Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 01, 1904, Zweiter Theil, Image 13

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    Weißes Haar.
Erzählung aus dem e«I:heaterleben von .
U. v. Ziegler-Schwarz. s
—·— s
JDat «·Votel zum schwarien Bären«
in D—berg hatte ein sogenanntes
demnzimmey in dem ein großer
runder Tisch tand, auf dem Fritz, der
Obertellner, ormittags um zehn und
Nachmittags um sechs Uhr eine kleine
Tafel aufpslanzte, auf der zu lesen
stand: »Stamtntisch.«
An diesem Tisch saßen drei Herren,
die sich in etwas erre ter Weise über
Theaterdinge unter ie ten.
Als das Gesprii gerade eine ziem
lich ernste Wendung zu nehmen schien,
trat Theaterdireitor stiedhold ein
und wurde auf der herz ichste von den
drei« »ftreitbaren « Geistern« bewill
lommnet.
Der Theater-direkter war soeben
mit seiner Gesellschaft in H-—berg an
tommen, und da er in den Mauern
ieser Stadt ein gern gesehener Gast
war —- er besuchte H—berg bereits
das siebente Mal —- so hielt er es na
türlich für seine Pflicht, dem »Ob«
åaupst sosort seine.Reverenz zu ma
en.
»Ich werde in diesem Jahre«,
sprach Friedhold, »Jhre lühnften Er
wartungen übertreffen — denn mein
neuer Liebhaber —- Snburg heißt er
übrigens —- stellt alles bisher Ge
sehene in den Schatten, und ich tann
getrost und ohne anmaßend zu sein,
behaupten: Kein Hoftheater hat auch
nur annähernd eine solche Kraft zur
Versagung Selbstverständlich ist
Syburg noch Anfänger —- drnn wäre
das nicht, tönnte er nicht bei mir rn
gagirt sein —- aber sein »Stönnen« ist
anz eininent — phänomenal — und
individuell in jeder Rolle; dabei wird
er durch eine ungemein sympathische
Persönlichkeit unterstützt —-- spricht
mehrere Svrachen — und wag ich
durch Zusall erfahren —- er soll einer
altarrstotratischen ruslischen Familie
entstammen — entweder ein Gras oder
vielleicht auch ein Fürst sein, den
widrig Berhältni e oder die öchste
geiterung siir de Kanstzum hea
ter gEletriebeu haben.«
den Wundermann lin ich
wirklich neugieri ,« sagte etwas zwei
selnd Bürgermeiftet Waner »wenn
nur nicht etwa ein Nihilit dahinter
steck
»Noch nicht alles, meine Herren —
der Mann wird noch interessanter,«
suhr Friedhold sort, .,wissen Sie, er
hat trotz seiner 25 Jahre, die er zählt.
volles dicktgelocktes —- schneeweißes
haar.«
»Und trch nicht etwa rotlie ArtaenZ«
siel der Aintsrichter em. »Na-schwar
zen Schnurrbart und dunkle Augen,«
erwiderte irr T aterdirettor.
Am anderen « age, an welchem die
erste Vorstellung »Der Köntggleut
nant« mgeßeesben wurde, erzählte man
seh r ganzen Stadt von dem
ehönen Liebhaber mit dem schneewei
ßen Haar —— der sogar ein österreichi
scher Crzvrxszog sein und einer Schau
spielean wegen aus Rang, Namen
und Vermogen der ichtet haben sollte.
Bürgermeister « anger, nebst Frau
und Tochter. satz in der ersten Reihe
des Sperrsihes, und leytere, ein rei
zendes Vlondtöpschen von 18 Jahren,
rückte in der Minute zehnmal unruhig
aus dem Stuhle hin und her, so dasz
die gute Frau Bürgermester ansing,
nervös zu werden, und ,,(Flschen« «
so hieß das-! Töchterchcn —-—- Vorwürfe
weaen ihre-i unruhigen Temperament
zu machen begann.
Als um 2 Uhr Nachts der Nacht
mächter an dem Hause des Bürger
meisters vorüber ging und noch immer
Licht in Elschens Zimmer sah, sagte
er besorgt «S tin Eis-then wird doch
nicht« trant sein Das wäre ja trau
rtgrs
Und »Schön Elschen« war lranl —
!iebestrant sp- Der Pfeil des lleinen
Liebesgottes faß fo feft in ihrem Her
zen das-, fi- lein Auge zutbun konnte
während der langen Nacht.
Die braven H--berger waren wie
aus dem hättst-den« Vergnügt fchmttn
zelnd lief Friedhold umher, unt wo er
fich blicken ließ, machte man ihm
Complimenie wegen- feines rottreff
iichen Enfembles und feines aenialen
iden. Seit drei Wochen war er im
rte, und das Theater machte die
glänzendftm Geschäfte — mer be
danerteman den Liebhaber ni- in der
Itneipe iu sehen.
Verschiedene Einladnnaen anaefes
heiter Bürger hatte Stil-arti höflich
abgelehnt uii der Be,rilnktkna, daß
er eine neue Rolle ftudirte. Da, eines
Tages erhielt er einen Brief des Bitt
rmeifierg Wanger, in welchem zu
efen stand, daß das Oberhaupt der
Stadi, herrn Syburg, zu einem chfel
Subpe einlade —- und —- der Einge
ladene erschien.
Seiten nsar es fo luftig bei »Mir
germeiftet5« zugegangen wie heute.
Der »Echciufpieler« war, wie man
allgemein sagte, von einer entiiitietsden
Laune· Nur einer schien ihm nicht
Kiderl hold zu fein. Das svar der
feren :.r und St-.nt«gan«vatt«chaft
Subftitut Dr. Murnerx der wollte
nicht mit einftimrnen in den allgemei:
nen Jubel.
»Ja kleineren Staaten treibt man
qemiihnlich nicht Komadiantswcultns
rsa ifl man fonft mißtrauifeh und,
wie die Erfahrung lehrt —- in den
meisten Fällen nicht mit Unrecht,«
sagte er zu dem Amtsriehter See
mann.
»Not, biet in dein Falle be ht ficher
eine Ausnahme, denn iG be auch
Menfrlskenienntnifz und int- Wehen,
der Mann ift mir auch an sym
s
i
pathigch — keiner Bes idenbeit —
eine eltcne u end bei chauspielern
-— und seines ifsens wegen. — Jch
glaube sogar ehört zu haben, daß er
auch Philosop ie studirt hat.«
»Wir werden ehen, wer Recht be
hält," gab ereizt der Referendar zu
rück, dann fchlängelte er sich langsam
an Syburg und Fräulein Elschen
heran.
Als Elschen den Referendar kom
men sah, erhob sie sich und bat Sy
khurg mit ihr einen Rundgang zu ma
en.
Der Referendar Dr. Murner merkte
die Absicht, lnirschte vor Wuth mit den
Zähnen und sagte fiir sich: »Warte,
Komödiant — ich tränke dir es.ein——
mich kränkt man nicht ungestraft!«
» »Ich fand es von unserem Apothe
ler abscheulich, Sie danach zu fra
gxem wie es kommt, daß Sie bei Jhrer
ugend weißes Haar haben,« sagte
Elschen zu ihrem Begleiter, ,,es war
»recht, daß Sie ihm keine Antwort ga
! ben, Herr Shburg. Was kümmert es
»diesen neugierigen Menschen —- was
TSie schon im Leben erlitten haben.
sJch sah es wohl; daß Jhnen seine
JFrage peinlich war.'«
; ».-as war es nicht allein mein gnä:
Fdiges Fräulein,« erwiderte Syburg,
»denn es steht ja in meinem Belieben,
die Antwort zu verweigern. Jch bin
seit über zwei Jahren daran gewöhnt,
nach der Ursache gefragt zu werden
— also ziemlich abgsekühlt dagegen.«
»Und wenn ich Sie gefragt hatte,«.
kam es zögernd von Elschens Munde, ;
,.wiirden Sie es mir gesagt haben?«!
LJr sahksie lange und schweigend an:
—«« uuun sprach er; »Junen, mein gnu-« -
diges Fräulein —- ja — aber nur Ih
nen.«
Pankbar blickte Elschen zu ihm
au .
»Natürlich nicht hieri« fiel sie
schnell ein, »aber vielleicht treffen wir
uns einmal zufällig aus dem Eise-—
oder im Schüsenthak Sie kennen doch
unseren Stadtpark?«
»Gewiß, gnädiges Fräulein! Meine
eit erlaubte mir bisher leider wenig,
paziergänge zu machen —- von mor
gen ab gehe ich stets Nachmittags in
den Part. Vielleicht sehen wir uns
dort einmal —- zufällig«
i e- i
Am anderen Tage trafen sie sich
dann auch zufällig. Und sie gingen
in dem einsamen Park lange neben
einander, ohne ein Wort zu sprechen
—- sie brauchten teine Worte, denn in
ihren Herzen sprach es mit lauter
Stimme « daß sie sich gesunden, daß
sie sich liebten von dem ersien Augen
blict an, da sie sich in die Augen ge
blickt. "
Endlich erinnerte sie ihn mit zagen
den Worten an sein Versprechen.
Und er begann zu erzählen. Von
ieiner Heimath in Russland, von seiner
Mutter, die ihn so zärtlich liebte, und
dem Vater, der, obgleich Aristokrat
und einer der reichsten Grundbesitzer,
ihn mit äußerster Strenge erzog und
ihm nur geringfügige Summen fiir
das Studium aus-setzte, während er
den älteren Bruder, der das wilde
Naturell des Vaters geerbt hatte, mit
dem Gelde herumlverfen ließ. Wie
dann eine arme Verwandte, die He
lvise hieß, zu feinen Eltern ins Haus
lam, als er das LU. Jahr erreicht
hatte, und wie er während der Ferien
so glücklich war in ihrer Nähe bis
der Bruder zurück kam aus Paris, tvo
dieser zwei Jahre in dulci jubilo ge
lebt hatte. Und mit einem Schlage
war sie dann anders.geioorden - - feit
der Rückkehr des Erstgeborenen, des
Erben, des späteren Besitzers aller
Gitter und des großen Verrnöens
Aber er hatte es erst fiir eine au
schung gehalten, bis er es einmal mit
-;----n Ulus-n gis-schon tnss Co III
Itzt-»st- ssssHku :zs1sqk--, sssk so- aq
blondes Köpfchen an die breite Brus
des Bruders legte und seinen Rusz
duldete. Wie er verzweifelt in den
Wald gegangen, Tag für Tag, und
sich vorgenommen, weit fort zu reisen
—- aber wie mit magischen Banden
gefesselt zurückblieb, weil er eg nicht
zu ertragen geglaubt, daß er sie nicht
mehr sehen sollte — nicht mehr ihre
Stimme hören, die einst ihm Liebe
geschworen und ihn dann verrathen
les reichen Erden wegen. Dann, als
er eines Tages ausdieJagd gegangen«
habe er seinen Bruder im Walde im
Kampf mit einem Wilddiebe getroffen
und gesehen, wie der Wilderer dem
Bruder das tödtliche Blei in die Brust
sandte und davonlief. Wie er den
Verbrecher verfolgt hatte, aber des
großen Vorsprungs wegen ihn nicht
erreichen tonnte. Dann, als er zu
rückging und sich um den verwun:
deien Bruder bemühen wollte und sah
—- daß dieser todt war. Wie er nach
Haufe lam und dem Vater die Nach
richt brachte « und dieser ihn erwiirs
gen wollte—ihm zurief: »Du hast ihn
getödtet, Bube —- du —- des Erdes
wegenl«
Das alles erzählte Shburg so
schlicht und einfach. Und das blonde
Mädchen an seiner Seite lauschte aus
jedes seiner Worte.
«Aher,« fuhr er fort, »als der eigene
Vater mich in Ketten legen ließ und
mich des Mordes antlagte, da em
örte sich mein Innerstes, da vergaß
ch die Bande des Blutes und schwor
in jener Nacht, mich zu rächen flir die
mir angethane Schmach —- siir den
sluchroiirdigen Verdacht —- den der ei
gene Vater gegen seinen Sohn aus
gerufent Was ich in jener Nacht ge
litten, mein Fräulein —- tann kein
Mensch schildern!« Und mit thränen
ersttater Stimme sprach er weiter:
»Meine Mutter kam in das Verließ
und brachte mir Geld und die Noch
richt, daß ein Pferd gesattelt meiner
in der Nähe harre. Jch mußte ihr
schwören, mich zu retten und zu flie
hen vor des Vaters Zorn — fliehen
—- ich, der ich unschuldig war. So
irre ich unter fremdem Namen in der
Welt umher —- vertannt von dem
eigenen Vater, nur mit dem Bewußt
sein der Unschuld in der Brust. Es
elang mir an dem Tage meiner
zlucht, die Grenze zu erreichen. Jn
einem elenden Gasthof übernachtete
ich, und als ich am anderen Morgen
mein Gesicht im Spiegel erblickte, fah
ich, daß mein Haar schneeweiß gewor
den war. —- Das, mein gnädiges
Fräulein, ist die Geschichte meines
weißen Haares.«
Elschen war von der Erzählung
Syburgs tief erschüttert, und tröstend
sprach sie: »Ihr Vater wird sein Un
recht einsehen.« »Ich glaube an keine
Gerechtigkeit mehr,« erwiderte er bit
ter, »wenn einmal für Augenblicke ein
Lichtstrahl in mein dunkles Dasein
fällt, so geschieht es doch nur, um mir
hinterher die grauenvolle Zulunft in
desto trübseligeren Farben zu zeigen.
Zum Beispiel: Jhre Theilnahme für
mich. Glauben Sie mir, mein gnä
digeg Fräulein, ich weiß bestimmt-,
daß sie verschwindet, wenn Sie mich
nicht mehr auf der Bühne sehen —
wenn der »Schauspieler« die Szene
Verlassen hat.«
Mit einein vorwurfsvollen Blick sah
Elschen ihren Begleiter an. Jn Ih
rem Jnneren, da stürmte cg gewaltig,
daß sie hätte laut ausschreien mögen
—- und danns sagte sie: »Sie sind un
»..--e.e c.».. eke«..«. »I. s-..... JJ
».....,., .»... ».,.,...g, ..., ....... ...,
werde Sie nie vergessen! Niet«
Da zog er das behende Kind an
seine Brust und drückte heiße Küsse
auf ihre rosigen Lippen
Einige Tage später ging Syburg
von seiner Wohnung nach dem Thea
ter-Gebäude, um zu probiren. Aus
dem Wege dahin tras er einen Post
boten, der ihm ein Telegramm über
reichte, das er hastig össnete. Nachdem
er es gelesen, lentte er seine Schritte
nach dem Haus des Bürgermeisters «
Wanger, mit dem er eine lange Unter
redung hatte.
Elschen hatte Syburg kommen
sehen, war in das Parterre geschlichen
und machte vergebliche Horchversuche
an dem Arbeitszimmer ihres Vaters.
Und als sie dann die Mutter — die
ter Vater wohl jedenfalls telephonisch
heruntergerusen hatte —- auch eintre
ten sah —- da lies es heiß und talt
iiber ihren Rücken· Gewiß hatte man
»sie« gesehen — der Vater hatte Sh
burg kommen lassen, nnd alles war
terrathen. Sie fühlte, wie ihr das
Herz bis an den Hals schlug.
Die Thür, hinter der die drei con-—
serirten, össnete sich, und der Bürger
meister trat der Lauscherin entgegen.
»Gut, daß Du zur Stelle bist —
lomm einmal herein zu 1nir.«
Wie eine arme Sünderin —- den
Blick zu Boden gesenkt, trat Elschen
näher.
»Du lennst Herrn S1)hurg?«
»Jo, Papa-«
»Weißt du, daß er ein Gras Wor
nar ists«
»Nein, Papa.«
»Der Herr Graf theilt mir soelen
mit daß er durch den Tod feine-: Va
ters Erbe großer tltitteraiiter gen-or
den ist -— dem Theater Valet sagt
und dich zur Frau hegehrt.«
« a, Papa«
»Was erwiderst du daman
»Ja, Papa!« jubelte es laut von;
Elschens Lippen. i
»Dann miissen wir also »ja« sa i
gen?« I
»Ach ja, Papa!« Und weil er dacht
schon weißes Haar hat, sorae nur da- ,
fur, daß er schneu yetratnet - und
daß morgen die Verlobungganzeige in
der Zeitung steht.«
Alle Freunde des Bürgermeisters
waren zur Hochzeit erschienen, nur der
Neserendar Murner hatte sich ent
schuldigen lassen ——- einer dringenden
Reise wegen. Der ging nicht zur Hoch
zeit des »Komiidianten« mit Etsch-en
—s weil er die Braut zu gern für sich
genommen hätte
»W———
Useewiänfchte Zutun
Als in Mecklenburg noch von Rechts
wegen Prügel verabsolgt wurden, hatte
der Geprägelte fiir jeden Hieb, den er
erhielt, einen Schilling list-H Pfennig)
zu entrichten. Nun geschah es in der
tleinen Stadt F» daß einem Uebelthä
ter fünfzehn Diebe zudittirt waren.
Als es aber nach vollzogener Exem
tion ans Bezahlen ging, vrefiigte der
Delinquent nur iiber ein Achtgroschen
stiick tgleich 16 Schillinge). Endlich
sprach der Richter: »Na, Sliiter
(Schließer), denn geben S’ em noch
en’n, denn stimmt de ReinungZ So
geschah es und jedem wurde sein Recht.
--- ,
Ein nrattiichee Arzt.
Miß Ella lzur Freundin): ,,Tenk’
Dir nur« der Doktor, der mich in inei
ner Krankheit behandelte, kam noch ein
paar Monate, als ich längst gesund
war, um mir die Cour zu schneiden,
und als ich seinen Heirathsantrag ab
lehnte, rechnete er mir jeden Besuch zu
zwei Dollars.«
Abgebliyt.
Hunger Herr: Cim Parl, zu einer
au einer Bank sitzenden jungen Dame
gegesbewufth ,,Gestatten. anädiges
z raulein, daß ich hier ein wenig Platz
nehmet«
Junge Dame: »O, setzen Sie sich nur
Sie wollen wahrscheinlich auf
Ihre Mama warteni«
Die erste Klientin.
Huncoreöke aus dem Magnarifchen von
Dr. Adolph Kohnn
Dr. Karl v. Patwary, ein junger
Rechtsanwalt in der Hauptstadt,
weilte in feinem Bnreau, und zwar in
einer nicht weniger als rosigen Stim
mung. Er hatte teine Clienten. Dafu
ein nebliger, ungemüthlicher Getöt
tag! Obschon Pawary bereits mehrere
Stunden über seine Akten gebeugt
faß, störte ihn Niemand in dieser be
schaulichen Beschäftigung
Es wurde allmählich Abend. Der
junge Rechtsanwalt iebnte sich schließ
iich erniiiöet und geärgert in seinen
Lehnfessel zurück und überließ sich sei
nen Träumereien.
In feiner lebhaft-I Phantasie zo
gen Bilder aus alten schönen Zeiten
vorüber-, ais es noch nicht so viele Ad
volaten gab und der Client fiir ge
wisse fette Prozesse feinem Vertreter
nicht die üblichen geringfügigen Ge
bühreu bezahlte, sondern mit den
Hundert Gulden - Banknoten Hono
raren nur so um sich warf. Er träumte
von einer diisteren, hoffnungslosen
Zukunft und wurde gepeinigt von dem
Gedanken daß infolge der Bestrebun
en des Haager Fsriedenscongresses
Fchließtich in der That der ewige
Friede geschlossen werden könnte und
alle itiisrzesse aufhören und die Advo
taten Hungers sterben würden.
Sctiai.derirll! Hbchft schanden-sollt
Im Geiste hielt er ein flammendes
Plaidoyer gegen das Schicksal, wel
ches ibm gegenüber so bartheriin und
irauiam verfahre Und ihm keine Ges
egenheit bieten wolle, seine Redner
iabe und seinen Scharffsnn als Ver
sheidiaer zur Geltung zu bringen.
plnmiithiq sprang er von feinem Sei
"el auf und war eben im Begriffe, das
Bureau zu verlassen, als an seine
Tbiir getlopft wurde.
»Herein: Hereint« rief er aufge
regt.
Eine eleaant gekleidete iunae Frau
rat ein, an der Hand cin kleine-I blon
Ies Mädchen.
Vaioarn setzte sich schnell und nahm
eine gar ernste Amtsmiene an. Er
ichien ganz in das Studium der vor
hm liegenden Akten vertieft zu sein.
«Habe ich die Ehre mit dem Herrn
Doktor zu sprechen?«
Der Anaeredete erhob sich nnd Ver
beuate sicks tief. »Im-Tonl; womit iann
ich Ihnen dienen?«
»O bitte, die Sache ist etwas um
stiindlich.«
(»Bravo, das fängt gut an!«)
.,Bit«e, nehmen Sie Pl(·tz.«
»Ich danie, Herr Doktor. Mich sen
det die Frau des Kanzleirathg
Erinnin zu Ihnen; sie meint, daß ich i
rnii meinem Kinde-J T
Der Ativoiat verkeiiate iich wieder.
»Es scheint eine Vosiisiindjcbaftgsache
zu sein«, lachte er bei sich.
»Vor zwei Jahren, als mein feliaer
Mann start s—«
(,,Olha· es ist eine Nachlafxsachei
Prachtvol T«)
,,Damal«: zeigte sich zum ersten
Male das Uebel —-—«'
»Das Uebel?-« (szlya. gewiß ist der
Nachlaß aerinafiiaiat
»So iit’s, ich toniine bald dara-.if.«
«Aisc bitte.«
»Es ist etwa ein halbes Jahr her,
seitdem rnbetannte Jliiiter da« länd
liche Besinthum meines Onkels, desJ
litutszbesitzcrv Loreiti Kleinert ange
zündet haben.«
»Unbelannte Thiiter?« lMie sollte
: ein Cri.siinalfall icm7l
»Wie gesagt, unbekannte Thäterx
Damals war auch mein Mädchen da
bei —-- «
»Bei den Thäterr «’«
»Nicht dach, bei meinem Onkel; Sie
müssen nämlich wissen, daf-, Herr
Äs-;. --Ä ------ kv IsiO weis fu«-I Famil-Ists
«.. ,..... «,... ..- -... W
verwickelte Prozess hatte-: nnd die
Bauern Sie wissen ja, wie biete Leute
sind waresi sehr erbittert nnd meinem
Onkel aufiäfsia, und deshalb alaubte
vie umviiche Polizei, daß die Todter
unter ihnen zu finden seien. Damals
hatte mein Onkel vielen Schaden, auch
besaß er einige Schulden, todaß er
bald daraus gezwungen loar - «
»Den tionkurzs zu erklären» iJch
sehe schon, es- ist eine Gonkurstncheth
»So ists, Herr Doktor, jetzt tonnte
Aas Kind nicht —«
»Sie als der natürliche und gesetz
liche Womitan der Ftleinen.«
,,chot)l, ich brachte dac- ziind nom
Onkel zurück und gab es in eine Pen
sion. Schon vorher war Die Kleine
sehr nerviix-, aber dort in den- Jnsti
tut brach das Nervenleidm besonders
heftig aus; fortwährend zanktr sie sich
lnit den Pensionörinnein nnd kürzlich.
denken Sie sich nur —- aber verzeihen
Sie, Herr Doktor, ich sehe, baß ich
viel zu viel erzähle; muß ich Jhnen
Denn alles sagen?«
»Alle3. meine Gnadine« ich ums-, die
qlnchelegcnlnit griinblksti kennen ler
nen, wenn ich für Sie thätig sein
soll.«
»Eine Pensionsaenofiin wurde
tiirzlich rrn meiner kleinen Jlona
lsier türchtcrlich zerlrztztf
»Aber, ich bitte, zur LEache.«
»Par"k-on, wir sind aleich dabei.
Damals lam die Pensions-Vorstehe
rin zu mir nnd sagte mir —«
»Aber ich muß bitten.«
-,,Nur noch ein Wort Herr Doktor.
ich bin gleich fertig. Also die Direk
torin sagte mir: Hören Sie nal, Ihr
Tö terchen ist krank, sehr krank; denn
Fe i t außerordentlich neroiiss auch bat
ie augenscheinlich ein veraltet-s Gehi
kopfiibel. was mein Jnstitutsarzt da
ran zurückführt daß sie unbändig
schreit, ferner hat sie ein ganz ab
scheuliches Leiden. Um des Himmels
Willen, fragte ich erschrocken, es wirt-I
doch tein ernstliches Leiden sein? O,
es ift sehr ernst, erwiderte die Dame,
das Kind ist entsenlich, ich möchte bei
nahe sagen, trankhaft und unnatür
lich nafchhaft, was, wie mein Arzt be
hauptet, sehr schlimme Folgen für den
Ma en der Kleinen haben kann. Sie
müssen das Mädchen unbedingt aus
meinem Jnstitut nehmen und es von
cfinexn geschickten Arzt behandeln las
en.'
»Schön! Aber wie fteht’s mit der
betreffenden Sache?«
»Wie, ist das noch nicht genug?«
»Ich meine, wie verhält es sich mit
dem Prozeß, meine Gnädige?« (Die
Frau spricht wohl in geistiger Ver
virrung?)
»Welcher Prozeß? Ich habe Jhnen
doch alles gesagt.«
,,Alles? Aber was kann ich in dieser
Affaire thun?«
»Was sie thun können? Nun, ich
dächte, Herr Doktor, daß Sie als Arzt
am besten wissen müssen, wie man
Magenlrante kurirt.«
»Was? Als Arzt? Wie kommen
Sie dazu? Jch bin ja gar kein Arzt.«
»Nicht möglich! Sind Sie nicht der
Doktor Fernau?«
«,Allerdings bin ich ein Doktor, aber
tein Doktor Fernau und auch kein
Arzt; ich heiße Doktor Karl v. Pat
vary und bin Advotat. Doktor Fernau
wohnt eine Treppe höher.«
»Warum haben Sie mir das nicht
gleich gesagt?«
Der Advotat und die Klientin sahen
fest-i wiss-Und »n
» omiii, liebes Lenchen,« schrie die
Dame, sich rasch vom Stuhl erhebend
und zur Thtir stürzend. Dann wandte
sie sich um und rief dem Manne des
Gesetzes empört die Worte zu:
,,Meinen Sie wobL ich hätte meine
Zeit gestohlen?
Sprach-Z und verschwand aus Nim
merwiedersehen.
Vernichtet siel Patvary in seinen
Lehnsessel zurück und begann auf’s
Neue zu träumen. . .
Die Abwesenheit sind da!
Jn seinem Heimgarten tVerlag von
Leylam in Gras) schreibt Peter Ro
segger: Vom Dichter Viktor Hugo
wird rrzahlt, daß an seiner Tafel, zu
der er stets Freunde und gute Be
kannte einzuladen pflegte, ein eichener
Lehnsessel gestanden sei, aus den sich
nie Jemand se en durfte. Leer und
still stand der " ssel da zwischen den
iibriczen besetzten Stühlen und an der
Lehne leuchtete die Inschrift: »Die
Abwesenden sind dii!« Ueber die
»Marotts.« des Dichteri- ist viel gespöt:
telt worden man bat sie dem »Aber
glauben« ziigeschrieben Liegt nicht
aber die tralire, die tiefe Bedeutung
viel näher??? Wäre es nicht bei jedem
Tische, in jeder Versammlung zweck
mäßig dasi solch’ ein Sessel da stünde
mit der Mahnung: »Die Abwesenden
sind da!« — Vielleicht wiitde manches
Wort der Bosheit, der Verleumdung
der Lieblosigleit gegen Abwesende uns-«
gesprochen bleiben. Denn die Abwe
senden sind wirklich da, sosern sie
überhaupt noch leben, sie empfinden
jedes böse Wort, jede gegen sie ausge
streute Lieblosigleit, sie bekommen es
zu siihlen, wenn nicht beute ,so mor-:
gen. Denn so wie jedes Wort der
Güte, der Liebe iiber Abweseiide ir:
gendwie, wenn auch nach vielen Wand
langen, segenereiche Früchte trägt, so
Mnn auch das böse Wort, sobald es"
einmal ausgesprochen ist, nicht ster
ben. Wird es schon nicht immer gleich
weiter gesagt, so ist es doch vorbrin
iden. Es bleibt gleichsam in der Luft
Heringen oder schwebt dahin wie eine
tGistielle, bis sie der istieiitige einath:
met, in dein oder durch den sie tin-:
beilstistei. Alter-, wag wir Schlechtes
ulrer unsere abwesend-en Mitmenschen
I--«.-- k--s.:«x.t-4 CL. -lI.-.«-«l-fL-I. «.. !..
sagt-u »Ein-thesi seu, uullluqstus du II
aend einer Form oder That und
bringt Leid. Sie, die es anaeht, sind
gegenwärtig d. h. dem Leide nicht
entrückt, das böse Reden bringen kann.
Wer sichs schon so merken kann, das-,
über Leute, die abwesend sind so we
nig Böses gesagt werden soll, als ob
sie anwesend wären, oie mögen sich ac
trost aus einen ihrer Sreisetisrhft oder
Prantsessel schreiben lassen: »Die Ab
wesenden sind da!
«—
Auch ein qunzipationessreund.
»Daß Sie Jhre Frau tauchen lassen,
wundert mich sehr; finden Sie das an
muthig?«
»Nein — aber sie muß doch dabei
zuweilen den Mund halten!«
Niederträchtig.
Neffe: »Warum ist denn Tante Sa
bine an ihrem Gehnrtgtage so wü
thend?«
Onkel: , Es hat ihr Jemand anonym
eine Schnurrbartbinde zugesandt!«
Uns-erfroren
Herr: »Gestern lalnnten Sie ans dem
linken und heute mit einem Mal auf
dem rechten Bein?«
Bettler:» Ja, Herr. wer kann das
den ganzen Tag aus einem Bein aus
halten!«
Gänseikatem
Vater (die Küche betretiend, sieht
seine Tochter mit verbundenem Arm
und weinenden Augen am Herde han
tiren): »Nami? Was hast denn Du ge
macht?«
Tochter: »Ich habe mir den Arm am
Herde verbrannt, Papa!«
Vater: .,Darum riecht’s auch so nach
Gänsebraten.«
H
Der- Tiumnlee von sit-schil
Der Berliner Lokal - Anzeiger
Treibt sein Kriegsberichterstatter aus
öul:
Von den japanischen Trupven läg
sich vorläufig wenig erzählen.
Benehmen ist gut. Der Gesundheits
zustand läßt zu wünschen übrig. Be
sonders zahlreich sind Ertältungen,
namentlich Halstrantheiten. Auch sol
len die nach dem Norden marschtrten
Truppen viele Fußiranle gehabt ha
ben. Beim Ausschisfen zeigten sich die
Leute flink und sindiq, jedem Winke
gehorchend, in den Quartieren beschei
den und sittsam. Mit Vorbehalt sei
die Erzählung von Koreanern wieder
gegeben, dak sie sich in Pyön jaxg u
Ausschreitungen hinreißen liegßen, sap
bald die Curoväer den Ort verlassen
hatten. Auf dem Marsch-e sieht man
ihre Bataällone sich schweigsam und in
guter Haltung und Ordnun bewegen.
Jni Quartier singen sie alte Siedet-, die
uns selbst in der Uebersetzung unver
ständlich sind. Nur ein nach dem chi
nesischen Kriege entstandenes Lied er
innert an Soldatenliseder. Jch ver
suchte ec- ins Deutsche zu übertragen,
so gut eEI jemand lann, der aus Mit
gefiiltl mit den Herren Poeten ihnen
nie ins Handwerk gepfuscht hat. Es
heißt :
DerTrommlervomAndschu
Den Andschu zu durchwaten war
Sonst sröt lich Kinderspiel.
Doch heut schwillt Blut die Wellen
klar.
Ein Eiscnhagel fiel. «
- , - ,)
Die Lrommei orohnt. Durch Flut-)
und Blut
Geht’s vorwärts Mann für Mann.
Es singt die Trommel frohgemuthz
Japaner drauf und dran.
Doch warum schweigt die Trommel
1e t
Und stöhnt dann leis und schwach?
Sie klagt, weil todtlvnnd, blutbenth
Der Tronimler sterbend lag.
Die bleichen Hände rühren nock
Erlaltend auch das Spiel.
Den Sturmmarsch schlägt die Trom
mel doch,
Ob auch der Trommler fiel.
Der Heimath sern die Trommel sang
Und doch oon ihr gehöri.
hr Filano ins Herz von Japan drang
as seine Helden ehrt.
Dein Tronmelrus Kam’rad erschan
Auch heut aus Land nnd Meer.
Vieriig Millionen rust er bald
Juni diampf für Japans Ehr’l
————--—-—-——
Unverdaulich.
Nach Beendigung eines Gasimahls
beim Minister des Auslvärtigen in
Rom, zu dem auch ein vornehmer
Vlbessinier geladen worden war, nah-In
ein Diplomat, der neben demselben
seinen Platz hatte, aus einer Schale
einen der gewöhnlichen hölzernen
Zahnstochen und reichte dann die
Schale höflichst seinem exotischen
Nachbarn hin Aber dieser wies sit
lebhaft zur-ich indem er sagte: »Nein,
nein, mein Herr, ich danke sehr, ich
habe slion zwei der sonderbaren Din
per aegessen und sie sitzen mir noch in
der sieh le. Für mehr muß ich wir ilich
danken!«
Aus Plattdenischlaiid.
»Je, Badder dct ig nu min Btui!«
,,Jc also det ig fes-«
»Die dei ig sel«
,,« a das bin ich, Herr Huberl«
»Hinner5, die lat man loopen, die is
Di ni treu: rie Gan-S snatt ja —- hoch
dijtfch!«
« Erbultveiebeit
Lehrer: »Wer von Euch kann mir
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Ilull til-U, Llll UUSL llLllllkll, »lile Ilq
steigern läßt? Niemand mehr?«
eDt kleine Haber: »Forfch, Herr
Lel)rer!«
Lehrer: «Forsch? Wir steigert sich
Denn dag?«
Der kleine Hubm »Forsch, Herr
ter, Oberförschter.«
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Lscillionäxz und drittens kriegt sie mich
zum »Nun-«