Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 27, 1903, Zweiter Theil, Image 10

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(11. Fortsetzung) »
Während Jda den Thee eingoß und
ihr Liebsten sich nützlich machend, un- «
geschickt Kuchen und Butterbrod her
umreichte, ward Arnald der Zweck der
Bersamrnlu , in die er hineingewi
then war, a miilig klar gemacht. Die
Versammlung sollte in dem geräumi
en vorderen Salon von einem halben
u nd Philanthropen abgehalten
wer n. und diese hatten viele ihrer
Freunde eingeführt, daß sie ihnen zu- I
"rten, wie sie von dem Zustand der
Unwissenheit des Arbeiters in einem
gewissen entlegenen Stadtviertel spra
chen, und wie sie die Maßregeln siir
die Verbesserungen des gegenwärtigen ;
Zusiandes der Dinge erörterten. Sub- -
griptionen zu diesem guten Wert wür- .
n eifrig veranstaltet werden, und
wenn die Zuhiirer sortgingen, sollte
auf dem Treppenabsatz eine Samm
lung vorgenommen werden. »
»Es ist eine schreckliche Falle für
Leute, die nicht wissen, was eine solche
Versammlung bedeutet«, sagte Wil
inot, gleichsam entschuldiaend.
»Leute, die sich nicht siir ihre Mit- ;
menschen interessiren, sind nicht werth. s
daß sie leben«, sagte Ida, die in einer s
Atmosphäre von Philanthrovie ausge
wachsen war.
»den Grestvold wird anwesend
sein, der ein vorzüglicher Redner ist", s
bemerkte Frau Borrodaile. -
»Bisher ein wenig geneigt ist, sich zu
totederholen«, warf Wilrnot ein. T
»Dac»ist, weil Du keinen Geschmack (
STI. PMB erwiderte Ida, von dem(
Recht, ihren Liebsten anfahren zu dür- ’
isen, Gebrauch machend. »Herr Gress I
wold ist einfach ein vollkommener
Redner.« ;
»Und ein höchst energischer und ern- I
ster Mensch. Er ist Lord Hildyard’s »
rechte Hands, sagte ihre Mutter-.
»Ich hoffe, roth Hilvyard wird
feine Hingebung belohnen, indem er»
Zu Lady Biolei heirathen läßt« sagte .
»Wie gut auch Gresrvolo ist. so
’ würde er kaum eine passende Verbin
dung fiir die Tochter eines Lords
Zein, bemerkte Frau Borrodaile feier
herr Borrodaile hatte fein Ver-«
mögen als Kaufmann erworben, unI
feine Frau war nie über ihre Ehr
furcht vor dem Adel hinweggelommen
und betrachtete denselben als eine hö
here Menschenm
Der Bediente räumie den Theetifch
ah, fie gingen Alle in den Salon, wo
Reihen von Rohrsiiihlen fiir das Au
ditoriutn aufgestellt waren, und Ar
nold ward zwei großen tahlliipfi en
Herren mit weißen Bärten, wei en
Westen —- Lord Hildyard und Herrn
Introdaile —vorgeftellt, die äußerst
liebenswürdig waren und hofften, er
würde sich für das Wert interessiren;
endlich gab ihm here Borrodaile eine
von Lord hildyard verfaßte Beschrei
bung, in der das centralafritanifchen
Zuständen ähnliche Leben der Bewoh
ner der Millirenigasse im öfilichen
Stahtiheil in bewegter Sprache ge
schildert wurde.
Als hilfstnitiel gegen diese Uebel
stiinde wurde vorgeschlagen: den gan
zen häuferblock anzulaufen, um Neu
bauten oder Verbesserungen auszufüh
ren, und eines der Säufer in eine Ka
pelle, ein anderes in ein öffentliches
Waschhaus umzuwanvelrn
Während Arnald: dies lesen:, in
der vierten Reihe saß, begann sich das
Zimmer zu füllen. Als er damit zu
Ende war, ward seine Aufmerksamkeit
aus eine junge Dame und einen Herrn
gelenkt, die in der Tiefe Des Fensters,
in seiner nächsten Nähe, ernsthaft mit
einander sprachen.
Der Mann war von mittlerer Grö
Hh mager und ervig und hatte alle
rische der Jugend verloren; fein-Topf
war gerade nicht kahl, doch sein Haar
war drinn; sein Gesicht zeigte jeneLon
W Biösse und den udetmiioeten
Ausdruck eines Menschen, der zu viel
Gehirnarbeit verrichtet. Ein Journa
iifi vie-Ericht, dachte Arnald. Sein-e Ge
sichtsziiae waren seingeschnit:en, die
Nase adlerartig gebogen, die Lippen
schmal und blutlos, aber Das Kinn
var eckia und zu breit, um proz-univ
nirt zu sein; er war Einer, den manche
Leute sogar schön finden, den aber
Niemand häßlich nennen konnte.
Seine Kleidung hatte jenen gewöhn
lichen. aber korrekt-en großstädtischen
Schnitt der weder auffällig ist, noch
stiirfatken kann.
Das Mädchen, mit dein er sprach,
Meine große, distinguirt aussehende
f Mit-G deren schwar aszes Haar mit
M stakgäjstre insachheitaus
- Reh-M tirne zurückgestri
, Ost Ur. vie es nur manchmal einem
M W himan steht. Der
WW ihrer scharsmarlirten
M IS dein Seide That-alten die
grade Nase nnd der festge
, M serriethen Stolz nnd
d- My H fetten vielen uni
ARE-ils gri:
siir welche Lord Hildhard gewirkt, seit
sie aus die Welt gekommen war.
Von hoherGehurt, berechtigt usein,
in den höchsten aristoiratischen reisen
Englands verkehren zu können, bedeu
tete sür Violet nichts. Elegante Un
terhaltungen kannte sie nur dem Na
men nach, ihre einzigen Vergnügungen
waren, im thausrischen Morgen einen
langen Ritt an der Seite ihres Vaters
zu machen, Croauet oder Tennis mit
den Pastorstöchtern zu spielen oder
einen Spaziergang mit ihrer Erziehe
rin zu machen, einer Hannoveranerim
die seit dem«Tode ihrer Mutter hei ihr
aeblieben war.
Andere Mädchen ihres Ranges folg
ten stundenlang den banden betheilig
ten sich an Treihjagden, andere hatten
ihre zahmen Katzen, ihre eigenen Tanz
unterhaltungen, spielten die Shiphi
den. den Seraph, wie sie sich, lächerlich
aenua, selbst nannten, schwelgten im
Phantastischen und lichten die Ver
schwendunaz aber Lord Hildyard’s
Tochter war, ohne sich um alle diese
Sachen zu kümmern, ausgewachsen,
sah ihnen nur von Weitem zu und
wunderte sich. junge Gesichter in künst
licher Blüthe prangen zu sehen, wun
derte lich, wie Mädchen ihres Alters
Kleider und Hüte trugen, siir deren
Kosten man Wasserleitungen und neue
Dächer aus den elenden Hütten der
Dörser ihrer Väter anlegen kannte.
Viotet hatte in seiner Weise unter
dem System ihres Vaters zu leiden,
das man eher eine gute Oetonomie
nennen konnte, in der nichts gespart
und nichts verschwendet wurde. Jhre
Erzieherin hatte ein hohes Gehalt ge
habt, ihre französische Kammer-jun ser
war die beste, geschickteste und gewi en
hasteste junge Person, die nach den
sorasältiaen Erlundiaunaen der evan
aelischen Pfarrer in Paris zu haben
war. Alles was Ladn Biolet besaß
und trug, w«ar das Beste, was man be
kommen konnte: sie bewohnte ein schö
nes. altes Schloß bei Beoerley und
eni aeraumiges Haus bei den Syde
parlanlaaem das in jeder Beziehung
so prächtia war, daß die Idee, Lord
Hiloyard’s Lebensphilosophie lönne
etwas Düfteres oder häßliches enthal
ten. nicht aufkommen konnte. ..
«Las;’ uns Alles, was wir lönnen·
thun. um das Leben anderer Menschen
glücklich zu machen, und dann tönnen
Imir uns an dem eigenen erfreuen,
faate er. —
Und nachdem sie den großem-Schmerz
’ über ihrer Mutter Tod, der, ehe sie elf
YJahre wurde, erfolgte, überwunden
lbatte tonnte sich Ladh Violet jede
Stunde ihres Lebens erfreuen. Sie
s betete ihren Vater mit abgöttischer
Liebe an: da gab es keinen heiligen
igi Kaiender, den sce höher stellte als
t n.
..Er wird in Alter Gedächtnis; leben,
wenn wir Anderen todt und vergessen
sind." hatte sie zu Olioer Greswold
eines Tages gesagt, als dieser zuerst
ihren Vater gerühmt und dann be
dauert hatte, daß dessen beste Unter
nehmungen so vielem Widerstand be
gegnen mußten.
Greswold stand aus einer gesell
schaftlich tieferen Stufe, war jedoch
durch seine Theilnahme an den philan
thropischenllnternehmungen in freund
schaftliche, sogar familiöre Beziehun
gen zu Lord hildyard getreten. fEr
s
)
datte nach und nach die Stellung ein-e
unbezaylten Privaisekretärs bei ihm
eingenommen und ward mi: delilateren
Angelegnlseiten betraut als der bezahlte
Beamte, dessen Feder bei dem Wert
der Barmherzigkeit stets in Bewegung
war
Gresmold war ein Radilaler, ein
fcharfer Denker, start in Allem, wa
er that uno dachte. Als Radilaler ging
ee noch weiter als Lord hildyam den
noch war er, während er zu nioelliren
eifria bestrebt war, nicht für das Auf
wärtsstreben und für die mögliche Ver
edeiuna der Massen, deren Sache er
verfocht, beqeifteri Obwohl er feine
Ansichten über Religion sorgsam für
sich behielt, fürchtete Lord Hist-hard,
daß er ein Ungläudiger fei, daß in
feinem Glauben die ers-gen Grenzen
dieses kurzen Lebens die Möglichleiten
menfchlicher Vervolllornmnung aus
fchlossen. Stets sprach er von der
Art. selten von dem individuellen
Menschen.
Die Stüble wurden nach und nach
befeiii wähnend Arnold müßig diefe
Beiden beobachtete deren Gesichterihn
interefsirlen da er vermuthete, sie
wären mehr als alltägliche Freunde.
Er hielt noch immer den Blick auf sie
cerichtet als ihn von rückwärts eine
band in lichtgrauetn handschuh leicht
ans Uermel beriihrie und eine junge
Stimme seinen Namen murmelte.
Rasch drehte er sich um und entdeckte,
bcfi Mary Freeland, reizend in halb
trnnee gekleiden hinter ihn- saß.
»Wie sonderbar, daß Sie heute hier
sind.« fante sie nnd wendete lich dann
anenre alte Dane. dte neben ihr laß
»Herr Wissens-— Iro- Teefsil
SM«
Diese Weiß sic- hielt ihn freund
H
ils-U M viel-, Sie endlich
lennen zu lernen,« sprach sie liebend
würdig »Ich habe Ihre ganzegamb
lie genossen, alsich bei meiner
ster zu Besuch war Frau Wentworth
iit eine entzückende Frau Rennen-·- Sie
Lord Hildyard?«
»Mir durch seine öffentliche Thems
teit. Ich bin hier als Herrn Vorko
daile’s Gast. Kennen Sie ihn?«
»Sie sollten nie diese Frage ftellen,«
saate Rath, »Frau Tressilian-Smith
kennt Jeden, sie giebt die schönsten
Abende in aanz London.«
»Ich hoffe, Sie werden zu denselben
kommen. obwohl Sie Fräulein Free
land schelten müssen, da sie etwas
übertreibt. «
»Es wiirde mir ein Vergnügen fein
—- nur bin ich— noch zu viel südasri
lanischer Wilder, um mich auf elegante
Soireen zu trauen. Ich würde viel
leicht etwas Schreckliches anstellen, und
Sie würden es bereuen mich eingela
den zu haben.'«
»Sie sind ein garstiger, unangeneh
mer Mensch,« flüsterte ihm Mary zu.
»Es würde ein langer Aufenthalt
dazu nöthig sein, um einen Sohn der
- lieben Frau Wentworth umzuändern,'«
sagte Frau Tressilian-Smsith; und
dann iebot ein einleitende-Z Husten
Lord :7)ildyard’s, der feinen Platz als
Präsident einnahm, allgemeines »
Schweigen «
Arnold. der nicht hierhergelommen
war, um von dem Elend in der Milli-- .
centaasse zu hören, fühlte sich in der»
nächsten Nachbarschaft Mary Free
land’s unsäglich glücklich Wie ihre
Augen vor Freude geleuchtet hatten,f
als sie den seinen begegnet waren! Wie»
deutlich sie ihm zu verstehen gegeben,
daß er nur zu begehren und zu wer-: l
ben brauchte! Die Wonne der Vereini
gung mit ihr, das Paradies häuslichen !
Glückes nach dem sich jeder rechte
Mann sehnt, konnte er fein nennen!
.Doch wenn sie eines Tages sich von
mir abwendet und sagt: »Sie habe;
immer aewußt, daß ich ein Mörsers
sei.« sprach er düster zu sich selbsi:»
»Ein»1hor wäre ichsp«mir dies Gliich
Ullsukcsllcly II Ucl vl ca VIII Illcukksui
Namen oerichkvunden ist; alles
Schlechte, das mir in Zukunft geschehen »
könnte. würde ich verdienen!
Er iab im Zimmer umher —- in
stinktiv nach Wilmot und seiner Braut
und entdeckte sie alsbald unbekümmert
um den Vorgang, miteinander flü
itetnd nahe der Thür.
Lord hildyard betichtete turz iibet
die jämmerlichen Zustände, die er und
feine Mitbelier zu verbessern bemüht
waren. Hieran folgte ein Arzt, der
Geiundheitsiraaen erörterte, und dann
sprach eine Dame in Diatonifsinnens
tleiduna über Kranicnpftege; danach
lam ein Redner. der einen Vortrag
über Moral hielt; jeder von ihnen
führte Mittel an, um ein reines und
iiindenloies kleines Eden aus jenem
unaefunden Topbet zu machen, wenn
Geld für Pflege, Arzneien, Missions
ichulen. Wasserleitungen, Bibeln, Ci
iternen und Kindergiirten vorhanden
wären.
Ein Murmeln und Flüstern ging
durch das Zimmer, als der Mann, der
mit Ladn Violet gesprochen fide auf
den Plan vor dem Tisch des Prii iden
ten begab und sich an dai Auditorium
wendete. Man zollte ihm, ehe er die
Lippen geöffnet hatte, mehr Beifall,
als der größte oratotische Schwung
eines Anderen bervorzurufen imstande
gewesen war. Diese Thatiache allein
würde Arnolds Aufmertsamteit ge
weckt haben, wäre ihm das Aeußere des
Mannes nicht bereits vorher aufge
fallen.
»Ich bin io froh, daß erskoold
sprechen wird,« sagte Frau Inst-elimi
Smith zu ihrem Nachbar; »e: m ein
herrlicher Redner.«
»Ja ertiinstett sin meinen Ge
schmack, auch wiederholt er sich schreck
iich,« entgegnete der herr, anden sie das
Wort aerichtet hatte. »Ich habe den
selben Aus-brach von Beredsainteit --—
Denselben Redeschluß — wohl ein
dutzendmal gehört.«
Dieser Gresmold war ein vollende
ter Redner, hatte es zu einer Kunst im
Vortraqe gebracht; die tiefe, ruhige
Stimme, mit der er sprach, drang bis
in die intserntesten Winkel des Zim
niers. Mühelos nahm er vie Zithörer
gefangen, theilte ihnen in einsachster
Sprache einfache Thatsachen rnit, die
die vorherigen Redner unerwähnt ge
inssen hatten.
Und dann, von dieser schznucklosen
Darstellung ver Leiden auggehenn
schritt er, mit veränderte-: Stimme,
die seine Zuhörer durchschauerte, zur
Ansicht derSozialisten, daß vie Reichen
nichts Von den Sünden und Leiden der
toten wüßten oder wissen wollten.
die all die Schänsdiichieiten dieses
Lebens fiir eine mit-Thriinen geniißte
Brodtruste aus ihre Schultern nähmen
Gaswele Ansichten mochten über
trieben, romantisch und ungesund sein;
akr seine Worte hielten dre· hörer in
Bann, und wenige-derselben hatten
trockenen Auges seinen Worten ge
irrt-seht Jn seiner tiesen Stimme lag
ein Ton, der ihre Nerven wie von
einem silbernen« tnabaihasten Sopran
Fleiß-Chor einer Kathedrale erschauern
Muth Freelnnd hatte Lust, die
hälste ihres Since-eintrat hinzugeben,
M sele Frau TusßlisniSmit-7,
die eine hcihesirone in den Summe -
Zettel zu geben beabMt hatte, be
skålps, einen Seher zu sit-seen
snch Arn-II hntte niertsani Kruge
Stt und d sich. das ein Ue -
W nie keine W Sehe, eim
irr-sie Recht
vera- ie nis- gam new wer-,
würde ich morgen insParlament gehen,
dachte er und wunderte sich, daß dieser
Mann dis heute noch nicht seinen Weg
E dahin gesunden hatte.
I Plötzlich schlug ein Ausdruck —ein
i Wort an sein Ohr, als wenn eine Ka
none neben ihm obgeseuett worden
! wäre. Er beugte sich vor, ergriff zum
s Aerqer der vor ihm sikenden Dorne
deren Stuhl mit beiden Händen, wo
raus diese sich umwendete und ihm
einen verweisenden Blick zumars, denn
er hatte den dustigen Auspus an ihrem
Nacken in Unordnung gebracht.
Er sah denBlick nicht. SeineBlicke
waren aus sden Redner geheftet, seine
Ohren sogen des Redners Worte ein.
Wort sitt Wort-— Sah für Sah,
vernahm er die topirten stenographi
schen Auszeichnungen des Miethers aus
der Dnneoorstraße. Jede Silbe war
in sein Gedächtnis geprägt, er hatte
nicht nöthig, das Papier aus seiner
Priestafche zu ziehen, gegen die sein
erregte-I Herz klopfte.
Dies mußte der Miether aus der
Dyneoorstraße sein—der Mann, der
gegenüber Lisas Wohnung ein so zu
tiickgezogenes Leben qesiihrt hatte und
binnen vierundzwanzig Stunden nach
ihrem Tode verschwunden war.
Ja, dieser mußte es sein. Nur trug
er leine Brillen und war augenschein
lich nicht kurzsichtig, denn er blickte
während des statistischen Theiles seines
Vortrages nur leicht hin aus seine
Notizem der klare, feste Blick seiner
tiefen, grauen Augen gehörte leinern
Menschen an der an einem Augensch
ler litt oder je Mitten hatte. Er mußte
also die blauen Brillen in der Dime
oorstraße aus einem besonderen Grund
aetragen haben, sich aus einem oder
dem anderen Grunde verborgen gehal
ten, unter einem angenommenen Na
men dort gelebt haben.
Arnold in seiner brennenden Wiß
begierde tonnte sich nur einen Grund
vorstellen nnr an einen nlnnbent
Daß der Mann dort ein oorfätzlicher
Mörder war, der lauernd, beobachtend
auf die orthiingniszoolle Gelegenheit
wartete.
Solche Dinge lommen in Italien
häufig genug, ja alltäglich oor. Das
Opfer gebt durch die Straßen Roms
oder Florenz, durch die engen Gassen
Benedias, die Ariaden Bolognas,
achtlos, abnungålos, der Mörder ist
leise hinter ihm bereit, den verborge
nen Dolch in seine Brust zu stoßen
Doch war hier ein Motiv für heim
lichen Mord vorhanden? Was fiirein
Grund, wenn nicht der, den Faunce
oermutbet hatte: »Ein Leben, das un
terdriickt werden mußte·«
xDoch warum jenes obsture Leben
unterdrücken? Welcher Art ion ten die
Beziehungen zwischen diesem Manne
und Lifa Rat-net fein, daß ihr Dasein
ein Schrecken oder eine Sorge fiir ihn
ward?
War er ein ehemaliger Geliebter, ein
Geliebten bon dessen Existenz Lisa in
ibrern freiwilligen Geftiindniß keine
Andeutung gegeben hatte? Spielte er
eine Rolle in einer Episode ibres Le
bens, die sie, die so aufrichtig schien,
ihm sorgsam verschwiegen hatte?
aend eine Verbindung mußte zwif , n
ibnen sein, wenner wirklich der Mör
der war; denn seine soziale Stellung
schloß ten Gedanken an einen Raub
mord aus.
Ein Htiirnrischer Applaus von be
handschubien Händen und ein gemac
melter Beifallechor erhob sich, während
Arnold noch immer bestürzt dasaß.
Gsesioold hatte es fiir gut befunden,
die Versammlu mit einem Appell an
die herze-r und ldbörfen dersuhörer
zu schließen, wie er es oft gethan,
denn die guten Leute« init welchen er
gemeinsam arbeitete, anerkann:en feine
Macht, auf den menfchlichen Herzens
faiten zu spielen.
Die Leute bewegten fieh zur Thür,
Gold sind Silber fiel in die seidenen
Beutel. die Ladn Violet und Ida Bor
srodailr. an jeder Seite der Thiir
; stehend, ihnen entgegenhielten
» Das Zimmer war beinahe leer ge
worden, ebe Arnold sich gefaßt hatte
und ferne Umgebung und Mary Free
land gewahr wurde, die sich nach ihm
- umdreth während sie ihrer ftattlichen
l Gardeoame folgte.
; Ehe iie Die Thiir erreichte, verweilte
sie einigte Heit, um ihm Gelegenheit zu
geben sich ihr anschließen zu tönnen.
. »Es wird unten Thee genornnren,«
fonte sie zu ihm. «Möchten Sie fiir
! mich u 1d Frau Trefsilian Smi:h mel
! chen bei orqen2 Es wird sicher ein gro
fees Gedränge geben«
zEs wird mir ein Vergnügen sein«
i »Wie lieb von Ihnen! Greeroold’s
; Rede Use mir taltes Wasser über den
Rücken Ich werde mindestens fiinf
E jin Guineen beifteuern doch ich follte
eiaentl ich das Einkommen eines Jah
res hinqebenf
»Und ein Jahr long ohne Essen und
Kleiduna seini«
»Ja jedem Falle besser,als Eine von
Jene-n zu fein, die nicht wissen oder
nicht wissen woll , wie ihre Mitmen
fchen seiden-. r Gniwold nicht
herrlich? Er durchschauert Einen mit
den einfachan Reden, mit den einfach
fien Ansdriictern und dann breitet er
feine Schwingen aus« wie Rustin oder
Earlnlek
.Sie bete-Wen diesen Stein-old
wohl nuherordenttichi«
»Als Rede antwortete fie rafch.
«Sind Sie ihm fchon früher begeg
netk
.Ssebr oft. Er spannt manchmal
zu Frau Jvefsilinen doch ich habe n
wenig mit ihm sit-IM, denn ert
irren-see ich-r rime act-«
.Barnmi«
· aWeil er sehr angesehen ist, laube
ich. Er hält Reden, schreibt s«r die
radikalen Zeitungen und ist schrecklich
wohlthätig und philanthropisch ——-«·
»Und zweifellos auch religiös? Ein
eremplarisch frommer Musch.«
»Nein, das ist eigentlich das Trau
rige an ihm. Obwohl er so gut, selbst
los und aufopfernd ist, hat er keinen
Glauben. Das ist traurig fiir Lady
Violet.«
«Warum?«
»O, sie liebt ihn so sehr, und ich
alaube, ei wäre ihr recht, ihn zu hei
Wklxn —- obgleich er nicht von vorneh
mer Geburt ist —ivenn er nicht ein
Freidenter wäre.«
Um diese Zeit waren sie in den mit
Menschen gefüllten Theesalon getreten,
und Arnold führte sie in eine ange
nehme Ecke, wo sich Wilmot und Jda
ihnen sogleich zugesellten.
Dreizehntes Kapitel.
lBericht des Polizei - Jnspeltors.)
Meine Aufgabe war nun, die Iden
tität des bebrillten Miethers in der
Doneoorstrasze mit Oliver Greswollx
dem Redner und Schriftsteller auf so
zialistischem und philanthropischem
Gebiete, festzustellen und womöglich
seinen Zusammenhang mit der Ermor
deten tu entdecken.
Die Thatsache, daß sein Aufenthalt
in einem obsturen Hause in Blooms
bury geheimer und oerstohlener Art ge
wesen« bewiesen rer angenommene
Name und die dunklen Brillen. Nach
Herrn Wildover’s Entdeckung suchte
ich meormals Gelegenheit, den heim
zu sehen, sah ibn aber niemals Bril
len traan oder selbst ein Augenglas
benutzen, noch erfuhr ich von Jeman
dem, daß er je das Eine oder das An
dere benutzt hätte· Der Diener seines
Großvaters-, mit dem ich mich wie zu
fällig befreundete, erzählte mir,·dafz
r—
Verr Oliver »das Auge eines zalrew
hätte.
Meine erste Ausgabe war nun, Al
les," was ich konnte, über Greswold’s
Umgebung und Vorgeschichte beraus
zufindem ehe ich mich In das Problem
seiner Verbindung mit der Ermordeten
machen konnte· llm den Zusammen
hang zwilchen den Beiden zu entdecken,
mußte ich zuvor wissen, wer der Mann
war und welcher Art das Leben gewe
sen. das er geiiith.
Es war nicht chiver, etwas von sei
nem Leben und-feiner Umgebung, so
weit ihn die Welt kannte, zu erfahren,
denn feine Theilnahme an des guten
Lord Hildvard’s Werten hatte ihm den
Charatter der Oeffentlichleit verliehen.
Es war belannt, daß er gegenwärtig
über geringe Mittel verfügte, aber ein
nächtliches Vermögen von seinem
Großvater, einem Mann in vorgerück
tem Alter-, zu erwarten hatte, der in
Clapham ein zurüaaezogenes Leben in
einem düster aussehenden hause mit
einigen Joch bedeckenden Gründen von
beträchtlichem Wertbe führte.
Die Tetails meiner Arbeit werden
Niemanden intereisiren, man muß sich
demnach in Geduld fassen.
Durch Geduld vermochte ich es, das
verdrieizliche Wesen des obersten Die
ners im Greswold’schen hause, der
nahezu zehn Jahre daselbst gedient, zu
überwinden. dessen Gedächtniß—un
getrübt von Buchwissen —- ein wahrer
Speicher von Geichichten war, die sich
auf vie Greswold’iche Familie bezogen.
Geduld und lleine Aus-lagen für Cog
nar und Wein im Gastbaus mzum Blu
mentopf'« stellten mich auf freundschaft
lichen Fuß mit Benjamin Ludgater
rem Kammerdsiener und Factotum des
Advotaten Andreas Circen-old der in
" mai-heim als Millionar vetannr war.
In weniger als einem Monat, vom
Tage an, als ich mich in jenes Gast
lraug beqeben hatte, wo der alte Diener
seine Mußeftunden verbrachte, wie ich
von einem geschwäyigen Krämerjungen
erfahren, waren Ludgater und ich in
time Freunde. Er hatte meiner Er
Zählunx daß ich ein in Puiney woh
nender Kaufmann sei, der sich vorn Ge
schäft zurückgezogen, und daß ich ucn
Ies Spazierganges willen zwei oder
dreimal wöchentlich nach Clapham
käme. Glauben geschentiz und nach und
nach, widerstrebend auf meine Bemer
kungen über das Wetter und die
Ahendblätter eingehend, begann er auf
zuthauen und unterhielt mich fast den
ganzen Abend mit endlosen Gelchichien
von seinem Herrn und dessen Familie.
Von ihm erfuhr ich, daß der alte
Greewslo auf lehr befcheidene Weise
als Adootat in Hatton Gar-den ange
fanaen hatte, jedoch iniihilie gewisser
Geschäfte auf dem Turf sich zu einer
Macht in alten auf denselben bezügli
chen Fragen gemacht und feine Erspar
nisse so vortheilhait deriverihet hatte,
daß sie ihn in Stand setzten, Hatton
Garben für Mayfair zu vertauschen.
In Mayfair lebte er nur für seine
Geschäfte, und Luogatrr hatte jene klei
nen Diners zu beaufsichtigen, wie sie
nur von den wenigen Glücklichen gege
ben werden. die einen Stettin-ruf weit
vorn Berlelenplatz wohnen.
Erst nachdem er das fünfzigfte Jahr
zurückgeleat hatte, begann er, sich von
den Held-öftere zurückzuziehen und
überlieoelte nach Claphakn. Er würde
nie dahin gezogen Fein, wenn ihm nicht
der Besitz als Thei einer Schuld zuge
iasen witte, die ein junger Mann zu
riickaelassen, nachdem er iin Weinen
trensllles verspielt und sich das Leben
aenonunen hatte.
Der alte Greitoold hatte bald da
rauf, nachdem er das hat-s in Etap
hatn in Beits genommen hatte, gehei
rathet nnd lebte einige Jahre lang mit
groß-r Aufwande. stehen Lndgater
hielt er noch sie-ei Bediente Hier grün
bete er sich aus den Ruf besondm
Frbmmiateih allabenolrch und de
Morgens häuili Gebete, an Sons
urrd Feiertagen irchgangz Subitris
tionen iiir wohlthiitige wede, liberQ
Behandlung der Diener chait.
Er hatte eine sehr schöne, um zwar
zig Jahre jüngere Frau geheirathe.,
deren Verhältnisse und Vorge chichte
selbit fein vertrautesier Diener abga
ter nicht hatte entdecken könne-.
»Ich wußte so viel von ihr, als
wenn sie aus den Wolken gefallen wäre
. . « bis ich einmal hörte, wie sie mit
einander stritten, und da warf er ihe
Worte ins Gesicht, die tlar bewiesen,
aus welcher Klasse sie hersiammte,«
erzählte mir Ludgater.
Sie paßten schlecht zusammen, wa
ren recht unglücklich miteinander, je
doch wie auch ihr Vorleben gewesen« die
Frau benahm sich in ihres Gatten Haus
wie eine ehrbare Frau. Sie gebar ihm
zwei-Linden einen Knaben und ein
Mädchen. Der Vater vergötterte das
Mädchen, aber haßte sden Knaben-Die
Mutter betete den Knaben an und
arollte, daß ihr Gatte das Mädchen
borzog. Damit begann der häusliche
Krieg, ihr erster Streit war en der
Kinder. Die Frau bekam die S wind
sucht und starb im«Süden Frankreichs,
ehe die Kinder heranwachsen; und
nach ihrem Tode wurde die Tochter
ihre eigene Herrin, gab jeder Laune
nach und machte ihre weiblichenDienst-s
leute zu Sklaven.
Der Knabe lernte in der Schule und
auf der Universität sehr gut, wurde
JBertheidiaey heirathete die Tochter
seines hervorargenden töniglichen Ra
thes und beaarrn bekannt zu werden.
als sich auch bei ihm die Schwindsucht
zeigte und er seiner Mutter in das
Grab folgte.
Er hinterließ einen siebenjöhrigen
Sohn nnd sin« Niitimo hie sei-i m
hbsch war, um lange derivittwet zu
bleiben. Es war kein Heirathsoertrag
geschlossen worden, und so mußte ihn
der Großvater zu sich nehmen und um
sich dulden. Es war nie me r als ein
Dulden gern-sen, erzählte sich udgater.
Wie gut sich auch sein Enkel in der
« Schule aufführe-, wie viel Ehren er
auch in Camhridge gewann, defAlte
behandelte ihn talt und hielt ihn in
Bezug aus Geld sehr knapp.
Ehe der Enkel ins großviiterliche
haus gekommen war, hatte die Tochter
dasselbe für immer verlassen. Sie war
in einer Sommernacht, nach einem
heftigen Streit mit ihrem Vater, ver
schwunden, nach einem Streit, der
schlimmer als der ärgste gewesen, dessen
sich Ludgater entsinnen konnte. Das
Mädchen hatte das haus ihres Vaters
zornig und trotzi verlassen, um ihr
Loos init dem t ann zu theilen, den
ihr Vater einen Schwindler genannt
hatte. Lud ater hieß ihn »etnen ade
ligen Speis ling«, da er von hoher
Geburt aber von niedrigfter Denkungs
art gewesen war.
Jhr Vater schwur, sie nie wieder
sehen zu wollen« . und hatte seit jener
Nacht nie ihren Namen vor Ludgater
genannt.
»Sie lönnen all das Zeug aus dem
Schlaszimmer und dem Bondoir hin
austverfen und die Thüren beider
Zimmer oerschlieszen," hatte er zu Lud
gater gesagt.
Der alte Diener dachte, dasz mit dem
Worte «Zeug« Alles, was Fräulein
Greswolo persönlich gehörte« gemeint
war. und berührte deshalb nichts, weil
er glaubte-, daß sich ihr Vater im
Konk- bok Ioii bfsnsiiksne mord
Er schloß die Laden an allen Fen
stern, versperrte die beiden Thüren und
übergab die Schtiissel seinem Herrn,
der sie verlangte; und die Zimmer
wurden seines Wissens nicht mehr ge
öffnet, seit sie geschlossen wurden.
» »Sie lönnen diese Fenster mit den
attertbiimtichen venezianischen Laden
von der Straße aus sehen," sagte Lud
gater; »und Sie können sich vorstellen,
wie dick der Staub liegen muß und wie
die Spinnweben nach diesen dreißig
Jahren überall hängen müssen.«
(Fortsetzung solgt.)
i ON
»t« soll der Dichter nett dem Nö
nts seitens-.
Der lherrschet der Mode, Eduarb
der Stehende, König von England und
Kaiser von Indien, tleidet sich — ko
meidet der Figaro « auch ietzt noch o
elegant, wie einst ais Pein-z von Wa
leT Der Monarch legt jetzt mehr als
je zuvor Werth drauf, »der bestgetlei
dete Mann in Großbritannien und Je
land« zu bleiben. Aber er will seine
Etegang auch nicht allzu theuer bezah
len, und deshalb hat er jüngst mit sei
nem Schneider sol ende Preise verein
bart: Für eine Do e 50 bis 60 Fran
len, je nach dem Stoff. der verarbeitet
wird; siir einen Oberrock mit dazu ge
höri er Weste 270 Franlen Ein gan
zer «hediotanzug darf nicht mehr kosten
als 200 bis 220 ranten und fiir ei
nen Maria-Zug m t weißer Weste zahlt
» der Könia )0 Franlen
i Ein Ridal des Königs ist der Dich
kteri Gabriete DAnnunzio lann sich
E rühmen, eine Garderobe fein eigen zu
nennen, welche den Neid jedes Dandys
erwecken muß. Die »Westrninstee Ga
zette« giebt folgendes Verzeichnis da
von wieder: 72 mden; Strümpfe ie
der Art — 12 uhendz bitte, Gesell
schastöanziige, Smotings« Joppen —
unziilyiigez StraJeWndschuk —- 48
Paar; Gesellscha tihandschtche ;- 24
Psstz 8 Regen chirme von otoletter
THE-Eg- MEMIZPZEDJMX
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unddelitunte eawattenz 10 Westen« 14
Paar Promenodenschuhe und 2 Paar
, anste, geräufchtose und zitternde
antosseln. J· -