Va- Hochzeitsmahl. Novelette von Julius Keller. Das Dochzeitsmahl war in vollem Gange. Ein Mahl, wie es der reiche Ongeikschliichtermeister und Haus eigenthiimer Stresorv seinem Braue paar nnd seinen Gästen leisten tonnte. Galt es doch, die einzige Tochter mit allen ihr gebührenden Ehren zu ver heirathen. Und glückstrahlend saß die junge Frau in ihrer kostbaren Tot lette neben dem schneidigen ariiuti gam, der stolz und siegesbewußt seine Blicke iiber die Tafel schweifen ließ, als wollte er triumphirend sagen: »Dieses herrliche Mädchen had’ ich mir erobert und ihr Geld dazu!« Meister Stresorv hatte es sich ein gut Stück dieses Geldes tosten lassen, den heutigen Freudentag festlich zu begehen, nnd alles klappte demgemäß. Vertraute Freunde, die, mit dem Glase in der-hand, eine Runde un die Tafel machten, beugten sich zu ihm nieder und sliisterten ihm zu: ,,Groß: artig, Stresotv, großartig!« Er lächelte geschmeichelt, brummte aber dabei: .Bloß die Bedienung hapect ein bischen...« und dabei siel sein Blick mit dem Ausdruck höchster llnzufrie denheit auf einen der Lohnkellner, der eben gegenüber einer Dame den Roth wein in das Rheiniveinglns schenkte und augenscheinlich weder seine Augen noch seine Gedanten bei der Sache hatte. Meister Etresotv aab ihm in seiner derben Art einen unverdliiinten Wink, der Gemaßreaelte aber schien dies kaum zu verstehen. Er war ein schon älterer Mann mit intelligentem Gesicht, peinlich sauber und adrette ge kleidet, im Aeußeren das Muster eines aetvnndten und erfahrenen Lohn kellners. Aber eine aussallende Un ruhe, die ihn linkisch und zersahren · machte, beherrschte sein ganzes Wesen, und wer ihn aufmerksam und ver siändnißvoll beobachtet hätte, der würde erlannt haben, wie es in sei nem Gesicht von mühsam oerhaltener, innerer Erregunig zuckte, und wie seine Hände zitterten. Seine jüngeren Kollegen beobachtete-i ihn verwundert, gaben ihm theilnahmsvolle Winke und stellten ihn draußen hastig zur Rede Aber er wehrt dringend ab und sagte immer nur: »Laszt mich.... Laßt mich Mir ist nicht Iootzl. .. Wird schon besser werden. Doch es wurde nicht besser. Je weiter das Mahl borlchritt, desto ser streuter und zersahrener gebärdete sich der Mann, und als er endlich beim vierten Gang dem Bräutigam das Geflügel servierte, da beugte er sich so ungeschickt weit vor, daß sein Alberti das Gesicht des jungen Ehe mannes berührte, und seine Hand zitterte so hestig, dass die schwere Schüssel bedrohlich schwankte. Sie wäre gefallen, toenn Meister Stresoto nicht entschlossen zugegrisfen hätte. Aber nun entsuhr auch ein verständ liches Schimpswort seinen Lippen, und die Gäste musterten aufmerksam und verwundert das von glühender Röthe überslammte Gesicht des ge maßreaelten Menschen. Die glück liche Braut sah den Vater, .oie ucn Vergebung siir den Ungeschickten bei schend, bittend an; Stresoxo aber rannte jenem drohend zu: »Ich .ocrde mich beschweren. Mir so«ne Leute zu schicken! Na, nu man weiter!« Schwer athmend stand der Kellner da. Man sah, mit welcher Anstren gung er sich zu beherrschen versuchte. In seinen Augen loderten Grimm nnd ifmnöruna »Bitte, sei-vieren Eie nur Iveiter,« slüsterte die junge tran ihm freund lich zu, »Papa meint es nicht so lchlirnm.« Nun sah der ungeschickte Mann sie an. Nur einen turzeni Augenblick . .. dann raffte er sich zusammen und tvaltetr tveiter seines 'tlmtes. »Der arme Menscht scheint trant zu fein,« sagte die glückliche Braut leise zu ihrem Gatten. »Hast wohl die Geleaenheit benutzt, Papa"5 Weine zu probiren. Man sollte ihn wegschicten.« . . . . Draußen im Gange lebnte .venige Minuten später der alte Lohntesllner an der Wand. .. Er preßte die Hand aufs Herz, und ein junger Genosse stand tiheilnahmsvoll mit einem Glase Wasser vor ihm. «Trinlen Sie, rempf, trinken Sie .. Sie sind wahrhaftig trant.« Meister Stresow erschien mit zor niger Miene auf dem Korridor »Nun, sagen Sie bloß, Mensch, was ist mit Ihnen los?!« rief er erregt. »Sie stören ums ja die ganze Feie. .. Beschweren wert-' ich mich über Sieh Machen Sie, daß Sie wegkommen. Jch tann Sie hier nicht brauchen. Zie sind nicht tauglich siir gebildete Leute. »Schon bei den Tasse-n Bouillon singe Ihre Unsiihiateit an. . .. Denken »Sie, ichhalA nicht gleich gespürt? Ueber Gfchwabbelt haben Sie, gerade bei dem Bräutigam». Und nachher mie der deine Braten als od Sie ihm den Wpen nicht gönnten, den er nimmt.«... Der Mann richtete sich auf, und Meister Strefotp trat fast erschrocken zurück vor dem Ausdruck milden Grirnrns. der in deö andern Augen lithte. Ei war, als ob eine ent fchlassene Entgegnung auf seinen Lippen schwebte, aber wiederum »Beste er, heftig athmend, seinen Zorn mit gewaltsamer Anstrengung hinunter-. »Rosen Sie fich bessern-« fragte nun Strefaw milde, «inir versprechen Leufammenzunehmens . Meine Toch er hat recht L- Sie find ja chließlich ’n alter Mann . .. Sie pas en nicht mehr für fo was... Na — tvie ist es? Woll’n Sie?« »Ich will fort« —-— stieß Keinpf rasch hervor, »ich muß fort.... Jch tann nicht mehr hier bleiben... Es ,-—— es giebt sonst —«—- ein Unglück . . Meifter Strefozv sah in entsetzt an und griff sich an den Kopf. »Rraus!« schrie er dann heiser. »Raug!« «Sofort, sag’ ich Ihnen! llnd Jshr Chef soll mich tennen lernen!« .. Wie in wilder Flucht lief der Ver abschiedete aus dem Hause in den kal ten Winterabend hinaus. Als ob die Furcht ihn vorwärts triebe, er tönne da drinnen, inmitten der festlichen Gesellschaft, eine furchtbare That be gehen... Die grimme Drohung, die, feitdem er an der prächtigen Hochzeits tafel die Gestalt und das Gesicht deg glücklichen Bräutigams erblickt, un ausgefetzt in seinen Augen geglüht, war auch jest nicht entschwunden, aber es war, als wolle et sich durch lzaftige Flucht selbst davor schützen, eine wil lenlose Beute oiefea Zornes zu wer den . .. Weit vom Haufe erst blieb er auf athrnend stehen und rang nach Ruhe und Befonnenheit«. Und dann ging er langsam, mit fchwanlenden, un sicheren Schsiitem faft taumelnd, .oei ter . . . Es schlug eben Zehn, als er fein be fcheidenes Heim betrat . .. Weit drau ßen in der Vorstadt, im dritten Stock einer alten. grauen Miethstaferne... Das bleiche, vergränite Gesicht eineg jungen Mädchens sah ihm mit ver wunderten Blicken entgegen . . . »Du, Vater?... Scholti« rief die Tochter, und dann eilte sie erschrocken auf ihn zu. »Mein Gott, Vater, zoas ist Dir?... Wie siehst Du weh-. "Du bift kranl?!" Er ergriff ihre hände und zog die abgemagerte Gestalt in feine Arme. »Mein Kind, mein Kind,'« flüsterte er, »ich habe ihn gefehen.« »Jhn? . . . Wen?« »Den Elenden, der dich -- der dich unglücklich gemacht hat. Den Schur ten, der...« »Vatert« schrie sie anf. »Du haft Bernhard gefehen?« »Ja... Wie gerne hätt’ ich’5 nicht gefagt... Aber --- ich kann es nicht. Es drückt mir fonft das Herz ab.« . .. Sie blickte ihn in fiebernder Unruhe an. Er fah, wie es in ihren Augen fast freudig aufleuchtete, wie ein Flug druct Thoffnungedoller Erwartung ih ren erlaschenen Blick belebte. Er sentte das Haupt und schwieg. »Aber fo rede doch weiter, Vater,« drängte sie, »wi) - -- wo haft du ihn getroffen . .. wann?« »Heute Abend . . .. vorhin . . .. bei Strefokv.. »Jn der Hochzeitsgeie llfchnfi«.’« da ivar S. »Und hat er dich ertann?. . Haft du ihn gesprochen?.... Hat er nach mir gefragt?« Der Vater zögerte mitleidig einen Moment, dann aber sprach er schnellt »Es ist so, .svie ich dir geiagt... Alles Schwindel. was er an dich ge ichrieben.... LllleS Vormund und Lüge..." »Er war nicht allein da, Baker« mit --—- einer andern?« lEie hielt trampfhaft seine Hände umtlarnrnert... Jhr vordem so blei( ches Gesicht glühte, nnd ihre Dingen hingen weit geöffnet mit starrem Blict an feinen Lippen. III-J-- k-- —.— -k’k-p « :(-s-A- II T »UUOLI, fu«-F ussl IIULH, Ist-Vik- lik, »ich bin gefaßt, ich tann’g hören... Er war nicht allein da! . .. Mit einer andern?... Und - um Gottes mil len, Vater,« schrie sie plötzlich auf, »du haft geschworen, «oenn du das das erfahren würdest, dann .volltest du« »Todtfchlagen tvollt’ ich ihn, den Kerl, ja,'« stieß er Iheiser hervor, »er rviirgen tvollt' ich ihn, den Schtiit . .· Ja, das «i)ab’ ich mir gefchworeu.« . .. Zitternd schmiegte sie sich an ihn. und harrte in Scheu und Angst seiner weiteren Worte. »Ja, das had’ ich geschtooren,« wie derhotte er. »Und ngtn —— nun t)ab’ ich ihn gesehen trad· alles erfahren Meine arme Liese.... mein ar mes siind..· du tnufzt es nun glau den. Er hat dich betrogen, du hast vergebens monaielang auf ihn ge wartet, seinen Lügen vertraut. Ich hab? gewußt s ich hat« ge.vuf3t.« Entschlossen raffte das ljtäochen sich auf. »Ich tann’s nicht giauben, Vaterl« rief sie energisch. »Ich tann’s nicht Wer s« wer tvar die andere ' »Wer die andere lvart...Wer die andere war. mein Kind? . .. Seine Frau war’s.... die glückliche Braut von heut Abend tvar’s nnd er der glückliche Bräutigam... Kannst du es nun glauben?!« Und er ballte die Fäuste in olznmächtigem Grimm. Fassungslas starrte sie ihn an, dann aber rief sie in furchtbarer Angst: «Vatek! Was hast du dort ge than7« · »Was ich gethan habe?!« Er lachte fchrill auf. . «Bedient hab' ich ihn! Seroirt had’ ich ihm! · . . Ja, so hält man sei nen Schwur, wenn man ein feiger, er bärmlicher Kerl ift!.... Ja meinen Fingern hat's mit gesteckt —- dist roth ift’s mir vor den Augen gerat den... und es war mir« als müßt ich mich aus ihn stürzen nnd ihn mit nies nen banden erwiir en... Aber wenn ich dann das inschnldige sntnae Ding mit dein glücklichen Lächeln ne ben ihm sah « auch so eine arnie Ves thörte wie du - dann ivrsllt’5 nicht: gehn, dann hielt mich wag znriick, siel mir was in den Ltrin . Und» während ich ihm die Weine eiiischeiikte,: ihm die Speisen präsentirte nnd sede Miene seines Gesichte-· belanerte, griis belte ich in sieberhaster Erregung nach: »Wie soll ich-.- thun?... Wie soll ich dich rächen?... Und plötzlich tauchten die Bedenken vor mir a:ii... Würde inan mich nicht sofort packen, mich als einen Wahnsinnigen davon schleppen? ».1t"-iirdest da dann nicht gaganz allein, ganz verlassen sein?... Und endlich, endlich suhr es mir gar durch den Kopf dasz ich meine gute Stellung verlieren lönnte.... Ach, was für erbärmliche Snbselte sind wir doch!·.. Da lauert man machen-, monatelang aus eine solche Stunde, und wenn das Schicksal sie herbei führt, dann fehlt unk- der M.::i), die Entschlossenheit, dann lonimen Ver nunft, Mitleid, Eigennutz dann hindern einen die verdammten Ge danken....« Seine Stimme erstarb in einem heiseren -Geflijster. Er schwieg erschöpft und sah zu Boden. »Sie aber sagte leise: »Mein hast du gethan, Vater, nnd Gott sei aedantt dafür! Mde die andere aliicklich wer den init ihm! Sie hat dasselbe Recht daraus wie ich!« Und sie senkte das Haupt nnd meinte still an seiner Brust. ———-.-— Cur sevtmemr Dasel. Studiosus Süffel hatte nach Been digung der großen Zerien Abschied von seinen, ihn mit den gediegensten Ermahnungen versehenden Eltern ge nommen, hatte sich in den Bahnzug igeseyt und fuhr, unter Genehmigung verschiedener Schuppen unterwegs, zurück in sdie Universitätsstadi. Gleich auf dein Bahnhof der letz teren trifft er einige Kommilitonem die ihn freudiast begrüßen und das Ereigniß mit etzlicher Feuchtigteit an Ort und Stelle begießen Siifsel hat infolgedessen gerade noch Zeit per Droschte in seine Bude zu fahren, sein verfchlosfenee Gepäet dort auf-»ein paar Stühlen zu bergen und sich die Hände zu waschen, um so gleich, der Llntrittgtneire wegen, dein trauten Stammlccate zuzueilein Siisfel tJat im Haufe der gestrenaen Eltern in puntio Bibeudi natiirlich viel versäumt, darum nahm er die Veranlassung deg Wiederseheng mit feinen Verbindunasbriikern dadr und trant und trank, bis er zu Baden sank Von treuen Frexrndezsarmeti nach Haufe geschafft und zu Bette gebracht, verfiel er in einen Bierlelctxenschlas sondergleickem Ell-er auch aus diesem gibt es ein Erste-sichern wenn auch ein zienilich beschräntie5. I Siiffels Gehirn .r«ar in derartigen Diifel und Nebel aebiillt, daß von eik nein klaren Gedanken keine Rede sein« konnte. Mechauiich wusch er sich und dann dachte er nach, um sich zu orien tiren, wie er zu diesem Kanon enrauschl gekommen sei. Aber e-:— vollte ihm trotz der kalten Erfrischuna, die -·h:u das talte Wasser momentan geschafft hatte, absolut nicht einsallm Da sielz sein nge aus das ordnunpgaemösz ausgeschichtete Gepärt und nun ging etwas wie Erleuchtung durch seinen gequälten Schädel. Er sog sich« so rasch es ihrn möglich war, an — e: hatte, vorher seine Uhr zu Uathe gezogen . und suchte in der Wohnung nach Hilfe-! Die Hausfrau und ihr bienstbareri Geist waren aber aus-gegangen unds so « —-— nahm er sein Gepack. selbst, Tvenn es ihm auch Miihe ver ursachte-, auf, schwankte die Stiege hinab, pfiff einer Droschte, suhr zum Bahnhos und verstaute sich in bem« Eilzuge, der seinem Heimathorte zu eilte ..... denn er hatte in seiner Sinnesverirrung leider angenommen er habe sich besagten äußerst großarti gen Rausch aus der Seniester:«)lb schieds-Flneipe geholt, kenn in sokchem Falle pflegte er oorsichtghalber Taag zuvor zu packen. Erst unter der gewaltigen Duscke des väterlichen Grimmes .oard ihm klar, daß er doch nur einer Antrittg lneipe beigetvohnt hattet --- ----·s - Cis-s» thenleiv. Erster Schauspielen »So betriibt, Here Kollege?" Zweiter SchauspielerI »Man hat inir meine ganze Gardcrobe gestoh en.« « Erster Sei-anspielen »Sie haben ja nie ganze Garderobe gehabt.« - Ein sein-eher- Schädel. s Bäuerin melzt Tage nach der Mit-kli weih): »Heut, Kom, lässt T u T ir aber amal die Glasspfimk aus dem Schädel ziehen » T u zerreißt mi1 ja alle Kopf kiffenl« Eine Kündigung. I Humcregle von hFreitserr on« » pch 1 i cht l i Die Dienstboten natten uni- eines »,nte Macht« gewünscht und die jeden Abend wiederkehrende Frage: »Erl,liift : de r Junge auch?« war mit dem sicreo ,’ tmen ,,Ja«vc«l,l, gnädige Frau,« be antwortet worden So stand denn un serem Zithettegehcn nichts mehr inr Wege nnd meine Frau erhob sich »Sei nicht böse, ivenn ich mich zu riictziehr, ich bin todtrniide, der Junge irar in der letzten Nacht so unruhig. Haft Du noch lange zu arbeiten?« »Ich will nur noch meine Zigarre zu Ende rauchen, dann zielte auch iehl mich in mein Kämmerlein ;;uriict,« er widerte ich, ,,schlaf ivohl.« Eine Viertelstunde später ioar die Zigarre erledigt, und wiederum eine Viertelstunde später herrschte in der kleinen Villa eine geradezu unheim liche Ruhe. Da klangen plötzlich gar seltsame Töne an mein Ohr. Sonderbar Eine giege meckerte ganz in meiner Nähe Jch hörte ganz deutli ch: ,,M"cih--— mäh- —-m·cil;--- « Aber dann plötzlich: ,,J.liama, Mama——-Maaa —maaaa.« Du wurde mir mein Jrrthttm klar; der Junge, der im Zimmer ne benan mit meiner Frau schlies, war er.vacht. Ich kenne mein-en Buben, er de.reidi trotz seiner Jugend er ist erst drei Jahre ——- Alles sehr gründlich, auch hnä Miit-Im Mika flacke- iiscs hi Hände in die Ohren und lroch unter die Decke, utn nichts zu hören. Vergebliche Arbeit! Vergebens suchte meine Frau den Schreier zu beru-higen. »Wenn Du nun nicht gleich still bist, kommt Vater mit dem Stock!« rief ich drohend aus dem Hinter-grund. Eine wahre Höllenmusit war die Antwort auf meine Drohung. Was der Mensch verspricht, muß er halten; so sprang ich denn aus dem Bett und gab dem Bengel eine gehö rige Tracht Prügel. Nun wußte er wenigstens, warum er heulte. Die iheure Gattin, außer sich iiber die Von mir an den Tag qelegte ,.Rohheit«, trat auf die Seite des Kin des: »Was helt meinem Keiner Liebling denn? Hast Du irgendwo Weh-Weh? Zaq’, wag hast Du denn nur?« »MTiich- Miiich.« Der Junge war hungrig und wollte mehr »Miiich«, auf hochdeutsch: mehr Milch haben. Jetzt, mitteni n der Narr-L Der Bengel ivar rein toll, aber denn Hvir noch schlafen wollten, mußte sein Wunsch erfüllt werden. Meine Frau wollte selbst in die Küche geben. :ini die Milch zu bereiten, aber ich wider, sprach. Wozu bezahlt man denn ein sündhaftes Geld fiir ein Kindern-öd chen? Jch drückte auf den Knopf der- let frischen Glocke, die sich in der Näd chenstube über dem Kopfende der Bet ten besindet... Nichts rührte sich. Ich zog mich nothdiirstisg an nnd trotnmelte gegen die Verschlossene Tbiir der Mädchentammer und rief die Jungfrau bei Namen... Alle-J blieb still. Ich spielte mit Händen und Füßen den Liiadetziixllcarsch ich schrie, ich brüllte» .. Alles blieb still. »Und wenn Du todt bist, ich will Dich schon wach betontmen,« fluchte ich. Jch lehnte mich mit beiden Füßen gegen das Treppengeländer, .nit bei den Echultern gegen die Thiir und eine Minute später flog ich, wie ein geölter Blitz mit zerschundenen Mlisd01.-c«.ipi i- ji«-—- KZcksbslunpimb fus »v- Vsqsusnk « -»...·...,..... .. . -.. beiden Mädchen . .. Alles blieb still! Ein Wunder war es allerdings nicht: die Betten .varen leer. Die Mädchen waren ausgeflogen. So mußte denn meine Frau doch selbst in die Küche hinabsteigen, wäh rend ich den schreienden Jungen aus den Arm nahm und ihm auseinander setzte, er sei das artigste Rind, das-«- se von einem Storch gebracht worden sei. Am nächsten Morgen meidet-In :i:ir die beiden Mädchen mit angstersiillsen Gesichtern, es sei bei ihnen eing:bro: chen worden, sie hätten den Dieb lange an der Thiir arbeiten gehört, sie hätten aus Leibes-trösten »Hilse! Oilse gerufen und als Niemand ge kommen sei, wären sie vor Angst aus gestanden und zuerst in den Garten, dann aus die Straße acsiohen, wo sie vergeblich einen Wächter gesucht hät ten. Das Leben nnd das Eigenttzum meiner Dienstboten war mir zu theuer, unt sie erneut dem Schrecken einer solchen Nacht ausznseszen So si« gis ich sie denn, ob sie nicht geneigt wä ren, sich zum Ersten des nächsten Mos nats nach einem anderen Platz unzu sehen. Sie machten Beide einen Knix und sagten: »Seht wohl, gnädiget Herr, es war schon lange unsere Ab sicht, zu tündigen.« »Um so besser,« erwiderte ich, »dann wird die Abschiedsstunde ja nicht un sere herzen brechen.« »Gott sei Dank, daß wir die Scheu sale los werden,« sagte meine Frau, Jetzt will ich es Dir nur gestehen, daß ich mich sast jeden Tag halt-todt iiber sie geärgert habe, sie sind faul, schmusig in ihren Arbeiten nnd Un verschiimt.« »Bebiit’ sie Gott, das sei mein Reisesegen,« gab ichzur Antwort, ,,nnn müssen wir aber sehen, daß wir zum Exsten auch neue Mädchen bekom men. Was meinst Du, sollen wir in seriren?« Aber meine Frau hatte andere Pläne —— wir .oolmen in einer kleinen Stadt, .no sich auch das unbedeu tendste Lireicsnisz mit Wind-weite ver breitet. Heut-: Abend würde schon die ganze Stadt wissen, daß wir zwei neue Mädchen suchen nnd morgen spätestens übermorgen, würden genug Nachfoligerinnen sich melden. Als nach acht Tagen, mit Aus nctlyme der Brotsrau, kein iveibliches Wesen unsere Schwelle überschritten hatte, wurde meine Frau unruhig. »Was meinst Du, sollen .vir nicht doch lieber inseriren?« frag-te ich. Meine Frau bat mach, damit noch einige Tage zu warten, es sei ja noch viel Zeit, heute schrieben Evir ja erst den vierzehnten, bis zum zwanzigsten könnten wir es ja noch so mit an sehen. Als der Morgen des zwanzigsten hereinbrach, war meine Frau ganz verzweifelt »Aber Kind, wag hast Du denn nur?« Endlich kam sie mit der Sprache herang: »Weißt DU, mir graut davor daß ich zwei neue Mädchen nehmen fall: ach, e5 ist zu schrecklich, ani lieb: sten wäre es mir, die alten Mädchen blieben.« »Aber ich denke, Du bist froh, da Du diese Scheusale endlich los wirst, die faul, schmutzig bei der Arbeit und unverschämt sind? Ich gebrauche Deine eigenen Worte.« »Gewiß, gewiß, so sagte ich,« er ividerte meine Frau, »aber wir tön nen doch Dienstboten bekommen, die noch größere Scheusale sind-« »Da haft Du Uecht,« pflichtete ich ihr bei, »hast Du schon mit den«Mäd chen gesprochen?« »Wie könnte ich wohl!« sagte meine Frau entrüstet, »nie darf in solchem Falle die Hausfrau das erste Wort ge ben. Nein, ich kann nicht mit den Leuten sprechen.« »Ich auch nicht,« erwiderte ich, »ich habe gekündigt. Die Kündigung zu: rücknehmen, hieße jede Disziplin un tergraben. Wir Beide können nicht sprechen s-— die Mädchen wollen an scheinend nicht sprechen, solglich wan dern si,e oder weißt Tit einen Uns weg?« · Da zeigte es sich, das)l die Frauen manchmal doch schlauer sind als die Herren der Schöpfung »Wollen .oir nicht heilte iiiseriren?« fragte sie, »dann .verdcn sich viele Mädchen melden und wenn unsere dann sehen, daß ·.vir die ernste Absicht haben, sie zu entlassen, werden sie bitten, hier bleiben zu dürsen.« Also wir inseririen und wie mai zu sagen pflegt: nicht zu tnaptn ,,Nur solche mit hervorragend spu ten eZugnissen wollen sich melden,«' io stand klar und deutlich zu lesen. Es ist unglaublich, wie verschieden die Ansichten iiber den Begriff »ber« vorragend gut« sind. Nichts brauch bares meldete sich. Wir schrieben den dreißigsten -- zum ersten Mal in meinem Leben pries ich den Himmel, daß es auch Monate mit ein und dreißig Tagen gab! i Vieriindzivanzig Stunden standen uns noch bevor: eine lSetunde hat sclou so oft iiber das Geschick ganzer Völker entschieden, xvag konnten da nicht Alles vieriiiidzmanzig Stun-v den bringen? Sie konnten Vieles bringen — aberi sie brachten gar nichts, nur Thränen Meine Jmn meint- misin Nimm weinte, Dorn, die Köchin heulte und Bertha, das Kindermädchen, gab Töne von sich. als ob ihr Herz von unnenn barein Weh zerrissen würde. Bei uns ist es Brauch, daß die Dienstboten, die ihre Stelle verlassen, nicht am Abend, sondern Mittang um zwölf Uhr fortgehen, während die neue Tonna erft am Abend ihren Einzusg hält. Uni elf Uhr neun und fünfzig Mi nuten kamen die beiden Küchenfeen in Thriinen aufgelöst zu meiner Frau in’s Zimmer: ob sie nicht noch wenig steniz ein paar Stunden bleiben dürf ten, fie hätten teine Stellung gefun den, sie wiifzten nicht, wo sie zhr mü des Haupt hinlegen sollten, ob fie nicht wenigstens bleiben könnten. biS die neuen Mädchen täinen? »Aber ich habe ja noch gar keine neuen Mädchen«, fchluchzte meine Frau. »Ach, :vir .viirden so gerne hier bleiben, wenn die gnädige Frau uns nur behalten thun thäte, nicht wahr, Bertha?« »Ach, daß ich meinen tleinen fiißen Jung verlassen soll, nein, das über-i, lebe ich nicht« »So wollt Jhr also bleiben?« froh lockte meine Frau, »das habe ich ja gleich voii Anfang an gewußt.« Die Thränen waren getrocknet. »Ja, wenn die gndige Frau uns denn so sehr bitten thun, dann wol len wir wohl bleiben, obgleich wir uns eigentlich gedacht hatten, wi r wollten zu unseren Eltern «gehen. Aber dann bleiben wir natürlich nur, wenn gnä dige Frau uns fo bitten. Und dann dürfen gnädige Frau uns das nicht übel nehmen« aber wir sind hkr nun -«— fchon so lange im Diean nnd W immer unsere Pflicht und Schnitt-s ieii gethan und da tsnnen die gnädic Frau uns das nicht oerbenlen, des wir auch gerne etwas höeheren W haben möchten, wenn die gnädigezme uns jedem zehn Thaler zulegen M ten, das haben wir uns fo gewi. nicht wahr, Bertha?« »Meine Mutter meinte, zehn Tha ler wären eigentlich ein bischen wenig, was meine Freundin ift, die hat elf Thaler mehr geiriegt.« Meine Frau ist, wie sie mir hinter her erzählte, einer Ohnmacht nahe ge wesen, ob solcher Frechheit —- da hat oben in dem Schlafzimmer der Junge zu brijllen begonnen und aus der Küche drang ein Geruch von zehntau send verbrannten Gerichten. « Da hat die Verzweiflung sie ergrif fen und schiuchzend hat sie gesagt: »Ich gebe Euctz was Jhr verlangt, nun aber acht an Eure Arbeit.« -— — Die »Scheut·ale« sind noch bei mir im Haue-, iie haben sich etwas zu ihrem Vortheil geändert und sie wer den wohl bis zu ihrem oder bis zu unserem Tode bei uns bleiben. ——-«——-—-.O.--—— Sau Inne. Auch heute noch liegt der berühmte Ort abseits der großen Heersiraße, und nur sehr selten verirrt sich einer der Vergnügungsreifenden dorthin. Am leichtesten ist er mit der Bahn strecke, die von Madrid nach Lifsabvn führt« zu erreichen. Man kommt zu nächst an Torrijos, dem Lieblingsaufs enthalt Peters des Grausamen, vorbei, sieht in der Ferne die gewaltigen, mit Schnee bedeckten Gipfel der Sierra de Gredos, berührt dann den Tajo bei dem uralten Talavera de la Reina, wo m)-lI:.--.A.-« Iz- O- ----- k-— kxs..- « WUUIUHIUU Usb TJDUOIJUISU Iqsslkh als verläßt dann in Navalmoral, das schon in Estremadura liegt, den Zug rnn ans einem etwa 35 Kilometer lan gen Maulthierpsad on Olivengarten vorbei in nordwestlicher Richtung durch verschiedene malerisch gelegene Dörfer nach Cuacog zu gelangen, wo man in einer sehr einfachen Posada Nacht quartier bekommen und in einer hal ben Stunde das Monasterium errei chen kann, das, am Bergabhang gele gen, im Anfang des 15. Jahrhunderts von Ilsj)ierorrl)initen aus Plaseneia an der Stelle einer dem ht. Cristobal ge weihten Eremita gegründet worden ist. Jetzt gehört es einem Marquig von Miravel, der es nach den barba rischen Vertviistungen durch die Fran zosen soweit wie möglich wieder her« stellen ließ. Weshalb Karl der Fünste aus den Gedanken kam, sich gerade hierhin zurückzuziehen, ist schwer zu sagen. Vielleicht bat ihn die völlige Entlegen heit von allern, was die Welt bedeutet, in der er eine so große Rolle spielte, angezogen. Nachdem er am 15. Jak nnar 1556 Zu Brii el der Krone ent sagt, langte er im Februar deg folgen den Jahres in Yuste an und bezog ein von ihm an sehr geschützter Stelle. nämlich an der Siidseite des Klosters errichtete-s Gebäude, kurzweg »El Pa lario« genannt. Hier, nicht etwa irn Kloster selbst, lebte er, nnd zwar kei neswegs als Aszet, wie Manche glau ben, sondern als bornehmer, von zahl reicher Dienerschast Unigebener Herr. der aneh weiterhin noch fiir die Politik Interesse hatte nnd seinem Sohn noch m- clie lliathschläge eriheilte, sich irn 1;.t:igen aber seiner Liebhaber-ei, der Beschäftigung mit mechanischen Jn st:«ni1eiiteti, namentlich Uhren, hingen-, nirtij lange allerdings, denn am 21. September 1558 bereits ereilte ihn, 58 Jahre alt, Der Tod. Seine Leiche blieb freilich, in einem Bleisarg beige setzt, dann noch lti Jahre hier, bis sie nach dein inzwischen sertiggestellten liscorijit iibergesiihrt wurde. Der hölzerne Sarg, in dem der bleierne ursprünglich eingeschlossen war, wird noch heute gezeigt, allerdings mit dem der Legende Rechnung tragenden Zu satz,,«as-, in ihm der Kaiser während der ans seinen Wunsch schon zu seinen Lebzeiten veranstalteten Leichenseiec Here-Heu Woc. Die Zimmer sind jetzt öde undleer. Jn dem Schlasgemach hing einst die schöne Gloria von Tiziam die sich fest im Pradomuseum befindet und be kanntlich den Empfang des Kaisers-. seiner Gemahlin, seines Sohnes Phi lipp nnd dessen Gattin in den Gefilden der Selian darstellt. Der Pavillon, die Sonnenulsr, der Stein, den der Kaiser benutzte-, um sich in den Sattel zu schwingen, nnd der alte Nußbaum am Eingang, Unter dem er oft sinnend saß, um sein reich bewegtest Leben noch einmal am inneren Auge vorüberziehen zu lassen, sind die einzian Neliquien aus jener, in mancher Hinsicht großen Vergangenheit Ynste ist jedenfalls so recht ein Ort, um sich zu dem plfilosos phischen Standpunkt aufzuschwingen: »Mein einz’ger Wunsch ist meiner Wünsche Ruh’.« «—-—-·-.-————— Er weiss Bescheid. Hausfrau tzum stellesuchenden Dieiisisnddichen): »Bedaueke, dieStelle ift schon besetzt!« Hausherr: »Jamohl, die ist schon weg! Aber wissen Sie was-, kommen Sie übermorgen n;iieder!«"l Entgegenkommend. Schneider: »Jetzt ift es aber die höchste Zeit, daß Sie die Rechnung be zahlen; ich tann den weiten Weg nicht immer wieder vergeblich machen. Kunde. »Seien Sie ganz unbe sorgt, in der nächsten Woche — ziehe ich in Ihre Nähe.«