Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 15, 1904, Zweiter Theil, Image 11

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    -.. -- W.
Obstes seinem-tief m
« USE IIIWIUO
· No. 98. Miste-:
-Ediihve, wenn
I Sie heut en
· Scheeiwebkief
s von mich kriege,
— dann hen Se
.leine Eidie nie
·.- davon, wie ich
« gesoffett heu.
- Wei es sm ge
........... « nug Tiers Uff
den Brief gettickelt, for e kleines
Bootche zu starke un ich hen auch plen
tie Kahs dafür. Daß ich iivwerbaupt
noch die Fassilithee ben, e Penn zu
menneische, das is e Wunders ich
fühl-, als wann ich mit en Buht Num
mero siwwezehn lmehd tu order) en
Kick kriegt hätt; ich fühle so daunhaks
lei, als wann ich ganz allein bei mei
Lohnsomm an die Welt wär odder als
wann jeder Mensch mit Bkickstein nach
mich schmeiße bebt un ich miifzt bei
allem dein noch fchmeile. No, no, das
F is doch das Iooksie, was mich noch qe
» häppend ig. Tser Philipp, was-s mein
Hoskanb ig, hol doch in sei Lewe schon
e ganze Latt Dridg an mich gespielt,
awwek wag ei dstzt gemacht hol, das
s. butl doch alle-J biete, denke Er emoL
, der shnrne is ja nach Japan qaiiqe icsr
F den Wut mit die Tliofchjiensk III rie
pottek Heu Ee schon emol lo ehre-J
gehöriZ de fühle-, ali- mcmn im mich
in bat-send Felle verreifke könnt irr-TO
als wann ich mich jckes eimeliie Hoch
wag ich an mekn Ropp ben, anzrcifxe
sollt. Sie wer"1i wohl lmitnici--, wie
ich dahinter qelomme sin! Tag will
ich ane sage. Te cinnere Tag qelm
:ch in den Buticherfcksium for sikim e
wenia Mit-l iu hole. du soc-: Der But
scher: »Weil, Möddem, wag dnht der
Baha schreiive?'« Do hen ich gestanne,
mit meine Kenntnisse. »Was dnht er
tchreiwe", hen ich gesagt. Wei, hat der
Butscher gesagt, das duht ja grad
gucke, als oh Sie iwiverhauvt nit
wüßte, ivo er is.« Das is was die
Mätter is, ten ich gesagt, hitahs ich
hen niein Meind ufigemacht, teinc Lei
mehr zu sage. Wann der Philkrp so
en derdallte Fahl ig, dann soll er auch
die Koniehwenzes trage. Un do bot
mich dann der Buttcher verzählt, daß
der Phil in Japehn is un daß in e
Pehper, wo en Kattiemer mitgebracht
hat, geprinted war, daß der Philipp
schon e ganze Latt Truhel gehabt hätt
un daß do nur die Itwien Kallitalb
hanni for zu dlehme wör.« Jst fin
falt nit mein verehrte Buckel gefalle,
wie ich das gehört den« Das Bief,
was ich in die Hand gehabt hen, das
hvt ordentlich aeschiwtvert, »als mass
ein Stick von mir«, wiss in den
schöne Volkslied heiße duht. Mxtang
e Wort zu sage und mitang mei Bill
zu bezahle sin ich fort un sin ltreht
heim aange und dann hen ich geitart
zu greine, als wann mich das Herz
breche deht. Mit was hen ich das die
tertt, hen ich mich gefragt im ich hen
mei Kioeitichen auch geenniert: »Mit
nattings«. Hat der Kanne en Riesen,
nach e fremdes Kontrie zu aehnk wann
er Wahr hen will, dann tann er alles
daheim hen, was er in die Lein will.
So e Schehnil Wie ich in mei Meine
emol e Paus gemacht hen, da sm ich
zu der Wedesweilerich s-,i«anae, for dene
mein Truhel In verziihlr. Der »We
degireiler hat gejagt, das wer doch nit
das crichte mol, daß der Philipp so
Luindeitreich mache deht un ich sollt nit
to daunhartet fühle; ich sollt essiol e
Kiinmelche neinme, daJ deht til-eh besser
fühle mache. Well, e Kinnnelche kann
ich nie nit reffjuhse, hitahs das hilft
meine Deitichestschen. Jch hen hirdlie
das Glas augaesith gehabt, do is der
Mehlterrier tomme nn hat gesagt, er
wäe stoh, daß et mich sehn besit, bi
tahs er hätt enkeief soc mich un
könnt sich den eipp nach mei Haus
set-se. Se tönne immötschinne, daß
ich den Brief so schnell wie en Hund
gauzt getäctelt den« Er is von den
Phil gewese. Schuhe genug, er is in
Japehn. Jch lasse den Brief hier solge,
edsiickttie wie et ihn geichkiwwc hot
un dann könne Se auch e tiidie te: ege,
was et sot e schlechtes deutsch juhse
dnht Akso er schreibt: Mei Diebe
LizzieL Daß ich in Japehn sin· das
host du mehbie schon aus den Poti
ztetschstetnp genohtißt. Du tannit froh
ein, daß du mich Peemischen-getotoe
host soe zu gehn, bitahs ich mach mich
hier e Repputehschen. wo ich in den
Wedesweiiet sein Scheunt nie nit ge
teiegt hätt. Ich sin schon mit die be
tiehmteste Piebeis in Konneischen
komme; oss Kohts is auch vientie
Dehnschee dabei, awtvet wann en
Mann wie ich schon so lang mit seine
Alte Wahr hamwe dicht, dann gibt ee
um so e Kleinigkeit nictg· Es geht mich
aeig gut un ich hen schon die Lengs
mitsch so sein getädeit, daß die Jäpps
nit nusmache könne ob ich eussisch
tahte un die Roschjiens nit wisse, ob
ni; en Jäpp sin. Das duht mich e
ganze Latt heise. Du weißt gut ge
nug. daß ich en Feliet sin, wo in die
Welt belange dicht un wo ebbes aus
znsinne is, das meint Sache wo mich
nicts angehn un wo wie mer nis
deutsch saqe dahi, nit von mei Bißneß
sta, do gibt’s gar tein bessere Mann
Die mich. Schreib mich doch auch mol
e Lein« oddee zwei. Ofs Kobes tann
ich dich keine Edkeß gewtve. atvwee dn
tannst ja etnol trete, mehbie der Mehl
teetiet duht mich sinne. Wann du
awtvee kein Brief schicke willst, dann
besser scheeibst du alle- uff un wann
ich dann widdet heim komme, dann
kannst du mich alles in ein Stting
sage. Well, dann gnbei. mach-J gut
un geb gut uss die Kids acht. Womit
ich verbleiwe dein Philipp. »Was sage
Se zu so en Brief? Wann es nit soe
die Kids wör, bei Galle, ich dcbt das
Geld rehse un deht auch nach Japehn
gehn un deht den Fellek verfolae un
wann ich bis an den Noedpol ttiiiowele
mißt. Jch muß wertlich emol mit die
Britschei, was unsern verheirathe Bub
seine Alte is, die Sach itvtvertahtr.
Wann die rettig is, Kehe von die Kids
zu nemme, dann gehn ich un jubett
iuhkbuhts, ich finne ihn auch Awtvet
dann gibts Wahr un dont juh fergett
itt.
Mit beste Riegahrds«
Yuhrs,
Lizzie HansstenaeL
NO .--—-——
streckentegunq der pomtnficheu
Sumpfe.
Seit langen Jahren ist das deut
siche Projekt zur Trockenlenung der
Elsontiniichen Sumpfe in Schwebe
sDurch die Ausführung des Projetteg
Itviitden mehrere Quadratmeilen
cuinpfoodem der heute nur als-Weide
lnnd dient - nnd auch das nur wäh
. rcnd des Winters in fruchtbarsten
Weizenboden verwandelt Vor Kur
»ein hat sich nun, wie die »Hu-nehm
rer Adendieituna« berichtet ein ..Von
.tiniiches Synditat« mit ausschließlich
drutfcheni Kapital gebildet, dag die
kvorbereitenden Schritte zur Troelens
lmung der Silnrpfe gethan hat. Zu
Lnächst schloß das Syndilat mit den
Grundbesitzern dec- Sumvflandes
langjährige Pachtverträge ab. Der
größte in Frage kommende Grund
lesitzer ist die Stadtgemeinde Terra«
ciua. Für die Gemeinde war ihr
sGrundbeiiH in den Sumper aller
dingH nur eine Last und etforderte
einen iährlichen Zuschuß von etwa
Ist-»Um Lire. Dafür zogen aber die
«Vilraer von Terrarina aus dem
cumpflande große Privatvortheile.
Jeder Bürger hatte in dem Sumpf
lande Zagdgerechtigteit, tonnte fiir
seinen Fainilienbedarf Holz schlagen
«-.i·w. Der Gemeinderatb von Ter
tacina lsat nun daS Suinpfland etwa
Kinn-il Hettar, an das Pontinisehe
Evnditat gegen einen Jahreszing von
»Wozu« Lire verpachtet. Natürlich
sind damit die Privatgerechtsame der
! Bürger abgeldit. Damit sind nun die
Bürger von Terracina nicht zufrieden.
Einige Advotaten haben in der Bür
aerschaft eine lebhafte Aaitation wach
aernfen und eine starke Gruppe von
JViirgern will gegen den Gemeinderath
«einen Prozeß anstrengen und von itnn
)Schadenertatz verlangen. Seit 50
Jahren wird in Terracina unankges
setzt Klage darüber aefiil)rt, daß der
Staat die Bürger an der Malaria
irrt-en lasse. Nun sich endlich Leute
wfunden haben, die an die Trocken
« lrgung der Sumpfe gehen wollen, ift
man in Terracina auch nicht zufrieden.
-"«--— - —- «
Jeihiläumder Schiene.
Die Hundertjahrfeier der Eisenbahn
schienen lrird man in weniaen Woche-n
feiern können. Die Anwenduna der
Dampftraft nnd die Erfinduna der
JLolonictiven zu Beginn des vorigen
Jahrhunderts wäre nicht von so weit
Itragender Bedeutung gewesen, wenn
knicht sast sogleich auch die Schienen
Yersunden wären. Mit ihrer Oiilie wur
fde die Schnelligkeit oder die wirksame
strast der Motore verzehnfacht Jni
Jahre 1804 wurden die ersten eiter
Ineu Schienen von zwei Mechanikern
7 aus Wales, Trevitich und Vivian, er
. iunden. Heute bedecken Stahlschienen
i von vielen-Millionen Meilen die Erd
. obertläche und tragen den größten
s Theil des riesiegen Welthaiidels. Die
F Stuhls oder Eisenschienen hatten übki
l gens schon Borläuser. Bereits im 17.
! Jahrhundert hatten deutsche Ingenieu
jre i.1 einigen deutschen Bergwerken
hölzerne Schienen geleatx die Pferde
konnten aus diesen primitiven Schienen
? drei bis viermal schwerere Lasten
--——-. --—-—.
Leder-ne sonst-wetten
Eisenbahnschwellen aus Leder wer
tan jetzt aus Amerika in den Handel
»gebracht. Die Lederabsälle aus dern
ISchuhmachereibetrieb und den Satt
I lerwertstiitten werden sehr sein gemah
len, gesiebt und dann in Formen ge:
spreßt Der Druck tann so geregelt
werden, daß der Stoss noch Nägel
ausnimmt oder daß er zu hart wird,
- um einem Nagel noch das Eint-ringen
Zu gestatten. Die so versettigten
Schwellen ersiitlen angeblich alle An
sorderungem die an diesen wichtigen
Visiandtheil d s Oberbaus der Eisen
lsxhnen geste werden müssen. Vor
den eisernen Schienen haben sie den
großen Vorzug« nicht zu kosten, vor
den hölzernen den, beim Einschla en
von N·igeln oder bei sonstiger Beseiti- «
gung der Schienen nicht zu splittern.
Nach der Aussage einer metaslurgi:
schen 3eitschrist, die wohl alo zuver:
lässig betrachtet werden kann, weil sie
sicher den Wettbewerb gegen die eiser
nen Schwellen nicht gern sieht, haben
lederne Schwellen bereite über zwei;
Jahre versuchsweise gelegen, ohne dies
i n.indeste Ausnuhung zu zeigen.
I Arn Altar.
I Erzählung von ils-o. Fe l se n.
l —
s
Es war im Norden Frankreichs in
seinem kleinen, weltentlegenen Ort, wo
! ich eine Szene erlebte, die ich nie im
- Leben vergessen werde. «
, Kein Laut störte die tiefe Stille die
kfes Sommermorgeno, kein Wölkchen
Etriibte den blauen Himmel; glühend
! heiß brannte die Sonne herab auf die
; kleinen, wie schläfrig daliegenden wei
kßen Häuser, während die mittelalter
" liche Kirche mit dem grauen Thurm im
s Schatten lag. Auf dem großen Platz
ivor der Kirche war Aller- wie ausge
i ftorben.
Meine Blicke hatten lange auf einer
s zerbriickelten Statue eines Heiligen ge«
zhaftet, als ich eine seltsame Gestalt
iniiher kommen fah, eine gespenstifth
aussehende Frau im weißen, unmoder-—
nen Kleid, einen langen, weißen
Schleier auf dem grauen haar und ein
’Blumenbouguet in den weißbehand
schuhten Händen.
Mit leichten, graziösen Schritten
, tam sie in der Mittagogluth über den
; Platz. Jede ihrer Bewegungen drückte
freudige Erwartung aus. Ohne mich
"zn sehen, ging sie an mir vorüber-,
l und ich fah deutlich ihr gelbeg Gesicht
Hinit dem tindlichen Ausdruck, ihre
sduntlen, in freudiger Hoffnung leuch
tenden Augen« dass graue, sorgfältig
« frisirte nnd mit weißen Blüthen ge
schmiictte Haar und den großen Mund,
der, leicht geöffnet, dar- Fehlen meh
rerer Zähne ertennen ließ.
Jm höchsten Grade erstaunt iilter
die seltsame Erscheinung, die firh wie
ein Gespenst inmitten der sonnigen
Umgebung ausnahm, starrte ich ihr
aus-h Uns Ilc Ul( Uns-sc Ucluth tut-W
kich ihr folgte. Mit langsamen Ochrtt
iten, aber ohne sich auch nur ein ein
izigesnial umzusehem näherte sie sich
dem Altar« an dessen Stus en sie nie
j dertniete und, das Haupt ties gesenkt,
, betete.
Voller Verwunderung iiber die
merkwürdige Erscheinung, deren Ge
sbahren etwas Traumhafteg an sich
hatte, folgte ich geräuschlog und blieb
seitwärts in einiger Entfernung von
ihr stehen« Todtenstilte herrschte in
der kleinen Kirche. Plöhlich wurde
dieselbe durch den Klang der Kirchen
gloeten unterbrochen, die antiindigten,
daß eg dreiviertel Zwölf war. Nach
, dem der letzte Hauch verklungen, trat
wieder Stille, athemlose Stille ein.
Die Starrheit, mit welcher die Frau
gebetet, löste sich jetzt. Sie erhob den
Kopf, machte eine nngeduldige Bewe
gung mit den Schultern und richtete
sich zu halber Höhe empor. Jn diesem
Augenblick vernahm man ein leises
Geräusch von der Sakristei her; ein
Schlüssel wurde im Schloß umgedreht,
eine Thiir geöffnet und ein alter, müde
aussehender Abbe mit runzliaeni Ge
sicht und schneewiiszem Haar näherte
sich ihr. Jetzt eihob sich die situieende
und schlug den Schleier zurück.
»Ich bin zuerst getommen, hochwiirs
diger Vater,« sagte sie mit ängstlicher
Stimme, um im Fliisterton hinzuzu
- setzen: »Er wird aber auch gleich toin
men, gleich, gleich!«
»Nein, mein Links, ich furchte-, er
iomrkt heute nicht!« antwortete der
Priester mit tröstender Stimme.
»Aber heute ist doch der Ta auf
den wir so lanae gewartet haben —
ach, so lange. tir wird gleich hier
« sein.«
»Ich alanbe nicht,« entgegnete der
Abbe
»Aber ich tveisze s! Er hat den Tag
ja so herbeigesehnU Nestern Abend
brachte er mir diese Blumen hier, die
ich heute tragen sollte, und als er fort
ging, sagte er, ec- sei zum letztenntale."
»Es war auch zum letztentnale,
Marie - zum allerletztcntnale.«
Sie schwieg und ihre ganze Haltung
drückte aug, das-, sie die Worte des
.Priesterg nicht begriff.
; »Nun geh’ nach Hause, Stind,« sagte
: der Abbe sanst.
« »Wo er nur bleiben magst-" sragte
sie mit einein Schliicdzen in der
Stimme.
»Du wirst ihn wiedersehen, liebes
Kind, vielleicht bald schon, aber nicht
hier, nicht hier!« sagte der Priester niit
zitternder Stimme.
»Doch hier - hier hier!« ent
gegnete sie hastig nnd nachdriicttich
»Er sagte gestern Abend, wenn wir
uns heute ans Altar tressen, würden
wir ung nie wieder trennen.«
»Jhre Stimme erstarb in Schluch
zcn und sie sentte ties den Kopf.
»Bete zu Gott, mein Kind, und er
wird Dir Trost spenden,« sagte die
tröstende Stimme des alten Mannes.
.«Ursere Trauung s- sie sollte dort«
Freätag sein. Heute ist Freitag mein
Vater. Was hält ihn nur iern?«
fragte sie mit von Thränen erstickter
Stimme. »Wenn er heute nicht tonnnt,
so loinrnt er gewiß nächsten Freitag«
»Du mußt jetzt nach Hause gehen,
"’-Jiarie,« sagte der Abbe, in bestimmte-n
Ton.
»Da ist’s so leer,« verseyte sie vers
Ztveislungsvom
»Gott gebe Dir Friedens« murmelte
der Priester und machte das Zeichen
des Kreuzes iiber ihr.
Nackt einigem Zögern wandte sie sicis
ab dotn Altar und ging mit wider
strebenden Schritten dein Auoaange
zu.
Ich solgte ihr und sah ihr nach.
wie sie in der glühenden Mittagssonne
über den Platz ging und in einer Sei
tengasse verschwand
Wäbrend ich in tiefes Nachdenken
dersunten dastand, sah ich den Abbe
W
die Kirche verlassen. Unsere Augen
begegneten sich und ich grüßte ihn
Nach stluotausch einiger höflichenWorte
frag te ich nach dem unglücklichen Ge
sittpr das ich soeben m bröutlichem
Schmuck gesehen
»Ach, die arme Marie!« seufzte der
alte Mann traurig. »Ich habe sie ge
kannt, als sie noch ein Kind war.«
»Ist sie immer fo gewesen?«
»Nein, o nein. Es war ein furcht
barer Schicksalsschlag, der ihr den
Verstand raubte. Sie war ein bild
schönes Mädchen nnd hatte viele Ber
ehrer, von denen besonders einer sie
leidenschaftlich zum Weibe begehrte.
Sie war freundlich zu ihm, liebte ihn
aber nicht. Sie liebte einen jungen
Landwirth Namens Belmont ebenso
leidenschaftlich, wie dieser sie. Das ift
jetzt fünfundzwanzig Jahre her und
damals war sie achtzehn.«
,,Sowohl feine als ihre Eltern wa
ren mit der Wahl ihrer Kinder ein
derstanden,« fuhr der Priester fort,
»und der Hochzeitstag wurde festge
setzt. Ich follte die Beiden trauen.
Ach, lieber Herr, und wenn ich hundert
Jahre alt würde, nie, nie werde ich
jene Szene vergessen! Mariens
XFreunde nnd Bekannte hatten die
Kirche festlich geschmückt, denn Jeder
niann kannte Marie, liebte sie nnd
wünschte ihr alles Gliict.
»Ich war in der Sakristei und war
tete. tig wurde halb Zwölf die Zeit,
wo die Trauung stattfinden sollte
der Bräutigam war noch nicht da.
«xllldt3licl) hdrte ich eine Bewegung in
der Kirche-. Ich aina hinan-J. Marie
nnd ihre Brantjunasern, Alle in Weiß
;aetleidet, kamen den Gana beranf
ein töstlicher Anblick. Marie schien
erstaunt, daß Belmont nicht da war.
Wir Alle waren erstaunt darüber.
»Ich konnte deutlich sehen, das;
Marie immer ängstlicher wurde, je
mehrd ie Minuten verrannen. Allmäh
lig aqu es wie ein Flüstern durch die
ganze Versammlung und eine un
heimliche Stille lagerte iilter den An
wesenden; es war, als sei der Tod
mitten unter die Le.tte getreten, als
mache er seine grausige Nähe fühlbar,
als kam-: er unsichtbar immer näher
an den Altar« Die Braut begann zu
zittern; in rührendem Flehen hob sie
die Augen zu den meinen empor, als
wolle sie mich bitten. das Furchtbare,
das ihren Lebengsriihlina mit Eises
hauch zu überziehen drohte, von ihr
abzuwenden.
,,«ltach einiger Zeit, die uns eine
Ewigkeit dünkte, schlug es dreiviertel
· und in der isnheinilichen Stille, die in
Gotteghaug herrschte. sahen die An
wesenden einander ängstlich fragend
ten, während die junge Braut, die
ihren Bräutiajm erwartete, weist ge
worden war wie die Farbe ihres
Kleides-.
Wahr-Jud wir noch Io zwischen
T Furcht und Hoffnung warteten, lvörten
wir draußen vor der Kirche eilige
Schritte, dann folgte ein Stimmen
getoirr, ein unterdrückter Schrei aus
weiblichem Munde und die inbrünstig
gemurmelten Worte: »Barmherziger
- Gott, stehe ihr bei!« Und dann hastig,
· wild durcheinander sununend ging von
Mund zu Mund das Gerücht: Bel
.Inont sei getödtet worden!
»Ein Unsall?« fragte ich.
»Nein, er ist ermordet worden«
»Von seinem Rivalent«
»Ja, als er mit seinen Eltern den
Weg zur stirche ging, war sein Nivale
aus ihn zugestiirzt und hatte ihm ein
Messer ins Herz gebohrt. Der.Tod
war auf der Stelle eingetreten. Ma
vie-n- fetkakfoez Tin- kmiio hin Innssrbnft
vernommen, noch ehe sie mich erreichte.
Ich sah, wie sie sich erhob « dann
stiesz sie ein surchtbareg, geltendes
Lachen ans und stürzte wie wahnsinnig
zur Kirche hinaus von jenem Au
qenblick an hat sie den Verstand ’ver;
loren. Von jenem Augenblick eristirte
die Welt nicht mehr für sie. Als ihre
Eltern starben, blieb sie theilnahntgi
s los; ihre verheirathete Schwester ftarb
gleichfalls-, Marie hatte teine Thräne
fiir sie; von ihren Freunden und Be
kannten verschwand einer nach dein
anderen aus ihrem Leben, sie merkte eg.
nicht« Hilstos und theilnahmglos
lebte sie dahin, von der Gemeinde nn: -
- terhnlten
· »Und sie hat ihren Bräutigam nie
rerqestn« sraqte ich. (
»Me! All diese langen Jahre hin-:
durch, Tieitan sisr Freitag ohne Ans
nahme schmiiett sie sich wie eine qtraut
und tommt halb Zwölf zur Kirche, ini
.der Hoffnung, ihren Bräutigam wie
vder-zusehen Anfangs veriuchteti die
Leute, sie zur Vernunft tu bringen,
aber es hatte keinen Zwed.«
»Arme, unglückliche Seele!« mnr.—
mette ich
»Wenn ei· inrineZcit nur irgend er
taubt,« suhr der Priester fort, »treffe
- ich sie hier. Dann findet regelmäßig
dieselbe Szene statt, der Sie beige
wohnt haben. Ware ihre Hofsiiitna«
weniger start, so wäre ihr längst dar
Herz aehrochen. Alle anderen Tage
bereitet sie sieh aus diesen Taq vor.
Nichts und Niemand tann sie til-erzeu
gen, daß Belmont todt ist. Und ich
hoffe von aiinzem Her-um« schloß der
Abbe, »daß Gott in seiner Güte sie
einst mit dem Geliebten vereinigt -—
möchte er es doch bald, recht bald
thu! n Denn hier auf Erd-.- n findet sie
teine Ruhe!«
-—»-. —--.--—— -
O Die meisten junan Leute wissen
gan aenan was sie im Fall einer
gro en Gefahr thun werden. Wenn
aber die Gefahr ihnen enta, qentritt,
dann verlieren sie das Gedächtnis
M————
Nachtangrisf.
Von Gras E. Reventlow.
Die Dämmerung hat eben begon
nen, und eine frische Brise kräuselt die
Oberfläche der Se, die sich vor wenigen
sMinuten noch grau und glatt wie ein
jungeheures Seidentuch ausbreitete;
unendlich, denn die Dunkelheit läßt sie
iohne die scharfe Grenzlinie des Hori
; zonts in den grauen Himmel übergehen.
Heute erstrahlen keine Lichter«aus den
;Panzerschissen und Kreuzer-n, die hier
»als Flotte versammelt in der weiten
flachen Bucht verankert liegen, die Um
risse der Schiffskörper verschwimmen
allmählich im Grau des Abend-» Da
lösen sich aus der formlvsen Masse eine
Anzahl kleiner Körper los und bewegen
sich, in zwei Asbtheilungen geordnet,
nach verschiedenen Richtungen mit mä
ßiger Geschwindigkeit seervärtg. Ter
pedoboote.
Ausklärungstreuzer haben während
« der Tagesstunden die Annäherung einer
überlegenen feindlichen Flotte gemeldet,
und der Admiral hat beschlossen, trotz-.
dem die Schlacht anzunehmen, ja selbst
anszusuchen, denn er kennt den Geist
seiner Ossiziere und Mannschnsten und
den moralischen Werth der frischen
Ossensive. Morgen oder übermorgen
so rechnet er, wird es- zur Schlacht kom
men, und in den vorhergehenden Näch
ten sollen die Torpcdoboote versuchen,
den Feind zu finden und ans hoher
See anzugreisen Gelingt ei-, mehrere
feindlich- JJrsblmfitsrbissp aufwi- lHofpskt
l
v-,-s— »l-,
zu seiten, so sind alle Chancen fiir den
günstigen Verlauf der Entscheidungs
schlacht vorhanden.
» Nach einigen Stunden schneller
Fahrt lösen sich die beiden Torpedo
bootsabtheilungen in eine lange, weit
auseinandergezogene Linie aus; denn,
wenn auch annähernd Stanoard und
Kurs des Feindes bekannt sind, so
müssen doch alle Vorsicht...naßreaeln
angewandt werden, damit ..an nicht,
ohne ihn zu bemerten, ai: .n vorbei
sähri. Eine dritte Torpt.oboot:ab
theilung folgt in weiter Ent·.rttttng.
Die Kommandadnien sind vor dem
.Jnseegehen genau von ihren Flotillen
chefs instruirt, in welcher Weise man
bei Jnsichtioinmen des Feindes verfah
ren will, ohne daß ihnen jedoch volle
Selbsiständigieit org Handels und da
mit der Verantwortung gemindert
wäre. Noch einmal nehmen sie ihre
Leute zusanuuenz ee geht ja heute Nacht
aus Tod und Leben, der ei1:: ift Der Ge
fahr genau so ausgesetzt wie der au:
dere. und deshalb muß auch jeder so
! fort einspringen, wo eine Liicte gerissen
wird; der Unterofsizier sspr den Offi
zier, der Matrose siir beit Die Leute
wissen Bescheid und nehmen ihre Po
sten ein, und der Fiommandant gebt
noch noch einmal durch tie Raume und
über Deck. Sämmtliche Schott-en des
Bootes sind geschlossen, alle Lichter ge
löscht; nur in einem tieinen Raume
steht eine sorgfältig verdeckte Blendla-:
terne, um dein stommandantcn und
dem Steuermann einen Blick auf die
Seetarte zu gestatten. Im Heizraume
ertheilt der Mascltinist Den ilnteroffi
zieren und Heizeru uch eingetende
Anweisungen: höchste Tampffpaunung
halten« damit das Boot sofort auf Be
fehl seinse größte Geschwindigkeit ent
wickeln taun, und die ::esten Kohlen
stiide verbeizen, damit l in dicker, aus
dem Schornstein aus«-sendet Rauch
zum Verräther werde: gsiie Torpedoi
liegen scharfgemacht in den Noshren,
und es bedarf nur eine-:- Handdrrrcteg,
um sie zu lancireii. tis ist alles in
Ordnung-, und nun orrthilt sich die
oerfiigbare Mannschaft auf dem Lberi
dec! und der Komnrandobrijcth um
Aue-girrt zu halten nach feindlichen
Schiffen
Dem Kommantanten gehen, wäh
rend das Boot seTinen Kurs unentwegt
verfolgt, die Worte dees Flottenchesg
durch den Kopf:
»Ich mache Sie besonders darauf
aufniertsain, meine Herren, Sie wer:
den nicht eine so giinstige Situation
finden, wie im letzten japanisch-russi
schen Kriege die japanischen Boote bei
Port Arthur. Dieser Gegner ist vor
bereitet und kennt die Gefahr; Sie
werden Mühe hab-n ihn zu finden,
und wenn Sie il;n gefunden haben
zum Angrifs zu tommen.«
Der Kommandant blickt um sich:
Gott sei Dant eine dunkle Nacht, nnd
vor allem kein heller Horizont, gegen
den die Boote sich added-en könnten s-—
Es acht weiter, stundenlang . ..
Ta stößt ihn ein Signatmaat an
und deutet schweigend mit dem Arm
schräg nach vorn. Alle Augen versu
chen die Dunkelheit zu durchdringen,
ein Matrose gleitet auf Wink des
Avnnnandanten an Teck hinunter und
bedeutet den Lancirniannschaftem daß
sie sich fertig halten. Die verschwom
men-en Umrisse des dunklen Gegen
standes werden deutlicher; ein großes
Schiff zeit seine Breitseitc und treuzt
mit langsamer Fahrt unseren Kurs
Der Kommanoant läßt die Maschine
seines Bootes stoppen, ein leises Nu
dertotnmando, und langsam wird der
Kurs so geändert, daß er hinter dem
Schiff Vorbeifäbrt, —« denn es ist
nicht das Angriffiobjectt, dass mir su
check: die vier deutlich sichtbaren
Schornsteine verrathen den Kreuzer.
Jn athemlosem Schweigen vergeht ein-e
Minute. Der Kreuzer nat das niedrige
Boot, das ihm nur feine Schinalseite
W
zeigt, nicht gesehen, gleitet vorbei und
verschwindet gleich darauf tm Duntelz
er fahrt teine Lichter. Der entschei
dende Moment muß also nahe sein,
denn ohne Zweifel gehört der gesehene
Kreuzer zu den Auftlärungsschiffem
die als Sicherungsgitrtel gegen Tarpe
doangriffe vor dem feindlichen Gros
herfahren
Der Torpedobootstommandant bo
rechnet dies und ferner, daß der Kreu
zer offen-bar nichts von der Nähe einer
Gefahr ahnte: »Also fährt das Gro
auf demselben Kurse wie der Kreuzer,
also muß ich es in der Richtung finden,
aus der er tam.« Plötzlich-während das
Boot auf die neue Kursrichtung dreht,
erhellt sich zur Linken der Horizont und
strahlend fallen die Sterne einer
Leuchtratete langsam verlöschend auf
die Wasseroberfläche hinunter —- das
von den Torpedobooten verabredete
Signal, wenn feindliche Schlachtschiffe
in Sieht sind. Fast im selben Mo
ment blitzt es von drei bis svier Seiten
aus, und schmale Lichttegel des elek
trischen Scheinwerfers irren, den Feind
suchend, über die Wasseroberfläche hin.
Da, weit von der ersten Stelle entfernt,
dasselbe RatetensignaL Unser Kom
knandant überlegt: Die weite Entfer
nung der beiden feindlichen Schlacht
sctzissc sianalisirenden Boote läßt es
zweifello-. erscheinen, daß dag- feindliche
Gras nicht geschlossen marschirt, son
dern sich schiffe-: oder aruppenwetse
augeinanderaezogen hat, daß er also
voraussichtlich auch in der Mitte feind
lich-: Van.-.ersctiiffe antreffen wird.
Die Maschine erhält einen kurzen
Befehl, in schnller Fahrt durchschnei
det das Boot das Wasser, während al
ler Augen nach vorn gerichtet sind. Da,
von links her heftiges Gefchtitzfeuer,
die Scheinwerfser irren nicht mehr, son
dern sind auf mehrere, eilig dahin
schießende Punkte gerichtet und haften
an ihnen, während sie weiter eilen;
dazu ununterbrochencs Aufflammen
röthlicher Geschützbliße, Knattern und
Rollen der Maschinengefchijtze und
sGeuoehrr. Alles das sind Kreuzerge
fechte mit den Torpedoboostenx nichts
aber oerräth die Nähe der gesuchten
Schlachtfchiffe. »Ein abgeschlagener
Anariff« dcntt der Kommandant, des
sen Boot noch immer im undurchdring
lichen Dunkel geschützt dahinsaust.
Aber wag ist das-» a vorn, vielleicht
eine Seemeile ab, wird Plötzlich ein
dicker schwarzer Streifen niedrig über
Wasser sichtbar: der Rauch eines in
rasender Eile dahinjagenoen To-rpe
doboot5. In höchster Spannung ver
folgen Koinniandant und Mannschaft
seine Falnrichtung und —- —— da ist
der Feind-: zwei dicke schwarze Klum
pen, ohne Zweifel feindliche Linien
schiffe. ,,!ltudert fort Steuerbord!«
Wir fahren hinter dein Kameraden her
und greifen das zweite der beiden
Zchlachtschiffe an, da er auf das vor
dere abhalt. »Alle Rohre" klar zum
Feuern nach Steuerbord!« Der dem
Kommandanten heigegebene Leutnant
eilt an Deel hinunter und klärt die zum
Feuern bereiten Lancirneister über die
Lage und das Ziel aus, denn nachher
uiiiffen sie selbstständig handeln; der
Kommandant kann sich nur noch um
die Fuhrng seines Boote-Z tiimmern.
Tag Torpedoiboot, das uns den
Feind toie5, hat einen bedeutenden
Vorsprung vor uns, obgleich auch un
fer Fahrzeug intt öufxrster Anstren
gnng seiner Maschinen vorgeht. Plötz
lich icht tdag vordere Boot nach der
-e. te, ein strich-m daß es auf Impe
..-?.14
Lsxslujukswutsc um Untier HI, Un sieg
ixmner noch nich-ts. Da, zwei dumpfe
heftig-.- Schläge, die ans dem Wasser
;11 kommen scheinen, und gleich darauf
in der Luft zwei Detonationen; der
Angrifs unsere-:- stamemden ist gelun
gen. Jm selben LtJtenient tksst ung
blendeg Scheinlverlerliebt du«-n den
beiden Linienschiffem sauchend und
zischend umsausen Geschosse das Boot.
Der glückliche Angreifer ist verschwun
den, und zwei der Sctfckintverfer ver
lchwinden plötzlich auch: das Vorder-e
Linienfchiff sinkt offenbar. Aber die
Scheinwerfer des Hintermannes halten
das-.- andere Torpedoboot in ihrem
Lichttegel, nnd die Geschosse fangen
an, ibr Ziel zu finden; eine Granate
turchfchlägt das hintere Laneireoht,
bringt den Lufttessel des darin liegen
den Torpedos zur Detonation, und die
Sprengstiiete tödten einen Theil der
Lancirmannschaft Auf der Kom
mandobriiete haben die Maschinenb
nonen des Lienienschiffes aufgeräumt.
nnd nur ein Signalmaat versucht noch,
das Boot zum Angriff zu stenem Ge
rade will er das Boot auf den An
griffsztnrg bringen, da hört et es an
der demsFeinde abgelehrten Seite knir
fchen und krachen, und im selben Mo
ment weicht ihm der Boden unter den
Füßen s— ——- s-- - - —--- —- — —
Ein feindlicher Kreuzer bat das
Totpedoboot mit voller Fahrt über
rannt, und eg- verfchwindet mit feinen
Todten und Lebendigen in Nacht und
Wasser.
»-——-.-i---——-s—
Wer zu viel von sich hält, der hält
viele vol-. sich ab.
st- -ee si
Fiir eine goldene Schnupstabalsdote
ans der Zeit Ludwige-» des Fünfzehn
ten den Frankreich wurden 880,000
bezahlt. Solctie Summe für so ein
altes Ding?! Dafür hätte man ja
eine nagelneue, mit den größten Dia
manten besetzt, bekommen tönnen.