Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 01, 1904, Zweiter Theil, Image 9

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    Nebraska
Staat-J- anzeiger Und Yerolko
J P. Windolph, Herausgeber. Grund Island. Nebr» l. April 1904 (ZweitkkThcil.) Jahrgang 24 No. .-31.
Stille Nächte.
Durch die Nacht zteb'n Glockentone.
Leise. zarte, wunderschöne —
Getgen-, Roten-, darsenkljinge —
Liebe, freundliche Gesänge
O, woher mag ei erklingen,
All- das Läuten, all das Singen,
Das so heilig weht hernieder?
Es sind ungesung’ne Lieder
Meiner Seele, die da drängen,
Die da gerne Wunder sängen
Von der Nacht geheimem Lauschen
Nach der Ewigkeiten Rauschen.
Suche, Herz. die- Melodieen.
Die durch stille Nächte ziehen! —
Theophil Kluck.
Erzählung von M a x R r e d e r.
Es gibt seltsame Menschen im gro
ßen Berlin, die mit besonderer Befrie
digung Alles das thun, wag die Ande
ren fiir verkehrt halten Der eine ißt
die Suppe nach dem Fisch, der zweite
trägt die Gummischuhe mit Vorliebe
bei trockenem Wetter, weil sie dann
nicht schmutzig werden, und der Dritte
hält die Augen immer auf, wenn er
das Glück nicht zu sehen bekommt, und
schließt sie· sobald e—.·« an ihm vorüber
geht. Und in dieser Lage befand sich
andauernd Herr Theophil Muth der
Hauslebrer der Familie Ner. Als ver
lrachter Philologe, dem das öffentliche
Lehramt verschlossen blieb. bntte er sich
aus Privatstunden gelegt, die er mit
Tapferkeit iiberall dort aushielt, wo
er gegen geringe Belohnung die nöthige
Nachpaute bei zurückgebliebenen, oft
sehr schwerhörigen Zöglingen zu halten
hatte. Von sriih bis spät unterwegs,
machte es ihm besonderes Vergnügen,
den Blick stets zu Bot-en zu richten, um
mit Bequemlichkeit zum glücklichen
Finder zu werden, der eines Tages mit
Stolz von sich sagen durfte. er habe
eine Brieftasche mit hunderttausend
Acllkk gcsllllckll Uns ocll gescslltycll
Lohn dasiir in Ehren empfangen. Lei
der haftete ihm auch in dieser Bezie
hung sein Philologenpech an, denn er
war iiber werthlosse Jtadeln und Glas,
lnöpfe, die im Sonnenlicht verfüh
rerisch zum Butten reizten. über einige
Pfennige und hufseisen nicht hinaus
gekommen.
»Weißt Du,« sagte Friedrich Rrr
turz vor dem Weihnachtsfest zu seiner
Frau, »wir wollen ihm diesmal eine
ganz seltene Ueberraschung bereiten.
Er muß endlich etwas finden. Das
ist der Höhepunkt seines Daseins. Er
hat es auch verdient, daß man ihm die
sen kleinen Scherz bereitet. Es ist ja
eine Ewigleit. daß ich ihn tenne.«
Friedrich war alleinige Inhaber
der altbewiihrten Firma Ner, die noch
immer das solide einstöotige Privat
haus bewohnte, das aus Großvaters
Rten ftammte. Schon Friedrich hatte
Unterricht von Theophil Klurt empfan
gen. und so fpornte ihn die Erinnerung
an die Knaberrjahre ganz besonders an,
dem alten Haussreund die Erfüllung
seiner Sehnsucht zu geben.
»Wir werden ihm einen Beutel mit
hundert Mart vor unsere Thiir legen,
sobald er die Treppe heraustommt,«
fuhr er fort. »Ich sehe schon die Au
gen« die er macht."
Als sie das Beide laut besprachen,
waren sie allein im Zimmer. nur die
Thür lian stand offen. durch die man
Niemand sehen konnte. Arn Vormit
tag des Heiligahendsv hatte.Theophil
Ktuck im Hause noch zwei Stunden zu
geben« Während de- Schulterien ging
er regelmäßig um diese Zeit ein und
aus. um dem fünfzehnjährigen Alfred
die Hölle im Griechischen und beson
ders in der Mathematik heiß zu mai
chrn. Ret, der unten an seinem Schreihi
tisch saß, sah ihn durch die Thurscheibe
bedächtig wie immer vorbeigehen, und
sofort eilte er die Wendeltreppe hinauf,
die dirett in das Wohnzimmer führte
Noch wenige Minuten vorher hatte er
sich davon überzeugt« daß der tleine
Lederheutel auf der obersten Stufe lag,
nicht weit von der Thür, hübsch breit
und aufsallend hingelegt, so dasz er
kaum zu übersehen mar.
Wie immer schallte das scharfe
Klingelzeichen herein, pünttlich aus die
Minute. Man hörte das Krayen dar
Füße aus dem Vorleger draußen, dann
das laute »Guten Tag« Klucls zu dem
Mädchen. und freundlich wie immer
txrat er herein, unverändert in seinem
Wesen· Um so erstaunt-er war Frau
Rex. nichts Aufsallendes in seinem Be
nehmen zu erblicken.
»Frisch, hübsch frisch draußen-«
sagte er, und reichte ihr mit bescheide
ner höflichieii die Hand.
Ner, der gerade oben angekommen
war, und ihn schon ein Mlchen still
beobachtet hatte, kam seiner Frau zus
rr-r, indem er den Brauen laut be
grüßte. Er hatte seinen Jungen ver
anlaßt, in dem Unterrichtszimmer zu
warten, da man den Erfolg des Scher
zes allein abwarten wollte. »Nun, tvie
gehst nichts Neues-P fragte er. Und
als Mut mit seinem ewigen Gleich
muth verneintn sah Rer seine Frau
bedeutungsvall an. Er ging rasch hin
aus, warf einen Blick aus den Trep
penslur und kehrte bei guter Laune
zurück. »Ei. dieser Schäter,« war sein
Gedanke, «er ver-stellt sich sa ganz ge
hsrig.« Dann schlug er etwas stärter
aus den Busch.
»Nun. irnrner nach nichts gesunden
im grasen Verlini« begann er wie
der. »Nicht mal heute, am Heilig
abend?«
Theophil Kluck schütelte das mäch
tige, schon fast weiße Haupt. »Auch
am Heiligabend nicht « sagte er be
dauernd. »Die Kinder wollen von
alten Männern nichts wissen, und auch
das Christtind hat diese erklärliche
Scheu.«
»Auch auf unsere Treppe nicht?«
forschte Rex weiter.
Klucl hielt das fiir eine Redensart,
und so sagte er fast einfältig: »Dann
habe ich es sicher nicht gesehen. Sie
werden lachen, aber es ist so; unten im
Thorweg dachte ich: Du bist seit drei
ßig Jahren hier ein- und ausgegan
gen, und da willst Du einmal sehen, ob
Du mit geschlossenen Augen den Weg
finden wirst. Und es ist mir wahr
s hastig gelungen, die Treppe hinauf bis
zu Jhrer Thiir Was die Gewohnheit
I nicht Alles macht. «
Nichts Falfchez sprach aus feinen
Worten und aus diesem merkwürdig
»großen Blick, der unerschiitterlich auf
yMann und Frau ruhte.
s Frau Rex war sehr ergriffen. »So
werde ich Ihnen selbst die Augen
Iöffnen, mein Bester, « sagte sie und er
Ihob sich. »Sie sollten heute wirllich
etwas finden. Aber ich sehe es ein:
man soll mit gewissen Dingen nicht
scherzen. Schließlich loinmen Sie noch
Ulll JUL MchIIL
»Ja, das sind Sie schon,« warf Rex
erregt ein. Und ohne Zögern gab er
ihm die nöthige Aufklärung. »Ich
selbst habe das Geld hingelegt, als ich
oben am Fenster stand und Sie drü
ben aus der Straße sah. Und gerade
vorhin til-erzeugte ich mich, daß es fort
war.«
Theophil Kluck war seltsam bewegt·
Als hätte er das Geschenk wirklich in
Empfang genommen, reichte er Beiden
zum Danke die band und sagte
lächelnd: »Das Glück ist wieder ein
mal an mir vorüber gegangen. Wie
konnte es auch anders sein! Hoffent
lich hat den Beutel Jemand gesunden,
der seinen Inhalt noch besser verdiente,
ans ich.«
»Das soll gleich festgestellt werden,«
erwiderte Reh fest überzeugt von der
Offenheit des Alten. Damit ließ er
ihn ruhig zu seinem Sohne gehen, im
Gedanken schon bereit, ihm die zu
gedachten hundert Mark trotzdem zu
geben. Er fühlte sich gewissermaßen
verpflichtet dazu; denn er hatte ihm
bereits im Oktober seine Erkenntlichs
keit versprochen, falls er seinen in der
Schule zurückgebliebenen Sohn so weit
bringen würde, daß eine Versetzung zu
Ostern aussichtsvoll wäre. Und wie
die Dinge standen, konnte man zufrie
den sein.
Alles Forschen nach dem verschwun
denen Beutel war umsonst.
Es war und blieb räthselhast. Ein
mal, als das Ehepaar immer neue
Fragen auswars, begegneten sich Bei
der Blicke, und einige Augenblicke war
ek, als spräche aus ihren Augen ein
bestimmter Gedanke, den sie aber Beide
scheuten, auszusprechen
Jm Unterrichtszimmer saßen sich
Lehrer und Schüler gegenüber. Es
dauerte aber nicht lange, so erhob sich
lTheophil Kluch »Du mußt schon ent:
schuldigen, mein Sohn. wenn ich heute
»etwas aufgeregt bin,« sagte er wohl
Jmeinend, »aber ses ist heute Weihnach
!ten, und da liegt mir die Erwartung
» schon in alle-n Gliedern. Sag an, geht
es Dir nicht ebenso? Es ist doch
i etwas Schönes um das Fest der ewigen
Liebe, das uns alle Schlacten von der
Seele nimmt. Sprich nur« wir haben
etwas Zeit. Ich sehe, Du wirst die
Hindernisse nehmen. Das schönste Ge
schenk, das ich Deinen Eltern heute
machen werde." Er war vor ihm stehen
geblieben und sah ihn mit seinen
blauen Augen durchdringend an.
Alfred sah stumpf vor sich hin. Die
langen Beine unter den Tisch gestreckt.
bemühte er sich heute besonders, auf
jedes Wort zu lauschen, als wollte er
einen doppelten Sinn heraushören.
Lebhafte Röthe war in sein hübsches
Gesicht gestiegen. denn da er hinter der
Thiir Alles vernommen hatte, was im
Wohnzimmer gesprochen wurde, so litt
er unter dem Blick wie unter dem Dro
hen der Geißel. Er begriff nicht. wie
Kluck noch von einer Erwartung spre
chen konnte, die ihm bereits vernichtet
war. Endlich liesz er versteckt seine
Augen spielen und fragte: Freuen
Sie sich? Jch mich nicht. Was ich mir
wünsche. bekomme ich doch nicht.«
«Wai wünscht Du Dir denn, mein
Schut«
»Das stann ich Jshnen nicht sagen.«
»Ist es theuer?«
»Na, billig ist es nicht. Papa und
Manna schreien jedes Mal, wenn ich
nur ein Art davon erwähne. Aber
ich bekomme ei doch noch.«
»So laust es Dir doch selbst!«
»Das werde ich auch. Jch liebe
solche Sachen. Aber Sie dürfen nichts
davon sagen, Herr Doktor. Nein?
Versprechen Sie es mir?«
Jn diesem Augenblick wußte Kluck,
daß er einen Schuldigen vor sich hatte,
aber er sagte nichts mehr, setzte sich
wieder und sührte den Unterricht zu
Ende. Als er sich dann verabschiedet
hatte, ries ihn Rex unten zu sich her
ein, drückte ihm die zugedachten hun
dert Mart in die Hand und lud ihn
im Namen seiner Frau zum Karpfen
essen am Abend und zur Bescheerung
ein. Klucl war das aus gewissen
Gründen sehr willkommen. Schon am
späten Nachmittag lam er wieder. Er
spielte leidlich Klavier, und so hatte er
die Roten zu allen Weibnachtistiicken
mitgebracht. Als ihm gesagt wurde,
daß Alsred ausgegangen sei. um etwas
zu tausen, niclte er, als hätt-e er das
erwartet. Dann setzte er sich an’s Jn
sttument und spielte: »Vocn Himmel
hoch. da lomm’ ich her.«
Als er geendet hatte, ging er zu sei
nem Schüler hinein, dessen Kommen er
gehört hatte· »Nun, hast Du Dir das
Schöne getauft?« fragte er freundlich.
Alsred traute ihm nicht, und es be
durste langen Zuredens, ehe er mit ei
nem schön gearbeiteten Revolver zum
Vorschein lam. den er wie lindisch be
trachtete. Klucl nahm ihm die Waffe
ans der Hand und fragte, wag sie ge
tostet habe und al- er den Preis von
dreißig Mart horte, iiberzeugte er sich
i.....-l- h-k1--- Z-- - - h- I- .....
Uutw sent-Zu ukh cyuh Uukj Iu use
gestört waren. »Ich habe Dir heute
Vormittag gesagt, daß ich in freudiger
Erwartung schwebte, und sie soll jeht
in Erfüllung gehen." begann er aufs
Neue. »Sieh mich an, Alsredt Du bist
der Einzige Deiner Eltern, ihre ganze
Zukunft, ihr ganzes Hoffen. Was wir
jetzt sprechen --— davon wird nie ein
Mensch etwas erfahren, so wahr ich
Dir immer Dein guter Berather war,
ein aufrichtiger Lehrer und Freund.
Hier lege ich dreißig Mart auf den.
Tisch, gib den Beutel her mit dein
Rest. Jch will Alles wieder zusam
menthun und Dir die Liebe Deiner
Eltern erhalten.«- Und plötzlich ließet
seinen Zorn steigen: »Betenne! Laß
die Schlaclen von Deiner jungen Seele
fallen! Zögere nicht!·'«
Sein Blick bezwang ihn, denn als
Antwort tani ein Stammeln, ein
furchtsanies Bitten, zugleich ein Be
kennen großer Schulb. Und er ging
in eine Ecke und holte aus einem Ber
stect den Beutel hervor. »Ich dante
Dir, mein Sohn," sagte Theophil
Kluck wieder. »Du hast Dich wieder-—
gesunden Jch gehe jetzt hinaus —
wcrrtr. Alles muß seine Ordnung
bat-en.« Und er schlich leise aus den
Fioreidor und schob den Beutel hinter
das Geländer der Treppe. Als er zu
iiicttehrte, hörte er verhalteneHSchluch
,jrn, dann siihlte et sich von zwei Ars
men umschlungen.
»Schon gut, mein Junge, eg bleibt
beim Alten-« Und er tlopste ihm den
Nacken und beruhigte ihn. Die Waffe
aber steckte er ein, um sie dein Bei
täuser zurückzugeben
»Saqen Sie doch, verehrter Herr
th1,« begann er später beim Fisch
essen, »haben Sie auch draußen Alles
cui nach dem Beutel nachgesehen? Es
ist am Tage aus dem Flur etwai- dun
tet W e wär es jetzt bei Licht -s Z«
tin-.- -.. -. - -------------- »mi
einmal hinaus Mit einem Halloh
tehrte er zurück. »Sie haben den
Beutel jedenfalls mit dem Fuß weg
gestoszen.« Er hielt ihn hoch in der
Hand. llnd in seiner Herzensfreude,
die Ehrlichkeit im Hause gewahrt zu
sehen, drängte er ihn dem alten
Freunde aus und sagte lachend: »Nun
behaupten Sie noch, daß das Glück an
Ihnen vorüber-gegangen sei.«
Theophil Kluck ftattete seinen Dank
ab und schwieg sich aus. An diesem
Abend trennte er sich besonders herz
lich von seinem Schüler, ungefähr mit
dem Gefühl eines großen Pödagogen,
der mit einein seltenen Siege von dan;
nen geht·
—-——-.-.-—
Strafe.
»Der Junge sollte doch nur zwei
Willen nehmen, und nun haben Sie
ihm gleich vier gegeben?«
»Ja, weil er unartig gewesen ist«
berr Doktor!«
Ein richtiqu Frauenzimmer
Richtm . . und wie sah der
Mann aus«-«
Fräulein: »Ich habe ihn nicht
näher angeschaut, nur das weiß ich,
daß er teinen Ehering trug.«
Eritis-uns
»Ich verstehe nicht, was den Damen
an den Resorrnileidern eigentlich ge
sälltt«
»Ganz einfach: das Wort Reform.
Renne es Gesundheitstleid —- und
teine wird es tragen."
Ein delikater Braten.
Humorthe von AdolsThiele.
»Nein, so tann das nicht weiter
gehen,« sagte der Brauereibesitzer
Langhos zu seinem Buchhalter, »die
Hasen draußen in meiner gepachteten
Jagd trepiren einer nach dem andern;
wer soll denn da noch etwas schießen?«
»Woran mag das nur liegen?«
fragte der Buchhalter, indem er auf
.seinem Drehschemel herumfuhr. I
»Ich dente mir, die Bauern haben;
Jltiist gelegt gegen die Mäuse, und das
.itniissen denn die Hasen daran glau«
! en.'« s
; »Na, wie wär’s denn, Herr Lang-s
l,«os," sagte der Buchhalter, »wenn Sies
mal einen zum Thierarzt schicktems
3einen Hasen meine ich, daß er ihn
. nntersuchte?«
»Hm, das wollen wir machen.«
Ein paar Tage darauf ging der
Haustnecht, der alte Heinz, zum Post
amt, das der Brauerei zunächst lag.
Seine schweren eisenbeschlagenen Stie
fel trappten ganz ungehörig, als er
eintrat. Der alte Mann gab ein
Partei ab, und zwar enthielt dieses
einen an den Thierarzt Miisfelmann
im benachbarten Städtchen abgesand
ten Hasen. Mit der Abgabe des
Packetg war die geistige Tbätigteit des
alten JJtannes fiir heute beendet, und
mit dem Wohlgefühl, daß er nun
heute an nichts Außergewöhnlicheg
mehr zu denken brauchte, trappte der
Lieinz wieder davon.
Weitere paar Tage daraus - - es
inni- nn tin-in Clonntnn --- seh-n Ins-r
»den alten Heinz in feineTasche fassen.
IWag tniftert denn da? Er holt einen
Brief heraus, du lieber Himmel, da
steckt ja » so dämmert es ihin allmäh
lich auf —der Brief, den er zugleich
mit dem eingenähten Hasen an den;
Thierarit abgeben sollte.’1ta,das war
ein cchreel; das gäbe ein Donner
wetterl »
Den Brief in der Hand nnd»
Schreckensworte murmelnd, eilte der
Alte zum Brieflasten und brachte dort
den Brief mit Sorgfalt unter.
Wie der Diener, so der Herr, hiefz
es aber hier« denn zn gleicher Zeit, wo
Ver alte heinz crschrat, unterlag auch
der Braiiereibesiszer dieser Gemiiths
bewegung. Trotz seiner Leibegfiille
lief et in seinem Privattontor auf
und ab mit einem Brief in der Hand,
;den er soeben vom Thierarzt Miisfel
mann erhalten hatte
»Wie geht denn dies nur zu?« mur
melte cr. »Ich denke, er schickt mir
einen Seltionsbefund und giebt mir
dic Ursache des Hasensterbeng an, und
statt dessen dankt er mir für den deli
Iluten Braten. Da musz doch mein
Brief verloren gegangen sein! Davon
Tbängt ein Menschenleben ab, vielleicht
sogar inehrere ---- ja natürlich, der
HMann hat ja Familie. Was mache ich
da nur?«
Endlich lam er zu dem Entschluß,
den Thierarzt sofort selbst auszus
;suchen; er ließ daher den tsinspänner
Jseriig machen nnd tutschirte in’g
i Städtchen
s »Wenn esJ nur nicht schon zu spät
i ist! inurinelte er vor sich hin. »Gestcrn
loar Sonntag, tvenn sie ihn da nur
lntcht gegessen haben!« Und während
ier aus sein Roßlein einhieb, sah er im
Geiste oen Thierarzt nebst Familie in
lerzenge iader Stellung entseelt als
eIIIi «,. txt-.
sckluykll utlt Uclt »Zukququ »Hu-s
liegen.
Drei Tage vor diesem Unglücks
nwntage, an dem nicht minder im
Geruch des Unglück-z- stehenden Frei:
tag, machte sich der Thierarzt MiiffeL
mann im Vorgarten seines Hauses zu
schaffen, als er von der Straße her
tegriiszt wurde. Es war der Reltor
Träumen der gerade einen Spazier
gang machte und dein Kollegen von der
anderen Fakultät seinen Gruß bot
,.Ach, guten Tag. Herr·Rettor!« rief
Müffelmann freundlich. Wollen Sie
nicht einen Augenblick eintreten«
Der kliettor folgte der Einladung;
er bewunderte die Rosen, die der Herbst
bisher noch verschont hatte, und erkun
digte sich nach dein Befinden der Fa
milie. ,
· »Ich beneike Sie innner,« sagte der
behäbige Herr Rettor, »wenn ich Sie,
Herr Doktor, mit Jhren Braunen auf
die Dörfer hinausfahren sehe in die
frische Landluft.«
»Ja, so ein Thierarzt hat«-z gut,«
sagte Müffelmann etwas ironisch.
»Ist sein Pferd gut gefüttert, sagen die
Leute: Er hat nichts zu thun; ist es
mager, dann ist er ein Geizhals-, der
dein Pferde teinen Hafer giebt. Fahrt
er schnell, dann will er den Leuten
vorspiegeln, er hätte viel zu thun,
fährt er langsam, dann hat er leine
Praxis. Berschreibt er wenig, dann
ist er vummelig, verschreibt er viel.
kann steckt er mit dem Apotheter
unter einer Decke. Wird der Patient,
also der betreffende Herr Ochse oder
das Pferd gesund, so liegt das an der
sguten Pflege des Besitzers, stirbt der
j Herr Ochse, dann ist der Doktor selber
einer!«
Der Reltor lächelte ob dieser Aus
sassung »Na, einen Vortheil haben
Sie jedenfalls,« sagte er, »vor den
anderen Aerzten voraus: Jhre Herren
Patienten machen Ihnen keine end
losen Beschreibungen und teine Vor
würse!«
Beide lachten. Gleich daraus sah der
Reltor drei Hasen an der Wand des
Hauses im Hofe hängen.
»Essen Sie die alle?« fragte er.
»Sonst hätte ich Jhnen einen abge
kelUft?««
»Können Sie haben, Herr Rektor!«
sagte Müsselmann höflich. »Bitte,
suchen Sie sich einen aus!«
Der Nettor wählte einen der Hasen,
und zwar gerade denjenigen, den der
Brauereibesitzer Langhos gesandt hatte.
Die beiden Herren wurden über den
Preis bald einig, und kurz daraus
sandte der Thierarzt den Hasen nach
dem Hause des Nektars Arn Nach
mittag saß der Thierarzt gerade über
einer Trichinenuntersuchung und
steute sich iiber die schöne Einrichtung
der Trichinose, die ihm einen so hüb
schen Verdienst verschasste. Da fuhr
ein Wäglein vor, und gleich darauf
trat der Brauereibesitzer Langhof so
schnell, als es ihm das Produkt seines
Produktes, sein stattlicher Leibumsang
erlaubte, ins Zimmer.
»Gott sei Dankt'· rief Langhos zum
Gruße. »Wie geht es Ihnen, Herr
Doktor?« ·
»Nicht besser und nicht schlechter wie
getvölztiliit),« erwiderte der Thierarzt.
,Aber was gibt es denn so Eiliges,
Herr L:1nghos?«
..Alio es aebt Ihnen und Ihrer Fa
Inilie noch gut?« fragte der Brauer
weiter.
»Viel auf eine Tracht Prügel,« ver
setzte der Thierarzt, »die ich heute mei
nem Jungen applizirt habe, bleibt
nichts zu wünschen übrig. Aber sagen
Sie mir ——«
Der Brauer setzte nun dem Thier-:
arzt den Zweck seines Kommens aus
einander; doch je mehr sich seine Züge
ausehiterten, desto düsterer wurden die
les Hausherrn.
»Das ist eine dumme Geschichte!«
sagt dieser endlich. »Ich habe nämlich
Ihren Hasen weiter verkauft, weil ich
noch zwei andtere hatte.«
Jetzt erschrak der Brauer. »Weiter
rertaiift?« stammelte er. »Und an
wen?«
»An den Rettor2«
Wieder sah der Brauer vor seinem
geistigen Auge eine Familie sich um
den einladenden Mittagstisch herum
versammeln.
Beide Männer beriethen.
»Ich will gleich einmal zum Reltor
lnngehen,« entschied sich der Thierarzt.
»Und ich komme gleich mit und
warte draußen,« stimmte Langhof zu.
»Da-·- Mäusegist bleibt natürlich
unser Geheimniß,« fliisterte Müsfel-i
mann. Jch sage dein Reltor, ich hätte
nach einen feisteren Hasen, ob er den
nicht haben und den anderen zurück
geben .vol"lte.« Der Brauer nickte ver
ständnißvolL
Der tlteltor war nicht zu Hause;
seine Gattin, deren gesundeg Aussehen
den Thierarzt beruhigte, theilte mit,
er sei in den ,,L«c5wen« gegangen.
Beide Männer athmeten auf und trag
lrn m W- Uuruiauv rui, qu Iic ucu
Gesuchten im Herrenstiibchen fanden.
»Noch einen seisteren Hasen haben
Sie« fragte der Reltor ans Mijsfel
manng Anerbieten »Na der, den wir
aestern gegessen haben, war wirklich
»gut genährt, wirklich ein delilater
; Sonntagsbraten!«
» Zwei Seufzer der Erleichterung er
tönten im selben Augenblick, so das;
Tder Retior etwas verwundert aus
Jblieltr. Als er verschiedene Stunden
lspäter nicht ganz so terzengerade wie
die Leichen in der Phantasie des
Brauers heimkehrte —— der Wein, zu
den dieser die beiden anderen Herren
eingeladen hatte, war aber auch wirt
lich süsfig gewesen —- sagte sich der
Retton »Es giebt doch wirklich noch
aute Menschen; wie die beiden sich so
theilmnahmsvoll nach mir und meiner
Familie erkundigt haben! Hoppla, das
ist ja eine Treppenstufe!«
-—-- —- Obsw
Bloß !
Wenn je ein Student seinen »Nom
de Guerre« verdient hat, so war es
Karl Adler vulgo Achilles. Jch glaube,
er wußte es selbst nicht mehr, wie ost
it aus Schläge-: und Säbel »losgegan
den« war.
Einmal hatte er auch schon Pistolen
cetnipst und dasür einige Monate in
beschaulicher Zurückgezogenheit aus
dem Königsstein verweilen müssen.
Und doch hatte auch dieser Achilles
gleich seinem griechischen Vorgänger
eineStelle, an der er verwundbar war.
Ein Wort gab es, das so viel des
Fürchterlichen sitt unseren Helden ent
hielt, daß er stets entse t zusammen
zuclte, wenn er an sein hr schlug ·
eö lautete »Glaubiger«.
»Lieber zehnmal auf Mensur als
einem Manichiier gegenüber stehenl«
pflegte Achilles oft zu sagen.
Eines Tages schritt ich die Treppe
zu der Wohnung meines Freundes
empor, um ihn zu einem Renommir
lummel abzuholen. Eben als ich klin-·
geln wollte, öffnete sich die Thür und
heraus trat — von Achilles bis « zur
Schwelle geleitet — ein fremder Herr,
dessen ernste Miene und förmliche,
kiihle Verabschiedung düsteren Arg
wohn in mir wachriefen.
Sicher so ein Gläubiger!
FataL da war dem Freunde die
Stimmung gründlich verdorben, er
würde die Theilnahme an dem Spa
ziergang wahrscheinlich ablehnen.
Zögernd klopfte ich —dem Fremden
nachschauend, auf den Busch.
»Manichäer, Achilles?·'
Da ging ein vergnügtes Aufleuchten
iiber Achilleg’ narbendurchfurchtes Ge
sicht und fröhlich tönte es unter dem
flntten Schnurrbärtchen hervor:
»Gott sei Dank nein! Der Herr hat
mir bloß eine schwere Säbelforde
rung überbracht.« —
Ein Cegeustück zu den Weibern von
Wetusherkk
Bis vor 25 Jahren wurde am 19.
Januar in Brüssel noch regelmäßig
ein Franenabend gefeiert, der nach
verschiedenen Angaben daran erinnern
sollte, daß die Briisselerinnen bei ir
gend einer Belagerung auf die ihnen
ertheilte Erlaubniß, ihr Kostbarstes
aus der Stadt zu tragen, ihre Män
ner auf gleiche Weise gerettet hätten
wie die Weiber von Weins-berg. Die
»Etoile Belge« weiß für den ehema
ligen Briisseler Vrouwleng Avond
eine andere Erklärung Als Gottfried
von Bonillon im Jahre 1096 nach dem
heiligen Lande gezogen war, hatte er
auch Brüsseler Vornehme, unter ande
ren Gundram und Balduin vonBriis
sel, Reginald von Molenbeek, Heinrich
von Aerschot, Wilhelm v. Forest, sowie
lzahlreiche Bürger mitgenommen, denn
die Bewegung gegen die Mohammeda
ner hatte auch in den damals noch en
gen Mauern der Hauptstadt Brabants
einen Sturm derVegeisterung entfacht.
Die Kreuzfahrer blieben lange aus
und die Trauer ihrer Gattinnen be
darf daher leiner Schilderung. End
lich, am 19. Januar 1101 geaenAbend,
meldete die Wache des Gudula Tho
reg, daß auf der Löwener Landstraße
ein Zua herannahe. Die Briisseler
glaubten anfänglich an einen vor
riietenden Feind und bewaffneten sich,
wurden aber alsbald belehrt, daß es
sich um die lzurückkehrenden Kreuzfah
rer handle, und so wandelte sich der
Schrecken in laute Freude. Natürlich
waren die Reihen der Kreuzfahrer ge
lichtet, denn Krankheit und Strapazen
hatten unter ihnen nicht minder auf
geräumt als das Schwert der Unglau
bigen. Dafür wurden die Ueberle
benden um so begeisterter empfangen.
Jedes Haus veranstaltete einen großen
Abendschrnauß, wobei so viel Kannen
Bier als Kruge Wein geschlürft wur
den, und das wollte bei der damals
schon bekannten Trintfestigteit der
Brilsseler etwas heißen. Jeder ver
heirathete Fireuzritter wurde von fei
ner Frau mit außergewöhnlichen Lie
bengwiirdigleiten überhäuft, wie denn
überhaupt kaum wohl ein Abend fröh
licher verlief als der deg 19· Januar
lim. Zum Schluß aber waren die
heldeniniithigen Kreuzfahrer infolge
der zahlreichen Trantopfer in einem
Zustande, daß ihre besseren Hälften sie
vom Tisch zum Bett tragen mußten.
So endete der belgische Kreuzzug und
zum Andenken an diesen ruhmvollen
Ausgang wurde der Vrouiens Avond
Jahrhunderte hindurch in würdiger
Rieise tief-irrt
—--—--·-»——8
Der Ehemamr als Pfand-objekt.
Eine Bäuerin aus dem russischen
Dorfe Bjelostotschel tGouvernement
Wilna) besaß amTage vor einem Feste
keinen einzigen Kopeten und fühlte
fiel, ertliirlicherweise deswegen sehr
ingliicklich Was sollte sie beginnen,
um zu Gelde zu gelangen? Jhr Mann
lrar nlg unverbesserlicher Taugenichtg
weit und breit bekannt, auf ihn war
nicht zu hoffen. Jn ihrer Noth wandte
sie sich an ihre Nachbarin, ein nicht
unbemittelteg ältere-s Mädchen, mit
der Bitte, ihr einen Rubel zu leihen.
Das Fräulein verlangte jedoch irgend
eine Garantie Selbst die feste Ver
sicherung, daß ihre Schuldnerin das
Geld ratenweise zu tilgen bestrebt sein
Itserde, half nichts. »Ja, was soll ich
Ihnen siir ein Pfand geben, ich besitze
irirklich nichts mehr, was noch irgend
einen Werth hätte,« rief die arme
Frau in ihrer Verzweiflung »Viel
leicht nehmen Sie meinen faulen Ehe
mann als Pfand an?« Nun erhielt die
Bäuerin wirklich das gewünschte Dar
lehen nnd machte sich dann freudigst
auf den Weg in das Dorf, um eini es
fiir die Wirthschaft zu besorgen. ie
Jdee, der Nachbarin ihren Mann als
Pfand anzubieten, erschien ihr als
tsrolliger Einfall, dem sie keine ernste
Bedeutung beilegte. Wie groß war
aber ihr Erstaunen, als sie bei der
Rückkehr in ihre Wohnung ihrenMann
nicht vorfand. Er war mit der Dar
lehsngeberin verschwunden, und nie
mand wußte, wohin das Paar sich be
geben hatte. Die verlassene Frau
stellte auch teine ernsten Nachforschun
oen nach dem »Pfande« an, da sie
recht froh war, der Last ledig zu sein.