Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 08, 1904, Zweiter Theil, Image 14

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    · Awgokdene Zzltsätxn
Criminalroman von CIMMPOL
DWZ
OOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOO
(1- FortfetungJ !
s-: W Du fie gehört hättest,
Zinses-Dabei hatte sie ihre Hand wie
der in die meinige gelegt — eine kleine
Hemd, zart nnd weich wie die eines
OW. an deren Finger sich jedoch
f Esset befanden, die sich wie Bo
asen is meine band eingruben, ;
was ein ganz seltsames Gefühl in mir !
hervorrief . . . Womit foll ich nur mei- !
ne Empfindungen vergleichen, damit !
II Die einen Begriff davon machenl
lanan Richtig, jeht hab ich’s: als ich
mich zum ersten Male im anatomischen
Saale befand, während man den Leich
nam eines jungen Mannes lecirte und
ich feine schmale, bläuliche Hand einen
Augenblick in der meinigen hielt Du
kennst mich, an schwächlichet Empfind
famleit habe ich niemals gelitten, und
nachdem ich seither die Todten dem
Dutzend nach unter meinem Messer
hatte, kann ich mein damaliges Gefühl
ists-klimmt nicht mehr beweisen «— in
"jenem Augenblick aber war es mir, als
ad die Kälte der Todtenhand in meine
Adern dringe; acht Tage lang glaubte
ich sie zu spüren. Und heute ging es
mir gerade so, wenn auch in entgegen
gesetter Weise: ein fremder magnetis
scher Strom durchfluthete mich, allein
es war nicht der Schauer des Todes,
sondern heißen, pulsirenden Lebens.
»Willser ich noch unter dem Banne
dieses Gefühls stand, fuhr sie mit lei
ser werdender Stimme fort: aSelten
nur nimmt eine Operation in diesem
hohen Alter eine giinsiige Wendung.
Kein Mensch würde sich wundern,
wenn . . . durch einen Zufall . . . Uns
allen wire dann geholfen.«
«Cndlich fing ei in mir zu däm
mern an. Geisteöstörung konnte ich
nun nicht mehr annehmen, denn ich
kenne diese Krankheit genau. Aber
was mir hier entgegentrat, war mir
ganz neu: ich bin weder Gefängnißarzt
gewesen, noch hatte ich mich je einem
Herbeecher gegenüber befunden. »Was
verlangten Sie da eben von mir?«
fragte ich, ihr scharf in’s Gesicht se
hend. «Meine Operation soll ich ver
pfuschem Ihnen zu Gefallen jemand
umbringenf
«Du glaubst vielleicht, sie habe jesit
Ausfliichte nehmen wollen? Keine
Spur davon. «»Warum nicht?« ant
Isrtete sie ruhig. »Ich würde mich
dankbar erweisen.«
«Dabei sah sie mich an . . . Oh, mein
Jtenndl Bis dahin hatte sie ihren
Blick gesenkt gehalten; nun aber er
schien sie plötzlich wie verwandelt, ej
(
var ein ganz anderes Gesicht, oder
vielmehr die Augen beherrfchten es
ganz. Es war mir unbegreiflich, wie
sie diese Augen nur hatte so lange ver
bergen können! Fast möchte ich sagen,
daß sie gar nicht wie Augen ausfahen,
jedenfalls ist mir meiner Lebtage nichts
Iehnliches vorgekommen Denke Dir
Flammen, die zu sprechen vermögen,
oder Lichter, die Gedanken ausfind
len . . . Doch nein, das ist nicht das
Richtigr. Stelle Dir zwei mit weichem,
braunem Sammt ausgepolstertei
Schmuckkästchen vor und darin zweii
goldene Blumen . . . Ja, ja, so ist es! T
Ganz deutlich habe ich diese runden?
Blumen mit ihren gelben Stubföden
in den Pupillen funkeln sehen. Jch
hatte fiir nichts anderes mebr Sinn«
Mich beschäftigte nur die Frage, ob
dieselben einer Wahnsinnigen oder ei
ner Verbrecherin angehörten, und an
statt die Polizei herbeizuholen und die
Person entweder in’s Gefängniß oder
in eine Jrrenanstalt bringen zu las
sen, blieb ich gebannt und wie gelähmt
ans meinem Platze sitzen. Fast hätte
man an Suggestion glauben können,
allein nur dem Unerwarteten und Un
gewöhnlichen meiner Lage war diese
Wirkung zuzuschreiben und vor allem
diesen verwünschten Augen.
«Werden Sie meinem Wunsche will
fahren?« fragte sie mich.
»Mir blieb jedoch leine Zeit zu ei
ner Antwort, denn es wurde an die
-- Ære genopr und, ehe ich es mich
versah, waren Augen, Hand und die
ganze Erscheinung verschwunden.
Vaptisk stand vor mir und überreichte
mir ein Briefchen von Sautrot. Die
TO eernde aber hatte sich, wohl durch die
« wischeniunft eines Dritten er
schkeckt aus dem Staube gemacht.
Vielleicht schmeichelte sie sich mit der
Manna mich gewonnen zu haben,
Wt auch hatte sie sich nur die Auf
- gestellt, mir die Nerven zu er
« M, um meine Hand für die Ope
W unsicher zu machen . . . wer
W eine Person dieses Schlage-s ist
I Is- Wy r f
»J me weiter « ragte Vincent
Tjåepsn us vie Lssmsq gespannt
In- ich Isfse also SautroR
Sei sma- dieske mir mindeste daß
, seien eines dringenden Falles
- , stät-; isten begeiligäki kön
Hs ja an wo nicht
ist-Use erfordern-h De ich mich
H Ischess nicht in der richti
m befand und die Operat on
ff III noch aufgeschoben werden
stann fo telegraphirte ich rasch ent- j
schlossen nach Bouoigal, daß ich es in s
Abwesenheit meinej Collegen siir bes
ser halte« die Operation erst Montag
vorzunehmen« l
»Und das ist alle-st« Der haupt
niann war enttäuschn
»Ja, alles.«
—,,Jst Dir denn nicht der Gedanke ge
kommen, das Mädchen zu verfolgen?«
»Das wäre schwer gewesen. Als ich
mich von meinem Schrecken erholt
hatte. war sie jedenfalls schon über alle
Berge. Und dann wozu?«
»Aber, ich bitte Dich; um ihren Na
men und Aufenthalt zu erfahren und
überhaupt herauszubelommem wag
hinter der ganzen Sache steckt.«
Der peinliche Eindruck, von dem sich
der Doktor endlich befreit hatte, schien
jedt auf Vincent Gerbault übergegan:
gen zu fein, welchem seine ledhaste
Vorstellungslraft allerlei Möglichkei
ten vormalte. »Die Geschichte gefällt
mir gar nicht, da ist jedenfalls dieErb
schaft mit im Spiel, und Dein Erleb
niß nur der erste Alt eines Trauer
spiels. Deine Schöne mit den räthsel
haften Augen scheint mir eine Initi
Zintin erster Klasse zu sein« die ihre
eute wohl schwerlich fo leicht wieder
losläßt und vor keinem Mittel zurück
schreckt. Meiner Ansicht nach solltest
Du Fräulein Chaperon nach gelunge
ner Operation vor der ihr drohenden
Gefahr warnen, fonst sindet man sie
am Ende eines schönen Tages ermor
det in ihrer Wohnuna.«
»Wenn man sie so ohne weiteres
hätte aus dem Leben schaffen können.
so würde man mich sicherlich nicht
hinzugezogen haben. vAußerdem tann
ei sich nicht wohl um die Erbschaft
hcmdeln denn ich weiß zufällig, daß
sräulein Chaperon aus abergliiubi
cher Angst tein Testament gemacht hat
und ihr Vermögen somit ihren beiden
einzigen natürlichen Erben zufällt ei
nem Neffen in Jndien und einer sie
benunddreißigjahrigen unverheirathe
ten Nichte, die hundert Kilo wiegt und
mit der heutigen Besucherin meiner
Sprechstunde nicht oerwechselt werden
kann. Wer weiß, ob wir es nicht doch
mit dem unaustliirbaren hirngespinst
einer Geisteötranten zu thun haben.«
Auch der legte Nest seiner traumhaf
ten Stimmung war jeht bei dem Arzte
verslogen, und damit erlosch auch das
jugendliche Feuer, das sein schmales,
spöttisches Gesicht kurze Zeit belebt
hatte. Die Ellbogen aus seinen
Schreibtisch gestützt, suhr er in seinem
alltäglichenTone sort: »Was geht mich
übrigens die ganze Geschichte an? Wa
rum, zum Kuckuck, soll ich mich hinein
mischen? Jst dieses Mädchen verrückt,
so soll ihre Familie sie in ein Irren
haus stecken, und ist sie eine Verbreche
rin, so ist es Sache des Gerichtes, ihre
Schuld herauszusinden und sie in Ge
wahrsam zu nehmen. Jch werde mich
wohl hüten. mir bei der Geschichte die
Finger zu verbrennen Wir haben
uns eigentlich schon zu viel damit be
schcstigt—«
»Und glaubst Du auch die riithsel
haften Augen so rasch vergessen zu
können?« sragte Vincent scherzend.
Es blieb jedoch teine Zeit, den Ge
danten weiter augzuspinnen s— der
metallische Schlag der Standuhr
mahnte ihn an seine Pflicht. Mit ei
nem Satze sprang er in die höhe.
»Wenn Uhr! Alle Wetter noch ein-—
mal! Alles habe ich über diesen ver
» geblM neue Sonne
wünschten Augen vergessen. Nun wer
de ich gewiß auch noch zu spät aus den
Bahnhos kommen!«
Ein Soldat, der seinen Zug zu der
säumen fürchtet, hat siir nichts anders
mehr Sinn —- von einem seierlichen
Abschiednehmen konnte teine Rede (
mehr sein. hastig stürzte Vincent nach
seinem Wagen, ohne dem Doktor, der
ihn gern begleitet hätte, Zeit zu lassen, «
seinen Hut zu hoien.
.Bahnhos Orleans . . . rasch!'«
Noch ein sliichtiger Händedruck aus
dem Wagensenster heraus, dann wäh
rend der Fahrt ängstliche Blicke aus·
alle Thurmuhten, ein athemioses Ren
nen durch derrOBahnhof --- und ehe es H
ihm recht zum Bewußtsein kam, hatte
Vincent Gerbault den gefürchteten
Abschied von Paris und seinem besten
Freunde hinter sich. Schnaudend und
pustend trug ihn das Dampfroß sei
nem neuen Vestimmungsorte zu.
Die Erinnerung an die eben ver
nommene Geschichte wirkte indeß noch
so mächtig in ihm nach, daß sie seine
wehmüthige Stimmung fast Uber
täudte und er sie auch dann nicht los
werden konnte, als er. aus den Pol
stern des Eisenbahnwagens ausge
streckt in Schlummer gesunken war.
2.
Vor den sieghasten Strahlen der
Morgensonne müssen Traumgesichter
weichen. Die geheimnisvolle Patien
tin des Doktor Lepage und dieser
selbst det Abschied-schmerz- die Scheu
vor der Zutsnst alle-, was am Tage
vorher TriilIeI aus Vincent Gerbault
ergetzt-ziemt hatte, das schlechte win
terl Vetter mit einges ges,chlossen war
weit hinter th- an der Seine vest
zrahlie
itdee neue Landschastsdildet, und die
Menge fremder Eindrücke fesselte ihn
dollitändig. Je weiter det- Juni-est
Siiden zudeauste, desto en iiettee
leuchtete das Auge »de- Ma , J ebnes
auf. und als er dann zschiieM as et
netn sonnigen Novembertagr. »den rnan
ebenso ut stie einen Maüag hätte,
halten können, inToulouse anlangte.
war sein Herz . bereits für die neue«
Heimath gewonnen Der. thhlicip
Iardenton dee Bocksteinhiiusex unt
ihren grauen Dägdetn zwischen-drum
zahllose Kirchthuume Fleisch spitzen ;
Pfeilen in den «tiesdlauen. immel E
bineinragten, das ganze alterth mliche
Bild, das-Wogen Sonnenglanz- über
fluthob — Hauptstadt des « südlichen
Frankreichs darbot, bezauberte Vin
cent Gokdcnltatei den ersten Blick. »
Lebhafte Naturen haben die Gabe,
sich rasch fii.e da- Neue zu erwärmen,
ohne doch. das Alte zu vergessen. Bier
und zwanzig-Stunden nach seiner An
kunft hatte der Hauptmann bereits die
Stadt nach allen Richtungen durch
streift und sich im Fluge sowohl an
ihren Kunstschätzen wie an dein an
Rom erinnetnden Städtebild ergötzt,
das sich ihm von der Garonnedriicke
darbot. Mit mindestens einem
Dupend Krie gschultameraden waren
die rüheren eiiehungen wieder ange
knüpft, mit zwanzig anderen neue Be
kanntschaften gemacht. und auch im
Cidilstande hatte er bereits das Wohl
gefallen seines Wirthen seiner Zim
mernachbarim einer alten Dame, der
er auf der Treppe den Sonnenschirm
aufgehoben, eines Priesters, der ihm
den Kirchenfchati der alten Basiliia
zeiqte. einer Tabatvertäuietin, einer
an einer Straßenecke aufgestellten
Austernhändlerin, sowie der Stamm
giiste mehrerer Kasfeehiiuser erworben,
ganz abgesehen von der großen An
--I-s tscck4-— D-..I-..k--L—-— Lä- :
suqs qussqss OUIIUUIILIUIIUI, III IYII .
mit beifälligen Blicken beehrten.
«hier läßt ei sich schon aushalten.«
sagte er am zweiten Abend voll Be
friedigung zu sich selbst. »Es sehlt
mir jeht nur noch eine eigene Woh
nung.«
Er hatte von jeher viel Werth aus
ein behagliches Daheirn gelegt und
schätzte seine hübsche, tleine Junggesel
lenwohnung um so höher, als er sonst
teine beimatb mehr sein eigen nannte.
Vor mehreren Jahren schon war ihm
der Vater gestorben, ionltigeVerwands
te hatte er nicht« und so umgab er gech
wenigstens mit den ihm liebgewor -
nen Gegenständen, an die sich seine
Jugenderinnerungen tniivften und in
denen auch der größte Theil seines vä
terlichen Erbtheilo bestand
Der Maler Gerbault hatte eigentlich
nur iiir zwei Dinge gelebt: seinen
Sohn und Alterthiimer. tlm Vincent
eine glänzende Erziehung zu geben
und schöne Alterthiimer anzuschaffen;
hatte er den Ertrag seiner Arbeit mit
vollen Händen aus gegeben, so daß sich
nach seinem Tode, der früher kam. als
er dachte, taurn vierzigtausend Fran
ten Vermögen vorfanden. Allerdings
hinterließ er seinem Sohne außerdem
noch eine werthvolle Kunitfammlung.
.Wenn Du willst, tannit Du ja die
Sachen später vertausen.« hatte er
wenige Tage vor seinem Tode gesagt,
aber dieses: »Wenn Du willst«, war
von einem Seufzer begleitet gewesen,
der Vincent im Gedächtnis haften
blieb und ihn abhielt, auch nur ein
einziges Stück zu veräußern. Auch
als nach einer sröhlich und sorglos,
wenn auch durchaus nicht ftiirmisch
verbrachten Jugendzeit die vierzigtau
send Franken wie Schnee an der
Sonne zerschmolzen waren, blieben die
Sammlungen unangetastet. Und es
schien fast, als ob diese Schätze, die
Vincent mit pietätvoller Sorgsalt be
wahrte, aus Dantbarteit dazu beige
traaen hätten, ihn vor einem ideallo
sen Leben zu behutenx denn beim Bei
treten der durch die Kunst geadelten
Räume lam stets eine gewisse mora
lische Verpflichtung iiver ihn. sich die
ser Umaebuna würdia tu ieiaen.
«Wo werde ich nun aber meinen
Krarn unterbrinaen?« fragte er sich
nicht ebne Besargniß. denn seine
Sachen füllten einen ganzen Eisen
babnwagen, der Ende der Woche in
Touloufe eintreffen sollte.
So machte sich denn der Ofiizier
ohne Säumen aui die Suche nach ei
ner bassenden Wohnung. Eine leichte
Aufgabe war dies nicht« denn der soge
nannte Kram beanspruchte außer
ziemlichc vielem Raum allerlei besan
dere Bilds ten, Die Gewölbe brauch
ten gutes Gi, und ein großer Waf
fenichrant im Stile Ludwige des
Vierzehnten erforderte eine ungewöan
lich lange Wand-. Mit Bangen dachte
Vincent daran, wie schwer es damals
in Veriailles gebalten hatte, ibn glück
lich unterzubringen, umsomehr-, als die
.Summe, die er für Wahnungstniethe
ausgeben durfte, iebr mäßig war. ,
Da law ihm noch zu guterletzt der
Zufall zu hilfr· Jemand hatte ibns
gesagt, daß man in den alten Stads
theilen noch bin und wieder ähnli
wie in Venedia alte, verlassene Pa
läiie-sinde,. wahre Schahkiiitchen fs
Leute, die Sinn fiir Altertbiimer
ben. Diese Mittbeilnng fiel ihm plöJ
lich ein, als er bei strömendetn Rege
durch die Alte Traubenftraße tvaf
derte und iiber eine-n, mit reicherBi
hauerarbeit verzierten Ein an jtb
ein Aushängefchild rnit der Zu chrif :
Wohnung Fu verniethein iin Wintj
bin und bei-schwanken fab. Er blies
ben.
Eine b- Mauer verdeckte bat
Its-s
s. ou if
Ri- kiu hau- MERMIS-Fva
Z
hinter. das tm Laufe der Jahre durch
verständnislose Bewohner seiner ein
sitgen schiinljett beraubt worden war
und dessen malerischer Netz wo l schon
nach Ueberschreiten der Schwe e ver
schwand.
Ehe sich der hauptmann hinein
roagte, wars er einen prüfenden Blick
durch das alte Thor, de en einen Flü
gel der Wind balb geö snet hatte —
und trat, aufs freudigste überrascht.
ein« Ei war, als habe sich plöhlich
ein Theatervorhang vor seinen Augen
gehoben.
Vor ihm lag ein nicht großes, aus
Badsteinen errichtetes Gebäude in vor
nehm einfachem architeltanischem
Schmuck, das von der Sei-mein die
sem Augenblick in einen rosigenSchim
mer aetaucht war. Es hatte ein hoch
liegendes Erdgefchosz, zu dem man
vermittels einer lleinen Freitreppe ge
lanate; das erste Stockwerk war mit
Medaillonö im sorentinischen Ge
schmack des sechrebnten Jahrhunderts
verziert, und die Fenster des zweiten
waren ebenso wie die des ersten von
steinernen Einfassungen umrabmt. die
von kleinen, ebenfalls reich behauenen,
aus dem mächtigen Dache vom-ringen
den Giebeln gekrönt wurden.
Links vom Hause lief eine halb zer
saltene, üppigen Schlingpflanzen und
wilden Levlojen zur Beute überlassene
Mauer bin, die von den Feigen- und
Granatbiiumen des nebenanliegenden
Gartens- überragt wurde. Rechts am
Hause und mit demselben verbunden,
zog sich ein mit Steinplatten belegter
Kreuzgang hin, dessen Gewölbe auf
edel geformten, steinernen Strebt-pfei
lern ruhte und der nach dem hofe zu
durch hohe, luftigeBogen geöffnet war,
von steinernen Pseilern getragen, de
ren reich geschrniickte Capitiile allerlei
Fraden darstellten
--- -«
Irr-I des sichrtwenoesrteoeno, diese
Jahrhunderte alten Meisterwerte vor
dem Verfall su bewahren, hatten die
tunstfinnigen Eigenthümer sehr wohl
herausgefunden, daß der Reiz ihres
ehrwürdige-i Wohnsines nur dann voll
zur Geltung kam, wenn die Natur ihm
ihren Stempel ewiger Jugend auf
driickte: Kletterrosen rantten sich an
den Pfeilern des Kreuzganges empor,
und vor den That-bogen prangten, vom
Frost noch verschont, auf breiten Ra
batten leuchtend rothe Geranien und
bunte Chrysanthemen.
Und um diesem reisenden Bilde,
diesen Gegensätzen von frischen Blu
men und altem Gestein gleichsam die
Krone aufsusesem stand ein junges
Mädchen an das den Kreuzgang ein
fafsende Steingeländer gelehnt, das
reiche, duntle haar vom Winde zer
zaust. eine zarte, vornehme Gestalt in
hellem Kleide, die Vincent wie eine
liebliche Erscheinung aus alter Zeit
vorkam.
Die Erscheinung verschwand indes
nicht bei seinem Nähertommen, im Ge
gentheil schien das junge Mädchen ihu
zu beobachten und zu erwarten. Und
da Vincent sonst niemand entdeckte, der
ihm hätte Auskunft geben tönnen, so
wagte er es, bis zu dem Geländer vor
zugehen, wo er, das Käppi in der
Hand, in ehrerbietigem Tone fragte:
«Verzeihen Sie. gnädiges Fräulein,
ist i,I:r nicht eine Wohnung zu vermie
then?« Zugleich musterte er sie mit
einem turzen, prüfenden Blicke
Ebenso wie das Haus, hielt auch sie,
was sie aus der Entfernung verspro
chen hatte. Sie war von wahrhaft
idealer Schönheit. Ja, ideal, diese Be
zeichnung paßte wohl am besten fiir sie,
denn das einzige, was man vielleicht
ansihrerSchänheit hätte aussetzen tän
nen, war eine übergroße Zartheit, die
ihrer Erscheinung etwas unendlich
Feines verlieh. Die haut des rosig
angehauchten, wunderbar regelmäßi-v
gen Gesichtchens erschien so durchsich
tig, daß man hätte glauben können,
dieses Wesen set aus anderem, edlerem
Stoffe geformt als die übrigen Men
schen« und es bedürfe nur eines leichten
Stoßes oder unsanften Hauche-, um
si In mslshsn
Unwillliirlich fielen Vincent die al
ten, in seinem Besih befindlichen Mi
niaturbilbchen ein. Hatte er diese
Inte, liebreizende Mädchengestaltdenn
nicht schon irgendwo gesehen oder we
nigstens jemand, der ihr ähnlich sah?
Doch ja, richtig, in jedem Medaillon.
das Bildnisz der Prinzessin Lamballel
Das hätte au ihr Bild sein können.
Das junge lädchen, das natürlich
kein-e Ahnung von seiner Aehnlichkeit
mit der vornehmen, unglücklichen
Dame hatte, antwortete mit einem
freundlichen Lächeln auf den fast gar
zu rothen Lippen einfach: »O ja, ge
wiß, wir haben eine Wohnung zu ver
miethen. Kommen Sie nur, bitte,
mit mir.«
Sie ging innerhalb des Geländers
hin, während Vincent ihr außerhalb
folgte und sie dann aus der kleinen
Ireitreppe, die in’o Hauptgebäude
führte, einholte.
»Bitte, treten Sie ein.'«
Gern folgte er der Aufforderung,
denn haus und Führerin gefielen ihm
ungemein. Aus der ganzen Umgebung
wehte ihrn ein hauch von Sauberleit,
Ordnung. Ehrenhastigkeit und Frie
den entgegen, der ihn wohlthuend be
rührte. Und auch dieses junge Mäd
chen bewahrte fich nehen der fühl-indi
schen herzlichkeit ihres Wesens eine
Mrde, die ihren Eindruck auf einen
gebildeten Mann niemals verfehlt.
Ali er an der Frettreppe rnik ihr
susamnrengetrofsen war, hatte er einen
zweiten forschenden Blick in ihre Au
geworsen. Seltsam, leit einigen
pflegte er acen Frauen zuerst
in ie sagen zu schonen, lei es nun,
-«...- -.-...---..— —..- --. —
das die der Toulouserinnen ihm he
sonders denchtenswerth erschienen, sei
es, das die Erinnerung an die se
sckzreibung der räthselhasten «Au n
m t den goldenen Blumen noch in isem
na wirlte.
ie waren nun aber auch märchew
ast schön, diese großen strahlenden,
laugrünen. von dunllen Wimpern
umrahmten Augen mit ihrem unge
wöhnlich wechselvollen, manchmal» satt
schwermiithigen Ausdruck. Sie glitten
mit einer Lebhastigleit und einem
Feuer überreichte Umgebung hin, als
wollten sie "hrend der vielleicht tur
zen Zeit, die ihnen zum Schauen ver
gönt war. möglichst viel in sich aus
nehmen.
Sollte sie am Ende lranl sein? Wie
schade! da e der Hauptmann, als sich
das junge iidchen entsernte, um ihre
Angehöri en zu rufen.
anwi chen betrachtete er tdas Zim
mer, wohin sie ihn gesührt hattet einen
kleinen, getüselten Salon, den ein
großes, nach Süden gehendes Fenster
erhellte. Und wieder empfand er das
hohe Wohlgefallen. das schon beim er
sten Anblick des Hauses über ihn ge
kommen war. Auch hier waren Antites
und Modernes aufs glücklichste verei
nigt. Keine einzige schadhaste Stelle
zeigte sich weder an den kunstvollen
Schnihereien des Getösels, noch an
dem seinbehauenen steinernen Fenster
treuz, noch an der hohen hblzernen
Kaminbelleidung Spiegel und Mö
bel aus der Zeit Ludivig’s des Fünss
zehnten und Sechzehniem sowie aus
der des ersten Kaiserreiches, schlossen
sich inb rüderlicher Eintracht den übri
gen Alterthümern an. Alles war wohl-—
erhalten, nicht ein Nagel fehlte, und
nicht der kleinste Riß zeigte sich an den
prächtigen Stickereien der Sihmöbel
«Wie gut es meinem Vater hier ge
iallen hättet«
Ein weicher Teppich in zarten Far
ben, wohlabgetönte Vorhänge und ein
Uebersluß an Blumen vertraten den
modernen Geschmack. Das Clavier ipar
geöffnet, auf einem Tischchen lag ein
rosenfarbiges Strickzeug mit langen
Radeln. daneben ein aufgefchlagenes
Buch. Obwohl man merkte, daß der
Raum zum täglichen Aufenthalte be
nuht wurde, herrschte doch die tadel
losest Ordnung. -
»Man könnte faft glauben, das
Haus sei nur von Frauen bewohnt!«
Während Vincent diese Bemerkung
machte, öffnete sich die Thüre und feine
Vermuthung schien sich u verwirkli
chen: das hübsche junge ödchen, das
ihn hereingefiihrt hatte, lam nämlich
mit zwei anderen Damen zurück, ver
muthlich ihrer Mutter und Schwester.
Nach turzer Vorstellung und einigen
förmlichen Verbeugungen sedte man
sich und betrachtete sich gegenseitig ein
wenig prüfend.
Gortseßung folgt.) «
W
Its Istisuolitäiesfrobles in
bester-reich.
Die Verfassung Oesterreichs in ihrer
leutigen Form ist nicht aufrecht u er
halten; das haben die legten Fahre
mit Deutlichkeit gezeigt. Der Parla
mentarismus ist in Zioleithanien
ad ndsuritiim geführt worden« nicht
weil etwas an ihm selber falsch wäre,
sondern weil man ihn unter falschen
Dzoraussegungen arbeiten lassen will.
Man hat verschiedene Nationen, die sich
gegenseitigr nicht das Leben gönnen,
u einer ieichoversammlung einberu
im und verlangt, daß diese Leute
friedlich und förderlich zusammenwir
ti.n. Um jede neue Schule in Böhmen
und Miihren entbrenni ein bitterer,
xergiftesider Hader zwischen Deutschen
und Tschechem aber die Abgeordneten
beider Völker sollen zu Wien im
Neichsrathe und im Prager Landtage
fu«-i nichts inerten lassen. Die gegen
wörtige österreichische Verfassung ist
schlecht, iveil sie gegen die menschliche
Natur :st. Damit ist aber noch teiness
negö gesagt. daß Oesterreich selbst ein
uiinatiirlicheg, zum Sterben verdamm
tei- Staatswesen sei; im GegentbeiL
die störlsten historischen und politischen
tiiriinde sprechen fiir die Möglichkeit,
Im Nothmprshierbii isiriok lftbnltiinn
Wie ist also Besserung zu schsissenZ
Eine Beantwortung der Frage versucht
der Wiean Schriststeller Rich. Char
ntay in der Broschure »Der der olras
risch nationale Bundegstaat Lesters
reich« lFronlsurt a. M» Reuer Frant
surter Berlag). Die Vorschläge von
ckharrnatz lassen sich in die Worte zu
sammensassen: Zerschlagung der »hi
lzorischen Lönderindividualitaten« wie
Böhmen, Tirol, Galizien, und dasiir
litrrtchtung autonorner nationaler
Prodiniem Die Sachen der Reichs
gemeinsamleit, das hat-, Finanz
und Verkehrswesen die Sozial-· und
GeioerprroTitil verbleiben der Central
renierung und dern Reichs-rathe, die
übrigen Angelegenheiten, vielleicht so
gar die Gestaltung des Rechts, den
Landtagem Sowohl sür das Cen
tral- toie die Einzelparlamente sind
weit demokratischen Wahlgcsetze als
bit-her zu erlassen. Das send sehr ver
ständige Vorschläge und ihre Durch
sishrung wurde vermuthlielz se eusreich
trirlen. Nur laßt uns Herr lehr-emai
i.n Unclarem toie er bis dahin lornss
inen will. Vetsagungsniaßig schwer-l
Lich. Der Wienee eichsrath, der schon
lange nicht .nebr arbeitssiilna ist«
wird ein grundstiirzendeo Gesetz nicht
lseschliehen lönnen, dessen Todseinde.
ganz abgesehen von den Feudalen und
stlerilalem mächtige nationale Grup
ken sein würden. Böhmen z. B. will
herr Eben-naß in eine deutsche und
erne tschechi che halste ein iiir allemal ,
sur-legen- I laslen die Tschechenq
die gerade inlt ihrem .bölpniischen
S«aatsrechtc« Geschiiste machen wollen,
nicht zu. Galizien soll in eine polni
sche und eine ruthenische halste ze al
len. Was wird dazu der etreue o
linklub sagen, der die "tiihe je r
österreichischen Regierung ist und da
ciir in Galizien unumschränkt re« ieren
dars? Bleibt also nur die iron
iiung der dernolratisch-nationalen
Bundesve assung. Aber macht man
Stataoskr che im Namen der Frei st,
und noch dazu in Oesterrei ? as
kommt uns nicht gerade wahr cheiniich
vor. —- Mit den Verhältnissen der an
deren Reichshölste beschästi t sich eine
Broschiirr von Alexander Zetroloiksch
»Die magyarischen Sonderbestrebun
gen im Reiche der Habsburger« Cher
liu, Hernrsann Walther). here Betro
mitsch, ein ungarliindischer Serde, tvar
unter dem letzten Obrenowitsch Chef
des serbischen Preßdeparternents. Sel
ber immer der von den Magyaren un
terdrückten Nationalität angehörend,
schildert er die Anstrengungen, die
das Magyarenthum gemacht hat, urn
ein nach außen mii tiges Ungarn ohne
Oesterreich zu schas en, und es innen
zu magyarisirem Die erstere Tendenz,
die daraus hinauslies, die angrenzen
drn Südslatven unter magharischer
Führung usammenzusassen, ist ge
scheitert- as ist in der Thatsache
zum Ausdruck gekommen, daß einer
ter sähigsten Vertreter dieser der,
Kallay, sie verlassen und sich in os
uen zum Vollstrerker der Wiener
Reichspolitik gemacht hat. Die rr
schast der Magyaren in Ungarn elbst
aber beruht aus dem Parlament.Nun
aber versagt dieses aus den magnari
schen Gedanken gewählte Abgeordne
renhau5, in dem die anderen Völker
Ungarn-i nicht zu Worte kommen,
leute völlig. Die übertriebene Natio
nalpolitik hat sich, wie Herr Betro
Nitsch meint, selbst geschlagen und dem
lesolutismus die Wege geebnet. Fiir
gilnzlichnuknbegriindet · können wir die
·-----« .
scsscsc Oksllcllscllllg IIINI Ins-II WIIIIIO
(Ftkf- 3!g·)
tuetsseeflcheeeued
Lebensversicherun der Thiere gehört
bei Avde der grasen Versicherungs
börse in London, mit sum gen-ähnli
chen Geschäftsbetriebe besonders wenn
es sich um werthvolle und seltene
Exemplar-e handelt. Es ist allerdings
ein speiulatives Geschäft, bei dem,
ähnlich wie sbei Versicherung gegen
Kriegsgesahn »das Wagniß mitunter
Froß und die Prämie entsprechend hoch
st. Der gelebrige Schimpanse Kon
sul, der vor Kurzem in Berlin als ei
ner der bekanntesten und angeseheniten
Assen der Welt sein junges Leben an
Bronchitic eingebüßt bat, soll siir 20,
000 Psd. St. versichert gewesen sein.
Die Prämie betrug in diesem Falle 10
Guineen vom hundert und war nur
ein Jahr lang gezahlt worden. so daß
die bei der Versicherung bei-heilt ten
Firmen start in Verlust geriet n.
Ueberhaudt scheinen die seltenen Exem
plare des Thierreiche, troß größter
Sorgsalt der Besißen bei dem igeus
nerleben, das die Menschen und biere
der großen Schaustellungen siilyren,
selten ein langes Leben zu erreichen.
Die Erinnerung an manche der be
kanntesten, wie an den Riesenelepban
ten Jingo, an das borende Känguru
und viele andere, ist siir die Versicherer
nicht minder schmerzlich nnd tostbar,
als die an den armen KonsuL
Bei Rennpserden bewegt sich die
Versicherung in ganz geordneten Baly
nen. Die Existenzverhältnisse find im
Allgemeinen bei diesen Aristotraten des
Pserdcaeschlechteg viel regelmäßiger
als bei ihren Besitzern Zie werden
ebenso sorgfältig und oft viel rationel
ler gepflegt als vorn Schicksal begün
stigte Menschentinder. und manche
bringen es dabei aus ein verhältniss
rnäßig hohes Alter und tragen den
Unternehmern der Versicherungen
schöne Summen an Brämien ein. Der
berühmte Hengst St. Sjmon ist heute
ein sehr altes Thier, und seit langen
Jahren wird regelmäßig die bade Prä
mie siir die Versicherungssuinme rvn
Las-Um Wid. «Zt. bezahlt. Flning
For, ein anderer berühmter hengst, ist
gar,alleg in allem, siir JB0,0()0 Psp.
St. versichert.
Nur gegen junge rouuvoggen vornen
rner Abkunft ist die Vetsicherungswett
start eingenommen So weniqstens er:
zählt Jemand, der sich unter den Fach
!euten unterrichtet but, in der Duity
Mail. Zu einer Zeit wurden junge
Hunde dieser Gattuna nicht fetten mit
einer Prämie von 10 Gute-seen vom
hundert versichert. Das Geschäft er
wies sich indessen als veriuitreich, denn
die versicherien jung-en Köter ainuen
satt regelmäßia ein. Das Versickxe
rungeereichäit suchte sich zu denen« in:
dem es die Prämie :erdovre!te. aber
immer noch starben die Versicherten vor
der Zeit und die Versicherer tin-sen zu
Schaden. So ist es denn ektisiriich.
daß seit einigen Jahren mit jungen
hunden tein Versicherungsgeichiift «
nsechen Eit. Sonst freitieb wird pntt
alles unternommen Jn däeien Taan
erst tell. nach dem Gewährkmann der
Daily Mail. Jemand 7 Guineen vom
Hundert qui eine Volire neu-bit haben,
die iipn gegen Zwillinge versicherte.
O-—-—-.sp.-—s-—
avan scheint die freundschaftlichen
Geiihie der abendiiitrdiichen Völker
zunächst einmal derdurch erwidern zu
wollen, daß es dieselben anzuprempen
versucht.
I O I
Der Rachwinter will offenbar ke
tveisem daß er sich ebenio gut Winte
nennen tann wie der Winter-.