Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 06, 1903, Zweiter Theil, Image 12

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    vvCHWIMItttetre leyteiciebes «
f« Mtte m centy F. Urban
ss » boten, gerade zvo die deutschen
an , wohnten die Lind
W Das upt ver Familie war
Wid, ein dicker Wittwer von un
tiinfzig Jahren, der seinlinles
ZEIT wahrer-d des deutsch-französischen
auf dem Altar des Vaterlan
del niedetae t hatte, wie die Roman
fchreiber zu agen— pflegen. Er lebte
m den Ztnfen eines kleinen Vermö
gens. das er als Bäcker- sich mühsam
Kiswmugeinetet hatte. Das heilige
erdenken an seine Frau war seine
Tochter Elte, ein fchlantes Mägdelein
mit laftanienbrauneni Haar und dunk
len Augen. Rur selten freilich wurde
Elfe aenannL Gewöhnlich hieß sie
aus. Die dritte im Haushalt war
Großmutter-. Großmutter hatte über
Iaupt keinen Namen. Sie war einfach
' Großmutter, nichts weiter. Als Bern
hard mit seiner Tochter von Berlin
nach Amerika kam, auartirten sie sich
bei der Großmutter ein, die damals
genau so aussah wie heute: ein freun::
«liches, mit Runzeln bedecktes Gesicht
und darin zwei Herzens-gute blaue Au
gen. Noch jetzt war ihr Haar völlig
schwarz, altmodisch glatt gekämmt,
mit einem altmodifchen Scheitel in der
Mitte. Niemand wuß:e genau, wie alt
fie war. Wenn man sie fragte, so
pflegte sie zu sagen: ,,Bierzig!" An
fangs war das nur ein kleiner Scherz
ihrerseits gewesen. Aber nach und nach
vergaß sie das und zuletzt glaubte sie
fest an ibre vierzig Jahre, wie das alte
Leute oftmals thun. Den lieben langen
Tag saß sie am Fenster und blickte aus
die Straße und die Leute darauf. Sie
kannte sie alle ohne Unterschied. Nie
mand ging vorüber, über den sie nicht
etwas zu bemerken hatte. »Ja, ja,'«
sagte sie zum Beispiel, »da geht nun
wieder die Matie Werner, die den Tep
pich jeheirathet hat, yes!« Dieses meet
tvürdige »ne«s'« amSchlusse jedes Satzes
war so ziemlich ihr ganzes Englisch.
Unter dem »Teppich« verstand sie Aus
gust Wann-, einen Fabrilanten von
billigen Teppichen. Die alte Frau
nannte niemals einen Mann bei seinem
Namen sondern immer nur nach fei
nern Berufe. »Hast du die Geschichte
von dem Sarg jehört?« fragte sie Bern
hard, wenn sie von Herrn Connelly,
dem Begräbnißdireltor, sprach. -Vons
den anderen beiden Lindbergs sah kei- l
nej irgend etwas Komifches in Groß
mutter-s Bemerkungen, so gewöhnt wa
ren sie daran. s
Wenn sie nicht Bemerkungen machte,
so sirickäe sie an ihrem Strumpf oder
las ihren deutschen »Herolv«. Das Jn- J
terefsaadesie in der Zeitung waren für
sie die Geburts- und Todesanzeigen
sowie die Depeschen aus der alten Hei
muth. Wilhelm der Zweite war für
sie lediglich ein komischer Druckfehler
Ziir Wilhelm den Ersten, vor dem sie
o oft sich verbeugt hatte, als sie noch
eine iibsche kleine Berlinerin war.
Kein ensch hatte es fertig gebracht,
dienlte Frau davon zu überzeugen,
daß Wilhelm der Erste lange toot mar.
So ließen sie Großmutter den Glau
ben, daß »Er Freund, der Kaiser«,
noch am Leben war.
Nur eine einzige Sorge hatte Groß
mutter: die Indien-en und es stand bei
. ihr fest, daß oie Rothlyäute eines Tages
iiber New York herfallen würden, so
wie Tiber die Sparbant, wo sie ier
«Vermögen« verwehrte Das »Ver
mögen« belief sich auf zweitausend
Tollen-T
Nach und nach jedoch verlor sie im
mer mehr Interesse um Leber-. Den
größten Theil ihrer Zeit verbrachte sie
sit Strümpfesiricken fiir sämmtliche
Verwandte Ihre Striimpfe bildeten
seit Jahren ein stehende-T Geschenk für
Weihnachten oder zu Geburtstagen
Dabei war es wunderbar, wie sie oie
Maße oon allen ihren Verwandåen im
so e hatte. Else öehandelie die
St mutier mit zärtlicher Fürsorge,
G- - Q---fl--"- co-: sie- ka-«
ais-«- US ais-Ph
freilich noch selbstsüchti;ie BeweJiunDe
mit Er gedachte stets der zweitausend
Dvllars, die ihm Geoßskiuiier vermocht
hatte, und sie er Eieber heute als mor
gen gehabt hätte.
Eines Tages jedoch fand in diesem
ruhisen, friedl ichen Haushalt eine wich
tige Veränderung statt. Die Zeiten
Daten schlecht, und so hatte Bernhard
Ich entschlossen, das kleine Zimmer
nach hinten hinaus zu viermiethen, um
auf diese Weise die Ausgaben zu ver
tingetiu Der Plan heute durchaus
Eies und Großmutters Zustimmung
unben. Bernha: d erließ daher in
der deutschen Zeitung eine Anzeng und
i Tage später sprach jemand beiden
iudbercs vor. Es war ein junger
Mann von vielleicht zwanzig Jahren,
seit roth-en Backen und gelbem Haar,
steif wie eine Bürsie. Aus ver O r
l sproßte ein bluijunsges Bart
rede vor sechs Tagen war er vom
Dampfer Mannen und roch förmlich
, sich nach ischer Erbe. Seines Zei
- - Heut war er Mechaniker used war nach
- Mi- rnkneri mit der Absicht, so
— M ei- isipniir zu werden, wag ja
, ed W fein esse in Amerika
- W ihn i den Lindbergs:
HJEGZUML die NOT-ROHR Der
Magd pas Bild von Gre
fMi Zeitgen- vie Strümpfe die
M, M nun gar erst Eife. Letzte
H MÆU et fä! sich. Uebti ens
Häfnw seit ZW, imje schon
T zoger ein Er
Ä eise- kleinen Händel das
« - ei- m,
FUde ztkeihåagst
Mc
f«
«
M«-.-.W -.--.-.«-—-.-..
Striim , drei Taschentücher, eine-l
Bitchse ratheringe, die er über die»
Maßen gern aß. Unter seinem linkeni
Arm trug er einen schädigen, alten
BruteL der sriiher einmal grün war.
.Da3,«·' sagte er, wie wenn er eine
hochstehende Persönlichkeit vorstellte,
«i3 meine Jeije!«
»Ein netter Mensch,« meinte Groß
mutter, .er gestillt mir, yes.« s
Karl wurde sehr bald der Mittel
punkt der Familie. Der einzige unan- «
genehme Zug an ihm, wie Eise be
hauptete, war sein Appetit, aber troß- l
dem verlor Karl nichts von seiner Be- !
liebthett, denn er war voll von Späs- J
sen und Schnur-ren Außerdem war
er ein pünktlicher Zahler, trank nicht I
und tauchte nicht. Seine einzige Zer- :
streuung war seine Violine. Beson
ders iünstlerisch war sein Spiel nicht,
aber dem musikalisch jungfräulichen
Geschmack der Lindbergs genügte es
vollkommen. Vollends Großmutter »
wußte vor Entzücken über die ihr sof
vertrauten Klänge aus ihrer Jugends
sich nicht zu fassen. Ehe Karl sich’s ’
versah, war er aus der endlosen Liste ;
derer, sür welche sie Strümpfe strtckte. »
Dadurch war er gewissermaßen in die ;
Verwandtschaft ausgenommen. Und
zwar kamen seine Strümpfe vor allen
anderen, denn Großmutter wußte,
daß es in diesem Punkte schlecht mit
ihm bestellt war. Hin und wieder wa
ren die Großmutter und Karl an
einem Sonntag allein. Dann war
das ein Feiertag flir sie Sie saß in s
ihrem Lehnstuhl mit einer riesigenj
Tasse Kassee aus ihrem Schoß und
hörte Karl zu der aus der Violine die
schonen deutschen Lieder sägte -
Eines Abends lam Karl sehr ver
stimmt nach Hause. Er hatte seine
Stellung verloren. Man tröstete ihn,
er werde bald eine neue finden. Aber
das war nicht der Fall. Die Zeiten
wurden immer schlechter, und Karl
sah sich vor dieNothwendigleit gestellt,
sein Zimmer bei den Lindbergs als zu
theuer auszugeben Er theilte das der
Familie mit.
»Schade!« sagte Bernhard. Die
Großmutter meinte nur: »Hm, hm!«
und Else wurde blaß. Von nun an
spielte Karl nur noch: »Ich weiß
nrchc, was pou es oeoeuren uao »Hu
einem kühlen Grunde«.
Den Sonntag daraus war er wie
der mit der Großmutter allein.
«Karl,« begann die Großmutter,
die lange in Gedanken ihren Kassee
geschlürst und alle fünf Minuten »Ja,
ja!« gesagt hatte. »Sei’n Sie man
nicht bange von wejen Aussieben Jch
bin auch noch hier. Morjen Früh jehen
wir zusammen nach Nujorl. und dann
wollen wir sehen, was sich machen
läßt« yes.«
Zum Erstaunen Bernhard-S und El
ses machten sich denn auch die beiden
am nächsten Morgen aus den Weg. Sie
gingen zur Sparbant, die zu Groß
mutters Freude noch nicht von den
»Jndianern geplündert war, Und hier
s erhob sie sünzig Dollars.
? »Hier, mein Sohn,« sagte sie und
fhiindigte das Geld dem verdutzt drein
blickenden Karl ein, »das wird eine
Weile reichen. Wenn Sie mal ’n
Millionär sind, jeb’n Sie’3 rnir wie
der, vest« Als sich Karl von seiner
Ueberraschung erholt hatte, drückte er
gerührt Großmutter- Hand und be
dankte sich.
»Aber daß Sie keinem was davon
sagen,« warnte sie ihn. »Es jibt am
Ende Scandal und das will ich nicht«
Karl versprach das. An diesem
Abend war Karl wieder der Alte. Er
aß siir zwei und gab ein großes Con
cert, dessen Programm aus lauter lusti
gen Stijcken »auf besonderen Wunsch«
bestand. Kurz vor dem Ersten er
klärte Karl, daß er noch einen Monat
leiden werde, da er etwas Geld aus
getrieben habe, und alle waren es zu
frieden. Großmutter war wieder eitel
BergniigtbeiL Eines Morgens nach
dem Friidsiiiel faate Bernhard zu ihr:
»Groß1nulter, ick wünschte, der Karl
kriegte bald wieder ’ne Stelle, schon
wegen unserm Mäulelen.«
»Warum?« fragte Großmutter
überrascht.
»Na, du wirft doch doch schon be
merkt haben, daß die beiden sich jerne
haben. Neulich in de Küche, hat er
ihr nich schlecht nmärmelt, ick hat«
jefehen, aber nåscht jesagt. Und wenn
das Jelnutsche eencnal anfängt, hört
es so bald nicht wieder usi. Darum
wäks das Beste: rin mit’s Mäuschen
in die Falle, die sich die Ehe nennt.«
Er lachte unbändig über den Witz.
»Hm. hm!« sagte Großmutter,
»allo so is es?« Weiter sagte sie
nichts. Jn der Nacht fand sie keinen
Schlaf. Selbstsachtia wie die alten
Leute sind, wollte sie nicht einsehen, daß
Karl und Elle nur dem uralten Ge
fey der Natur folgten.
Und doch, sie sah sie jeßt selber, alle
diese zahllose-r kleinen Merkzeichen
der Liede: die Blicke. das zärtliche
Lächeln, die hundertfachen Auf-nett
Iagrleiten die eins dem andern er
latet
Die alte Frau fah das alles und ihre
Eifersucht, die lindtlche Eifersucht des
Meere, kannte tetne Grenzen. Sie
dachte allen Ernste-T darüber nach,
wie ste Karl für sich allein baden tänni
te. Sie ging abermals mit ihm zur
Sparbant and diesmal drückte sie then
gar hundert Mars in dsk hand. Je
W f- lMIst MICHAEL-I
AIX Hik - W Feld W
f
glaubte sie zu haben. Karl war Wsheli
gans zufrieden. Warum sollte er sich?
sonderlich beeilen, eine neue Stellung;
zu finden, so lange Großmutter ftir
ihn sorgte? Und überdies, es war ja
nur geborgtei Geld, nichts weiter!
Nur Bernhards Gefühle siir Karl
wurden von Tag zu Tag unfreund
lichen Es schien ihm verdächtig, wa
her Karl das Geld nahm. und er dr
schlosz, der Sache auf den Grund zu
kommen. Eines Nachmittags tarn er
schrecklich aufgeregt nach hause. Rie
mand war zugegen als Karl, der eifrig
in einem Buche las mit dem Titel »Die
Kunst, im Handumdrehen Millioan
zu werden«
»Karl,« begann Bernhard, irl
möchte Sie etwas fragen. Js es
wahr, daß Großmutter Jlsnen Jeld
jejeden hat von der Banki«
Der junge Mann wurde weiß wie
ein Schimmel. Er sah, daß er er
tappt war und gestand alles.
»Sie janz jemeiner Varnpyr!«
schrie Bernhard, zitternd vor Wirth.
»Sie Tagedieb, Sie — Sie Zange
nischt. Sie! Das also is der Dank file
die Jiite, mit der Sie hier behandelt
jeworden sind, daß Sie sich in das
Vertrauen einer allen, schwachfinnigen
Frau reinfiddeln, Sie heimtiickischer
Jeijenbocl, und betrüer sie um ihre
paar Groschen — wie viele haben Sie
rausgequetscht?«
»Hundertsiins3ig Dollars, aber —«
»Hundertsiinfzig Dollarsi Wissen
Sie. daß das Jeld mich vermacht is
und daß Sie mich —- daß Sie mir
berauben, Sie -— Sie » Selbstver
ständlich müssen Sie raus, sofort·
Backen Sie man Jhre sieben Sachen
zusammen, so rasch wie möglich. Und
so was wollte ick zu meinem Schwie
jersohn erheben. Damit is es ooch
Essig natürlich. Für so’n —- —«
»Um Gotteswillem was is denn
los, Bernhard?« Es war die Groß
mutter, die in diesem Augenblick ins
Zimmer getreten war.
»Ah. du bist es, Großmutter.
Scheen, daß du lomrnst. Eine nette
Fliege, die hier, der Baron von Habe
snischt und Pumpmirtoat. Der ver
;sieht’s, olle Frauen ihr bißchen Er
z spartes abzutneppen. "
I ansmnsttf ans-Z f«
»v--»- n--. v-- q-- .
»Hm hm, ye5!« sagte die Groß
Tmutter mit dem Kopf nickend. Die
Halte Frau war völlig hilflos und
wußte nicht« was sie sagen sollte. Das
Gewitter war so plöhlich über sie her
eingehrpchen. Karl war die Sache·
dermaßen peinlich, daß er es siir das
Beste hielt, sich davonzumachen. Jhm
war zu Muthe wie Adam, als er aus
dem Paradies gewiesen wurde. »Also
rausgeschmissen!« murmelte er vor
sich hin. Ja nun war alles aus, auch
mit Eise, wenigstens vorläufig. Das
gab ihm einen Stich ins Verz. Fünf
l
zehn Minuten später lehrte er in dies
Stube zurück Da stand er genau sc- .—
wie an dem Tage, wo er eingezogen!
len unter dem rechten Arm den schä
digen grünen Beutel mit der Violinr.
Er trat aus die Großmutter zu und
indem er einen Kuß aus ihre Stirn
drückte, legte er einen Zwanzig - Dol
larschein nebst einigem Kleingeld aus
ihren Schoß.
- Das is der Rest von Jhrem Jeld,
Großmutter!« sagte er »Das andere
i
war: ein kleines Bündel in der Lin- -
iebe ich Ihnen wieder, sobald ichs!
habe —- so wahr ich Karl heiße Sie
wissen, ich hat-s man blos als jelie
hen betrachtet. Vielen Danl stir alli
Jhre Jiite, Jroßmutter!«
Dann drehte er sich um. An derl
Thür blieb er noch einmal stehen und
sagte: «Griißt die Eise von mir!'« Die
Thiir schloß sich, dann war alles still.
»An is er weg, hes!« sagte Groß
mutter.
«Jott sei Danl!« erwiderte Bern
hard. «Jck hat« ihm rund heraus
" jesagt, er soll sich verfliichtijen.'«
Als Else nach Hause kam und er
fuhr, was sich eretgnet hatte, ging sie
in ihre Kammer und weinte. Im
Stillen aber hasste sie, daß Karl sich
bald mit ihr in Verbindung setzen
würde, denn sie wußte, daß er sie
liebte. Das tröstete sie. Nur Groß
mutter war nicht im stande, sich von
dem schrecklichen Schlag zu erhole-h der
sie betroffen hatte. Stundenlang sasz
sie in ihrem Lehnstuhl, vor sich hin-nur
melnd und den Kopf schüttelnd. Hin
und wieder weinte sie. Dann vermochte
ihr entweichender Geist auch das nicht
mehr festzuhalten. Dann wieder schien
sie irgend einer Musik zu lauschen und
dann lächelte sie und summte etwas var
sich hin. Nur die Striclnadeln klapper
»ten emsig weiter.
HON
srmemtudtes Sprich-ern
Junge Frau: »Alle zuerst sollte ich
die krau Deines Freundes werden,
als «l;r meine Betanntschast suchtet,
und nachdem hast Du mich selbst ge
heteatheti«
Mann (seuszend): »Ja, rver An
dern eine Grube gräbt . . . .!«
W Lisette-stritten
«Was man doch mitunter site ver
riiate Träume hat« Spundt . . . .
zägutmtie harrt-r Mda in Pergaägener
, au e meinem muß
einen Mädelwath
Ins eise- IIM M
Vas M t hat sie Identität
Yes Mägden-r Wes alt dem
Richter M Maus als erwiesen
sie-M -
Onkel’o Besuch·
--.
Eine heitere Geschichte von Karl
Zahn
»Du Röschem ich habe eine interes
sante Neuigkeit fur Dich!«
Meine Frau sah von ihrer Räharbeit
aus: »Was giebt’s denn?«
»Onkel Paul. der nervöse herr, hat
sich zum Besuch angemeldet, um eine
Woche von seinem Urlaub bei uns zu
verleben. Uebermorgen trifft er ein.'«
»Vine, liebes Miinnchen, mit etwas
mehr Respekt könntest Du aber doch
von dem alten herrn sprechen,« meinte
meine bessere Hälfte schmollend.
»Es war nicht bös gemeint, Schah«,
besänftigte ich sie, »ich bin blos ärger
lich darüber, daß wieder einmal Alles
bei uns drunter und driiber gehen
wird. Du weißt doch, welche Annehm
lichkeiten so ein Besuch von Onkel Paul
im Gefolge hat.«
»Nun ja-, seine Nervösitiit ist aller
dings nichts weniger denn angenehm,
um von alle dem Anderen zu schweigen.
Aber das müssen wir schon mit in den
Kauf nehmen, isi er doch unser Erb
oniel, und da lohnt es sich schon, beide
Augen zuzudriicken.
Nachdem ein in kalligraphischer wie
stilistischer Hinsicht einwandsreies Ant
wortschreiben an den guten Onkel ab
gesandt worden war. wurde fiir den
Besuch Alles aus’s Beste hergerichtet.
Mit militiirischer Punktlichkeit traf
der Ertoartete ein, von einem Freuden
gebeul unserer beiden Kinder begrüßt.
Onkels Stirn legte sich in Falten.
»Lieber Karl," sagte er. »die Kleinen
mögen es ja gewiß herzlich gut meinen,
aber dies entsetzliche Geschrei fällt mir
auf die Nerven.«
Jch gelobte ihm darauf, daß ihn bei
seinem nächsien Besuche die Kinder nach
allen Regeln der Harmonielehre ansin
gen würden.
Jn den ersten Stunden ging so weit
Alles gut. Nur beim Mittagessen kam
seine Nervositiit auf’s Neue was-Durch
bruch. Er hielt sich nämlich darüber
auf, daß bei uns die Beefsteaks so klein
gerathen seien, was wir künftig ver
meiden sollien, da ihn jede Kleinigkeit
sehr aufrege. Glücklicherweise konnte
rein leicht abgehalten werden. Später
gedachten wir einen längeren Spazier
gang zu unternehmen. Onkel woute
dazu seinen neuen eleganten Cylinder,
der sein ganzer Stolz war, aussehen.
Er begab sich daher in sein Zimmer,
wo er diesen aus ein Tischchen gestellt
hatte. Ein kräftiger Griss — und er
hielt einen deckellosen hat in der hand.
Bei näherem Zusehen ergab sich, daß
drei Nägel den hat mit de mTisch ber
eint hatten.
Während Onkel noch völlig starr da
stand. ertönte von der Garderobe her
ein feines Kichern. Er ging diesem
nach und sand mein Töchterchen, die
sonst so sanfte bilde, hinter der Sarde
robe versteckt, anscheinend sehr zufrie
den mit ihrer Methode, eine dauerhaste
Verbindung zwischen Tisch und Cylin
der herzustellen.
»Liebe: Karl, von Kindererziehnng
scheint Jbr Beide nicht viel zu ver
stehen. Wo bleibt denn da der Respekt
vor meinen grauen Haaren?«
Meinen und meines Weibes Bemü
hungen gelang es endlich, den lieben
Verwandten zu beschwichtigen. Er
nahm meinen Cdlinder, und der Zug
seyte sich in Bewegung.
Nachdem wir mit un erm Gast die
verschiedenen lotalen Oehenswürdig
leiten in Augenschein genommen hat
ten, enreten wir in einer gediegenen
Weinkneiprz tannten wir doch Ontels
Vorliebe fiir einen guten Tropfen.
Onkelchen tam auch bald in Stimmung
und es entspann sich eine animirte Un
terhaltung. Alte Erinnerungen wur
den wieder ausgesrifcht. und, wie stets
III III-Inso- MIUIDVIIDZOOI wiss-ZU
sys-- -----
Onkel Paul mit besonderer Vorliebe
bei seiner früheren militiirischen Lauf
bahn. Diese war freilich nur turz ge
wesen, denn man hatte ihn wegen seiner
Korpulenz bereits als Fahnrich zur
Reserve beurlaubt. »Ja« , rief er, und
seine Augen strahlten, »das waren da
mals wenigstens noch Kommandos, da
lag noch etwas drin!« Und nun gab
er unt einige Proben von Anna Dazu
nial zurn Besten. Jnnner mehr schwoll
seine Stimme an« urn schließlich bei
dein Befehl zum Einbruch in die feind
liche Stellung zu dem lauten Gellenl
des Exerzierplatzeö überzugehen. Mit
einein weithin vernehmbaren Hnrrahl1
hurrah! schloß dieser eigenartige »Vor
trag.
Schreckensbleich stürzte ein KellneJ
in unsere Ecke, urn nachzuselsem ob sich J
vielleicht ein Unglück ereignet bötte.’
Meine Frau faßte sich zuerst. Mit al
lerliebstein· Lächeln bedeutete sie denr
Ganymed, daß der fremde herr auf
diese, allerdings etwas ungewöhnliche
Weise eine neue Flasche Wein hätte be
stellen wollen
Es erschien unt unter diesen Uni
stiinden aber doch gerathen, den Auf
bruch möglichst zu beschleunigen. On
lelchen drotestirte zwar uerst, gab
dann aber doch nach. Das-sie suchte er
sich auf dein Heimwege durch das Ab
singen neckischer Lieder zn entschädigen,
spat schließlich zu seiner polizeilichen
JRotirnng fährtr. Wir waren stob, als
wir endlich zu hause waren und unser
lieber Gast sonnt wenigstens fiir die
Winden unschädlich gemacht war
» seiucatenaqtsaaen vers-site er
eine tletne Rechtfertigung- Hat
kommt davon. wenn man so newiis ist,
wie ichs Der Wein geht in die Zun
genspise diese wird in rotirende Bewe
gung gefest, und dann muss ich unhe
dingt Speitaldl machen!«
Jn der Nacht weckte uns plötzlich
ein wüster Gepolter und Klirren aus
dem Schlaf. Abgerisfene Reden, mit
kernigen Worten untermischt, drangen
aus dem Fremdenzimmer zu uns.
Schnell eilte ich in das Zimmer unse
res Geistes und denle ich soll zur Salz
säule werden. Gestitulirend sitt On
ielcherr aus dem grossen Sophatisch.
Auf meine theilnahmsvolle Frage, was
ihm denn fehle, zeigt er bald hierhin
und dorthin und ruft: Mäuse, Mäuse,
Mäuse! Bei jedem Ausruf schleudert
er irgend einen Gegenstand, dessen er
habhaft werden konnte, nach der Rich
tung, wo er die Mäuse vermuthet. Un
ser prachtvoller Spiegel liegt in Trüm
mern —"——
Jeßt dämmert in mir eine Ahnung
aus! Ein alter Student hat mir ein
mal irn Vertrauen erzählt, daß er nach
besonders schweren Kneipsißungen
iisberall immer nur Mäuse sieht, deren
Zahl Legionen sei. Das war es also!
Mit liebevoller Sorgfalt veranlasse ich
den »Nerväsen«, sein Lager wieder aus
zusuchen, und unter verführerischem
Lächeln tredenze ich ihm ein Glas
Wasser, in das ich unbemerkt ein paar
Tropfen Opium gegossen hatte. Bald
vertiindeten denn auch regelmäßige
Athemzüge, daß der Onkel schlief — —
»Nun, was wars-" meint meine
Gattin.
»Nichts Besonderes, Schatz, nur der
große Spiegel und einige Kleinigkeiten
sind iaput.«
»Piegel nnd Teinigleiten put,« lallt
unser Jüngsten Der »Newöse« schlief
lange. Wir saßen gerade am Früh
stückstisch, als unser hildchen uns sag
te, der Onkel hätte gerufen.
Jch eilte zu ihm und entbot ihm
einen Morgenaruß. Stumm wies er
auf etwas, das vor ihm lag —- seine
Perriicke. Aber statt daß die grauen
Haare, wie sonfi, so schön glatt anla
gen, waren sie alle gelockt und sahen wie
Pfropfenzieher aus. Den vorderen
haaren war im Besonderen eine liebe
vollesp Behandlung mit der Brennscheete
zu seyen geworden. Ich war spraay "
los. Mein schiichterner Versuch, dem
Onkel einzureden, er hätte die Proze
dur mit seiner Perriicke in der Wein
lnune jedenfalls selbst vorgenommen,
wurde nur mit einem vernichtenden
Blick beantwortet.
Nun, ich erfuhr es bald, meine lhiltte
hatte das Kunststück sertig gebracht,
wositr see als Belohnung eine Tracht
Prügel bekam. Wenig half es, daß ich
Onkel llar machte, das Kind hätte eine
weit iiber seine Jahre hinausgehende
Geschicklichteit bekundet — er raste und
liesz das ganze Register seiner Nerven
spielen. Mir blieb nichts übrig, als die
Perriicle zur Ausbesserung zum Friseur
zu schicken.
Um nun in der Zwischenzeit nicht
ohne seine »grauen Haare« zu erschei
nen, wand sich unser lieber Verwandter
einen chinesischen Shatvl, der als Deta
raiionsstiicl in seinem Zimmer hing.
als Turban um den Kopf und erschien
in diesem Anzuge am Frühstiielitisch
Nachdenllich schaute unser Nesthiit
chen die eigenartige Erscheinung an.
,,Ontel, hat Du Wehtveh an Kopft«
»Jatvohl.«
»Was denni«
»Onlel, mußt Kopf abschneiden«
denn nich mehr Æhweh!«
»Das .rnus3i ich sagen«. braust der
Ontel aus, »allzu rücksichtsvoll wird
man hier nicht behandelt. Es ist bei
Euch ja Alles dazu angethan, einem
Menschen in Aufregung zu versehen.
Erst wird mir ein neuer Chlinder aus
einen Tisch festgenagelt, dann vergreift
man sich an meinen grauen Haaren —
da lösen sich Ia alle Bande frommer
Scheut Jn der Nacht hat man auch
nicht einmal seine Ruhe, sondern muß
sich mit den Mäusen herumfchlagen, in
der That nette Zustände das! Jeßt
empfiehlt mir gar dieser Dreiliiseboch
eine Trennung von meinem Kopfe —
und da soll man gesund bleiben?'«
Onkel hielt erschöpft inne. Meine,
theilnahmgoolle Frage, ob ich ihm viel
leicht mit einem Brausepulver dienen
könnte, ignorirte er. Plötzlich fiel fein
Biick auf die Morgenzeitung, in der sich
die Mittbeilung befand, dasz der Kettch
huften mit großer Heftigteit aufträte.
Mit einem Satz war er aufgefprungen,
wobei der Iriihstiickstisch mit donner
älznlichenr Gepolter umstiirztr.
»Und so was schreibt Jbr mir nicht
einmal. wo Jer meine Furcht vor
Krankheiten doch kennt? Das ift haar
sträubend!«
Wir such-ten Onkel nun damit zu be
ruhigen, daß wir ihn gegen Kinder
trantbeiten fiir gefeit gehalten hätten.
Vergebens —- er wurde immer erregter.
Da tltngelte es, und bereintrat der un
ter uns wohnende Bau-mitth, der uns
wegen des nächtlichen Lärmi zur Rede
stellte. Außerdem wäre eben ein großes
Stück der Deckenrofette seiner Frau auf
den Kopf gefallen. Onlet erwiderte
»spih« die Sache sei fa betangloi, da
hierbei edlete Theile nicht verleht wor
den wären.
Nun gab ein Wort das andere und
auf pointenretche Sticheleien folgte
das grobe Geschäs der Verhalteer
rien. Wer weiß- tvai noch Alles pas
sirt wäre, wenn ich den Dauitdtrtb
W
n t ebenso hiisltch wie entschieden er
su t hätte, sich dte Thtlr von draußen
anzusehen. sei seinem Fortgangs
murmelte er etwas von Kündigung
Ali wir nach und nach wieder zur
Besinnung getommen waren, stand
Onlel reisefertig vor uns, immer noch
in grosser Erregung
«Jn einer Stunde,« leuchte er. «geht
ein Schnellzug nach dem Badeort Ile
hausen, den ich ohnehin noch besuchen
wollte. Jch reise schon heute dorthin,
da ich meine Gesundheit aufs Spiel
sehen würde, wollte ich hier noch län
ger verweilen. Der Aufenthalt bei
Euch hat mich um zehn Jahre iilter ge
macht. Adieu, lebt wohl — siir’ö Erste
lomrne ich nicht wiedert«
Fort war er. Meine Frau und ich
machten uns daran, den Schaden, den
der »theure« Verwandte angerichtet
hatte sestzustellen. Bei dem nächtlichen
Feldzug war unser prächtiger Spiegel
gänzlich ruinirt worden« eine reizende
Etagere mit allerliebsten Nippes lag in
Trümmern. Ein Loch in dem einen
Fenster lliirte uns iiber den Weg aus,
den eins der vielen gegen die imaginä
ren Mäuse gerichteten Geschosse ge
nommen hatte. Unser Frühstückstisch
hatte sbeim Umsallen ein Bein gebro
chen. Alles in Allern: eine nette Be
scheerung.
Mein Frauchen tröstetete mich: »Er
ist doch unser Erbonlel?« Du ahnungs
volles Wesen! Nach laum acht Tagen
erhielten wir aus Jlghausen einen
Brief, in dem uns Onkel seine Verlo
bung mit einer gereiften Jungfrau an
zeigte. die in dem gleichen Bade einen
Herzschler repariren wollte. Beigesiigt
war ein Hunedrtmarlschein, als Ent
schädigung- wie der gemiithvolle Onlel
schrieb, für unsere nunmehr hinsälligen
Hoffnungen, ihn dereinst zu beerben.
Jch habe mir diesen Bries zusammen
mit einem genauen Verzeichnis des
durch Onlels Nervositiit in meinem
heim angerichteien Schadens hübsch
einrahmen lassen, und so einen ebenso
interessanten wie eigenartigen Schmuck
siir mein Arbeitszimmer gewonnen.
Du Amomen-l at- Eis-stiften
Aus Paris wird uns von folgender
lustiger Verhandlung berichtet Aus dem
Noli-einmi deä Qimi ocommka Ein
Kaufmann nes Biertelö, die Vorla
duna wegen zu schnellmsFabrens in der
Hand, ertliiet dem Polizeigewaliigem
Es ist richtig die Nummer meines
Kraitwagens. Aber ich lenlte ibn nicht,
als wir, an Andelys vorbei. nachhavte
fuhren, sonaern mein Geschöftstheik
babet Leon. Jch habe nämlich eine
Tochter-, um deren Hand Lean schon
lange anhält. Jch war ganz damit
einverstanden meine Tochter erst recht,
aber meine Frau wallte nimmer davon
wissen. Vorigen Sonntag fuhren wir
alle vier nach havte Plößl setzte
Leon den Krafter in die vierte chnel
liateit; der Wagen schoß rasend dahin.
Jch schrie, er tolle anhalten »Nein!
Seit einem Jahre halten Sie mich hin.
Sie sagen immer, es eile nicht; Jhre
Tochter iei noch jung. Heute mii en
Sie sich entschließen Die hand J er
Tochter, unso ich halte sofort. Anderen
falls eine Drehung nach rechts oder
links, und wir zerschmettern uns den
Schädel an einem Baum.« —,,Aber
meine Frau. . ." —,.Sie lehnen ab«,
erwiderte Leon. indem e Mienemachte,
feine Drohung auszusii en. Halten
Sie, halten Sie, ich willige ein.« So
fort siel der Kraster aus die zweite
Schnelligteit zurück. Der Polizeitow
missär forderte nun Leon vor, welcher
eingestand: »Jn der That, ich bat-e
meinem Schwiegervater mit Zerschel
len an einem Baum gedroht; aber Sie
können versichert sein, daß ich nie da
ran gedacht, meine Drohung auszu
führen. Es war eben nur aus Schein,
Ye- Liit eines Verliebtem Meine
Wuswscgcuuuuu Wut IUIUU Quillt-III
net. Und da »ein Mann ein Wort«
gilt, wird die Hochzeit in Kurzem statt
finden. -- »Da mögen Sie mit 16 Fr.
lostommen.« —- »Jch bezahle fie,
Schwieqervater.« rief Leon und die
Verhandlung war zu Ende.
HO—
Ein Ussverstösdsth
Eine humoristifche Szene spielte sich
bei der in Lübeck erfolgten Enthüllung
des BismarctsDentmals von band
Hundrieter ab. Die Hülle des präch
tigen Denlrnals war eben gefallen, als
man im Kreise der Zuschauer, welche
etwa 30 Meter oom Denkmal hinter
den theilnehmenden Vereinen standen,
folgendes laut geiiihrte Gefqpräch de
lautchen konnte: .Un dat la nu Gei
bel sin? De is aber got nich ähnlich!«
Der Mann, der das ln erstauntem
Tone rief, sah allerdings nicht liber
mäßiq schlau ans. »Gut-et hats doch
aor lesen helm draaen,« fest-e derselbe
Mann fein non allen Umsiehenden ge
börtes Gespräch fort. Erst die ener
aischen hinweise der Umftehenden nö
thiaten den Mann zur Einsicht, daß er
aar nicht den Dichter Geibel, der aller
dings an anderer Stelle in Litbeck ein
Dentrnal besi t, sondern den Staats
inann Itirst istnarct vor sich habe.
Die Urkunde.
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