Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 06, 1904, Zweiter Theil, Image 14

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    J ·---s«·-s--«s scNCWWW
M V sws »N:U«VWWMMW-N -V8-«- --x«x JA- Js
MV V» WMWOW «V-Vw
goldene qumm
Triminalroman von CDAMPOL
Ä«
(5. IcrtsesungJ
pkm anderm Morgen kommt eine
; Wag. Der nach Saint Gau
Ists fahrende Zug war um sechs Uhr
,M, wobei meine arme Mama
« unde am Kopfe davongetragen
. woran sie zwei Tage darauf
- Iftelle hielt inne. ein leichter Schau
der schättelte sie und auch die anderen
waren betroffen
«Das ist allerdings ein seltsames
sommentresfenf ertlärte Vincent
bault, »aber auch nichts weiter.'«
»Und wenn sich ein derartiges Zu
Emmentrefsen bei jedem wichtigen
ulasse im Leben wiederholt?«
Der Widerspruch hatte Estelle’s
ganze Lebhastigteit wachgerufen, so
daß sie troh Germaine’5 dringender
»Bitte, sich ruhig zu verhalten, erregt
fortfuhr:
«Hören Sie weiter. Zwei Jahre
später, ich war also sieben Jahre alt,
befand ich mich in einer kleinen Kin
dergesellschast. Wir spielten, sangen
und tanzten im Garten. und von Zeit
«zu "eit kamen die Eltern und übrigen
Gie. urn uns zuzusehen. Alle hatten
ihren Spaß an mir, weil meine
Stimme schon ganz hübsch war, und
immer wieder hiesz es: Noch ein Lied
chen, noch ein Liedchen! Jch sang auch,
fodielsman wollte, denn ich war nie
mals schüchtern. Plötzlich kommt eine
Dame sehr freundlich auf mich zu,
tust mich und bittet mich um ein Lied
chen. Schon öffne ich den Mund, aber
während ich die Dame ansehe fange ich
an zu weinen statt zu singen Furcht
am klopft mein Herz, eine wahre
ngst als wolle die Frau mir etwas
in leide thun erst-sit mich nnd dort-«
wußte ich nicht warum. Später er
fuhr ich es, denn diefe Dame wurde
die zweite Frau meines Vaters.«
»Unser Verhalten widerspricht sich
wirklich großartig« , rief jetzt Ger
mnine. die den trauriqen Erinnerun
gen um jeden Preis ein Ende machen
wollte. »Wir bitten den Herrn Haupt
mann, uns von der gesinaen Hochxeit
In erzählen, und statt dessen schwatzen
wir ihm mit alten Gelchichten den’
Kopf voll.«
Esielie fuhr sich mit der Hand über
die Stirne, dann tief sie in veränder
tem Tone: »Ja, richtig, die Hochzeit!
CI wurde doch getanzt, nicht wahr?
Ich wollte, ich wäre mit dabei gewe
n, ich tanze so getn!«
»Ja, ja, gewiß, es wurde qetanzt . . .
nur sit viei«, antwortete Vincent zer
streut. «Stundenlan·q hat man sich
auf einein Blase, nicht viel größer als
meine sand, herumgedreht. Jch tam
mir schließlich vor wie ein Eichhörnchen
im Käfig.«
.Und wie war die Braut?" fragte
aine.
Vincent guckte zusammen: die Erin
nerung kehrte doppelt peinlich zurück
«Vit raut«, antwortete er verwirrt,
.nnn. sie trug ein weißes Kleid.«
Eitelle lachte, aber es tlanq gezwun
Im .Eine Toilettenbeschreibung ver
ngen wir nicht von Ihnen, in dieser
Dinsicht möchte ich mich denn doch nicht
auf Ihr Urtheil verlassen. Die Per
sönlichkeit, ihr Gesicht meinen wik.·'
»Das weiß ich nicht«
»Wie, das wissen Sie nicht? Sie
sind bei der Hochzeit gewesen und ha
ben die Braut nicht gesehen-"
«Wenigstenö nicht aenau. Vor der
Kirche war ihr Gesicht verschleiert.
beim Essen faß sie am anderen Ende
des Fisches-, und dann ginaen sie fort.«
»Nun, aleicht sie ihren Schwestern?«
:Nein·«
JSie dat also nicht immer den
Mund offen?«
«Rein.«
«Und keine hochgezogenen Augen
brauen?«
»Nein-«
JUnd was fiir Augen?«
»O, damit hat es eine eigene Be
wandtniß,« erklärte Vincent plöylich
Mk «fie hat goldene Blumen da
«Wie, goldene Blumen?« wiederhol
te Frau Laneelot erstaunt. »Wer
dennk
»Ja den Au en.
« nd da be aupten Sie, sie nicht
angesehen zu haben!« verietzte die gute
Dame, sich in ihren Lehnstuhl fallen
life . Uebrigens ein poetifckkr
Weich: Goldene Blumen in den
I« ! Wie kommen Sie nur dar
M .
·Dek Ausdruck stammt nicht von
dirs seid Vincent verlean zur Ant
wort. Er fiel mir nur ein, et ist eine
Erinnerung.«
In wailk fragte Eftellr.
:II eine recht merkwürdige Ge
We, die ein Freund von mir er
sc, erzählen Sie, erzählen Sie!«
,Sie M aber in keinerlei Verbin
Jzit dem vorliegenden Falle«
« W nichts, erzählen Sie-«
te, dawir heute ja doch
Mslten Geichichten find« fiiqte
freundlich hinzu, noch im
M W, des AGREE eine hei
WMM ichM qewesen,die Bitte
· " , nd warum michs Ei
O m eine kurze Geschichte die;
: M fee-den Betst-n handelt-,
mit Niemand und mit nichts weiter in
Verbindung stand, und wenn er die
arme, kleine Patientin damit auf turze
Zeit zerstreuen konnte. . .
»Da muß ich gleich zu Anfang um
Entschuldigung bitten, Fräulein
Estelle«·. be ann er, »denn mein
Freund, der octor, den Sie ja wegen
feines Berufes nicht leiden mögen spielt
eine Hauptrolle darin."
« »Eine Geschichte. worin ein Arzt
vorkommt, kann allerdings nur eine
Schauergeschichte sein,« erklärte sie, in
dem fie sich wie Schutz suchend an
Germaine anschmiegte.
»Nein. das nicht, sie ist nur merk
würdig.« ·
So lebhaft und wiyig, als er es ir
gend im Stande war. erzählte Vin
cent das Erlebniß des ernsten. würde
vollen Doktors und seine Beftürzung
über den Vorschlag einer Verriiclten,
ihr zu Gefallen ein kleines Verbrechen
zu begeben. Aber sei es, das; Wahn
sinn und Verbrechen leinen Stoff zu
Schergen bieten können, fei es, daß der
Hauptmann wirklich in schlechter
Stimmung war, sein Witz erlahmte
bald. Unvermerlt bemächtigte sich
feiner mit erneuter Stärke der pein
liche Eindruck, den Les-mass Erzäh
lung aus ihn ausgeübt hatte und den
die drei Wochen des gleichmäßig da
hinflieszenden Lebens in der Provinz
nicht zu verwischen vermocht hatten.
Die scherzhaften Worte hörten auf,
närd rasch, fast unvermittelt brach et
a .
»Ist das alles?« fraate Frau Lame
lot enttiiuscht.
»Ja alles."
»Man hat niemals erfahren, wer
diese Person war. noch was eiaentlicb
hinter der Sache steckt?'«
»Nein, gnädige Frau?"
»Dann hat die Geschichte auch keinen
Sinn", sagte sie, mit den Achseln zu
elend
Auch Germaine schien ihrer Ansicht
zu sein; vielleicht war sie auch in der
Sorge um die Kranke der Erzählung
nicht so ganz gefolgt. Estelle aber
hatte kein Wort davon verloren Nach
kurzer Pause sagte sie wieder mit dem
früheren seltsamen Ausdruck:
»Herr Hauptmann. dars ich sagen,
was ich denke?«
»Aber ich bitte Sie, Fräulein
Estelle!«
»Auch wenn es Unsinn ist?«
»Dann um so mehr, wir werden da
rüber lachen können.«
Estelle schien sich zu besinnen, dann
sagte sie mit Anstrengung, wie durch
eine außer ihr liegende Macht gezwun
gen: »Herr Hauptmann . . . wenn sie es
wäre?«
»Wieso?« fragte Frau Lanrelot, die
ihrer Rede nicht zu folgen vermochte.
Vincent war zusammengezuckt. Da
war er wieder, der unsinnige, tausend
mal verscheuchte und hartnäckig von
Neuem austauchende Gedanke, und ietzt
in bestimmter Form, von einem stem
den Munde au sprochen.
Wenn die Fatientin des Doktor
Lepage und Frau Dulaurier ein und
dieselbe Person wörent« wiederholte
das junge Mädchen.
»Aber Estelle«, ries Germcine mit
leichtem Vorn-urs, »der Unsinn ist
wirklich ein Biöchen zu star!.'
»Warum sollte sie es nicht seini«
suhr Esielle im gleichen träumerischen
Tone fort, »du sie ia doch die goldenen
Blumen in den Augen hatt« .
»Das ist eben ein Ausdruck. Es
gibt viele braune Augen, deren Pupil
len von tleinen gelben Pünktchen um
geben sind, bie wenn man will, an bie
Staubsiiden von Blumen erinnern.«
Vincent hörte dem Wortwechsel der
beiden jungen Mädchen mit besonderer
Aufmerksamkeit zu, erschienen sie ihm
boch als die Vertreterinnen der in sei
nem Jnnern widerstreitenden Empfin
dungen. Aus Germaine sprach die
tlare Vernunft, während ihm aus
Estelle’s Stimme jenes Zunheimliche
Etwas entgegentlang das ihn seit dem
gestrigen Tage verfolgte.
Plötzlich sprang die wie immer
einem raschen Stimmungswechsel un
terworfene Estelle von ihrem Siy auf
und ries:
»Kommt, laßt uns sehen, ob wir
nicht vielleicht auch goldene Blumen
in den Augen haben. Zuerst Du . ..
Du mit Deinen blauen Augen hast
natürlich keine, und ich . . .'« Rasch lief
sie zu dem über bem Kamin hängen
den venetianischen Spiegel. »Nein, ich
auch nicht, aber vielleicht Tante Lan
relot. die hat so schöne dunkle Augen«
»Das ist das Vorrecht der Prämi
ten,« bemerkte Frau Laneelot ge
schmeichelt. Eifrig nahm sie ihre Brille
ab, rollte fürchterlich die Augen und
—— schien sast enttäuscht, als Estelle
sagte:
»Er-nie Lancelot auch nicht. Etwas
allgemeines iii es also jedenfalls nicht.
Aber wissen Sie, here hauptmanm
wunderbar wäre es tros allern, wenn
Ihre Geschichte hier eine Iprtsesung
fände.«
Dabei kehrte fee aus ihrensPlah am
Lan-in zuriia und begann in ihrer ge
wohnten kindlichen Ausgelassenheit zu
blauderm ihrer leb Einbilbungts
kraft freieq Lauf la end. Die hell
lehersiiese Aber war versetzt ]
Nachen Dir fest einmal einen
- -.-«. . «- ww ,
Zusammenhang herauszuitnden. wie
tm Frage- und Antwortspiei. Wie
hätte Fräulein Svlvie Mougin wohl
u Doktor Leoage kommen ksnneni
atiirlich von Dijon aus. Sie wird
dem gelähmtenGroßvater, der ihr nicht
nachlausen konnte, entwische sein und
wäre also glücklich in Paris. yt
wollen wir nach dem Beweggrund or
schen, nach irgend einer recht dunklen
in unsere Geschichte passenden Verwis
lung. Sie sagten, sie habe sich eines
Fräuleins entledigen wollen; der Be
weggrund ist also Eifersucht. Fräulein
Chaperon machte ihr das herz des
Herrn Dulaurier streitig. Von jetzt an
wird die Sache aber schon schwieriger,
denn zwischen der «Zinlpastete" und
Bougival einen Zusammenhang her-«
auszusindem ist nicht so einfach, aber
das wird sich alles im dritten Kapitel·
austlären. Jst das nicht ein prächtig
eingefädelter Roman?« »
Auch Vincent Gerbault sah die
Sache allmählich vom vernünftigen
Standpunkte aus an« so daß ihm die
Aehnlichkeit jetzt nur noch als ein laum ;
beachtenswerther Zufall erschien. Gern»
wäre er jetzt ebenso fröhlich aus Estel
le’s Geplauder eingegangen, wenn ihn
nicht ihre sieberhaste Lebhastigleit undj
Germaine’g besorgte Miene beunruhigt l
hätten. Er verabschiedete sich deshale
bald. (
Die arme Kleine scheint wirklich1
sehr leidend zu sein« sagte er, in seine
Wohnung zurückgekehrt, zu sich selbst,
während er traurig zu dein tlaren
Winterhimmel emporsah
Aus den Regen vom Tage vorher
war helles Frostwetter gefolgt, das die
letzten herbstlichen Blüthen des Gärt
chen-s. aus das Vincent’5 Fenster hin
ausging, geknickt hatte, während die
alten Tannen in der Ecke sich wie ver
jüngt und erfrischt in die Höhe zu
richten schienen. Auch der die Mauer
bedeckende Epheu sah srisch und grün
aus —nur die armen Blümchen hat
ten ihr Leben lassen müssen. Der eisige
Hauch der den stärkeren Nilamen neue
Kraft verlieh, brachte den zarten den
Tod. Vincent drängte sich dieser Ver
gleich auf. und im Gedanken an die
einem anderen Wesen drohende Gefahr
vergaß er das persönliche Wohlbe
hagen.
»Wenn Estelle·H Zustand sich ver
schlintrnerte, wenn das Schwerste ein
träfe und sie stürbe, welch ein Unglück,
nicht nur sür sie selbst, sondern auch
für die gute Frau Lancelot, die die
Mädchen wie ihre eigznen Kinder liebt,
und für Germaine.« «
Die Vorstellung von Germaine’5
Kummer vor allern schnürte ihm das
herz zusammen.
»Denn Germaine,« fuhr er in Ge
danken fort, ,,trisft doch das größte
Verdienst an dem idealen, durch gegen
seitige Opferwilligteit verschönten Le
ben, das diese drei vortreffliche Men
schen führen. Sie. die am wenigsten
einer Stütze bedurfte, ist nun halt und
Stütze der beiden anderen geworden.
Freiwillig, von teiner Pflicht getrie
ben, hat sie sich dieses arbeitsame, aus
opfetungsriolle und sie deglückende Da
sein geschafsen —- es giebt ja Frauen,
auserlesene Wesen. die gerade in der
hingebung ihr höchstes Glück finden.«
Schon seit einige-s- Zeit ertappte sich
Vincent bei derartigen Träumereien,
die sicherlich ihren Grund in dem neig
nißlosen Leben einer Provinrialstadt
hatten, wo der nicht hinreichend be
schäftigte Geist unwillkürlich in’s Sin
nen und Grübeln verfällt. Vielleicht
aber auch mochte das alterthümliche
haus, aus dessen traulichen Ecken und
Winkeln alte, längst entschwundene
Gestalten zu ihm sprachen, einen Theil
der Schuld tragen.
Um solchen Spukgestalten zu entrin
nen. gab es nur die Flucht, und zu
diesem äußersten Mittel griff Vincent
jetzt.
»Mein Köni! die neuen Hand
schuhe und den Schlüssel zur hinter
thüre!« ries er so laut, daß seinBursche
mit einem Satze aus seinem «dolce sar
niente« auffuhr. »Ich weiß nicht.
wann ich zurücklomme, und will die
Damen nicht stören«
Längst schon hätte er daran denken
sollen, daß sein Aus- und Eingehen
durch die hauptthüre die Damen he
läsiigen konnte. Deshalb wollte er
siir die Zukunft stets die tleine Hin
tertreppe benutzen und durch den Gar
ten gehen, anstatt, wie heute noch, iider
die gemeinsame Treppe und durch die
Vorhalle, eoo er stets aus eine Begeg
nung gefaßt sein mußte.
Eine solche wurde ihm auch jetzt zu
theil. Als er sich der Au: gangsthiire
näherte, sah er durch den Kreuzgang
eine in einen großen Shawi gehüllte
Gestalt aus sich zueilen.
Der Shawl gehörte Frau Lancelot,
die schlanke Gestalt aber war die
Estelle’s, deren Stimme ihn denn auch
anries:
»Herr hauptmanu!«
Um mit ihm zu sprechen, hatte sie ihr
warmes Bläschen am Feuer verlassen
Rasch wandte er sich ihr zu, um sie
wegen ihrer Unvorsichtigteit zu schel
ten, so wie es Germaine gethan hätte.
Sie ließ ihn jedoch nicht dazu som
men, sondern murmelte, den umhüllen-s
den Shatol ein wenig nuseinandernehi ,
nie-nd, hastig: s
»Herr hauptmann, eine Sorge quält
m; ;es isi sehr thörieht, ich weiß es
aber ich hatte ieine Ruhe, wenn
ich es Ihnen nicht mittheilte. Vorhin,l
nährend wir unseren Scherz trieben.
habe ich meine teiibe Ahnung aus turze
Zeit hergesen; aber tonia Daten Sie
sort, so lain sie wieder. Glauben Sie
mir: ein Unheil droht Jhnrnt Was es
ist. weih ich nicht, aber ich bitte Sie.
vermeiden Sie ein zweites Zusammen
tressen mit Frau Dulaurier.«
Schnell sog sie das Tuch wieder liber
i ihre vor Berlegenheit glühenden Wan
:aen. dann entsloh sie ebenso eilig, wie
. sie gekommen war, während Rührung,
"Danlbarkeit nnd eine gewisse Gering
schätzung der Ahnungen eines jungen
Mädchens in dem Ossirier stritten.
»Welche Kinderei!« sagte er. über
die Schwelle des hauses tretend, zu sich
selbst. »Aber wie viel Ueberwindung
mag dieser Schritt die arme Kleine ge
kostet haben!'·
Dann fügte er nach kurzem Nachden
len hinzu: »Nichtsdestotveniger muß
ich mir diese Sylvie einmal etwas ge
nauer betrachten·«
5.
Vincent hatte ohne bestimmtes Ziel
das Haus verlassen. Es war kaum
drei Uhr —- tvo hätte er wohl hingehen
sollen, als in das von den Ossicieren
der Garnison besuchte Kasseehausi
Von den Kameraden war noch keiner
erschienen, und so setzte er sich an einen
Tisch des fast leeren Raumes und ließ
sich ein Glas Bier nnd Zeitungen brin
gen.
Diensteisrig lam einer der Kellner
herbeigelausen, bei denen Gerbault he
reits eine beliebte Persönlichkeit gr
tvorden war. Einer wagte sogar die
Frage an ihn zu richten:
»Der Herr Hauptmann sind hoffent
lich nicht lranl gewesen. Wir haben
schon lange nicht mehr die Ehre ge
habt."
Jn Wahrheit war Vincent die leh
ten Tage nur deshalb nicht in das Cafe
gekommen, weil Edmund plötzlich die
schrptliche Gewohnheit angefangen
hatte, ihn dort im großcarrirten Hade
locl aufzustöbern und ihn mit lauter
Stimme nicht nur seine verwandt
schaftlichen Gefühle, sondern auch
»Kleinchens'« Vorzüge anzuvertrauem
Heute dagegen war ein Ueberfall nicht
zu befürchten, denn ein neugebackener
Ehemann reißt sich doch nicht freiwillig
von seinem Glücke los.
Allmählig rückte einer um den an
deren von den Kameraden an, zuerst
ein Stabsarzt und dann ein Lieute
nant von Vincent’5 Regiment, die sich
zu ihm senten. Man brachte Bier und
Karten, und bald tam ein Spiel in
gang. Auch die übrigen Tische wur
den nach und nach von Ossicieren an
derer Waffen in Beschlag genommen
und Tabatsqualm und Stimme-me
toirr erfüllt-en den Saal.
Natürlich drehte sich das Gespräch
um Stadt- und Tagestlatsch um Vor
geseßte und Dienst, Vincent hatte aber
heute nichts dagegen einzuwenden, denn
dieses Kasernem und Kasinogeschwiitz
zerstreute ihn und lenlte ihn von sei
nen heimlichen Sorgen ab·
Plötzlich machte sich in dem an Spo
rentlirren und Säbelrasseln gewöhn
ten Raume ein schleppendet, unsicherer
Schritt bemertlich Die Unterhaltung
an den verschiedenen Tischen stockte.
und entrüstet blickten die Officiere auf
den Eindringling der sie im Vorüber
gehen scharf musterte, als ob er jemand
suchte.
Jm Hintergrund des Saales ange
langt, stieß der Betreffende plöhlich ei
nen Ruf der Befriedigung auf-: »Heu
eetat Heureta!«
Zugleich riittelten zwei hände an
der Stuhllehne des hauptmanns Ger
bault, der sich betroffen umwandte und
sich zu seinem Entseyen dem großem
rirten Mantel gegenübersad, den er
wenigstens einige Wochen lang nicht
medr zu sehen nehosst hatte.
»Nicht wahr, aus mein heutiges
Kommen warst Du nicht gefaßi?« sag
te Edmund gut gelaunt, indem er sich
ohne eine Aufforderung aus den vier
ten, leergehliebenen Stuhl am Tische
«Allerdings. "
»Aber weißt Du, ich handle immer
folgerichtig; ich habe nicht nur Grund
sätze, sondern ich wende sie auch an.
Wie ich Dir schon sagte: vom ersten
Tage an muß man sein Leben so ein
richten, wie man es fiir die Zutunft
zu haben wünscht. Deshalb wollte ich
auch gerade heute ausgehen und einen
Augenblick mit Dir verbringen » . O,
ich habe es nicht eilig, Du kannst mir
gut ein Glas Bier mitkommen lassen.«
Der Stabsarzi« ein SpaßvogeL fah
Dulaurier prüfend an, als habe er ei
nen neuen Rekruten vor sich- während
ber Lieutenant krampshafi in sein
Glas schaute und aus Furcht, sich die
Ungnade seines Compagniechesö zuzu
ziehen, so that, als bemerke er die Takt
losigieit des neuen Ankömmlings
nicht.
Der mittheilsarne Edmund a r be
gann sofort die herren in seine mi
-lierrverhiiitnisse einzuweihen.
»Ich bin Lein Geheimnißiriimer,«
sagte er, »und zudem wird Gerhauii
Jhnen bereits von mir erzählt haben.
Jch bin nämlich erst seit gesiern verhei
rathei.«
«Und Jhre junge Gattin hat Jhnen
datslutgehen erlaubti«' fragte der
Stabsarzi verbindlich. «Wirb sie sich
Ists-sichs sehr einsam zu hause füh
»zreilich, aber daran muß sie sich
eben gewöhnen. Jch bin, nicht der
Mann, der sich am Gängen-and führen
take Meiner weit tie. daß ich dan
zurllrsehm um fitns Uhr erwarten wir
nämlich die Mougtns . . ."
»Es ist bereits vier Uhr,« warf Ger
bault, der tote auf Kohlen saß, ein.
Edmund aber ließ sich nichts weiß
machen, sondern sagte, seine häßliche
Aluminiumuhr heranzziehend:
»Nein, es ist erst halb vier, und mei
ne Uhr geht auf die Sekundr. Wir ha
ben also noch gute Weile« Zum uKckuch
ich muß doch wenigstens Athem
schöpfen .. .Denlen Sie sich, meine
Herren seit vierzehn Tagen befinde ich
mich in fortwährender Hehe Fragen
Sie nur meinen Vetter Vincent Da
ist einmal meine gewöhnliche Beschäf
tigung: ich habe nämlich einen großen
Haushalt, fast wie auf einemGutshofe,
iein ganzes Haus mit den dazu gehö
renden Dienstleuten, einen Garten und
eine Menge Thiere. Das alles bedarf
der Uebertoachung. und dann tamen
jeht noch die Hochzeitsvovbereitungen
idazrn denn nur auf das. was man
iselbft thut, tann man sich verlassen.
ZJch bin ein tleiner Tausendliinstler
; und verstehe von allen Handwerlen ein
, wenig. Fragen Sie nur Vincent. Mit
,diefen meinen Händen habe ich zum
jBeispiel die Möbel fiir das Zimmer
kmeiner Frau angefertigt. Seit einem
iJahre arbeite ich daran Und fast wäre
ich nicht fertig geworden. Vorarstern
Z hatte ich als letztes noch einen Tisch zu
slacliren, sogar die Nachtftunden mußte
sich dazu nehmen Bedenken Sie
doch, am Tage vor seiner eigenen Hoch
zeit! Und dabei soll man doch auch
frisch und munter aussehen. Na, ich
sage Ihnen, es war eine Schinderei,
und ich bin froh, daß es vorüber if .«
tFortfetzung folgt).
W
Un den Ufern des purem-.
Die südameritanischen Länder ha
ben dem ·weltpolitischen Interesse bis
her ziemlich fern gestanden. Die Län
der des fernsten Asiens liegen diesem
naher als jene, weil dem großen Welt
ver·l·ehr die Reise von Ost nach West
gelauIiger ist als der Abstecher nach
I den sudlichen Gebieten, die zwar selbst
verständlich nicht übersehen werden
dürfen, oder die allgemeine Entwick
lung doch nicht in hervorragendem
« Maße beeinflussen. Besonders in den
IVer. Staaten hat man denselben we
tnig Aufmerksamkeit geschenkt, wah
rend Europa die commerziellen Gele
i genheiten eher ersaßt hat, auch alte vo
litische Beziehungen, Stammes-tier
wandtschaften noch nachwirlen. Die
inneren Geschicke der Länder, Ziele und
Bethatigung ihrer Parteien haben der
, Beachtung serner gestanden als die Er
Ieignisse in Nord- und Siidasrila, in
tJndien, Australien, im indischen Ar
chipel und an der ostasiatischen Küste.
Neurrdings ist das anders geworden,
die von-amerikanische Politik bringt
jsie unserem Interesse nahek, auch das
s internationale Großcapital beginnt in
größerem Umsange als bisher sich der
»dortigen natürlichen Quellen des
»Reichtbums zu bemächtiaen, so daß
Hauch die inneren Vorgänge daselbst
Bedeutung gewinnen, da von denselben
Iauch Handel und Verkehr in gewis
ssetn Maße beeinflußt werden. «Die
sStreitigteiten zwischen Argentmien
und Chile sind deshalb nicht unbeachtet
l eblieben, ebenso die Auseinander
egungen zwischen Peru, Bolivia und
C ile, zwischen Bolivia und Brasilien,
als das Fragezeichen der kapitalisti
schen Gründung des an Gummiwal
dunaen reichen Gebiet-s vonAvre ent
stand.
. n ähnlicher Weise interessirt nun
au die Revolution in Uruguay. der
Ich lange hinziehendeKamps der »wei
m--4«1 L-- kk-I---h-D h
scll III-Ist HIHIII UlIs c-UIUIIUI-’U, Ust
zu einer Politischen Neubildung an
den Ufern des Parana führen mag.
Der Leiter der «Weifzen« ist zur Zeit
ein »General« Aperiris Saravia, der
mit den Reaierungstrupven des ge
genwärtigen Präsidenten Battle n Or
donnoz in Fehde liegt. Soweit ist
dieselbe resultatslos verlaufen. An
Bewaffnuna sind die Reaierungstrups
pen ihren Gegnern fehr überlegen, da
gegen verfiigen diese über weit mehr
und weit bessere Pferde« ein sehr wich
tiger Umftand in diesen soaenannten
Kriegen. Während die ersteren nur
langsam vorzudringen oder auch zu
rückzutveichen vermögen, verlegen die
Aufftiindischen ihr Hauptauartier um
so rascher, als sie immer nur einen
taum nennenswerthen Train mit sich
führen. So gefchieht es, daf; das von
dem Oberbefehlihaber Saravia ge
führte Heer der Manto-, von dern es
heute heißt, ej fei von allen Seiten
eingeschlossen, morgen f Inn an einem
10 oder 20 Meilen entfernten Ort
Steuern eintreibt und Pferde und
Schlachtvieh toegnimmt. So verlau
tete vor einigen Wochen, Saravia fei
mit einein ganzen heer über die bra
silische Grenze gedrängt und dort ent
waffnet worden« und zwei Sage da
rauf ftand er vor den Thoren der
hauvtftadt Montevideo. In derNiihe
der Stadt foll er wieder rsrn Rente
rungstruvven umzingelt worden fein,
ieht aber fagt man, daf, er ten Rio
Negro überschritten habe rer sich im
Norden des Landes nistet-r Uebri
gens iornrnt es auf den Ausfall der be
waffneten Zusammenftöfre tanni an:
feine der Parteien ift ftart gemin- die
andere entscheidend niedern-werfen
Von Bedeutung wird er fein. welche
Rolle die Nachbarstaatesi Asaentinien
und Brasilien foielen irr-THI. Mit
der Zöderalvartei des :n--«r-r-.:en bra
silianischen Staates Rio Mrande do
Sul haben die Blanrog siets ein reaes
Freundschaft-« fast B«rndesverh««tnifz
unterhalten. Bei allen ihren zahlrei
Ulftitheren Aufftiinden lzisiete span
i m dort jede billie und führte
ihnen bewasfnete Danden Ins tlttt
Waffen bezogen fie immer dur. ser
mittluuz ihrer brafilts Freunde.
Dieses sinvernehmen ärt sieh ans
der Thatsache, daß in den den Blan
cos unterstellten Verwaltunnibe irten
sich verhältnismäßig zahlreiche rast
llsche Biehziichter und Landkrämer
angesiebelt haben, außerdem kommt in
Betracht, dass die Fäderaliftenpokktk
Rio Grandes die Lostrennung ihres
Staates von dem übrigen Brasilien
und die Bildung einer neuen Republit
anstrebt, der Uruguatp beizutreteu
hatte. Man spricht sogar von der
2 Möglichleit, die beiden jenseits des Pa
i
!
l
l
l
«
-
rana gelegenen argentinischen Provin
zen Entre Rios und Corrientes dem
neu zu griindenden Staate angliedern
zu können. Selbst unter dem Kaiser
tbum lief; die brasilifche Diplomatie
öfters den lebhaften Wunsch erkennen,
das ganze Gebiet östlich des Paranad,
also die Republit Unruguay, die ar
gentinischen Provinzen Entre Rios
und Corrientes und das argentinifche
Bundesterritorium Mitiones dem Kai
serreich einzuberleiben Argentinien ift
Demgemäß der Partei der ,«,Weif3en«
bisher nicht besonders freundlich ge
sinnt gewesen. Dem gegenwärtigen
Ausstand gegenüber aber hat sich. sp
wird berichtet, eine vollständige
Schwenlung in dieser Hinsicht voll
zogen. fo daß, wenn auch die Regie
rung strengste Neutralität wahrt, den
noch Preise und Volk die Aufftändi
schen mit ihren besten Wünschen be
gleiten. Wenn freilich einige hervor
ragende Blancos sich zu der Hoffnung
eines argentinischen Einschreitenö zu
ihren Gunsten bei-steigen lo werden sie
· diese Hoffnung nicht in Jrfiilluna ge
ben sehen, wenigstens nicht so bald.
Aber es ist ja noch nicht aller Lage
Abend, ebensowenig spie der jetzige
Atlsslllllv Pcl lcslc lll ulllllgullq Iclll
Iorrd.
- ———.-.-—.-o
Der Gesondert-neuer plan.
Ter amerikanische Astronom Petri
vol Lowell, der erst neulich durch seine
Beobachtungen iiber die Verschiebungen
der polaren Selneeselder aus dem Pla
neten Mars non sich hat reden machen,
hat jetzt einen Bericht über weitereVeri
änderungen aus demselben Himmels
törper veröffentlicht, die sich aus einen
Farbenwechsel in anderen Theilen sei
ner Oberfläche beziehen. Die Forschun
aen über diesen Gegenstand erstrecken
sich über einen großen Theil des dari
« gen Jahres-.
Jrn April sah Lowell mit seinem
großen Fernrohr aus der Flaggstass
Sternwarte im Felsengebirge zu seiner
Ueberraschung, daß die Farbe des so
genannten Ernthräischen Meers ern
ausaesprochenes Chotoladenbraun war,
während die benachbarte .Snrte« die
gewöhnliche blauarüne Färbung der
Ulanetenoberfläche zeigte. Nun hatte
Lowell schon inr Monat zuvor dasselbe
Gebiet des Mars in aller wünschens
wertben Klarheit inr Fernrohr beobach
ten können, damals aber noch nichts
von sener sonderbaren Farbe im Ern
thräischen Meer bemerkt. so daß er an
nehmen rnusrte. die Veränderung wäre
erst irr der Zwischenzeit vor srch gegan
gen.
Nach einem weiteren Monat war die
braune Farbe des Ernthräischen Meers
bis aus die südlichen Theile geschwun
den, und auch diese verloren sich all
mählich, so daß bis Ende Mai die Zär
bung überall wieder normal geworden
war. Auch bei der nächsten Möglichteit
der Prüfung war nichts mehr von der
chotoladenbraunen Farbe wahrzuneh
men. Lowell stellte serner fest, daß in
der Zeit, wo die braune Farbe am
stärksten bervortrat. die Kanäle am
wenigsten sichtbar waren, und daß die
ser Zusammenhang sich auch mit Besug
aus die Breitendertheiluna an der Pla
netenobersliiche bestätigte. indem die
braune Farbe und die Abschwächung
in der Sichtbarkeit der Kanäle gleich
zeitig nach Süden vorschritt.
— Aus all’ diesen Yekbgchtungen zieht
Lvlvcll vcll Schluss, ver-; or( nur-nur
blaugriine Farbe des Mars dem Bor
handensein von Pflanzenwuchs zuzu
schreiben ist« der nur durch dag von den
Kaniilen ausgenommene Schweiz-vat
ser der polaren Schneetelder ermöglicht
wird, da der Planet sonst ariißere Was
sersliichen nicht desiht Die chotoladen
braune Färbung ertliirt Lrnvell tem
entsprechend aus dern hervortreten wit
ster Bodenstrectem die den Grund sol
cher »Seen« wie des Erythröischen
Meers bilden dürsten.
Wir sagen oft, daß wir uns ge
schmeichelt fühlen, und fühlen doch
nicht« daß rnan uns schmeichelt.
O I O
Daß einer leicht zum Besten gehal
ten werden tann, ist oft ein Zeichen,
doß er zu den Besten gehört.
I . .
Noch der Behauptung der Aerzte
erzeugen die neuentdectten N.-Strah
len einen großen Durst. Unterneh
mende Wirthe sollten sich dies merten
und anstatt Satzdreßetm gewürzten
Würsten und dergl» ist-Strahlen als
Freilunch aufstetlen.
Der Präsident der Kohlengräder,
Hohn Mitchell, sagt, daß dei einem
Streit beide Parteien verlieren. Er
hat vergessen, daß auch noch eine dritte
Seite, das Publiturn, in Mitleiden-«
schaft gezogen wird.
i i o
So viele s ei rote di
täglich und Fängtftech macheenmskllF
giedt's ja gar nicht.