Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 11, 1903, Zweiter Theil, Image 11

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    Jugend-blau
Born Jugendblut bewahrt ein Tröpf
lein
au ,
Und jugendfrisch und rein sollt ihr ei
helteni
Wird auch die Glutklfüärli Euren Adern
Nur diesen Tropfen lasset nicht erkal
ten.
Ward hart das herz auch, ward es
lampfesmlid’,
Will sich das Uhrtvert drin nur lang
sam dreb’n, ——— ——
Aus rothem Tropfen schmelzet rothen
tein
Und läßt die Räder auf Rubinen
-aeh’n!
Dann bleibt ihr jung, bleibt’s noch im
weißen Haar
Und in des Lebens wechselvollem Lauf.
Jhr feid es noch in Eurer Entei
fchanr —
Vom jungen Blut bewahrt ein Tröpf
lein auf!
-—-——-·..-————
Wenn der winter kommt.
Novellette von Julius Keller.
Der Herr Assessor sprang mit einem
mächtigen Satz aus dem Bette, rieb
sich die Augen und begann dann hastig
sich anzulleiden.
Zwölf Uhr Mittags!
»Verdatumte Bunnnelei!« brummte
ec zornig und trat, seiner täglichen
Gewohnheit treu, an das Fenster, um
die Witterung .-u infpicireu. Er Wollte
zurück und rieb sich die Augen. Dann
fah er nochmals hinaus-.
»Wahrhaftiq!« rief er mit olien
Zeichen heftigen Erfchrccieng· »Der
Winter tommtt. Der Winter ist
da! . . . ifs sä,neit!«.
Er seufzte tief auf, schloß die Thiir
wieder und ließ sich in den nächsten
Sessel smien, daß er tnactte. Die An
kunft des Winters schien ihn mit ele
mentarer ilnruhe zu erfüllen. lind
feine Aufregung tvudis von Minute zu
Minute. Bald stand er auf. ohne an
die Vollendung feiner noch recht pri
mitiven Toilette zu denlen, und be
gann im Zimmer auf und ab zu stel
zen. »
Endlich fchien er zu einem Ent-»
schlusse zu kommen. Er zündete eine
Cigarre on und paffte wie eine Loko
motive. Dabei schienen sich seine Ge
danlen erfolgreich auf die ihn erre
gende Angelegenheit zu concentriren.
»Jetzt bleibt mir nur noch ein Ra
ditalmittel,« sagte er endlich laut;
«los damit.«
Er fehle sich an seinen Schreibtisch,
nahm einen Briefbogen, paffte noch ei
nige Male heftig und schrieb:
»Angebetetel Jch habe eine furcht
bare Nacht verbracht. Sie mögen mich
verlachen, aber Sie wissen nicht, welche
Schuld Sie vielleicht auf Jhr Gewissen «
laden. Was ich Jhnen gestern, leider
schon zum zweiten Male, zart andeu-«
tcte, wiederhole ich Jhnen mit fester
Entschlossenheit nach den namenlosen
Qualen diefer schlaflofen Nacht: ich
vermag ohne Sie nicht zu leben. Das
Dasein dünkt mich unerträglich, wenn
der Sonnenschein Jhrer Liebe es mir’
nicht erhellt und erwärmt. Grausame«
können Sie da beharren bei Jhrem
teilten »Nein?« -- Seit Monateni
bettle ich um Jhre Liebe, flehe um Jhr
»Ja« Vergehen-. .llnd doch glaubte
iet- ahnen, hoffen zu dürfen . . · Und .
fo frage ich nun in letzter Stunde aus ,
tiefster Verzweiflung heraus noch ein
mal: Wollen Sie die Meine werden?
Wollen Sie mich durch Jlir Jawort
abwenden von den schlimmen Gedan
ken und Entschlussem die ich unweiger- -
lich umsetzen werde in die That —’
wenn Sie mich zurückstoftenZ Wollens
E-- gkl- ----- k0-9 cl)«-I-nss00-«- non his
Vu- -ss,ni-I-s»-« «-us«-,««··-·73- »
Uhr werde ich mir erlauben, noch ein
mal bei Jhnen vorzufprechen Wenn
Sie mich nicht empfangen, lcnn’ icix
Jhre Antwort und werde danach han- ,
dein. Läßt mich Jhre tverthe Zofe«
aber ein, dann weiß ich, daß ich zu
hoffen habe. Atfo, Angebetete, entsf
.fcheiden Sie das Schicksal Jhreg bis,
i-» den Tod ergebenen Dagobert.« I
Er hatte faft in einem Zuge geschrie- ,
ben, in sichernder Haft. Nun überlas ?
er die Zeilen. «Wol)lgefällig, mit höch: z
fter Befriedigung. »
»Gut, fehr qut,« murmelte er, denz
Schnurrbari ftreichend; er wird feines
Schuldigieit thun. Müßte die Weiber I
nicht lennen . . .« ,
Dann sprang er auf und fteckte den z
Kon prufchend ins Wafchbeciem
Schon nach einer Viertelstunde war 7
er fix und fertig zum Ausgeben Erz
las den Brief prüfend noch ein-nah
durch, adreffirte und barg ihn in derä
Brufttafche. Dann fchliipfte er in den T
Pelz und blickte durchs Funke-. I
i.,,Es fchneit heftiger. Alfo mufz ess
ern.« i
Damit ftiiipie er den Cylinder auf
und ftiirrnte aus dem Zimmer. (
O « I H
Punkt 4 Uhr läutete Asseffor Dage- L
beri nn der Wohnung der fchiinenffrau ·
Adele. Er war äußerlich das Bild
vollkommener Ruhe, aber innerlich
brodelte lebhafie Beisrgnifp Ein nied
liches Mädchen öffnete.
«Guten Tag, Bertha . . . Jlire gnä
dige Frau . . .'«
»Zum-riet Sie.«
Er vermochte ein befreiendes »Ah«
nicht zu unterdrücken
»Bitte sehr, herr Assessor.«
Si-;:eigerpiß trsi er ein. All feine:
fchneidise Zuversicht lam ihm wieder-;
Ilfo dpchi — Wie hatte er nur daran
Nebraska
Staats- ; nzejger Und « -- "erold.
J. P Windulph, Herausgehen Grund Island, Nebr» 11. Ti-3. 19053 chitck TisciU Jahrgang 24 No. 15.
zweifeln können! Er, Paul Dagobert,
der ein Millionenmäbchen ausgeschla
gen, weil sie einen kleinen Fehler hattet «
Lange genug hatte diese Festung ihmi
widerstanden, nun mußte sie kapitali
ren . . .
Er eilte der schönen Frau entgegen,
als sie eintrat, und griff nach ihrer
Hand.
»Meine theuerste Adele,« begann er
stürm-isch.
Sie blieb stehen und blickte ihn mit
ernstem Vorwurf an.
»Sie wollen also mein Jawort er
pressen, Herr Assessor?« fragte sie.
»Aber meine gnädigste Frau . .
darf man eine Herzens-frage vom juri
stischen Standpunkt betrachten? . . .
Sie wissen nicht, was ich gelitten
habe . . . Aber Ihr Empfang läßt mich
trotz Jhrcr ernsten Miene hoffen."
»Daß Sie Ihren Zweck erreichen
werden? Nun gut denn, Herr As
sessor, ich will Sie nicht lange quälen.
Wahre Liebe verdient Schonung. Jch
glaube an die Ehrlichkeit Ihrer Ab
sichten und Jhrer Drohung, Und —
ich habe nicht ben Muth, mein Gewis
sen zu belasten.«
»Theuerste! . . . Jch wußte es . . .
Jch war überzeugt, daß oihr gutes
Herz siegen würde, bas; Sie endlich
einsehen würden, wie tief und aufrich
tig ich Ihnen ergeben bin, wie glühend
ich Sie liebe. »Sie willigen ein, Adele,
Sie willigen ein?!«
»Nuhe, lieber Assessor, Ruhe. Wir »
sind doch teine Rirder. Ja, ich willige
ein; ich gebe Jhnen mein Wort, die
Ihre zu werden . . ·'«
Er wollte entzückt vor ihr nieder
ssnssn abn- sii tninln In spornska AK
daß er es bleiben ließ. Die seltsame
Art. in der sie ihm ihren Entfchluß
tundaab, begann ibn zu verwirren.
»Seien Sie nicht voreilig beseligt,
Assessor. Es ist eine Bedingung da
bei.«
»Bedingung? Ein fcheußliclyes,
Wort in solcher Affaire, meine theure,
gnädige Frau. Es erliiltet.«
»Haben Sie mir für die Erhaltung
Jbres kostbaren Lebens etwas teine
Bedingung gestellt, Assefsor? . .. Gut,
ich zahle mit gleicher Münze. Aber
leine Sorge . . . Jch verlange nichts
Schlimmes.« Und sie blickte ihn
in die Augen« als fie fortfuhr: »Ich
forderr nur JhrEhrenwort dafür, dafz
unser Verlöbnis vorläufig geheim
bleibt und niemals jemand erfährt,
daß ich Ihnen gerade heilte mein Ja
n«ort gegeben habe . . .«
Er trat einen Schritt zurück und
starrte sie verblüfft an. Grausamer
Spott umspielte ihre Lippen.
,,Convenirt Ihnen diese Bedingung
nicht, Herr Assessor?«
»O ——- o ——- ich verstehe Sie einfach
nicht. Jch begreife diese Kälte, diese
Zurückhaltung nicht. Mich drängt es
übermächtig, aller Welt mein Glück zu
liinoen s-—— uno Sie ...! » Wie soll
ich es anstellen, vor der Welt meine
Seligleit zu verbergen?«
»Versuchen Sie es nnr Es wird
schon gehen Können Sie wirklich
niajr giuauch sein .. . unter sziugfchmg
der Deffentlichteit? Oder ist
mein Jawort werthch fiir Sie, wenn
man es nicht rechtzeitig erfährt . . . .
im Club?«
Jetzt zuctte er zusammen.
»Sehen Sie sich nur, lieber Asses:
sor,« fuhr sie fort, und die Ironie in
ihrem Ton tvurdeiinmer schneidender,
»ich sehe . . . Jhr Glück macht Sie
schwach« .
Er aber richtete sich ftolz auf.
»Sie irren, mein-e Gnäbigstr. Jch
bin nur verblüfft. Hier ist Verrath
irssSpiel.«
Sie sah ihn lächelnd an.
»Mag sein."
»Ich müßte blind und taub sein,
Adele, wenn ich nicht sähe, daß Sie
ein grausames Spiel mit mir treiben
. . . Jhre meriiviirdiae Bedingung
eiebt mir die traurige Gewißheit . . .
Aber ich schwört Ihnen, man hat Ih
nen die Sache ganz entstellt zugeno
gen man hat ——«
»Sie gestehen alfo?« rief sie trium
phirend aus. »Ah, ich wußte es ja!«
»Und wer —-—- war der Verräther?«
fragte er mit aufloderndem Zorn.
»Nein Geringerer als — Sie selbst
lieber Assessor . . .'«
»Wie — wie —- meinen Sie das?«
»Aber so seyen Sie sich doch endlich
einmal,« sag-te sie liebenswürdig und
fuhr dann fort: »Sei-en Sie, lieber
Freund, ich bin eine miiktrauische Na
tur —- namentlich gewissen Männern
aeaeniiber. Jhre ganz plötzlich einsetz
ende Werbung um mich fiel mir auf,
und das itiirmische, drängendeTernpo,
vie fast önastliche Art. mit der Sie
mich iur Entscheiduna treiben wollten
—- Sie ließen wirklich kein Mittel un
versucht-verstärtte mein Mißtrauen
Warum nur diese dast? fragte ich
mich und grübelte nach. Na, und da
:I
informirte ich mich denn natürlich in l
der Gesellschaft und namentlich bei
den Frauen ein wenig über Sie. Jch
möchte Sie nicht gern durch allzugroße
Ossenthsit tränken, lieber Assessor,
aber Sie ahnen gar nicht, wie bekannt
Jhre tleinen Schwächen in jenen Krei
sen sind. Namentlich Jhrc Manie —
zu wetten . . . Eine Manie, die im
Club, wenn die gehörige Stimmung
gekommen ist, erst die wundersamsten
Blüthen treibt. Man erzählt sich ja
da ganz allerliebste Geschichten von
Euren Heldenthaten, und fast immer
sind es die Frauen, die Jbr da mit
Eurem Interesse beehrt . . . Frauen
und Mädchen jeder Art, jeder Nuanci
rung. Halt! dacht ich mir s— sollte
auch ich vielleicht —— clubsähig gewor
den sein? . . . Sollte es bei den anre
genden Diskussionen über die Jagd
der sindigen, jungen Herren aus die
reiche, junge Wittwe etwa zu einer
Art Wettbewerb gekommen sein und
der schneidige Herr Assessor sich ver
messen haben — —— keine Widerrede,
es ist so, mein Bester! Ihr geschmact
ovlles Getvaltmittel heute Morgen,
der zärtliche Drohbries hat meine Ber
niuthung zum dringenden Verdacht
werden lassen, und Jhre Ausnahme
meiner Bedingung gab mir Gewißheit.
Heute bin ich fällig . . . heute müssen
Sie nach Jhren Versprechungen im
Club mein Jatoort haben — oder Sie
sind unfehlbar blamirt. Ganz abge
sehen vom Kostenpunkt Armer As
sessor, was werden Sie nun machen?«
Er saß völlig zertuirscht vor ihr.
Die Ueberrumpelung war zu gewaltig.
Er sand keine Krast zur Gegenwehr.
Vor dieser Frau musite er tadituliren.
»Meine theuerste, gnädige Frau,«
stotterte er, »gestatten Sie mir in einer
ruhigeren Stunde Jhnen alles das
auseinandcr zu setzen. Mit meinen
Gefühlen haben diese Aeußerlichkeiten
wahrhaftig nichts zu thun . .· Und be
denken Sie als strafmildernd —- die
unglücklichen Umstände. Warum
mußte denn auch heute schon der Win
ter tommen?«
Sie sah ihn erst verständnißlos ein«
dann überkam sie die Ertenntniß.
Ah ah ...« rief sie aus,
»dahin ging die Bestimmung? . . . .
»Bei-laßt Euch darauf, Kinder «
wenn der Winter kommt, hab ich das
Jawort der schönen Adele in der Ta
sche!« So war es, Assessor? . . .
Beichten« Sie offen, rückhaltlos-, wenn
ich Jhnen je verzeihen soll . .. So war
es, nicht tvahr?'·
Er lnickte völlig zusammen
»All right,« gestand er zöaernd.
»So -—— toar’s . . .«
»Und warum gerade heute, tole?«
inauirirte sie weiter . . . »Mir her—
aus mit ver Sprache . .
»Na . . . wir mußt-en doch —- fest
setzen . . . wann für uns ofsiziell der
Winter käme . . . nnd da sagten
tvir . . . beim ersten richtigen Schnee:
fall . . · ach pardon, pardom meine
Gniirigste2 Bedenken Sie, als straf
mildernd, in welcher Stimmung man
so was ausmacht . . . Das viele Ge:
rere . . . die Erregung . . . der Ta
«
bat . . . der Sect . . . Ader tm gebe
Ihnen nirin Ehrenwort -- ich thu’g
nie wieder . . . Ich entsaae dem Cluv
. . Jch trete aus . . . Wenn der
Frühling tommt . .
»Werde ich sehen, ob Sie Wort ac
halten haben, und dann werden wir
v· lleicht doch noch —- -—— - — ———- gute
z reunde.«
Practer propter.
Hutnoresle von K a r l P a U l t.
Noch hingen in den Schluchten und
an den Zweigen der im Bergschatten
stehenden Fichten und Tannen weifze
Fetzen des Morgennebels, noch herrsch
te Dunkelheit in den Thalern, wäh
rend die Sonne über dem Hochaebirge
schon ihr Goldnetz breitete. Aber so
früh auch dieselbe an ihr Tagewerk
ging, der alte Förfter Diesner blieb
nicht hinter ihr zurück, denn als die
ersten Strahlen in die Fenster seines
schmucken Forfthöuschens iselen, trat
er schon gestiefekt und gerüstset aus der
Thür. um seinen ersten Dienstgang
anzutreten So hatte er es immer ge
halten, und seine Pflicht, sein Wald
und sein Herrgott waren seine heilig
sten Gitter. Rüstig schritt er in den
erwachenden Morgen hinein. .
Sean Weg führte nicht immer die
Straße entlang, treuz und quer wan
derte er durch den Wald, da einen
holzschlaa besichtigend, dort eine Lich
tuna in Augenschein nehmend. Ein
mal, als er eben wieder den Fahr
wea treu-te, sah er den Landbriejtrii
oer den Berg herausseuchen.
Diesner bekam nicht viele Briefe.
Ein paar dienstliche Schreiben und alle
drei, vier Wochen ein Brief von sei
r—
x I
nem Sohne, der in Hirschberg bei den
Jägern stand, bildete seine ganze Kor
respondenz. Es war deshalb nicht die
Erwartung einer Nachricht, die ihn
stehen bleiben und warten ließ, sondern
das Bedürfniß, mit jemandem ein
paar Worte zu wechseln, noch dazu, da
dieser jemand ein lieber alter Kriegs
tamerad wur. —
»He! Harte!« rief er dem Frommen
den entgegen. ,,’S is schön heute,
was?«
,,A bissel heesz wird’·g werden!« rief
der zurück.
»Komm odi« sagte Diesner, der
dem Kommenden entgegenschritt, ,,ruh’ .
Dich a bissel aust« Er setzte sich beiz
diesen Worten auf eine der am Wege ?
stehenden Kniippelbänke und lud dens
Briefträger durch eine Handbewegung
ein, neben ihm Platz zu nehmen.
»Ne, net« wehrte dieser, der inzwi:
schen herangekommen war, eifrig ab,!
»ich ha keene Zeit, ich ha an Brief s
nach KrummhubeL da sieht »eilig«i
druff, so was geht mich zwar nischt s
an, denn a Eildrief is eH nie, aber
wenn ich kann, richt ich mich schon da
nach, man weeß nie, manchmal kann !
man ern-en doch an Gefallen thnn!«
Er war bei diesen Worten vor dem !
pörster stehen geblieben, hatte zwei !
Packete, die er an seinem Stocke über
der cchulter trug, auf die Erde aelegt
nnd wühlte ietzt zwischen den Briesen »
in seiner Tasche.
»Was suchste denn in Deiner Ta
schei« fragte Diesner, ,,willste mir
annie Prise anbitte?«
»Ne, ich ha’ eenen für Dicht«
»Ne, su was? Von Ernan aus
FoirfchbergW
»Ach, wo ock her!« antwortete der
Brieftriiger unzufrieden, »der hat doch
ericht vor acht Tagen geschrieben, was
full denn der schreiben? Nee, aus
Warmbrunn ifsa, vom Oberferfter,
wikscht wohl teene große Freude dri
ber ham!'«
Er reichte den Brief, den er endlich
gefunden, dem Förfter hin, wünschte
ihm die Tageszeit und ging seines
,Weges weiter. '
Dies-net hatte den Brief neben sich
auf die Bank gelegt, die Brille aus der
Brufttasche gezogen und ausgesetzt
Ueber diesem mit großer Umftändlich
ieit und Wichtigkeit vollbrachten Wert
hatte er ganz vergessen, den Abschiede-:
aruß des Freundes- zu erwidern, und
erst jetzt, als er den Kopf hob, fiel es
ihm ein, das Versäumte nachzuholen,
weshalb er plötzlich mit dem Oeffnen
des Schreibens innehielt und, dem
Briefträkzer nachsehend ausrief: »Na
atje ooch, Karte, ich danl Dir noch fir ;
die Mit)e!« I
Nun öffnete er umständlich das;
Schreiben und nahm von rein Inhalt .
Kenntniß, das heißt er nahm eigentlich !
leineKenntniß, denn nachdem er es ge
lesen, wußte er noch weniger als zu
vor. Und doch war der Text des
Schreibens durchaus nicht unverständ
lich. Derselbe lautete:
»Ein» statistischen Aufstellung .
wegen werden Sie ersucht, mit wen-s (
dender Post darijber Aufschluß zu
geben« welche Zahl der Rothwildbe- (
stand in Jhrem Revier »praeter
propter« ausmacht.
Der Obersörster.«
Tiegner starrte lange aus dangatt,
endlich stectte er es mit einem Seuf:
zer ein. Die ver s- — Fremdwörtcrt
Hatten wir darum die Franzosen be:
kämpft und geschlagen? Waren da
zumal soviel brave stameraden darum
in den Tod gegangen, daß man sich
heute noch von dem verflixten Kander:
welsch den Kopf warm machen lassen
mußte? «Praeter provter«? Was
zum Sakrament mochte das wohl hei
ßen? Der Teufel mochte wissen, wag
Die beiden verflixten Wörter bedeuten
sollten. ’s war halt ein Kreuz, daß er
so wenig Gelegenheit gehabt, wag zu
lernen; den jungen Leuten heute, de
nen wird’s besser geboten, s-— wenn
Ernst da wäre, der hätte gewiß ge- ;
wußt. Na, aber er war nun einmal
nicht da, und er mußte sich eben so be
helfen. Zuerst hieß es den Bericht,
der umgehend eingofotdert war, zu er
statten, den-n in so etwas verstand der
Oberförster teinen Spaß, und er war
zwar ein prächtiger, ehrlicher, aber
auch sehr grober Mann, zuweilen so
gar mehr grob als ehrlich. Mit ge
senktem Kopf ging Diesner nach Hau
se, immer die beiden Worte vor sich
hin murmelnd; mit gesenktem Kopf
gina er zu Hause in der großen-Stube
aus und ab. Die Zeit drängte; tarn
der Briefträger auf dem Rückwege
wieder vorbei und der Brief war noch
nicht fertig. so mußte er heut Abend
den zwei Stunden weiten Weg nach
dem Postamt selber machen. Er muß
te zu Ende loinmen, und so ariff er
denn zu dem letzten Mittel, welches er
stets anzuwenden pflegte, wenn er sich
gar keinen Rath mehr wußw et rief
seine Frau. Sosort erschien die Ge
rufene Tim Thür-Rahmen.
»Weeßie, Mutterl,« sagte der För
ster, »wissen thu’ ich’s- ja, aber ’s is
mir irn Augenblick nich erinnerlich,
weeßt Du nich, was das heeßt:
,,Praeter propter«?«
»Das versteh’ ich nich!« antwortete
die Frau, »was willste denn dadu
rnsitie sagen?«
Er reichte ihr den Brief.
,,’"S is ock weger dem Briefe da.
Heut’ morgen hab’ ich’n gekriegt!«
Die Frau las den Brief aufmerk
sam durch, dachte eine Weile nach und
sagte dann:
»Aber, Diesner, das mußte dach
wissen, hier steht’s doch ganz deutlich:
Du sollst darüber Ausschluß geben,
wievisl der Rothwildstand »praeter
propter« ausmacht. Weeszie nich. was
Rothwild is? Na, da mußte doch
noch wissen, was das bedeut’! Das
lernt ja schon sa kleenes Kind üff der
Schulbank, die »Vineta« das sind
eben die Böcke und die »Propter« die
Rickenl« Sie wars den Brief ans den
Tisch und sah den verblüfften Förster
triumphirend an.
Dies-net schlug sich vor die Stirn,
Wie hatte er das- auch vergessen kön
nen. Sosort setzt-: er sich nieder und
verfaßte mit großer Anstrengung des
Geistes und des Körpers folgende
Epistel:
»Einem allerhochwohilöblichensObers
idrsieramie Einem allerliochmohllöb
lichen Herrn Obersörster wird hier
durch aus sein freundliches- Schreiben
dienstwillig mitgetheilt, daß sich zur
Qeii 14 Nmeier und 46 'VrovterRoib
wild in meinem Revier ganz ergebenst
aufhalten. Einem allerhochwohliöb
lichen Förstseramte unterthänigster
Paul Diesner, Förster.«
Der Brief war eben fertig gewor
den, als der Postbote an’S Fenster
klopfte. Er erhielt das Schreiben
ausgehändiat und mit befriedigtem
Stolz blickte der alte Förster dem da
vonschreitenden Kranke-Boten nach.
Er dachte daran, wie man aus dem
Amte seine Weisheit bewundern werde
und vor allem seinen Stil.
Noch irn ganzen Gefühl dieses freu
digen Stolzes trat er beim nächsten
Zusammentreffen seinem Oberfärster
entgegen, Worte des Lobes und der
Anerkennung erwartend, aber er
täuschte sich; der Obersörster sah ihn
nur von der Seite an und sagte:
»Na, Tiesner, wieviel Praeters und
Propters Sie in Jhrem Revier ha
ben, dag- is mir ja aus Ihrem rüh
renden Epistel tlar geworden, daß da
oben aber och sa alter Schafglopp
rumläust das hab’ ich auch daraus
ersehen, und den können Sie sowohl
zu den xttraeterg wie zu den Propters
dazu rechnen, da zählt er doppelt.«
—--—-.-.—.—--—
Bis-unter und dte Trinkgelderuns
flu- ist-Russland,
In den Jahren 1859-—-1862 war
bekanntlich Otto v. Bigmarck preußi
fcher Gesandter in PetersburkL Jn
jener Zeit erward er den Grund und
Boden, auf dem das deutsche Bot
Lx-cö-fe.»- stichqu lnnsfw Und of hie
»Hast- -, -. ka-».»
liaufbele ge an die Jterrechnunagtank
mer nach Potg kam schicken wollte, ge
lang es ihm zuerst nicht, die erforder
lichen Bapiere von den russtschen Be
hörten ruerlangen Auf seinetvieder
holten Beschwerden lief-, man dort
·mirchbliclen, daß es ohne angemessene
Entschädigung der betreffenden Beam
ten kautn möglich sein würde, die noth
wendigen Belege zu erhalten. Dagegen
bäumt: sich aber mit Recht Bismarctg
Stolz und llnabhängigteitsgesiihl als
preußischer Botschafter auf und er
trug bei einem der nächsten Hoffeste
dem damaligen Zaren Alexander dem
'-e-;w iten sein Anpegen vor Der Zar
versprach ihm zu helfen, und schon nach
wenigen Tagen hatte Bismarck die ge
wünschten Papiere in Händen Als-er
sich bei nächster Gelegenheit persönlich
für die Liebenswiiroigteit des Zaren
bedankte-, llopfte ihm dieser auf die
Schulter und sagte lächelnd: »Das
Trinkgeld an meine Beamten habe ich
selbst bezahlt« So berichtet wenig
stens die Fama.
Aus dem Jahre »W.
Aus der guten alten Zeit seien im
Nachfolaenden einige verbürgte Zahlen
mitgetheilt, »die einen Beweis dafür
liefern, wie sich die sozialen Verhält
nisse seitdem verbessert haben. Jm
Jahre 1794 wurde in Bayern festge
stellt, daß daselbst 6,1 Prozent der
männlichen Personen über 21 Jahre
Bettler waren. Fiir die Arbeiterbevöl
terung aalt als Recht, dasz jeder Arbei
. ter, der mehr verlangte oder annahm
Hals 15 Kreuzer Tagelohn, acht Tage
« Arbeitsbaus bei Wasser und Brod unsd
»alltäaltch zwölf Karbatsch-Streiche«
zudiltirt erhielt. Wer aber mehr als
15 Kreuzer Taglohn gab· mußte diesen
. .- -.--———-..-.
Edelmuth mit ein-er Geldstrafe von 10 s; —
Thalern büßen. »Und da wem-But
man sich noch," schrieb damals West-tu- "
weder, »daß in keinem Lande diese-«
fiingsnisse so angefiilll sind und die «
Nichtfixieren so baten, daß unken
Straßen überall mit Galgen und Die
sind!«
Oh
Ekoße Gasen-.
Herr Wanaerl hatte seiner Frau
brieflich mitgetheilt, daß er nun seinen
Kutaebrauch beende unsd am nächsten
Montaa wieder heimkehren werde.
Noch ene er aber seinen Plan aus
führen tonnte. erhielt er von seinem
Weibchen ein Telearamm: »Verschiebe
noch, Montag große Wäsche.« An
tanag drqerte sich Wangerl über die
,,arof-.e Wäsche«, dann aber stieg ein
sinsterer Verdacht, wie ein unheimliches
Gespenst rot seinen Augen auf· Sein
Weibchen war noch jung und hübsch.
und er tratte eg vier lange Wochen
somer unbesschijtzt und unbewacht
allein gelassen. Wie konnte er nur so
unoorsichtia sein! Gelegenheit macht
Diebe, das wußte er aus seiiier eige
nen Jugendzeit Wenn hinter der
»arof;en Wäsche« so ein schmutzigev
Kerl steckte, der —— Wanaerl führte mit
seinem Stock einen wuchtigen Hieb in
die Luft. als wollte er schon jetzt sei
nen Ncbienbubler todtschlagen. Also
heim. tiberrurnvelm auf der That er
wischen nnd dann mit flammendem
Schwerte aus dein Paradiese gejagt.
Gerade am M« . ag, den Tag der
»aros;en Wäsche«, -«driickte sich Herr
WanaerL Vorsichtig wie ein Dieb, in
sein vor» der Stadt gelegenes Land
haug. Sofort lenkte er seine Schritte
zur Waschliiche. — Keine Menschen
seele. «Also das heißt man ,,grofze
Wäsche-A polxerte er, bebend vor Zorn
und Anast. Nun ging’H in die Küche,
in das Wohn: und Schlafzimmer —
cillee tut-in und still, nichts Verdach
tiaes zu sehen. Schon athmete der
arme Wanaerl erleichtert auf, da hörte
er Vom nalxen Empfanggzimmer her
ein Flüstern und Murmeln, ein unter
drücktez Lachen und nun Kuß auf
Zeus-» ,Hat ihn schon,« zischte Wan
aerl, und mit raschem Griff stieß er
die TliLire ani. Ein Schreckens-ruf
den statt mit Oestbeiumm seiest
»Hm-neben ««-».»M-»ss»Di-.-«w-f-.-s.-ss’.·WN.· . . «
drana ihm entgegen. — »Ah!« machte
WanaerL als hätte er ein herrliches
Kunstaemälde vor Augen.
Vor ihm stand seine Köchin mit
ihrem Schatz. Wangerl hätte in seiner
Herzensfreude am liebsten dem Paare
feinen Seaen gegeben. »Ja, Theres,«
fraate er endlich, ,,tvo ist denn meine
Frau?« «
,,Jhre Frau,« stotterte die Köchin,
»die is —- im Kaffeeiränzchen.«
Die ältesten Gatstliåuser von Bis-to
l .. -,«
Die »Voss., Zig.« schreibt: Das von
nng erwähnte älteste Berliner Gast
ltaug ,.8ur Stadt Ruppin« in der
Spandauer Straße 79 wurde schon zu
Beginn des 15. Jahrunderts als
»Ruppiner Herberge« dort begründet
und wurde von minder begüterten Rei
senden aus-gesucht, während hohe Herr
schaften gewöhnlich im Rathhause ab
stiegen und vom Rathe selbst festlich
bewirthet wurden. Noch älteren Ur
sprungs svar der einst so vornehme
historische »Gasthof zum guldin Hir
schen« iaoldenen Hirsch), der sich ganz
in der Nähe Des alten Berliner Rath
hatiseg, auf dein Grundstück Span
dauer Straße ZU, an der Stätte, tvo
« sich jetzt dag neue Kaufhaus der
; Firma LIE. Israel erhebt, Jahrhunderte
hindurch seit dem Jahre 1386 befand.
Tie bezeutrndsten Handelshserrem un
ter anderen Philipp Hainhoser aus
Aug-Thurm pflegten hier einzulehren.
Auch Der berühmte Schs.v-edentönig Gu
Y stat) Adolf. der im Mai 1620 als
« -. . ««-,
« Brautlszmerber inkognito in Berlin als
Hauptxinnn Gars eintraf, suchte dort
Unterkunft, wurde aber vom Besitzer
Peter sierichberg abgewiesen, da man
ihn fiir einen ,,wölfischen Engländer«
hielt. 1748 kam das alte Gasthaus an
den Hofjmdelier Veitel Heine Ephraim.
Jni Sommer 1796 brannte es gänzlich
nieder.
s———.-O.--—
T icr F em- fch st.
Die »Schnzeiz· Thierbörse« berichtet
von einem schönen Beispiel von An
hänglichkeit der Thiere zu einander:
In einem Psarrhause des bernischen
Mittellandes wurde kürzlich die Haus
tatze, deren Dasein überflüssig war,
zum Tode verurtheilt. Die mit der
Vollziehung derirauten Damen hüllten
das Thier in einen Sack und warfen
es in die Aare. Der Haushund sah
dem Vorgang betrübten Herzens zu.
Bald daraus stellten sich Hund und
Katze, in trautem Verein, beide pudel
nasz, wieder im Psarrhause ein. Der
erstere, ein Spitz, hatte den schwim
menden Sack aus dem Wasser geholt
und aufgebissen und der Katze so Frei
heit und Leben geschenkt. Es versteht
vsich von selbst, daß ,,Biisi« hieraus be
gnadigt wurde.
W—
Rufst-ritt .
A. (zu seinem Freund): »Ich hab’
teine Lust, um Levis Tochter noch (
weiter zu werben!«
Freund: ,,Wiaso?« ;
A.: »Na, ich meine, es ist nrit dein -
Geld dort nicht rsiel los. Als ich ge- ,
itern daselbst zu Besuch war, hatte er
in der Kasse etwas Zu thun und da «
bab’ ich gesehen. daß ver Schlüssel
ganz ver-kostet isi!« :