Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 29, 1904, Zweiter Theil, Image 9

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    ’ GUme
Æ Ute, Sternentchetty
» » ndu t und Flieden
t ihr n der Seele mein
Alte, traute Lieder?
Acht die alten Weisen hold
Sind ja längst verklungen,
Und der Laute Saitengold
Jst im Frost zersprangen!
Rausche, lieber, kleiner Bach,
Mir nicht so zu Herzen! ;
Rufst mit deinem Murmeln wach I
Nur vergess'ne Schmerzen! l
Wieder heimgefunden.
Novellette von Jda Oppenheim.
»Vergieb mir, Hans, ich kann nicht
anders,« sagte sie, indem sie von ihrem
schlanlen Finger einen glatten Gold
reif zog, der leis tlirrend aus die weiße
Platte des Martnortifches fiel.
»Ich bitte nnd befchwöre Dich, Liset,
es kann doch wirllich nicht Dein Ernst
sein, Tu willst mir doch nicht noch
kurz vor der Hochzeit alle Jllusionen
rauben, mir zeigen, daß Du auch Lau
nen hast«?«
Er war aus sie zuaeeilt und hatte
ihre Hände ergriffen Aus seinem os
senen Gesicht lag ein Zug tiefster
Trauer, und in seinen treuen. blauen
Augen lag ein feuchter Schimmer.
»Mach’s mir nicht schwer, Hans, ich
kann nicht anders-. Lange hab’ ich mit
mir gesampr ehe ich mich endlich zu
diesem Entschluß durchaerungenl
Langsam troch es wie ein Gespenst zu
mir heran und nagte an meinem Her
zeu und gönnte mir weder Ruhe noch
Rast. Ich fühle, das: ich Dir das nicht
sein kann. wag Du von mir verlangst;
meine Seele sehnt sich nach einer Thä
tigleit, rie alle Kräfte anreat, die alle
Sinne antpannt. Dieses öde, klein
liche, häusliche Einerlei —— es würde
mich stumpf machen und unglücklich
Wen will arbeiten ich will etwas leisten.
der Menschheit nützen, kämpfen für die
Verwirklichung idealer Bestrebungen,
fiir meine Mitschwestetn einstehen! Jch
brauche Arbeit, Arbeit für Hände und i
Hekz und Geiste Sieh, ais ich so stun- l
denlang dasaß und in Dufzende von;
Leinen ewig und immer mit den klei- ;
nen Stichen meinen Namen stickte, da ;
überlam es mich wie Empiirung, wie »
Haß gegen diese mechanische Arbeit,
die meinen Gedanken freien Lauf ließ «
und mir Bilder vor die Seele führte,
die fo ernft waren und von so nackter
Wahrheit, daß ich schaudernd vor ih
nen zurückbebtr. Jch will, ich lann
nicht so leben! — Frei will ich meinen
Neigungen folgen! Jn schwerer Ar
beit mir die Unabhängigkeit erringen,
nach der ich vergebens mein Leben lang
gefchrnachtet!«
Er hatte ihr still zugehört und sie
tieftrautig angesehen. Sein Liebsteg,
fein Bestes ging auf irren Pfaden. Er
mußte sie aufgeben, denn er wollte
nicht um das betteln, was sie ihm einst
freiwillig gegeben. Vielleicht führte sie
doch noch ein Weg zu ihm ,zurück, ehe
es zu spät war! Vielleicht —- viel
leicht —
»Las3 uns in Frieden scheiden,
Hans-X brach Lisa nach kurzer Zeit
da Schweigen, »und werde glücklich,
so wie ich ei von ganzem Herzen für
Dich wünsche.'«
Sie wollte ihm die Hand reichen,
aber er schien es nicht zu beachten.
Langsam nahm er den kleinen Reif
und ging mit festen Schritten aus dem
Zimmer·
Lifa athmete auf. Nun war das
Letzte. das Schwerste vorüber. Wahr
lich, es war heute kein leichter Kampf
gewesen. Zuerst mit dem Vater, den
sie zum erstenmale recht- bösemund
schrott gesehen, dann rnu Umi- »mi
chen, die bei ihrer Ertliirung, die Ver
lobung auflösen zu wollen, in lautes
Wehklaaen ausbrach. Abwechselnd
jammerte sie iiber die schöne Aussteuer,
die nun Zu nichts nutze war, abwech
selnd über das allheliebte Thema,
»was werden Meiers, Müllers und
Schuldes dazu sag-rni«
Während sie in ihr Stiihchen ging,
um ihren Koffer zu packen, saß Hang
im Studirzimmer des Prosessors. Der
alte Herr hatte beruhigend seine Hand
aus die Schulter des gebeugt Dasitzens «
den gelegt und sagte tröstend: Meine
Thriine weinen, mein Junge, das wäre .
zu viel; spare die kostbaren Tropfen.4
Sie ist trank, unser Kind, von dieser !
modernen zirantheit ergrissen, die man F
Frauenenranzipation nennt oders
Selbsthethiitigung. Sie hat ein paar »
ongenießbare Romane gelesen, ein paar l
Versammlungen besucht, in denen man
unaesnnde Lebensphilosophie gepre
digt; sie hat all dieses Gift in sich
ausgesogen. Das Leben muß sie klä
ren, du«- ist der beste Arzt. Jst sie
Deiner werth, und hat das Schicksal
ihr ein sriedliches Loos bestimmt, um
geben von der sorgenden und nimmer
Miiden Liebe eines Gatten, eines rechts
lich denkenden Menschen, dann kehrt
ste zu Dir gesiinder zurück, srei von
allen diesen Berirrungen ihres Den
tens und Empsindens. Geht sie unter
in dem Strom, so roar sie Deiner nicht
werth, und i betlage ein Kind, das
ein Opfer die er modernen Krankheit
geworden. Aber ich habe die feste ZU
veesicht, daß alles t wird. Sie will
auslebenx ichgatase sie voll nd
ganz sich aus-leben. Sie verlässt och
nie unser haus und he inne ihre
Test- ernd Wundertat-re In an dte
Yeöraska
tagt-si- Zaneiger Und THEer
J P. Windolph, Herausgehen Grund Island, Nebe» ... Zuli 1904 ( Zweiter Theil) Jahrgang 24. No. 48.
Arbeit, Duns, an die echte, ernste Ge
«dantenarl)eit. Sie ist die Tröstetin
in allem Ungemach!«
Damit reichte der Professor dem
jungen Manne die Hand und geleitete
ihn zur Thür. ——-———
Wochen waren seit jenem Abend
vergangen. Wir finden Lisa in einem
lleinen Miethzimmer im Zentrum
Berlins, eifrig schreibend, wieder.
Der kleine Raum, der nun das
Heim des jungen Mädchens bildete«
entbehrte jedes Behagen, nnd sie sel-j
ker in ihrer einfach schwarzen Klei-;
dung sah miide Und blaß riss. Jhret
sAugen waren geröthet, ihre heißen;
Hände aber flogen rastlos iiber Ldag!
·Papier, noch dag letzte Tab-Stirbt er
haschend, das die scheidende Sonne in
ihr schmates Fenster gleiten ließ.
Draußen schellte es.
Sie schrat aus. Sie nur in der
letzten Zeit nervös geworden: die an
strengende Arbeit mochte schuld daran
sein. Ein lautes Klopfen· an der
Thiir ließ sie aufstehen. Sie öffnete.
ein kleiner Junge reichte ihr ein paar
dictleibiae Briefe. Jhre Hände zitter
ten, als sie sie in Empfang nahm«
und um ihren fest zusammenaepreszten
Mund schlich müdeg lächeln. Alles-,
alles wieder zuriiett Alles dankend
abgelehnt! Mein Gott, wie war es
möglich?! War denn mit dem Schei- !
den vom Hause alles Glüct von ihr
aewichen2 Sie hatte doch sonst Er
sola gehabt in ihren literarischen Ar-?
tust-» Inst Hur-u Il-cn-n twksssusni
------
hatte sie oft in Gesellschaft ventziickt
Einzelne waren sogar von einem jun
gen aufstrebenden Musiker in Musik
aesetzt worden. Jhre S·izzen und
Plaudereien nahm man gern weil sich
in allen ein guter Humor, ein schar
fer Verstand mit einem gesunden Ur
theil paarten Freilich, Hans fehlte
ihr jetzt —- der Vater; selbsk Tante
Minrhen entbehrte sie.
Mit ihnen allen hatte sie reden tön
nen.
Die innige Theilnahme ihrer Um
gebung beglückte sie und spornte sie zu
immer neuer Arbeit an. iInd dann
war es iiber sie gekommen, das heiße
Sehnen, etwas Großes zu schaffen,
miteinzugreifen in das nimmer ra
stende Getriebe der Welt, mit ihrer
Feder zu kämpfen fiir das, wag ihr
ideal und erstrebensiverth sei-ten. Doch
glaubte sie sich losloien zu müssen von
all dem, was ihr theuer war. Das
Leben selber so leben, wie jene anderen
es lebten, fiir deren Rechte sie streiten
und rinnen wollte! Und nun thürin:
ten. sich bergeshohe Hemmnisse vor th
auf.
Jede Enttiiuschuna traf sie jetzt
zehnfach hart. Allein und saiutzlois
war sie altem preisgegeben Wieviel
bittere, trüb-e Erfahrungen machte sies
Und dennoch wollte sie ihrs Selbst-l
standiateit nicht aufgeben. Zie wollte.
tiimpfen bis zum Aeufzersten -- sie
gen oder unterliegen Nur kein Mit
leid sollten diejenigen mit hr haben »
die sie so fioli und selbstbewußt ver
lassen. Der Vater hatte ihr beim:
Abschied gesagt: »tiehre heim, wenn
Du etwas geworden, wenn Tseinj
Streben sieh erfüllt. Nur nicht rnits
gebrochenen Flügeln!« Sie dachte an(
sein Mahnroort, und wieder raffte siej
sich auf zu neuem Kampfe, zu neuer
Arbeibi i
Langsam begrub sie eine Illusion!
nach der anderen. Sie tsiiipfte mit
Noth, Krankheit, mit all den tausend»
Widerwärtigkeiten »die jeden-Tag«an s
un aueinueoenoes wiaoaien wurmte-;
ten. Sie mußte sich mit aller Macht;
feftllamrnern, um nicht zu finten und«
unterzuaebem und langsam, langsamJ
nachdem der Jugend fchwellender Reiz E
oerireht brachte mit einem Malef
eine Arbeit ihr Erfolg und machte;
sie bekannt und berübcxzt Maul
nannte ehrenvoll ihren Nimm Die
Kritit beschäftigte sich in ernster Weise
mit ibren Leistungen.
Sie war eine We nve aeirorden
Man versprach sich v· l von ihr. Man .
bulbigte ihr, unv sie wäre wohl jetzti
am Ziel ihrer Wünsche gewesen! ;
Aber mit einem Male iikerlain fie«
die lang zurückgehaltene Sehnsuchti
nach ihrem stillen Heim da draußen
Unter den wogende-i Winseln des
Waldes, nach der treuen, leitenden
Hand des Vaters. Was er wohl jetzt
zu ihren Werten faaen würde? Wie
hätte ein einzig tlieilnebmendes Wort
von ihm, ein freundlicher Blick sie be
glückt und befriedigt
Nun war-US zu spät, es noch einmal
vom Schicksal zu fordern. Es hatte
ihr soviel gegeben, und fee hatte eg
tändelnd bei Seite geworfen. Nun
es unwiderbri .lick: verloren, vers
larårt verzehrte re vie Sehnsucht va:
na .-·»
Draußen war es Winter aewordem
Eilig wehte der Norvoit in den
Straßen. Jeder suchte, fo eilig er
konnte, fein Heim auf, nur Lifa
trieb’s hinaus. Sie achtete nicht der
Kälte. Ein innerer unbestimmter
Drang trieb sie in’·s Freie. Zu haufe,
in ihrer Einsamkeit quälten sie vie
Gedanken bis Je Unertriiglichleit
Sie hoffte, daß vie körperliche Verse-i
gung ihr Ruhe und Frieden bringens
würde und endlich —- Schlaf, den sie
wochenlang entbehrte. Fliicktigen Flut
ßes eilte sie" durch die Straßen. Sies
merkte kaum, dnfz sie schon im Freiens
war, daß sie mechanisch jenen Wng
einschlag, der sie nach Hans-e sührte."
Und plötzlich blieb sie stehen vor dem
alten Gitterthore und lehnte ihre hei
ßen Wangen an die eisigen Stangen
und ihre fieberhaft weit geöffneten,
brennenden Augen sucht-en einen Licht
schein zu erhaschen, der aus den ver
gangenen Fenstern auf die Straße
ie .
Und während sie so dastand, sah
sie icn Geiste jenes traute Freun, sah
sich wieder darin lustig und fröhlich,
liebend und geliebt, vom Sonnen
schein des Glücls aetraaen, in voller
jugendlicher Daseinsfreude, erfüllt
von tausend Hoffnunqen und Wün
schen, nud ein unedlich süßes Gefühl
des Friedens überlam sie, der Ruhe.
Ein Lächeln irrte um ihre bläulich
blassen Lippen »
Langsam löste sich die erstarrte
Hand von dem Gitter, und sie glitt
nieder.—
Einige Stunden später schritt Hans
hastig dem Hause zu. Er pfleate em
mal wöchentlich bei dem Profesfor vor
zusprechen Diese Abende, die zu
erst fo unendlich viel Peintiches und
Schmerzliches für ihn hatten, waren
ihm zuletzt liebgeworden, denn nur
mit seinem Onkel sprach er von dem,
was seinem Herzen roeuer war. zin
rner wieder wußte der Professor ihn
mit neuer Hoffnung zu beleben, denn
der Vater hatte sein Kind nicht aus
den Augen verloren; er hatte sie auch
aus der Ferne behütet und bewacht,
um sie gesorgt und für sie gezittert.
» Hans sah von weitern schon die
kduntle regungslose Gestalt. Er be
schleunigte feinen Schritt und hob die
Liegende vom Boden auf. Jm Mond
licht sah er ein blasses, schmales, ihm,
» ach. so vertrautes, liebes Antlitz. Die
; Augen waren geschlossen, und die her
llden Falten um Mund und Stirn
zeigten, dafz der sorgenlose Frühling
dahin to«ar. Und trotz alledem jauchzte
er auf tm Herzen und umfaßte mit
! seinen starken Armen fester die zier-«
liche, leblose Gestalt und trug sie ing
Haus. s
»Wieder heimgefunden!« jubelte er, »
und in seinen Augen glänzte eine
Tbriine.
--—-s-·-.--——
s
Die Uhr.
s
s
l
Jtovellette von lstustave Guivillier.
Autorisirte Uebersetzung aus dem
Franzosischem
Jn lspial aab es um das Jahr ITW
« vielleicht war es auch noch früher,
denn es ist schon so lange her, daf; idi
mich nicht mehr genau des Datums er
innere eine Uhr, die mit einem
kunstvollen Mechanigmus versehen
war, der ein Glockensviel und allerlei
Figuren in Bewegung setzt-. s
Von Nord und Süd, von Ost tin-II
West tanien die Neugierig-In lieiderleii
Geschlechts um die Mittagsstunde unsii
drängten sich in den kleinen Laden dei- s
alten Meisters Tivhaine, ieg talent s
dotiert Erbauer-« dieser loxnplizirteus
Uhr. Meister Tiphaine hatte nie ein »
gewilligt, sich von seinen. Meister- ’
wert zu tretten: alle noch so aiinsii »
aen Anerbietungem die in Menge tssp
rnen, lehnte er stets-. mit den Wort-Ins
ab: ;
»Noch meinem Tode gehört die Uhr I
meiner Vaterstadt... mich jetzt von
ihr trennen, wäre siir mich gleichbe s
deutend mit Sterben, denn sie ist eins
Theil meines Lebens . . .« s
Und Meister Tiphaine übertricv
nicht« wenn er das sagte.
Ueber l5 Jahre hatte er sich in die
Berechnungen Conrad Dasypodiiii—.
des tsrsinders der Straßburaer Miin
steruhr, vertiest und viele Nächte über
dein Heron mathematicug und andern
gelehrten Büchern zugebracht und iitser
den Mechanismus seines Wertes nam
gedacht; lu Jahre brauchte er, unt ihn
praktisch auszuführen Jedes Stück
fertigte er selbst — und Gott weiß
wie viele Theile dazu gehörten! —ae
duldig fügte er sie zusammen nnd
nach tausend und abertausend vergeb
lichen Versuchen und heimlich durchs
tämpsten Enttäuschungen war er end
lich seiner Sache sicher.
Nein. Meister Tiphaine übertrieb
nicht, wenn er sagte, daß die Uhr einen
Theil seiner selbst ausmache!
Eines Tages hatten die Bewohner
von Epinal erfahren, daß der alte
Uhrmacher sein Wert vollendet, und sie
waren ausgesordert worden« »de visu
et de auditu« sich von der Volltom
menheit der Uhr zu überzeugen.
Keiner fehlte, und alle bewunderten
die äußere Form der Uhr, die eine Art
Burg, wie man sie in jener Zeit liebte,
darstellte; Thürnie und Zinnen, Erler
und Mauerzacken waren vorhanden
und verbargen dem Auge das geheim
niszvolle Räderwerl; als aber Punkt
12 Uhr Mittags der Mechanismugge
harnischte Glöckner, Herolde und Apo
stel in Bewegung setzte, als die Glocken
läuteten, als ein lustiges Lied ertönte,
der Hahn sein Kileriti. der Ochse sein
Brummen, der Esel J—a, J-—a ver
nehmen ließ und die fette Gans ihren
heiseren Schrei —der, wie man weiß,
von der Ertältung einer Vorsahrin in
der heiligen Nacht herrührt -— ertönen
ließ, da kannte dir Verminderung
aller keine Grenzen; der Enthusias
mus ivar ungetheilt.
»Noch einmal! Noch einmali« so
riefen alle.
»Das kann ich jetzt nicht,« antwor
tete Meister Tiphaine, »der Mechani5-s
mus spielt nur alle 24 Stunden; wenn
ich das Geringste ändern wollte, tviirde
ich das ganze Wert zerstören, und ich
bin zu alt, um eine solche Arbeit noch
einmal zu unternehmen. Kommt mor
aen um dieselbe Zeit wieder-«
Und von da an fehlte es täglich um
die Mittagsstunde nicht an Neugierig-en
im kleinen Laden des alten Meisters-.
Doch nach einiger Zeit wurden Mei
ster Tiphaine die Lobeserhebungen
gleichgültig, in allen bewundernden
Ausrufen horchte er nur aus ein Kin
derlachen, ein klares-, fröhlichesLachen,
hell wie Kristall und viel melodischer
alg das geheimnißvolle Läutewerl der
Uhr. Von allen neugierigen Gesichtern,
die sich ihm zuwandten, sah Tiphaine
nur eins, das rostge Gesichtchen der
llemett sllnsjcihrjgen Wilhelmtnc, set
nes Enteltöchterchens.
Wilhelmine versäumte keine einzige
Mittagsvorstellung. Meister Tiphaine
setzte die Kleine in der ersten Reihe
auf einen Schemel nnd dann zog er
das Tuch von der Uhr fort. Von dem
Moment an war er nur noch Auge und
Ohr fiir sein Enleltind; ebenso unge
duldig wie das Kind zählte er das
,.Tick«, »Tacl«, wartete auf das Ras
seln des Räder-merks. Regungslos,
entzückt richtete Wilhelmine die großen,
blauen Augen auf die Burg.
»Kla« tlat! frrru!« Ketten,
Feder, Zahnräder setzten sich mit eigen
ithiimlieh schnurrendem Geräusch in»
Bewegung.
Von Wilhelmines Gesichtchen las
Meister Tiphaine alle Erregung des
Kindes ab und war entzückt.
»Kitiriti!« und der Hahn erschien
oben auf dem Dach.
Wilhelmine faltete die Hände.
Auf den Thürmen tauchten die He
rolde auf; die Glöckner läuteten und
Wilheltninesz Augen wurden immer
größer.
Nun erscheint das Jesulindlein in
der sirippe da ist der Esel, der Ochse
und die fette Gans-. Hoch oben schwe
ben Engel und eine Taube mit dein
Lelzioeig Die Weisen aug dem Mor
genlande und Hirten mit ihren Heer
den tiehen vorüber.
Wilhelmine fängt an, auf ihren
Scheinel hin und her zu springen, dass
Mündchen ist halb geöffnet und ver
langend streckt sie die Handchen vor;
auch der Großvater wird ungeduldig:
wie dass stmd wartet er auf die Ueber
raschung.
Und da tonnnt sie! Die Versuchung
des heiligen Antonius! Die Teufel
then tanzen und ,,er«, der »Freund«,
springt hin und her, und das war die
Ueberraschung. auf die Withelmine
wartete. Sie tlatscht in die Händchen
nnd hinkt nnd lockst-V VII-III hist-o- On
t
cheni Daran wartet Meister Tiphaine
und dann lacht er anat, der alte Mann,
bis ihm die Thränen iiber die Wangen
laufen, nnd wenn der Hahn wieder
zum Schluß fein ,,Kitiriti« ertönen
läßt, dann nimmt er das kleine la
cksende Mädchen in die Arme, drückt es
an sich, so daß sich die weißen und
blonden Haare vermischen und tiifzt sie
wieder und immer wieder.
Und eines Tages-, als-«- die Neugieri
gen pünktlich wie immer kurz vor 12
tlhr in den tleinen Laden tominen, da
tagt Meister Tiphaine mit arpreßter
Stimme: »Heute nicht.« —-- ,,Waruin«,
heißt es, »ist die Uhr zerbrochen?«
»Die Uhr ist in guter Ordnung,«
antwortete der alte Mann traurig,
»aber Wilhelmine ist trank . . . das
arme kleine Dingelchen ist trank, nnd
wir warten auf den Arzt, der wohl
gleich kommen wird· Ich bitt’ Euch,
geht leise heim.«
Als das geschehen, geht Meister Ti
phaine in ein Zimmer, dessen Fenster
dicht verhängt sind. Jn einem Alloven
steht ein weißes Bett und in demsel
ben liegt etwa-s ganz Weißes-, Bartes-,
das war Wilhelmine5 am Fußende des
Lagers steht ein junger Mann und
eine junge Frau, die das Kind ans
sehen. Meister Tiphaine schleicht auf
den Fußipitzen hinein, und als er
ganz nahe dem Bett steht, fragt er:
»Nun, mein Sohn, hat sie euch ge
antwortet?«
»Ach nein! Sie versteht nicht, was
wir zu ihr sagen... und doch hat sie
d: großen blauen Augen weit geöff
n- .«
,,Vater,« sagte die junge Frau, »wir
ist so angst, Wilhelmine liegt nun
schon stundenlang unbeweglich wie
eine Todte.«
Meister Tiphaine beugte sich über
das Bett, und während er zu lächeln
versuchte, sagte er zärtlich:
»Wilhelmine! Wilhelmine!«
Das tranke Kind hat die Augen
weit geöffnet und scheint doch nicht zu
sehen; die Kleine rührt sich nicht.«
»Gott steh’ uns bei,« stöhnte Meister
Tiphaine.
Am Tage zuvor hatte die Kleine
kurz nach der Vorstellung angefangen
zu fiebern; während der Nacht hatte
sie phantasirt und nun lag sie schon
stundenlang regungslos. Meister Ti
phaine sieht das blasse, kleine Münd
chen und dentt an dag fröhliche La
chen, das er gestern noch gehört hat.
Es klopfte und ein alter Mann tritzt
herein.
»Wilhelniine,« sagt Meister Ti
phaine, »der liebe Doltor kommt und
will dich gesund machen.«
Der Arzt sieht das Kind lange an.
,,Nun·?« fragte der alte Meister-.
Der Arzt macht ein bedenkliches Ge
sucht und sagt: »Ein schwerer Fall.«
Als der junge Mann das hört, führt
er die junge weinende Mutter hinaus.
»Was müssen wir thun,« fragt
Meister Tiphaine angstvoll.
»Vor allen Dingen muß das Kind
csug dieser schädlichen Apathie aufge
riittelt werden. Versuchen Sie. die
Kleine zu zerstreuen, ihre Theilnahme
zu erwecken.«
Dann geht der Arzt.
Die junge Mutter setzt sich ganz
dicht an das Bettchen des Kindes und
fängt an, der Kleinen all die Liedchen
vorzusingen, die sie so gern hörte, aber
an Wilhelmine war zu sehen, daß sie
dem Gesange der Mutter gar nicht
zuhörte.
Unter Thtänen schluchzt die Frau
da aus. Und der Vater beginnt der
Kleinen Geschichtchen zu erzählen und
Scherz zu treiben, aber alles ist ver
geblich, und als ihm die Kraft ver
sagt, da versucht eg die Mutter von
neuem mit den Liedern.
Die Stunden verrinnen und immer
farbloser wird Wilhelmineng Gesicht
chen. Berzweiselt schweigen die Eltern,
und in dem stillen Raum war mit
einemmal nur noch das regelmäßige
Ticktact der Uhr im Laden nebenan zu
vernehmen.
Meister Tiphaine zieht die Augen
brauen zusammen; plötzlich geht er
auf seinen Sohn zu:
,,Hilf mir Wilhelmines Bett bisJ
vor die Uhr schieben.
,,War:un?« fragte der junge Mann.
»Das sollst Du gleich ersahren.«
Die beiden Männer schieben das
tiinderbettchen big dicht vor die Uhr,
und Meister Tiphaiue nimmt das
Tuch von seinem YJteisterwert; die
Burg toird sichtbar. Wilhelinineg
Augen scheinen sich zu beleben.
»Sieh mal, Wilhelminel schau doch,
mein Liebling! jetzt sollst Du gleich
die heiligen drei Könige und den hei
ligen Antonius sehen.·. o, tnie Wird
mein Oersblatt lachen!« · ..
Aber der junge Mann sagt:
,.Vater, es ist jetzt 11 Uhr Nachts
und morgen Mittag um 12Ubr kom
men die Figuren erst zum Vorschein
Ob Wilhetmine bis dahin warten
wird?«
»Sie soll aarnicht warten.«
»Aber Vater,« entgegnete der junge
Mann, und ein Zittern überfällt ihn,
»der Mechanik-muss wird zerstört,
wenn die Figuren jetzt hervortreten
sollen.«
»Ja, gewile«
»Aber-, Vater... die Uhr ist dein
Etlieistertvert.«
Mit einer Handbewegung wehrte
der Alte dcm Sohne das Weiterspre:
chen und sagte:
»Bei-eine mir!"
Er zog Nägel, Schrauben und
Plättchen heraus und bald liegt das
Radwert vor· ihm; langfam nur ari
beitet er, denn die Hände zittern ihm.
»Gieb mir den Hammer,« befiehlt
er plötzlich.
Schon hat er denselben in der Hand
erhoben, da zögert er... wurde es
ihm leid? Er sieht auf Wilhelmine,
Pie die Augen auf die Uhr gerichtet
)at.
»Daß auf, Wilhelmine, mein Herz
blatt... nun gnbe gleich was zu
lachen! .. .. nicht wahr, Du lachst mit
dem Großvater!«
Und der Hammer trifft das Räder
wert.
Es geht wie ein Stöhnen durch dass
ganze Wert. Die Federn geben nach,
cin Schnnrten wird vernehmbar...
Meister Tiphaine wirft den Hammer
fort und lehnt kraftlos gegen die
Wand.
.,Beleuchte die Uhr mit der Lampe,"
ruft er dem Sohn zu, »und nun...
Wilhelmine, mein Liebling, paßt auft«
Wie rasend taufen die Zeiger-—
»Klas, klat!... frrn! Kitiriti!« —
Da ist der Hahn! Da sind sie alle, die
W
;
Köni e und diehirten und die herr- "
den, mmer wieder iehen sie vorbei.
Wilhelmine hat ich in ihrem Bett
chen auf riätetz urnfi die Lippen liegt
es wie e n s waches Lächeln.
»Ah! da kommt auch der heilige An
tonius gesprungen, schneller denn je,
und alle Figuren führen zur-gleicher
Zeit einen rasenden Tanz aus, und das
Glockenwert läutet, als könnte es gar
nicht genug bekommen.
Und das schwache Lächeln wandelt
sich bei Wilhelmine zu einem Lachen,
und immer kräftiger und lauter wird
es und schließlich klingt es so wie in
gesunden Tagen.
Aber während das kleine Mädchen
dein Leben zurückgewonnen wird, geht
die Uhr ihrem Ende entgegen. Es ra -
selt und klappert in dein Werk und die
Töne thun Meister Tiphaine weh. Urn
sie nicht zu hören, lauscht er dein La
chen des Kindes-. Und wieder ein Ras
seln und Klapperm länger und lauter,
dann wird es stili: die Uhr steht . ..
ssber Wilhelinine lacht noch heiter und
glücklich
»--—-.--—-——
Der Zitckergerrrrß.
Wenn ein Arzt ein Mittel erproben
will, so nimmt er irgend ein geeignetes
Versuiisszthier, sucht diesem dasselbe
beizubringen, beobachtet die Wirkung
und schließt auf den Menschen. Wenn
wir diese Prozedur mit dein Zucker
versuchten, würden wir finden, daß
fast alleThiere begierig nach einem
Stint Zucker sind. Das Pferd, der
Hund, der Affe, der Papagei, der Ka
narienvogel und viele andere Thiere
verzehren den Zucker mit großem Be
hagen. Wenn er schädlich wäre, würde
die Natur den Thieren einen Wider
willen oder einen Abscheu dagegen ein
geflijfzt baden. Es ist doch wunderbar,
tan im Gegentheil das Thier den
Nährwerth des Zuckerg erkennt, ob
gleich dieser ein chemisches Kunstpro
dult ist. Wo die Natur so deutlich
für den Werth deg Zuckers als Nah
rungsmittel spricht, da brauchte ei
gentlich der Arzt nur zuzustimmen.
Nun haben aber auch außerdem viele
ist«-k- . in k, » «
quuuyh Näh Ucl Ucll Voll-usw« ch
Bergsteigern, Bergleuten, Schiffern,
und anderen angestrengt Arbeitenden
die kraftsparende und trafterhaltende
Eigenschaft des Zuckers auf's klarste
dargethan, ja der Arzt verordnet so
gar Kranken Zuckerwasser und läßt
tie Arzneien fast sämmtlich durch
Zucker verreiben. Der Zucker ist also
dem menschlichen Organismus durch
aus nicht schädlich, sondern sehr nütz
lich
Daß häufiger Zuckergenusz bei Kin
dern die Caries der Zähne fördert,
lann nur dann der Fall sein« wenn
die Kinder nicht gewöhnt werden, die
Zähne gehörig zu reinigen und den
Mund nach dem Essen auszuspülen.
Sonst würde auch der Genuß des
Obstes, des Honigs, des Kuchens eine
schädliche Wirkung aus die Zähne
haben.
————-.-.
Zwei Muthigr.
Frau Un einem zndringlichen Hau
sirerk »Jetzt machen Sie aber, daß
kZie fortkommen, sonst rufe ich meinen
Mann!« — Hausirer (ge1nüihlich):
»Bei dem war ich schon ..... Der
hat mir mit Ihrer werthen Person
gedroht!«
münstige Gelegenheit
Er lsehr verlier-tu »annni, ich
kann mich nicht satt sehen an Dir!«
Sie:. »Dann laß doch mal etwas
zu essen kommen, ich habe auch Hun
geri«
Besotatcr Gatte.
»Ist der Sitz bequem, Liebste? stag
te der Mann, als das Ehepaar im
Parkett deg- Theaters Platz genommen
hatte. »O ja, ein sehr schöner Sitz,«
erwiderte die Gattin vergnügt lä
chelnd« —— »Fi.ihlst du auch keinen
Zugs« —— »Nicht im Geringsten.« —
Oänk k:.. -...t. t.:.-.
»Vin» »so uuw unn- chhcu dgl-UT litt
Wege?« —— »Nicht einer.« — »Ver
sperren dir auch keine Pfeiler die Aus
sicht?« —- ,,Nein wirklich, der Sitz ist
auggezeichnet.« — »Na, Liebste, dann
hast du wohl nichts dagegen, wenn wir
mit unseren Sitzen tauschen.«
Vater-fiele
»Mein Sohn auf der Universität
macht mir wirklich viel Freude! Drei
prachtiae titenommirichmisse hat er
schon und einen Liter Bier trinkt er
ans einen Zagt«
Die Hauptsache
Feuerveriicherungsaaent tzum jun
gen Ehemath » ..... nnd Sie be
kommen nicht nur Sachen ersetzt, die
vollständig verbrannt find, sondern
auch fiir izlngebranntes giebt es Ent
icttädianna.« —— Junger Ehemanm
»Auch fiir angebranntes Essen?«
Schlechte Landschaft.
Photograph: »Ich habe Sie so
lange in meinem Atelier vermißt; Sie
waren doch früher immer ganz zufrie
den mit meinen Leistungen.« -—— Sinn
de: ,,Eben deswegen; ich sagte mir:
Bist wo gut »aufaenommen«, darfst
Du nicht gleich tviederkommen!«
Ver-kannt.
Dichter: »Mein Stück scheint Jhnen
nicht gefallen zu haben; Sie machten
so ein recht verdrießliches Gesicht, als -
Sie aus dem Theater kamen?" —
Fräuleim »O nein, das Stück war
ut . . » ade- ich hatte einen haßnchm ;
kaum gehabt!«