Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 06, 1904, Zweiter Theil, Image 10

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    Yas Yorttait in meines Enkel-«
Hpeisezimmen
(3. FortseiungJ
Schweigend schritten wir vorwärts;
endlich sagte der Baron zu mir: »Sie
ben die Stimmung dieser Leute ge
ehen; man weiß nicht, wie weit sie
sehen werden. Es ist daher Zeit, an
unsere Sicherheit zu denken. Wir wer
den nicht mehr in’s Dorf hinabgehen.«
»Ganz meine Meinung,« rief die Ba
roninz »unsere Tochter soll in der
Schloßiapelle getraut werden. Dente
nur, Beinet hörte die Menschen hinter
uns sagen, in allen-Pfarreien seien die
abge chlossenen Sitze der Schloßherr
schaft weggeschafft worden; vielleicht
wirst Du gezwungen sein, auch den
unseren zu entfernen.'« ,,Niemals!«
erwiderte fest der Baron; »ohne Zö
gern habe ich alle petuniären Vorrechte,
alle Zehnten und Abgaben ausgegeben;
aber nie in meinem Leben werde ich
auf meine Ehrenrechte verzichten. Nur
Gewalt tann mich deren berauben.«
Als wir im Schlosse anlangten,
uchte ich vergebens Mademoiselle de
alpeire zu sprechen; mit Geschicklich
keit wußte sie jede Gelegenheit zu ver
meiden. Erst im Laufe des Nachmit
tags, als wir in den Garten hinab
«egen. gelang es mir, sie auf der
reppe aufzuhalten, und in tiefer Er
regung sagte ich ihr: Können Sie
mir mein Glück nicht verzeihen? Wenn
Sie die Jnnigteit meiner Liebe kenn
ten, Sie würden gewiß mir Jhre Nei
ung nicht versagen!" Und als sie
stumm weiter eilte, setzte ich hinzu:
«Lassen Sie mich Jhnen von meiner
Liebe erzählen. Jetzt werden Sie es
doch wohl erlauben, wo Sie auf mich
als Jhren künftigen Gatten blicken.«
»Sie sagten besser, den höchsten Bieter
auf meine hand," entgegnete sie mit
bitterem Spott. Jn diesem Augen
blick, ich weiß nicht, warum, durch
zuckte mich ein finsterer Argwohn. Mit
unbestimmter-, aber heftiger Eifersucht
rief ich aus: .Sie lieben einen Andern.
Wer ist es, den Sie mir uorziehenZm
Sie werden es bald erfahren,« war
Die kühne Antwort, und ohne ein wei
teres Wort eilte Fräulein von Mal
peire in den Garten.
7. Kapitel. r
Madeinoiselle de Malpei
re ’s heirath.
Leider muß ich bekennen, daß ich
mich selbst nach dieser Unterredung
nicht entschließen konnte, Fri. von
Malpeire auszugeben. Meine Liebe
in mich selbstsüchtig und mean
nis . und die Jdee einer erzwungenen
heirath schien mir nicht mehr so ver
abscheuenswerth wie früher. Solche
und ähnliche Gedanken lreuzten in
mir, wii rend ich neben der Baronin
auf der errasse saß und den Spielen
aus der Dorstviese zusah.
«Sehen Sie, lieber Marquis,« rief
die Baronin mir zu, »von beginnen
die Ringkiimpse.«
Zwei halt-nackte Männer traten in
eine von niederen Holzlatten umzäunte
längliche Arena, an deren einem Ende
auf einem kleinen Gerüste das Zinn
service blinlte. während an dem ande
ren Ende ein schwache-Z Orchester die
unerträglichsien Töne hervorbrachte.
Einer der Männer lag bald am Boden
nnd verließ dann schweigend den
Ring-Plat- Der Andere stand ruhig
in der Mitte und erwartete einen neuen
Kämpfer. dem er seinerseits unterlag.
So folgte unter dem Jauchzen und
mehr oder minder lebhaftem Beisalle
der Menge ein Sieger dem anderen.
USE-. Nil-Ess- skstsss Lsmzsgsnsssk
Uterus-( »s( Ouwmlh Ulc Vllcyc set
rzlich eintönig, da doch sicherlich der
bbat zum Schlusse alle niederwerfen
werde, wie er schon voriges Jahr ge
than habe.
»Die Stärke dieses Pinatel ist ganz
außergetvöhnlich.« bemerkte her Ba
ron; «er ist aber auch ein vorzüglicher
Wilderer. Wenn er im hiesigen Dorfe
lebte, würde ich ihm Chotsets Stelle
ür die Zukunft versprechen und ihn
n der Zwischenzeit als Forstaufseher
verwenden.«
Die Batonin führte mich durch ihrer
Tochter Zimmer, das am Ende des
von Frau von Malpeire bewohnten
lügels in einem vorspringenden
. hurme, einem früheren Wachtthurme,
auf einen kleinen, hier über dem
s rund ·«ngenden Balton. Aber
ba zog re sich zurück. »Ich kann
hier nicht stehen, ohne schwindelig zu
sterben- Meiner Tochter Nerven sind
klet. Ich habe sie oft an Mond
chetnsAbendem mit dem Ellenbogen
auf dieser kleinen Balluftrade lehnenh,
it sie Landschaft htnausstarren -
Ich beugte mich über das se
,unr sit den Augen die höhe zu
und til-erzeugte mich, daß,
W hier ein Romeo existirte,
ssclton unersteigbar war
Iitzvor Sonnenuntergang drang
IM msssfen In uns herauf und das
ängstet-ice verschwand von dem Ge
Des Spieli zu Ende,a sagte
jleksmniwm indem Eins-äu geer
SEND t
Äch- Æett tgeanchånhstomnrt
ern er ten-et
Tit Its hier sei-. Ins hinein
Mk St Inn-de bald dunkel; aber
die Bauern zündeten Kienfackeln an,
deren flackerndes Licht eine eigenthiim
liche, bewegliche Jllumination bildete,
als ihre Träger den Berg heranitiegen.
Nach wenigen Minuten kam Choiset,
der Leibjiiger, in den Satan. .Der
Abbat ist dat« meldete er hastig; »eine
grofze Menae folgt ihm. Jch erwarte
des herrn Barons Befehle.«
»Niemand als der Abbat und feine
zwölf Genossen werden eingelassen,'
antwortete der Baron; »und wenn von
den Andern Jemand den Eintritt er
zwingen will, so thut, wie ich Euch
schon vorher gesagt habe." »Kommt",
sagte die Baronin lächelnd, »laßt uns
gehen, diesen tapferen Schäfern Au
dienz zu gewähren. Jhre Hand, Herr
Baron! Komm mit uns, Kleine,« setzte
sie zu ilxer Tochter gewandt hinzu.
Fräulein von Malpeire folgte ihren
Eltern, die zusammengrfaltene blaue
Schärpe in der Hand haltend. Sie
sah sehr blaß aug, und ich bemerkte,
daß ihre Hände zitterten.
Alle gingen herunter, nur ich blieb
zurück. Die ganze Sache war mir uns
angenehm, und ich mochte bei der
Ueberrezchung der Schärpe nicht zu
gegen fein. Unmuthig blickte ich aus
dem Fenster in die duntle Nacht hin
aus, die tein Mond und leine Sterne
erhellten. Jch dachte an Marie de
Malpeire·s Worte zurück, und die der-—
schiedenartigsten Gefühle stürmten auf
mich ein. Nach einer Weile glaubte
ich eine Figur unterhalb des Fenster-T
an der Mauer vorbeischleichen zu
sehen, wie Jemand, der seinen Weg im
Dunkeln sucht. Obgleich hierin nichts
Besonderes lag, wurde doch meine
Aufmerksamkeit rege, und ich suchte
der unbestimmten Gestalt mit den
Augen zu folgen; aber die Dunkelheit
war so groß, daß sie verschwand, ohne
daß ich bemerken konnte, welchen Weg
sie eingeschlagen hatte. Einen Augen
blick darauf sprang Frau von Mal
peire’s kleiner Hund auf und bellte.
Jch glaubte in dem Boudoir, das mir
zum Atelier gedient hatte und dessen.
Thiir gerade halb offen stand, leise
Fußtritte zu hören: und zwar war
dieser Eindruck so start, daß ich aus
rief »Wer ist da?" Keine Antwort.
Jch nahm einen Leuchter und ging in
das Bondoirz das Hündchen, noch im
mer bellend, folgte mir. Die zu der
Treppe nach dem Garten führende
Thür war geöffnet; dies war nichts
Seltenes an solch’ warmen Abenden·
Niemand war im Zimmer, aber ich
bildete mir ein. den verhallenden
Schall sich entfernender Schritte zu
hören. Jch schloß, daß Jemand von
der Dienerschaft auf diesem Wege in
den Garten hinabgestiegen sei, und
lehrte in den Salon zurück. Ungefähr
eine halbe Stunde später tam Mme. de
Malpeire und warf sich auf das Sopha
mit den Worten: »Ich bin ganz er
schöpft. Jch glaube, ich habe me in
meinem Leben so sehr gelacht.« »Wa:
denn der Empfang ein so erheitern
der?« frug ich erstaunt. »Q, Sie sol
len Alles hören,« rief die gute Dame
unter neuem Lachen. »Malen Sie sich
nur selbst die Szene aus. Der Abbat
und sein Gefolge warteten in der grü
nen Halle, die häupter entblößt und
ganz respektvoll. Als meine Tochter
vertrat« ließ der lange Kerl sich in der
galanteften Weise auf die Kniee nie
der; sie beugte sich über ihn und legte
ihm die Schätze über djeBrYst rinter
Iclll Illulcll UPPUIUV Ucc Uc«llgcll."
Dann stand der Abbat auf und hielt
eine kleine Anrede an mich. Während
er so vor mir stand, konnte ich ihn
recht betrachten; er ist wahrhaft ein
Riese; die Federn auf meinem Kopfe
reichten taum bis an seine Ellenbogen
Als er geendet hatte, wandte ich mich
In den Baron und sagte: »Wollen Sie
dem jungen Mann meinen Dank sa
gen; da ich das Probencalische nicht
kenne, habe ich seiner Rede nicht folgen
können, bin aber nichts desto weniger
sehr erfreut iiber seine Freundlichkeit.«
»Wie, Madame?« rief mein Gemahl
aus; .er sprach ja französilch u Ih
nen!« Da faßte mich ein Lach chauer,
daß ich das Gesicht hinter meinen Fä
cher verbergen mußte; und eo dauerte
saft eine Viertelstunde, bis ich mich
ganz erholt hatte. Alles verlief aufs
Beste. Die guten Leute wurden reich
lichft mit Wein und anderen Getränken
bewirthet und tranken auf unsere Ge
sundheit. ich weiß nicht, wie oft. Alle
gingen endlich hochst zufrieden, dente
ich, weg. Aber die ganze Sache war
arg ermüdend. Meine Tochter hat mich
sogar gebeten, beim Souper nicht er
scheinen zu müssen; sie hat sich wohl
schon zur Ruhe begeben. Jch bin jetzt
wieder so erfrischt, daß ich auch nach
dem Abendefsen unsere Partie Piquet
aufmerksam spielen tann.«
Der Baron trat ein und sagte: »Auf
dein Wege vom Dorfe hierhin ist eine
ungeheure Menschenmengex aber Rie
snand wird hereintommerr. Wir können
ruhig schlafen; ich habe dte Zugbriicke
In z ehen lassen«
Wir gingen zu Tisch. Der Baron
Im mir troj der Instrengu die
er machte, um unbetorgt zwei-ei
nen, ziemlich unruhig vor; stets-wohl
sitt et noch des Abende ge
Jhnlich in las, und ich seite rnich
rnit Zrau cuml Beispiel
tisch. hrtanr Neidern-i
elle Beinen hilielgst destiirzt aussehend,
n. «Zchwer nicht« was vorgeht, "
meldete draußen ist ein großer
Tumult. Von hier aus kann man
nichts hören; wenn aber der seen Ba
ron herunter in den Vps ge n will,
kann er vielleicht erfahren. woher der
Spettatel rührt. " »Man dringt uns
viellei t eine Serenadef meinte Frau
von alpeire die Karten mischend
»Ich gehe hinunter und überzeuge
mich, was es ist,« rief der Baron, aus
seinem Schlafe auffahrend; «bleiben
Sie hier oben, Champaubert, es ist
nicht der Mühe werth, Jhr Spiel zu
unterbrechen. Kaum war er hinaus
gegangen, als die Glocken der Dorf-«
tirche zu läuten begannen. »Es ist
Siurrn,« rief ich aug. »Dann ist ge
wiß irgendwo Feuer ausgebrochen,'·
versetzte die Baronin; »leider ist dies
bei den vielen Holzhauten und Stroh
dächern hier nur ein zu häufiges Vor
lommniß Besonders solche Festtaae
sind in dieser Beziehuna Gefahr brin
gend. " v
»Ein Feuer miiszte man von hier
aus sehen töntten,« sagte ich, an ein
Fenster tretend. Es herrschte ein un
durchdringliches Dunkel, und die Luft
war drückend und schwül. Nur eine
Anzahl Lichter, augenscheinlich di
Kienfackeln der Bauern, bemeate sich in
der Richtung auf das Schloß zu.
Ehe ich der Baronin meine Beobach
tungen mittheilen konnte, kam der
Hausherr zurück, mit einer Flinte in
der Hand. »Es ist ein wirklicher Aus
stand, ein betvaffneter Angriss," sagte
er mit einem Gemisch von Selbstbe
wußtsein und Augen »Ihr« vier
hundert oder fünfhundert stehen rufend
und schreiend jenseits des Grabens
dem Thor gegenüber.« »Was wollen
sie eigentlich,« frug die Baronin, ohne
sich itn Geringsten zu beunruhigen.
»Wer weist?« erwiderte ihr Gemahl;
»Choiset wollte von der Thorzinne zu
ihnen sprechen; aber sie schrieen nur
um so lutes-, und ich konnte nur den
Ruf: «der Abbat, der Abbat!« ver
stehen, gerade, als ob wir ihn gefan
gen hielten. Einige haben Gewehre.
die Meisten aber sind nur mit Aexten
und Sensen bewaffnet. Es ist teine
Gefahr, daß sie uns mit Sturm beste
gen. Das einzige, wag ich fürchten
würde, wäre, daß sie uns durch die
Gartenpforte von dieser Seite über
raschteru Aber diesen Eingang ver
theidige ich leicht. Den ersten Mann.
der dort erscheint, fchiesze ich nieder und
so jeden folgenden-" »Gott, mein
Gott,« schrie nun die Baronin, ernst
lich erschreckt, «und meine Tochter-"
»Sie soll hierhin tommen," antwortete
der Baron; »von dem Balton ihres
Zimmer- werde ich die Gartenpforte
überwachen.« Haben Sie teine Auf
träge fiir mich?« frug ich· »Kommen
Sie mit mir,« versetzte er kurz.
Frau von Malpeire nahm einen
Leuchter, und wir folgten ihr den
Gang entlang, der zu ihrer Tochter
Zimmer führte. »Sie schläft wohl
fest-« sagte ste, »und ihre Thüre ist
stets von ihr zugeschlossen; ich habe
aber meinen hausschliissel in der
Tasche. Jch gehe zuweilen für einen
Augenblick zu ihr herein, um sie schla
fend zu sehen-" Sie öffnete die Thür,
und ich bemerkte sogleich unterhalb des
Spiegels die tleine Holzfigur, die der
Baron in seiner Jagdtasche gefunden
hatte. Iri. von Malpeire war aber
nicht in ihrem Zimmer. »Sie ist nicht
hier,« rief die Baronin aus; »we, um
Gottes-willen mag sie nur sein?« Mein
Blut gerann fast zu Eis; ich erinnerte
mich der Gestalt, die unterhalb des
Fensters dorbeigeschlichen war, die tei
sen Schritte, die ich im Boudoir gehört
hatte. und der drohenden Worte, die
schon während der lesten StundenL
immer in meinen Ohren tviedertlans
gen: »Sie werden es bald ersahren2«
Dann durchzuckte wie ein Blitz mich
der Gedanke an das Geschrei der
Menge: »der AbdatL der Adbat!« Wie
versteinert vor Schrecken stand ich da,
als der Baron, der die anderen Ge
mächer nach seiner Tochter durchsucht
hatte, MrückIam und leichenblaß aus
ries: « an hat sie weggeschlepptt Wir
müssen sie befreien oder sterben.'· »Ich
gehe mii Jhnen,« antwortete ich mit
Verzweiflung im Herzen. Die Worte
waren kaum meinen Lippen entslohen,
als mein Blick aus einen Brief siel,
der aus ein«-I Tische in der Ecke des
Zimmers la Jch deutete aus ihn hin;
Frau von Malpeire ergriff ihn stür
misch und reichte ihn ihrem Gatten mit
den Worten: »Lesen Sie, lesen Sie!
Es ist meiner Tochter handschrist und
an DSie erichtet.«
arsn öffnete den Pries, und
Leichendliisse trat aus sein Gesicht Er
las ihn zu Ende und reichte ihn mir;
der starke Mann stolperte und siel
hiilslos zu Boden. Seine Frau kniete
zu ihm nieder und ries wild um Hülfe.
Als der Baron wieder zu sich kam,
las ich sol ende Worte:
»Mein sent Der Augenblick ist da,
wo die Geheimnisse meines Her enc
kund werden müssen. Jch de
meine Liede und meine Hand einem
Manne zugesagt, der nach den Begris
sen der Welt mir nicht edendiirtig ist.
fech liebe ihn. toeil er alle Tugenden
eines Standes besish Offenheit Ehr
lichteit Schlichtheit und unverdordene
Sitten. Mit Im fürchte ich die Ur
rnukh nicht; s ne wielige hand ist
an harte Urbeitgeto hnt. Jch werde
das Brod mit ihm theilen, dai er im
tßtheiseinei Angesichts verdient
neitihm unter das Da
seiner wiirdgen Este-en fliehe, thuei
et. weil Wischer potttmus
mich zunr setßersten etr eden hat«
Usi dem Eiend einer au gezwungenen
heiratd zu entgehen, habe · mich
unter seinen Schuh begeben. tet
nicht daran, rn· auj meiner Zu
sluchtdstiitte surii zureißen. Tausend
starke Arme und tapfere setzen wer
den des Bauern staut umgeben und
des Edelmannes ter vor einer Ty
rannei fchiiken, die zwingen wollte«
einen Mann zu heirathen, den sie nicht
liebt. Wenn hr meine Ehre wahren
wollt, wenn r dem Kinde. das Jhr
einst das Euere nanntet, wenn Jhn es
fest auch verfluchen und verstoßen mö
get, einen unbesleckten Namen sichern
wollt, so sendet mir Euere schriftliche
Einwilligung zu meiner Heirath mit
Francois PinateL damit ich in den
Augen der Welt die rechtmäßige Ehe
fran eines Mannes werde, mit dem in
das Dunkel der Nacht zu fliehen ich
mich nicht gescheut habe, dem ich zu
dieser Zeit in Gegenwart einer Volks
menge Treue versprochen haben werde,
und den ich nie verlassen werde, im
Leben, noch im Tode. Jch tann jetzt
nicht erwarten, daß Ihr, mein Vater
und meine arme Mutter, mir verzeihen
werdet, aber ich hoffe, der Tag wird
kommen, an dem Ihr eg thun werdet.«
Der Baron wandte sich an mich mit
einer Ruhe, die schrecklicher als der
heftigfte Zornesauisbrucb war, und
fagtex »Sie muß jenen Mann heira
then. Ich werde meine schnftliche
Einwilliaung senden; nnd wenn das
Schristftiict unterzeichnet nnd abae
schickt ist« werde ich linderlog sein und
vergessen, daß ich je eine Tochter
hatte.«
Nach einer Pause fügte er in einem
Tone, dessen ich selbst noch fo langer
Zeit nicht ohne Schaubern gedenten
kann, hinzu: ,,Verflucht sei der Tag
an dein iie geboren wurde! Verflucht
der Tag, an dein Gott in seinen: Zorn
sie wieder von den Todten zuritckriefk
Verflucht sei ihr Leben in dieser Welt
und in der - « »Li, faae nicht in der
nächsten," schrie die unglückliche Mut
ter und preßte ihre Hand auf seinen
Mund. Auch sie hatte den Brief gele
ten und unter Händeringen geklagt:
»Meine Tochter ist irrfrnnig geworden,
meine Tochter hat den Verstand vers
loren.««
Welch’ furchtbare Nacht hatten wir
zu überstehen! Alles in mir schien zer
trümmert und vernichtet. Der Baron,
unfähig, das hyfterische Weinen seiner
Gattin anzuhören, folgte mir auf mein
Zimmer. Sein Kummer war finster
und schweigsam. Raftlos schritt der
alte Herr im Zimmer aus und ab und
zuweilen trat er an’5 Fenster, wie um
Athetn zu schöpfen. Vor dem Schlosse
war alles Geräusch erstorben; die Auf:
re ung unter dem Volksbaufen war
of enbar durch einen unerwarteten
Umstand besänftigt worden, und Nie
nåand stand mehr vor dem Eingangs
t or.
Zwischen 12 und l Uhr tam Choiset
in’s Zimmer und meldete mit Thriinen
in den Augen: »Die Frau Baronin
hat einen langdaueinden Anfirlt von
Ohnmacht gehabt. Jetzt ist sie besser
und wünscht den Herrn Baron und den
Herrn Marquis zu sehen.«
Wir gingen zusammen hinab. Bei
unserem Anblicke wars Frau von Mal
peire sich zu den Füßen ihres Gemahl
und rief mit von Schluchzen oft unter
brochener Stimme: «åch lann, ich will
sie nicht aufgeben. s-·-ie müssen Mit
leid mit dem armen, dethörten Kinde
haben. Sie müssen mich zu ihr gehen
lassen; es ist meine Pflicht, es ift mein
Recht. Jch musz sie erretten vor jenem
schrecklichen Menschen. Bald wird sie
ihren Fehltritt bereuen; dann will ich
sie in ein Kloster bringen und mich
dort mit ihr vor der Welt vergraben.
Die Religion gebietet uns, barmherzig
u sein. Sie lehrt uns, daß die
sum-Isi- csshsss san-J- Ivsass --t-«:I--0
Hqssvspvu Inn-Is- qsuouk Ist-u- ukluyut
werden tönnen.«
»Die Reue lann Gottes Verzeihung
herabziehen.« entgegnete der Baron,
»aber sie tann nicht die Schande tilgen
Unser Name und unser Haus dürfen
nie Entehrung tragen.«
Lange, aber vergeblich slehte die
arme Frau in Tönen des bittersten
Grarnes, die mir das wunde Herz zer
schnitten. Der Baron blieb unbewegt.
«Nichto«, sagte er, »tann die Schande
auslöschen und das Vergangene un
geschehen machen. Hier ist für uns
leine Wahl. wir lönnen nur einen Weg
einhalteii. Das unglückliche Mädchen
hat sein Loos selbst erwählt und es
muß dabei verbleiben. Sie muß den
Mann, mit dem sie entronnen ist, hei
rathen uiid sür uns nicht mehr existi
ten-«
So verging die Nacht. Die aus
Ebende Sonne sand ung an derselben
telle zusammensihend bleich, mit ge
brochenem herzem aus«- Aeuszerste
elend. Friih am Morgen schrieb der
Baron die zu seiner Tochter heirath
nothrvendige Zustimmung und schickte
sie sogleich ab.
8.Kapttel.
Die Einigranten.
Die htNgt Erregung. die ich durch
lostet, und Ue trauipshaste Anstren
ung, »die ich macht, um nicht vor
Fräulein von ire’j Eltern mei
nem Schmerze zu Umliegem brachten
mich in einen stillt-UT körperlichen
Leidens und geistige-Niedergeschlagen
heit, dein bald beangstigenk Symp
tome fol ten, und chon am ist«-kippt
Ta er lärte der beigleru eae kzt
in dernTodena . Frlange «
elteii die äußersten Schnitt-bezu
Miude mit hest er Aufreginigz endlich
aber hegte die atiir. Die erste llare
Erinnerung ist, da ich. d,
eine Dame neben m nein Vette- n
sah. Ei toar Madame de Malt-e re,
die ich nicht sogleich erkannte, weil sie
weder Puder, noch Schönpflösterchen
trug. Sie hatte mich Ta nnd Nacht
nicht verlassen und nöcht Gott ver
danite ich ihrer und ihreöGatien treuer
flege mein Leben. Sechs Wochen
atte meine Krankheit gedauert, und
an manchem Tage hatte der Doktor,
der aus D. kam, erklärt, ich werde
wohl kaum die soigende Nacht über
lehen. Dieser Arzt war ein scharf
blickender und llu er, kleiner, alter
Mann. Er hatte ich über die Ursache
meiner Krankheit nicht getäuscht und
sagte, sobald er bemerkte, daß Be
wußtsein und Gedächtnis in mir sich
wieder gestärkt hatten, in meiner Ge
genwart zu der Baronin: »Die Lust
dieser Berge ist siir unseren Patienten
zu angreifend. Ueber-dies müssen wir
bedenken, daß der Winter hier acht
Monate dauert, und dafi wohl baid
der Schneefall beginne und die Wege
unpassirbar machen wird. Meine Mei
nung ist, daß Herr von Champaubert
sogleich ausbrechen sollte. So schwach
er auch ist, fürchte ich die Reise doch
nicht fiir ihn. Wenn er nicht zu reiten
verniaa, kann man ibn leicht in einer
Sänfte tragen.«
Ruhe-loss- drehte ich mich hin nnd
der nnd seufzte. Der Versuch, aufrecht
zu sitzen, war fiir mich zu anstrengend
gewesen« und meine hie-danken ver
wirkten sich wieder. »Ja, Tottor,«
ninrmelte ich, »Sie werden mit mir
kommen. Auf dem Schnee ain Ende
bei- Paiies von Maine-irr werden mir
Halt machen, nnd Sie werden mich
dort verlassen.« »O nein, wir werden
weiter reifen,« antwortete er hastig;
»Sie werden zu Jhrein Vater gehen,
der Sie erwartet.« »Mein Vater!«
rief ich, indem ich dein neu angeregten
Gedantenzug folaie; »Nein er, naß ich
trank bin? Hat er geschrieben?"
tfin ängstlicher Blick der Vamnin
schien den Arzt zu fragen, ob sie ant
worten dürfe. aErzählen Sie ihm
Alles,« entgegnete er. »Der Baron hat
einige wenige Zeilen von Ihrem Va
ter erhalten,« sagte sie, sich iiber mich.
beugend. »Er ist wohl und in Sicher
heit. Aber schreckliche Dinge haben sich
ereignet.« Jhr Gemahl tam in diesem
Augenblicke herein, und er war es, der
mir von den fürchterlichen Tagen der
5. und li. Oktobers Kunde gab. Mein
Vater hatte die königliche Familie nach
Paris, sowie später auf ihrem unglück
lichen Fluchtverfuche begleitet; dannl
war er fiir wenige Stunden nach
Haufe geeilt und ging am folgendeni
Tage in ein freiwilliges Exil. Jnj
Turin erwartete er meine Ankunft.
Diese fchrecklich überraschendenNachs
richten gaben meinen Gedanken eine
andere Richtung, und fiir einen Augen
blick vergaß ich Mademoifelle von
Malpeire. Aber bald fielen meine
unruhig wandernden Blicke auf eine
kleine Blume« die Mademoiselle de
Malpeire einst getragen nnd dann in
eine Ecke des Speisefaales geworfen
hatte; ich halte fie aufgehoben und in
einen Blumentopf gepflanzt, und die
lleine Ranle hatte Wurzeln geschlagen
und ra te jetzt schon iiber den Rand
der Va e hervor. Augenblicklich fanl
mein fiebernder Ron in die Kissen zu
rück, biitere Gedanken begannen wie
der ihr Spiel und machten meine Pulfe
hämmern. Der alte Doktor, der die
plötzliche Veränderung bemerkte, erhol«
sich jeßt und sprach in entfchiedenem
Tone: »Nun wohl, mein Herr, morgen
reifen wir.«'
An demselben Abend iaß Frau von
Malpeire allein neben meinem Bette.
Jch weiß nicht, welchen Ausdruck mein
Gesicht trug, als ich sie anblickte und
dabei »ein-eine Andere, deren Namen ich
IIIIJI Inseln lolllil(, UUUJ1(, uhcl Ul(
arme Frau drach in Thriinen aus und
sagte mit leiser Stimme: »Ich trauere
um sie, als ob sie todt ioäre." Keine
andere Erklärung fand zwischen uns
statt; doch wir verstanden uns-. Die
Wunde in meinem Herzen Ivar so ties
und fchmerzend, daß ich durch jede
Berührung meine Leiden zu vermehren
fürchtete. Jch schwieg. Später tam der
Baron, und gegen 12 Uhr drückten
Beide mir herzlichst die band und
zogen sich zurück. Mdllr. Boinet zö
gerte noch einen Augenblick, dann
wünschte auch sie mit einer ihr unge
wohnten tummervollen Miene mir
gute Nacht. »Auf Wirt-ersehen mor
gen früh!« Sie preßte ihr Taschentuch
gegen die Augen und ging hinaus
Eine gutmüthrge, dicke Magd tam, um
bei mir zu wachen. Da sie mich schla
fend glaubte, begann sie in ihrem
Landesdialett zu ch selbst zu sprechen
und meine bevor tehende Abreise, so
wie die ihrer Herrschaft zu hetlagen·
Der eintönige Klang ihrer Stimme
schläferte mich ein, und zum ersten
Male fiel ich in einen sur mehrere
Stunden ununerhrochenen erquickenden
Schlummer.
Ali ich am fol enden Morgen er
wachte. schien die onne hell und klar
in mein Zimmer, dessen Thüren und
Fenfter geöffnet waren. Der Doktor
and reisefertig an meinem Bette.
»Na-nisten Sie,« rief er munter, «Sie
sind viel besser. Wir müssen den heu
tigen schönen Tag benagen und in
einer Stunde aufheechen.« Ich ließ
mich wie ein Kind ankleiden, lehnte
mich dann auf den Arm-des freund
lichen Arztes und versuchte, eint e
Schritte zu gehen; aber ich war so
s wach, daß ich kaum die Thiere er
rechen tonntr. »Das darf Sie nicht
tiimmern,« sprach er ermuthigend. als
It mich zu einem Sessel zurückführiez
ich habe eine gute Sänfte mit dichten
. »-..--.-.
— . si
Vorhönsen bestellt. in der Sie sehr be- z
guern fihen werden. Sie hiilt um Zunge N
der Treppe. Wenn Sie ni t so t
gehen können, werden wir ie hinab !
· i
r
tragen." »Ich muß mich zuerst von
Herrn nnd Frau von Malpeire verab
schieden,« sagte ich, während mir Weh
mnth die Stimme erftickte. Er ant
wortete: »Man hat hnen denSchmerz
dieses Abschiedes er part. Es würde
nur ein neuer Kummer fiir Sie gewe
sen fein, den Sie nick? ertra en hiiti ·
ten. Seit mehreren agen st Alles i
siir deren Abreise vorbereitet worden. Ei
Beide haben nur gewartet. bis Sie H
ganz außer Gefahr seien, und diese F
Nacht haben sie das Schloß derlassen." k»
»Für lange Zeits« frug ich, über diese :
Nachricht bestürzt «Wahrscheinlich für
immer,« war die betrübte Antwort;
»sie wandern ans.« »
Beinahe ohnmiichtig wurde ich in die (
Sänfte hinabgetragen Und ließ mich -
forttragen, ohne zu fragen wohin, nnd l
ohne einen Blick nach rückwärts zn
werfen. Der Doktor begleitete mich zu !
Pfeka Als wir am Passe von Mai- i
peire angelangt waren, stieg er ab nnd
schlug die Vorhänge meiner Sänfte
auseinander. Die frische Luft belebte ?
mich, ich richtete meinen Kopf empor I
und starte ans den melancholischcn An- s
blin, den die Gegend darbietet. Die
sich liingenden Schatten der Felsen
hatten schon den Rand der Schlucht
erreicht; der Wildbach tosce in feinem i
tiefen Bette, nnd herbstlich gelbe Blät· «
ter bedeckten den Saiiinpfcid. Ein llei
ner Roqu hüpfte ans dem Stein um
her, anf den man einst Fräulein von
Malpeiree Bahre gestellt hatte, und
sein lustiges Zwitschern mischte sich
tontrastirend mit dem tobenden Brau
sen dec- nnbändinen (Sieiviisserg. Mit
leisem Stöhnen barg ich mein Gesicht
in meine stände Tusr Virt- ivimtp fis-b
über mich und fragte besorgt, wie ich
mich befinde. Stumm drückte ich seine
Hand, und gab ihm ein Zeichen, die
Vorhänge zu schließen. Der Anblick
dieses Ortes machte mich schwindlich
und toll; eine wilde Begier aßte mich.
in den Abgrund mich hinabzustiirzen
und mein Leben in den kalten Wogen
ides schäumenden Flusses zu endigen.
»Die-H Delirium ließ nach, als wir an
:der anderen Seite den Berg hinabzu-:
Iiteigen begannen, als sanftere Lust
mich umwehte. So verließ ich einen
Ort, wo ich in einem turzen Zeitab
schnitte den eiitziickendflen Traum don
Gliick genossen und die bitterste Pein,
die das menschliche Herz treffen kann,
crliten hatte.
Acht Tage später tam ich in Turin
an, ivo ich meinen Vater sand. Der
Doktor, der mich bis dorthin begleitet
hatte, mußte jetzt in die tleine Stadt«
in der er lebte, zurückkehren Diese
Trennuna griff mich sehr an; denn ich
hatte mich an den treuen Freund,des
en Sorgfalt und Kunst mein Leben
gerettet hatte, enge angeschlossen. Aber
noch ein anderes, seltsames, ja lächer
liche-s Gefühl, das ich mir selbst nickit
recht eingestehen mochte, ließ mich se -
nen Abschied bedauern. Er lannte
FrL von Malpeire; er hätte mit mir
von ihr reden tönnen. Kurz vor sei
ner Abreise befiel mich nochmals eine
Leidenschaftliche Erinnerung, ich nahm
ihn zur Seite und fragte mit fast ber
fagender Stimme: »Wer weiß, wag
das Schicksal jenes unglücklichen Mäd
chens ist? Ich bitte Sie, forschen Sie
nach ihr! Vielleicht hat sich ihr Sinn
noch im letzten Augenblick gewendet,
und sie hatte jenen Mann verlassen.
Was wird in diesem Falle aus ihr
werdens Jhre Eltern hatten sie ent
erbt und verstoßen. Niemand ist da,
der ihr eine helfende Hand böte. sollte
iie ihre Schritte zurücklenlen wollen.
Dieser Gedanke macht-mich elend. Jch
möchte mein Leben hingeben, um sie zu
retten, um sie von jenem Menschen
loszureifzen." Mitleidig prüfend blickte
der Arzt mich an; dann versedte er
kurz: »Glauben Sie mir s— Sie mits
sen fie vergessen! Fiir Sie bedeutet
des Mädchens Glück oder Unglück
nichts — nichts; ihin wird das Lobi,
welches es selbst gewählt hat.«
(Iortsehung folgt.)
D
c.
i
N
i
Die höchste Telesraphenlettueeg.
Die höchstgelegene Telegraphenaw
statt der Welt ift neuerdings die von
Khambajong in Tibet, welche 15,700
englische Fuß über dem Meereospiegel
liegt. Diese von der indischen Tele
arapben - Verwaltung erbaute Anstalt
dient auch dem internationalen Ver
lebr, obgleich sie ursprünglich nur zur
Verbindung der militiirisch - diploma
tifchen Expedition des OberstenYoung
hurband, der im Auftrage der indi
schen Regierung nach Tibet unterwegs
ist« rnit dem Hennathland beftimrnt
war. Jn Kbarnbajong bat der Oberft
vorläufig feinLager aufgeschlagen und
von hier aus tann er aus der neuge
bauten Telegrapbenlinie seine Mel
dungen nach Darieeting CBritischJn
dien) erstatten. Der Bau dieser ober
irdiscken Telegrapbenleitung welche
eine Länge von etwa 150 Meilen bat,
war rnit großen Schwierigkeiten ver
bunden, da die Arbeiten meist bei Re
gen und in ganz beträchtlichen Höhen
lagen des fimalaya - Gebirges ausge
führt werden mußten. Dazu lam, das
die Linie vielfach durch dichtes, fa
undurchdringliches Gebüsch geleitet
werden mußte. Der höchste Punkt der
Telegraphenleitung befindet sich bei
Subeba-La, das 17,0003uß iiber dem
Meerejlpiegel liegt. An einer höheren
Stelle ift bisher wohl niemals eine Te
legraphenstange eingesegt worden.
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Was Du Gutes gethan vergiß. und
thue etwas Besseres.