Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 06, 1904, Zweiter Theil, Image 13

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    Va- Hochzeitsmahl.
Novelette von Julius Keller.
Das Dochzeitsmahl war in vollem
Gange. Ein Mahl, wie es der reiche
Ongeikschliichtermeister und Haus
eigenthiimer Stresorv seinem Braue
paar nnd seinen Gästen leisten tonnte.
Galt es doch, die einzige Tochter mit
allen ihr gebührenden Ehren zu ver
heirathen. Und glückstrahlend saß die
junge Frau in ihrer kostbaren Tot
lette neben dem schneidigen ariiuti
gam, der stolz und siegesbewußt seine
Blicke iiber die Tafel schweifen ließ,
als wollte er triumphirend sagen:
»Dieses herrliche Mädchen had’ ich
mir erobert und ihr Geld dazu!«
Meister Stresorv hatte es sich ein
gut Stück dieses Geldes tosten lassen,
den heutigen Freudentag festlich zu
begehen, nnd alles klappte demgemäß.
Vertraute Freunde, die, mit dem
Glase in der-hand, eine Runde un die
Tafel machten, beugten sich zu ihm
nieder und sliisterten ihm zu: ,,Groß:
artig, Stresotv, großartig!« Er
lächelte geschmeichelt, brummte aber
dabei: .Bloß die Bedienung hapect ein
bischen...« und dabei siel sein Blick
mit dem Ausdruck höchster llnzufrie
denheit auf einen der Lohnkellner, der
eben gegenüber einer Dame den Roth
wein in das Rheiniveinglns schenkte
und augenscheinlich weder seine Augen
noch seine Gedanten bei der Sache
hatte. Meister Etresotv aab ihm in
seiner derben Art einen unverdliiinten
Wink, der Gemaßreaelte aber schien
dies kaum zu verstehen. Er war ein
schon älterer Mann mit intelligentem
Gesicht, peinlich sauber und adrette ge
kleidet, im Aeußeren das Muster eines
aetvnndten und erfahrenen Lohn
kellners. Aber eine aussallende Un
ruhe, die ihn linkisch und zersahren
· machte, beherrschte sein ganzes Wesen,
und wer ihn aufmerksam und ver
siändnißvoll beobachtet hätte, der
würde erlannt haben, wie es in sei
nem Gesicht von mühsam oerhaltener,
innerer Erregunig zuckte, und wie seine
Hände zitterten. Seine jüngeren
Kollegen beobachtete-i ihn verwundert,
gaben ihm theilnahmsvolle Winke und
stellten ihn draußen hastig zur Rede
Aber er wehrt dringend ab und
sagte immer nur: »Laszt mich....
Laßt mich Mir ist nicht Iootzl. ..
Wird schon besser werden.
Doch es wurde nicht besser. Je
weiter das Mahl borlchritt, desto ser
streuter und zersahrener gebärdete sich
der Mann, und als er endlich beim
vierten Gang dem Bräutigam das
Geflügel servierte, da beugte er sich
so ungeschickt weit vor, daß sein
Alberti das Gesicht des jungen Ehe
mannes berührte, und seine Hand
zitterte so hestig, dass die schwere
Schüssel bedrohlich schwankte. Sie
wäre gefallen, toenn Meister Stresoto
nicht entschlossen zugegrisfen hätte.
Aber nun entsuhr auch ein verständ
liches Schimpswort seinen Lippen,
und die Gäste musterten aufmerksam
und verwundert das von glühender
Röthe überslammte Gesicht des ge
maßreaelten Menschen. Die glück
liche Braut sah den Vater, .oie ucn
Vergebung siir den Ungeschickten bei
schend, bittend an; Stresoxo aber
rannte jenem drohend zu: »Ich .ocrde
mich beschweren. Mir so«ne Leute
zu schicken! Na, nu man weiter!«
Schwer athmend stand der Kellner
da. Man sah, mit welcher Anstren
gung er sich zu beherrschen versuchte.
In seinen Augen loderten Grimm nnd
ifmnöruna
»Bitte, sei-vieren Eie nur Iveiter,«
slüsterte die junge tran ihm freund
lich zu, »Papa meint es nicht so
lchlirnm.«
Nun sah der ungeschickte Mann sie
an. Nur einen turzeni Augenblick . ..
dann raffte er sich zusammen und
tvaltetr tveiter seines 'tlmtes.
»Der arme Menscht scheint trant zu
fein,« sagte die glückliche Braut leise
zu ihrem Gatten.
»Hast wohl die Geleaenheit benutzt,
Papa"5 Weine zu probiren. Man
sollte ihn wegschicten.« . . . .
Draußen im Gange lebnte .venige
Minuten später der alte Lohntesllner
an der Wand. .. Er preßte die Hand
aufs Herz, und ein junger Genosse
stand tiheilnahmsvoll mit einem Glase
Wasser vor ihm.
«Trinlen Sie, rempf, trinken Sie ..
Sie sind wahrhaftig trant.«
Meister Stresow erschien mit zor
niger Miene auf dem Korridor
»Nun, sagen Sie bloß, Mensch, was
ist mit Ihnen los?!« rief er erregt.
»Sie stören ums ja die ganze Feie. ..
Beschweren wert-' ich mich über Sieh
Machen Sie, daß Sie wegkommen. Jch
tann Sie hier nicht brauchen. Zie
sind nicht tauglich siir gebildete Leute.
»Schon bei den Tasse-n Bouillon singe
Ihre Unsiihiateit an. . .. Denken »Sie,
ichhalA nicht gleich gespürt? Ueber
Gfchwabbelt haben Sie, gerade bei
dem Bräutigam». Und nachher mie
der deine Braten als od Sie ihm
den Wpen nicht gönnten, den er
nimmt.«...
Der Mann richtete sich auf, und
Meister Strefotp trat fast erschrocken
zurück vor dem Ausdruck milden
Grirnrns. der in deö andern Augen
lithte. Ei war, als ob eine ent
fchlassene Entgegnung auf seinen
Lippen schwebte, aber wiederum
»Beste er, heftig athmend, seinen
Zorn mit gewaltsamer Anstrengung
hinunter-.
»Rosen Sie fich bessern-« fragte
nun Strefaw milde, «inir versprechen
Leufammenzunehmens . Meine
Toch er hat recht L- Sie find ja
chließlich ’n alter Mann . .. Sie pas
en nicht mehr für fo was... Na —
tvie ist es? Woll’n Sie?«
»Ich will fort« —-— stieß Keinpf
rasch hervor, »ich muß fort.... Jch
tann nicht mehr hier bleiben... Es
,-—— es giebt sonst —«—- ein Unglück . .
Meifter Strefozv sah in entsetzt an
und griff sich an den Kopf.
»Rraus!« schrie er dann heiser.
»Raug!« «Sofort, sag’ ich Ihnen! llnd
Jshr Chef soll mich tennen lernen!« ..
Wie in wilder Flucht lief der Ver
abschiedete aus dem Hause in den kal
ten Winterabend hinaus. Als ob die
Furcht ihn vorwärts triebe, er tönne
da drinnen, inmitten der festlichen
Gesellschaft, eine furchtbare That be
gehen... Die grimme Drohung, die,
feitdem er an der prächtigen Hochzeits
tafel die Gestalt und das Gesicht deg
glücklichen Bräutigams erblickt, un
ausgefetzt in seinen Augen geglüht,
war auch jest nicht entschwunden, aber
es war, als wolle et sich durch lzaftige
Flucht selbst davor schützen, eine wil
lenlose Beute oiefea Zornes zu wer
den . ..
Weit vom Haufe erst blieb er auf
athrnend stehen und rang nach Ruhe
und Befonnenheit«. Und dann ging
er langsam, mit fchwanlenden, un
sicheren Schsiitem faft taumelnd, .oei
ter . . .
Es schlug eben Zehn, als er fein be
fcheidenes Heim betrat . .. Weit drau
ßen in der Vorstadt, im dritten Stock
einer alten. grauen Miethstaferne...
Das bleiche, vergränite Gesicht eineg
jungen Mädchens sah ihm mit ver
wunderten Blicken entgegen . . .
»Du, Vater?... Scholti« rief die
Tochter, und dann eilte sie erschrocken
auf ihn zu. »Mein Gott, Vater, zoas
ist Dir?... Wie siehst Du weh-.
"Du bift kranl?!"
Er ergriff ihre hände und zog die
abgemagerte Gestalt in feine Arme.
»Mein Kind, mein Kind,'« flüsterte
er, »ich habe ihn gefehen.«
»Jhn? . . . Wen?«
»Den Elenden, der dich -- der dich
unglücklich gemacht hat. Den Schur
ten, der...«
»Vatert« schrie sie anf. »Du haft
Bernhard gefehen?«
»Ja... Wie gerne hätt’ ich’5 nicht
gefagt... Aber --- ich kann es nicht.
Es drückt mir fonft das Herz ab.« . ..
Sie blickte ihn in fiebernder Unruhe
an. Er fah, wie es in ihren Augen
fast freudig aufleuchtete, wie ein Flug
druct Thoffnungedoller Erwartung ih
ren erlaschenen Blick belebte.
Er sentte das Haupt und schwieg.
»Aber fo rede doch weiter, Vater,«
drängte sie, »wi) - -- wo haft du ihn
getroffen . .. wann?«
»Heute Abend . . .. vorhin . . .. bei
Strefokv..
»Jn der Hochzeitsgeie llfchnfi«.’«
da ivar S.
»Und hat er dich ertann?. . Haft
du ihn gesprochen?.... Hat er nach
mir gefragt?«
Der Vater zögerte mitleidig einen
Moment, dann aber sprach er schnellt
»Es ist so, .svie ich dir geiagt...
Alles Schwindel. was er an dich ge
ichrieben.... LllleS Vormund und
Lüge..."
»Er war nicht allein da, Baker«
mit --—- einer andern?«
lEie hielt trampfhaft seine Hände
umtlarnrnert... Jhr vordem so blei(
ches Gesicht glühte, nnd ihre Dingen
hingen weit geöffnet mit starrem Blict
an feinen Lippen.
III-J-- k-- —.— -k’k-p « :(-s-A- II
T
»UUOLI, fu«-F ussl IIULH, Ist-Vik- lik,
»ich bin gefaßt, ich tann’g hören...
Er war nicht allein da! . .. Mit einer
andern?... Und - um Gottes mil
len, Vater,« schrie sie plötzlich auf, »du
haft geschworen, «oenn du das das
erfahren würdest, dann .volltest du«
»Todtfchlagen tvollt’ ich ihn, den
Kerl, ja,'« stieß er Iheiser hervor, »er
rviirgen tvollt' ich ihn, den Schtiit . .·
Ja, das «i)ab’ ich mir gefchworeu.« . ..
Zitternd schmiegte sie sich an ihn.
und harrte in Scheu und Angst seiner
weiteren Worte.
»Ja, das had’ ich geschtooren,« wie
derhotte er. »Und ngtn —— nun t)ab’
ich ihn gesehen trad· alles erfahren
Meine arme Liese.... mein ar
mes siind..· du tnufzt es nun glau
den. Er hat dich betrogen, du hast
vergebens monaielang auf ihn ge
wartet, seinen Lügen vertraut. Ich
hab? gewußt s ich hat« ge.vuf3t.«
Entschlossen raffte das ljtäochen
sich auf.
»Ich tann’s nicht giauben, Vaterl«
rief sie energisch. »Ich tann’s nicht
Wer s« wer tvar die andere '
»Wer die andere lvart...Wer die
andere war. mein Kind? . .. Seine
Frau war’s.... die glückliche Braut
von heut Abend tvar’s nnd er
der glückliche Bräutigam... Kannst
du es nun glauben?!« Und er ballte
die Fäuste in olznmächtigem Grimm.
Fassungslas starrte sie ihn an, dann
aber rief sie in furchtbarer Angst:
«Vatek! Was hast du dort ge
than7« ·
»Was ich gethan habe?!«
Er lachte fchrill auf. .
«Bedient hab' ich ihn! Seroirt
had’ ich ihm! · . . Ja, so hält man sei
nen Schwur, wenn man ein feiger, er
bärmlicher Kerl ift!.... Ja meinen
Fingern hat's mit gesteckt —- dist
roth ift’s mir vor den Augen gerat
den... und es war mir« als müßt ich
mich aus ihn stürzen nnd ihn mit nies
nen banden erwiir en... Aber
wenn ich dann das inschnldige sntnae
Ding mit dein glücklichen Lächeln ne
ben ihm sah « auch so eine arnie Ves
thörte wie du - dann ivrsllt’5 nicht:
gehn, dann hielt mich wag znriick,
siel mir was in den Ltrin . Und»
während ich ihm die Weine eiiischeiikte,:
ihm die Speisen präsentirte nnd sede
Miene seines Gesichte-· belanerte, griis
belte ich in sieberhaster Erregung
nach: »Wie soll ich-.- thun?... Wie
soll ich dich rächen?... Und plötzlich
tauchten die Bedenken vor mir a:ii...
Würde inan mich nicht sofort packen,
mich als einen Wahnsinnigen davon
schleppen? ».1t"-iirdest da dann nicht
gaganz allein, ganz verlassen sein?...
Und endlich, endlich suhr es mir gar
durch den Kopf dasz ich meine gute
Stellung verlieren lönnte.... Ach,
was für erbärmliche Snbselte sind wir
doch!·.. Da lauert man machen-,
monatelang aus eine solche Stunde,
und wenn das Schicksal sie herbei
führt, dann fehlt unk- der M.::i), die
Entschlossenheit, dann lonimen Ver
nunft, Mitleid, Eigennutz dann
hindern einen die verdammten Ge
danken....« Seine Stimme erstarb
in einem heiseren -Geflijster. Er schwieg
erschöpft und sah zu Boden.
»Sie aber sagte leise: »Mein hast du
gethan, Vater, nnd Gott sei aedantt
dafür! Mde die andere aliicklich wer
den init ihm! Sie hat dasselbe Recht
daraus wie ich!«
Und sie senkte das Haupt nnd meinte
still an seiner Brust.
———-.-—
Cur sevtmemr Dasel.
Studiosus Süffel hatte nach Been
digung der großen Zerien Abschied
von seinen, ihn mit den gediegensten
Ermahnungen versehenden Eltern ge
nommen, hatte sich in den Bahnzug
igeseyt und fuhr, unter Genehmigung
verschiedener Schuppen unterwegs,
zurück in sdie Universitätsstadi.
Gleich auf dein Bahnhof der letz
teren trifft er einige Kommilitonem
die ihn freudiast begrüßen und das
Ereigniß mit etzlicher Feuchtigteit an
Ort und Stelle begießen
Siifsel hat infolgedessen gerade
noch Zeit per Droschte in seine Bude
zu fahren, sein verfchlosfenee Gepäet
dort auf-»ein paar Stühlen zu bergen
und sich die Hände zu waschen, um so
gleich, der Llntrittgtneire wegen, dein
trauten Stammlccate zuzueilein
Siisfel tJat im Haufe der gestrenaen
Eltern in puntio Bibeudi natiirlich
viel versäumt, darum nahm er die
Veranlassung deg Wiederseheng mit
feinen Verbindunasbriikern dadr und
trant und trank, bis er zu Baden sank
Von treuen Frexrndezsarmeti nach
Haufe geschafft und zu Bette gebracht,
verfiel er in einen Bierlelctxenschlas
sondergleickem Ell-er auch aus diesem
gibt es ein Erste-sichern wenn auch ein
zienilich beschräntie5. I
Siiffels Gehirn .r«ar in derartigen
Diifel und Nebel aebiillt, daß von eik
nein klaren Gedanken keine Rede sein«
konnte. Mechauiich wusch er sich und
dann dachte er nach, um sich zu orien
tiren, wie er zu diesem Kanon enrauschl
gekommen sei. Aber e-:— vollte ihm
trotz der kalten Erfrischuna, die -·h:u
das talte Wasser momentan geschafft
hatte, absolut nicht einsallm Da sielz
sein nge aus das ordnunpgaemösz
ausgeschichtete Gepärt und nun ging
etwas wie Erleuchtung durch seinen
gequälten Schädel. Er sog sich« so
rasch es ihrn möglich war, an — e: hatte,
vorher seine Uhr zu Uathe gezogen .
und suchte in der Wohnung nach Hilfe-!
Die Hausfrau und ihr bienstbareri
Geist waren aber aus-gegangen unds
so « —-— nahm er sein Gepack.
selbst, Tvenn es ihm auch Miihe ver
ursachte-, auf, schwankte die Stiege
hinab, pfiff einer Droschte, suhr zum
Bahnhos und verstaute sich in bem«
Eilzuge, der seinem Heimathorte zu
eilte ..... denn er hatte in seiner
Sinnesverirrung leider angenommen
er habe sich besagten äußerst großarti
gen Rausch aus der Seniester:«)lb
schieds-Flneipe geholt, kenn in sokchem
Falle pflegte er oorsichtghalber Taag
zuvor zu packen.
Erst unter der gewaltigen Duscke
des väterlichen Grimmes .oard ihm
klar, daß er doch nur einer Antrittg
lneipe beigetvohnt hattet
--- ----·s - Cis-s»
thenleiv.
Erster Schauspielen »So betriibt,
Here Kollege?"
Zweiter SchauspielerI »Man hat
inir meine ganze Gardcrobe gestoh
en.« «
Erster Sei-anspielen »Sie haben ja
nie ganze Garderobe gehabt.«
- Ein sein-eher- Schädel.
s
Bäuerin melzt Tage nach der Mit-kli
weih): »Heut, Kom, lässt T u T ir aber
amal die Glasspfimk aus dem Schädel
ziehen » T u zerreißt mi1 ja alle Kopf
kiffenl«
Eine Kündigung. I
Humcregle von hFreitserr on«
» pch 1 i cht l
i
Die Dienstboten natten uni- eines
»,nte Macht« gewünscht und die jeden
Abend wiederkehrende Frage: »Erl,liift :
de r Junge auch?« war mit dem sicreo ,’
tmen ,,Ja«vc«l,l, gnädige Frau,« be
antwortet worden So stand denn un
serem Zithettegehcn nichts mehr inr
Wege nnd meine Frau erhob sich
»Sei nicht böse, ivenn ich mich zu
riictziehr, ich bin todtrniide, der Junge
irar in der letzten Nacht so unruhig.
Haft Du noch lange zu arbeiten?«
»Ich will nur noch meine Zigarre
zu Ende rauchen, dann zielte auch iehl
mich in mein Kämmerlein ;;uriict,« er
widerte ich, ,,schlaf ivohl.«
Eine Viertelstunde später ioar die
Zigarre erledigt, und wiederum eine
Viertelstunde später herrschte in der
kleinen Villa eine geradezu unheim
liche Ruhe.
Da klangen plötzlich gar seltsame
Töne an mein Ohr. Sonderbar
Eine giege meckerte ganz in meiner
Nähe Jch hörte ganz deutli ch:
,,M"cih--— mäh- —-m·cil;--- «
Aber dann plötzlich: ,,J.liama,
Mama——-Maaa —maaaa.«
Du wurde mir mein Jrrthttm
klar; der Junge, der im Zimmer ne
benan mit meiner Frau schlies, war
er.vacht.
Ich kenne mein-en Buben, er de.reidi
trotz seiner Jugend er ist erst drei
Jahre ——- Alles sehr gründlich, auch
hnä Miit-Im Mika flacke- iiscs hi
Hände in die Ohren und lroch unter
die Decke, utn nichts zu hören.
Vergebliche Arbeit!
Vergebens suchte meine Frau den
Schreier zu beru-higen.
»Wenn Du nun nicht gleich still bist,
kommt Vater mit dem Stock!« rief ich
drohend aus dem Hinter-grund.
Eine wahre Höllenmusit war die
Antwort auf meine Drohung.
Was der Mensch verspricht, muß
er halten; so sprang ich denn aus dem
Bett und gab dem Bengel eine gehö
rige Tracht Prügel. Nun wußte er
wenigstens, warum er heulte.
Die iheure Gattin, außer sich iiber
die Von mir an den Tag qelegte
,.Rohheit«, trat auf die Seite des Kin
des: »Was helt meinem Keiner
Liebling denn? Hast Du irgendwo
Weh-Weh? Zaq’, wag hast Du denn
nur?«
»MTiich- Miiich.«
Der Junge war hungrig und wollte
mehr »Miiich«, auf hochdeutsch: mehr
Milch haben.
Jetzt, mitteni n der Narr-L Der
Bengel ivar rein toll, aber denn Hvir
noch schlafen wollten, mußte sein
Wunsch erfüllt werden. Meine Frau
wollte selbst in die Küche geben. :ini die
Milch zu bereiten, aber ich wider,
sprach. Wozu bezahlt man denn ein
sündhaftes Geld fiir ein Kindern-öd
chen?
Jch drückte auf den Knopf der- let
frischen Glocke, die sich in der Näd
chenstube über dem Kopfende der Bet
ten besindet... Nichts rührte sich.
Ich zog mich nothdiirstisg an nnd
trotnmelte gegen die Verschlossene Tbiir
der Mädchentammer und rief die
Jungfrau bei Namen... Alle-J blieb
still.
Ich spielte mit Händen und Füßen
den Liiadetziixllcarsch ich schrie, ich
brüllte» .. Alles blieb still.
»Und wenn Du todt bist, ich will
Dich schon wach betontmen,« fluchte
ich.
Jch lehnte mich mit beiden Füßen
gegen das Treppengeländer, .nit bei
den Echultern gegen die Thiir und
eine Minute später flog ich, wie ein
geölter Blitz mit zerschundenen
Mlisd01.-c«.ipi i- ji«-—- KZcksbslunpimb fus
»v- Vsqsusnk «
-»...·...,..... .. . -..
beiden Mädchen . .. Alles blieb still!
Ein Wunder war es allerdings
nicht: die Betten .varen leer.
Die Mädchen waren ausgeflogen.
So mußte denn meine Frau doch
selbst in die Küche hinabsteigen, wäh
rend ich den schreienden Jungen aus
den Arm nahm und ihm auseinander
setzte, er sei das artigste Rind, das-«- se
von einem Storch gebracht worden
sei.
Am nächsten Morgen meidet-In :i:ir
die beiden Mädchen mit angstersiillsen
Gesichtern, es sei bei ihnen eing:bro:
chen worden, sie hätten den Dieb
lange an der Thiir arbeiten gehört,
sie hätten aus Leibes-trösten »Hilse!
Oilse gerufen und als Niemand ge
kommen sei, wären sie vor Angst aus
gestanden und zuerst in den Garten,
dann aus die Straße acsiohen, wo sie
vergeblich einen Wächter gesucht hät
ten.
Das Leben nnd das Eigenttzum
meiner Dienstboten war mir zu theuer,
unt sie erneut dem Schrecken einer
solchen Nacht ausznseszen So si« gis
ich sie denn, ob sie nicht geneigt wä
ren, sich zum Ersten des nächsten Mos
nats nach einem anderen Platz unzu
sehen. Sie machten Beide einen Knix
und sagten: »Seht wohl, gnädiget
Herr, es war schon lange unsere Ab
sicht, zu tündigen.«
»Um so besser,« erwiderte ich, »dann
wird die Abschiedsstunde ja nicht un
sere herzen brechen.«
»Gott sei Dank, daß wir die Scheu
sale los werden,« sagte meine Frau,
Jetzt will ich es Dir nur gestehen, daß
ich mich sast jeden Tag halt-todt iiber
sie geärgert habe, sie sind faul,
schmusig in ihren Arbeiten nnd Un
verschiimt.«
»Bebiit’ sie Gott, das sei mein
Reisesegen,« gab ichzur Antwort,
,,nnn müssen wir aber sehen, daß wir
zum Exsten auch neue Mädchen bekom
men. Was meinst Du, sollen wir in
seriren?«
Aber meine Frau hatte andere
Pläne —— wir .oolmen in einer kleinen
Stadt, .no sich auch das unbedeu
tendste Lireicsnisz mit Wind-weite ver
breitet. Heut-: Abend würde schon die
ganze Stadt wissen, daß wir zwei
neue Mädchen suchen nnd morgen
spätestens übermorgen, würden genug
Nachfoligerinnen sich melden.
Als nach acht Tagen, mit Aus
nctlyme der Brotsrau, kein iveibliches
Wesen unsere Schwelle überschritten
hatte, wurde meine Frau unruhig.
»Was meinst Du, sollen .vir nicht
doch lieber inseriren?« frag-te ich.
Meine Frau bat mach, damit noch
einige Tage zu warten, es sei ja noch
viel Zeit, heute schrieben Evir ja erst
den vierzehnten, bis zum zwanzigsten
könnten wir es ja noch so mit an
sehen.
Als der Morgen des zwanzigsten
hereinbrach, war meine Frau ganz
verzweifelt
»Aber Kind, wag hast Du denn
nur?«
Endlich kam sie mit der Sprache
herang: »Weißt DU, mir graut davor
daß ich zwei neue Mädchen nehmen
fall: ach, e5 ist zu schrecklich, ani lieb:
sten wäre es mir, die alten Mädchen
blieben.«
»Aber ich denke, Du bist froh, da
Du diese Scheusale endlich los wirst,
die faul, schmutzig bei der Arbeit und
unverschämt sind? Ich gebrauche Deine
eigenen Worte.«
»Gewiß, gewiß, so sagte ich,« er
ividerte meine Frau, »aber wir tön
nen doch Dienstboten bekommen, die
noch größere Scheusale sind-«
»Da haft Du Uecht,« pflichtete ich
ihr bei, »hast Du schon mit den«Mäd
chen gesprochen?«
»Wie könnte ich wohl!« sagte meine
Frau entrüstet, »nie darf in solchem
Falle die Hausfrau das erste Wort ge
ben. Nein, ich kann nicht mit den
Leuten sprechen.«
»Ich auch nicht,« erwiderte ich, »ich
habe gekündigt. Die Kündigung zu:
rücknehmen, hieße jede Disziplin un
tergraben. Wir Beide können nicht
sprechen s-— die Mädchen wollen an
scheinend nicht sprechen, solglich wan
dern si,e oder weißt Tit einen Uns
weg?« ·
Da zeigte es sich, das)l die Frauen
manchmal doch schlauer sind als die
Herren der Schöpfung
»Wollen .oir nicht heilte iiiseriren?«
fragte sie, »dann .verdcn sich viele
Mädchen melden und wenn unsere
dann sehen, daß ·.vir die ernste Absicht
haben, sie zu entlassen, werden sie
bitten, hier bleiben zu dürsen.«
Also wir inseririen und wie mai
zu sagen pflegt: nicht zu tnaptn
,,Nur solche mit hervorragend spu
ten eZugnissen wollen sich melden,«' io
stand klar und deutlich zu lesen.
Es ist unglaublich, wie verschieden
die Ansichten iiber den Begriff »ber«
vorragend gut« sind. Nichts brauch
bares meldete sich.
Wir schrieben den dreißigsten --
zum ersten Mal in meinem Leben
pries ich den Himmel, daß es auch
Monate mit ein und dreißig Tagen
gab! i
Vieriindzivanzig Stunden standen
uns noch bevor: eine lSetunde hat
sclou so oft iiber das Geschick ganzer
Völker entschieden, xvag konnten
da nicht Alles vieriiiidzmanzig Stun-v
den bringen?
Sie konnten Vieles bringen — aberi
sie brachten gar nichts, nur Thränen
Meine Jmn meint- misin Nimm
weinte, Dorn, die Köchin heulte und
Bertha, das Kindermädchen, gab Töne
von sich. als ob ihr Herz von unnenn
barein Weh zerrissen würde.
Bei uns ist es Brauch, daß die
Dienstboten, die ihre Stelle verlassen,
nicht am Abend, sondern Mittang um
zwölf Uhr fortgehen, während die
neue Tonna erft am Abend ihren
Einzusg hält.
Uni elf Uhr neun und fünfzig Mi
nuten kamen die beiden Küchenfeen in
Thriinen aufgelöst zu meiner Frau
in’s Zimmer: ob sie nicht noch wenig
steniz ein paar Stunden bleiben dürf
ten, fie hätten teine Stellung gefun
den, sie wiifzten nicht, wo sie zhr mü
des Haupt hinlegen sollten, ob fie
nicht wenigstens bleiben könnten. biS
die neuen Mädchen täinen?
»Aber ich habe ja noch gar keine
neuen Mädchen«, fchluchzte meine
Frau.
»Ach, :vir .viirden so gerne hier
bleiben, wenn die gnädige Frau uns
nur behalten thun thäte, nicht wahr,
Bertha?«
»Ach, daß ich meinen tleinen fiißen
Jung verlassen soll, nein, das über-i,
lebe ich nicht«
»So wollt Jhr also bleiben?« froh
lockte meine Frau, »das habe ich ja
gleich voii Anfang an gewußt.«
Die Thränen waren getrocknet.
»Ja, wenn die gndige Frau uns
denn so sehr bitten thun, dann wol
len wir wohl bleiben, obgleich wir uns
eigentlich gedacht hatten, wi r wollten
zu unseren Eltern «gehen. Aber dann
bleiben wir natürlich nur, wenn gnä
dige Frau uns fo bitten. Und dann
dürfen gnädige Frau uns das nicht
übel nehmen« aber wir sind hkr nun
-«—
fchon so lange im Diean nnd W
immer unsere Pflicht und Schnitt-s
ieii gethan und da tsnnen die gnädic
Frau uns das nicht oerbenlen, des
wir auch gerne etwas höeheren W
haben möchten, wenn die gnädigezme
uns jedem zehn Thaler zulegen M
ten, das haben wir uns fo gewi.
nicht wahr, Bertha?«
»Meine Mutter meinte, zehn Tha
ler wären eigentlich ein bischen wenig,
was meine Freundin ift, die hat elf
Thaler mehr geiriegt.«
Meine Frau ist, wie sie mir hinter
her erzählte, einer Ohnmacht nahe ge
wesen, ob solcher Frechheit —- da hat
oben in dem Schlafzimmer der Junge
zu brijllen begonnen und aus der
Küche drang ein Geruch von zehntau
send verbrannten Gerichten. «
Da hat die Verzweiflung sie ergrif
fen und schiuchzend hat sie gesagt:
»Ich gebe Euctz was Jhr verlangt,
nun aber acht an Eure Arbeit.« -— —
Die »Scheut·ale« sind noch bei mir
im Haue-, iie haben sich etwas zu
ihrem Vortheil geändert und sie wer
den wohl bis zu ihrem oder bis zu
unserem Tode bei uns bleiben.
——-«——-—-.O.--——
Sau Inne.
Auch heute noch liegt der berühmte
Ort abseits der großen Heersiraße,
und nur sehr selten verirrt sich einer
der Vergnügungsreifenden dorthin.
Am leichtesten ist er mit der Bahn
strecke, die von Madrid nach Lifsabvn
führt« zu erreichen. Man kommt zu
nächst an Torrijos, dem Lieblingsaufs
enthalt Peters des Grausamen, vorbei,
sieht in der Ferne die gewaltigen, mit
Schnee bedeckten Gipfel der Sierra de
Gredos, berührt dann den Tajo bei
dem uralten Talavera de la Reina, wo
m)-lI:.--.A.-« Iz- O- ----- k-— kxs..- «
WUUIUHIUU Usb TJDUOIJUISU Iqsslkh als
verläßt dann in Navalmoral, das
schon in Estremadura liegt, den Zug
rnn ans einem etwa 35 Kilometer lan
gen Maulthierpsad on Olivengarten
vorbei in nordwestlicher Richtung durch
verschiedene malerisch gelegene Dörfer
nach Cuacog zu gelangen, wo man in
einer sehr einfachen Posada Nacht
quartier bekommen und in einer hal
ben Stunde das Monasterium errei
chen kann, das, am Bergabhang gele
gen, im Anfang des 15. Jahrhunderts
von Ilsj)ierorrl)initen aus Plaseneia an
der Stelle einer dem ht. Cristobal ge
weihten Eremita gegründet worden
ist. Jetzt gehört es einem Marquig
von Miravel, der es nach den barba
rischen Vertviistungen durch die Fran
zosen soweit wie möglich wieder her«
stellen ließ.
Weshalb Karl der Fünste aus den
Gedanken kam, sich gerade hierhin
zurückzuziehen, ist schwer zu sagen.
Vielleicht bat ihn die völlige Entlegen
heit von allern, was die Welt bedeutet,
in der er eine so große Rolle spielte,
angezogen. Nachdem er am 15. Jak
nnar 1556 Zu Brii el der Krone ent
sagt, langte er im Februar deg folgen
den Jahres in Yuste an und bezog ein
von ihm an sehr geschützter Stelle.
nämlich an der Siidseite des Klosters
errichtete-s Gebäude, kurzweg »El Pa
lario« genannt. Hier, nicht etwa irn
Kloster selbst, lebte er, nnd zwar kei
neswegs als Aszet, wie Manche glau
ben, sondern als bornehmer, von zahl
reicher Dienerschast Unigebener Herr.
der aneh weiterhin noch fiir die Politik
Interesse hatte nnd seinem Sohn noch
m- clie lliathschläge eriheilte, sich irn
1;.t:igen aber seiner Liebhaber-ei, der
Beschäftigung mit mechanischen Jn
st:«ni1eiiteti, namentlich Uhren, hingen-,
nirtij lange allerdings, denn am 21.
September 1558 bereits ereilte ihn, 58
Jahre alt, Der Tod. Seine Leiche
blieb freilich, in einem Bleisarg beige
setzt, dann noch lti Jahre hier, bis sie
nach dein inzwischen sertiggestellten
liscorijit iibergesiihrt wurde. Der
hölzerne Sarg, in dem der bleierne
ursprünglich eingeschlossen war, wird
noch heute gezeigt, allerdings mit dem
der Legende Rechnung tragenden Zu
satz,,«as-, in ihm der Kaiser während
der ans seinen Wunsch schon zu seinen
Lebzeiten veranstalteten Leichenseiec
Here-Heu Woc.
Die Zimmer sind jetzt öde undleer.
Jn dem Schlasgemach hing einst die
schöne Gloria von Tiziam die sich fest
im Pradomuseum befindet und be
kanntlich den Empfang des Kaisers-.
seiner Gemahlin, seines Sohnes Phi
lipp nnd dessen Gattin in den Gefilden
der Selian darstellt. Der Pavillon,
die Sonnenulsr, der Stein, den der
Kaiser benutzte-, um sich in den Sattel
zu schwingen, nnd der alte Nußbaum
am Eingang, Unter dem er oft sinnend
saß, um sein reich bewegtest Leben noch
einmal am inneren Auge vorüberziehen
zu lassen, sind die einzian Neliquien
aus jener, in mancher Hinsicht großen
Vergangenheit Ynste ist jedenfalls so
recht ein Ort, um sich zu dem plfilosos
phischen Standpunkt aufzuschwingen:
»Mein einz’ger Wunsch ist meiner
Wünsche Ruh’.«
«—-—-·-.-—————
Er weiss Bescheid.
Hausfrau tzum stellesuchenden
Dieiisisnddichen): »Bedaueke, dieStelle
ift schon besetzt!«
Hausherr: »Jamohl, die ist schon
weg! Aber wissen Sie was-, kommen
Sie übermorgen n;iieder!«"l
Entgegenkommend.
Schneider: »Jetzt ift es aber die
höchste Zeit, daß Sie die Rechnung be
zahlen; ich tann den weiten Weg nicht
immer wieder vergeblich machen.
Kunde. »Seien Sie ganz unbe
sorgt, in der nächsten Woche — ziehe
ich in Ihre Nähe.«