihnen denn ein, Sie
dummer Bauer, Sie Lump, Sie Ta
gedieb, Sie elender Kerl usw!« s
Schorsch ist über die Wirkung sei
ner harmlosen Bemerkung zuerst ganz
erstaunt, faßt sich aber bald. Er kann
als Ehrenmann solche Ausdrücke nicht
auf sich sitzen lassen, steht gleichfalls
aus und fertigt seinen Gegner, das
trauliche »Du« aber beiseite sehend,
mit folgenden Worten ab:
,,No un Sie? Sie fin doch das ge
rade Gegentheil!« Sprach’s, trank sein
Glas aus und ging stolz von dannen,
den vernichteten Schulze seinem
Schicksal überlassend.
W
Wie dir Zahne wachsen.
Die kleine Margaret hatte einen lo
sen Zahn, welchen ihr Vater entfernen
wollte, aber sie protestirte so jäm
merlich, daß er die Operation vertagte.
Etwas später hörte die Mutter des
Kindes dieser zu einer Spielgefährtin
sagen, daß sie nicht den Schmer so
sehr fürchte als den Verlust des ah
nes, denn sie wußte nicht, daß ein
neuer Zahn siir denselben wachsen
würde. »Aber, Margaret«, sagte die
Spielgefährtin mit ziemlicher Entrü
siung über die Unwjssenheit, ,,weißt
Du denn nicht, daß den Menschen vier
verschiedene Male Zähne wachsen?'«
»Wirklich?« fragte Margaret, freudig
uberrascht. »Natürlich. Erst lassen
die Leute sich ihre Milchzähne wachsen,
wie Deine; dann lassen sie ihre zwei
ten Zähne wachsen, wie Bruder Char
levx dann lassen sie ihre Weisheitszäh
ne wachsen, wie Mama, und dann las
sen sie ihre faschen Zähne wachsen,
wie (siros-;s:1aina.«
-—--——4-.—-—.
Immer (8)cldprotx.
»Wozu wurden Herr Commissions
rath in Ihrem Prozesse verurtheilt?'«
— Parvenii: ,,Zu einer sogenannten
Geldstrafe von 5000 Mark.«
Zu viel verlangt.
Schmierendirettor (zum neuen Re
gisseur): »Na, junger Mann, zeigen
Sie ’mal, was Sie können, und richten
Sie mir fiir die heutige Vorstellung
lllculc Ullc UIV Sllgcks VII-Z
Unnngenehm.
»Was bringt denn Deine junge
Frau mit?« — »Ich weiß nicht. Als
ich vor der Hochzeit meinen Schwieger
vater darnach fragte, wurde er grob!«
»Und nach der Hochzeit?« —- »Hm —
da wurde er noch gröber!«
HausherrewLoqiL
»Die Wohnung gefällt mir —- aber
die Küche ist mir zu dunkel! Da müs
sen Sie schon noch mit der Miethe et
was heruntergehen!« —- »Was Ihnen
einfallt! Glaub’n denn Sie, daß
die Küch’ heller wird, wenn Sie weni
ger zahl’n?«
Seltsame Leute.
»Es ist unerhört, was für Stan
dale täglich bei uns’rer Nachbarfamilie
vorlom«men!« — »So!!! .. .. Es sind
aber doch ganz nette Leute!« —- »Ja,
jedes fiir sich allein — aber zusammen
sind sie eine rechte Bande!«
Bestraft
Frau lam zweiten Tage zur neuen
Köchin): »Nun, Trine, haben Sie sich
von gestern die Eintheilung der Arbeit
etwas gemerkt?« — Trine: »O ja!
Erst muß ich Stiefel wichsen, dann die
Zimmer richten-dann ’waS ins Leib
haus tragen!«
Kommt-miß
Herr: »Meine Gnädige, darf ich
vielleicht um den nachtten Walzer vit
ten?« — Dame: ,,Eigentlich ist meine
Trauer noch nicht ganz zu Ende, aber
wenn Sie die Güte hätten, recht ruhig
und langsam zu tanzen, dann sehr
gerne.«
Die Erziehung des Kindes beginnt
bei der Geburt — der Mutter.
Je mehr Heilmittel gegen eine
Krankheit angepriesen werden, desto
weniger heilbar pflegt diese Krankheit
zu sein.
Druckfehler-.
lLlus einem ZeitunggberichtJ Ge
stern sand die Vereine-fein der hiesigen
. Schlächterinnerung statt. Bei der Ta
- fel erhob sich der Vorsitzende zu einer
längeren Ansprache und begann:
»Hochverehrte Fettversanimlung!«
Die Hauptsache.
»Grös3e und Preis Jhres Bauern
gutes kommen bei mir gar nicht in
Betracht. —- Die Hauptsache ist, daß
ich durch den Anlauf desselben das
Recht erwerbe, aus dem hiesigen
Bauerntheater mitspielen Zu riirsen.«
Bosheit
Frau Rentier Krause: »Ofsen ge
sagt, Frau Doitor, mich wundert, daß
Sie mich immer zuerst begrüßen, slvenn ,
wir uns mal auf der Straße begeg
nen.« —- Frau Doktor: »Komm mir
ja auch zu, Frau Krause, bin ja doch
die Jüngere von uns Beiden.«
Starke Einbildmw
Kannibale (der einen Weißen der
zehrt): »Der Kerl muß Weinreisender
gewesen sein « » der schmeckt ganz
abscheulich nach ’m Pfeopfen!«