Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 21, 1903, Zweiter Theil, Image 13

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    —-«-««—
Glück.
Stizze von Ella Mast
Sie hatten verabredet, sich Sonn
tag Nachmittag um drei Uhr am
Wannseebahnbof zu treffen.
Alle drei in lichten, lustigen Ge
wändern, mit Spiten und buntem
Band geschmückt, waren sie pünktlich
zur S« Ile und reichten sich lachend,
im jungen Mädcheniibermuth die
Hände.
»Und das prächtige Wetter, was
wir haben,« meinte Lenchen Stege
mann, sich mit beiden Händen das
helle Haar über der heißen Stirn zu
rückftteichend.
Die Freundinnen und Geschäfts
iolleginnen blickten bewundernd in
das hübsche Mädchenanttiy.
»Viel-er neu, das weiße?« -—— —- —
fragete Geetbe Virt, indem sie noch ei
nen heftfaden aus dem Gewand Len
chens herauszuzupfen versuchte.
Die niate gleichmiitbig.
»Natürlich, — überhaupt zu Edith
binausL Kinder, wir müssen doch auch
noch ein bissel mit uns bermachen!
Zoll ja fürstlich sein, die Van am
Glas UlI((’ — lUUI lullll
doch der Mensch file-— n Glitt-l haben!«
Frieda Reichel seufzte mit. Brunett,
schlant gewachsen wie eine Tanne,
hielt sie das lichtblaue Kleid zierlich
emporgerafft und schritt neben den
Freundinnen die Stufen zum Bahn
- sieig hinauf.
Jsch ja, —- ——— dieses Glückstind,
die Edithi Was war sie denn, was
hatte sie denn? Die Eltern todt, ir
gendwo bei Verwandten im Norden
der Stadt gewohnt, und Kassirerin bei
uns, was der Chef doch auch grade
nicht mit übermäßig vielem Gelde be
sahlt,« sagte sie achselznclend.
Grethe Bitt nicktr.
»Nun ja, — aber Schick hat die
Edith, das muß man ihr lassen. Und
hübsch, bildhiidsch war sie auch. Sie
lonnte anziehen, was sie wollte, das
bescheidenste Mullfiihnchen, immer
waren die Männer rein wie toll hinter
ihr her. Daß sie freilich so ein reicher
Mann wie Direltor Jagenthal gleich
heirathen würde, hätte ich nie gedacht.
Soll doch so ein Lebemann gewesen
lein, was. .. Lene?«
Lenchen Stegemann saß schon im
Loupe
»Ja, das wären die besten in der
Ehe, sagte Fräulein Psllnih immer,
die haben sich wenigstens die hör-net
schon abgelaufen. Jch war damals
ganz überrascht, als sich Edith mit
ihm verlodtr. Wir hatten doch steif
und fest geglaubt, sie hielte zu ihrem
Fris. . . . nicht wahr ?«
Frieda lachte.
»Na, da wär’ sie aber schön dumm
gewesen! Junger Mann im Geschäft
bei uns mit sechshundert Thaler Ge
hall!«
»Bitte, seit er reist, lriegt er viel
mehr,« unterbrach Grete Biri.
«Js ganz einerlei," nahm Lenchen
Stegemann wieder das Wort. »Wär’
man doch ’ne riesig lleine Partie ge
wesent«
Sie spielte« heiß und roth, mit ihrer
Uhrlette und sah die Freundinnen da
bei nicht an.
»Ist genau dasselbe wie mit Walter
Ringftiidt. Ihr wißt ja, er hat auch
kaum siebenhundert Thalter nlo
Steuerbnchhalter!«
Die beiden anderen blickten interes
sirt in das feine, gesenlte Antlitz ge
genüber in der Loupe-Ecke.
.Magst ihn denn nicht mehr, Len
ni«
«Mden, — —- was heißt mögen?«
—- fiqttekte das bist-de Mädchen· . . .
»Ich werde doch nicht so dumm sein
und ihn heirathen! Dente mal« so al
tleine Beamtenstan, was hat man
denn da? Und Edith dagegen! Ner, ich
hab' ihm gestern Abend die Sache or
dentlich llar gemacht. Wenn wir uns
auch schon als Kinder lannten, —- -——
aus ist’ö« absolut aust«
Sie blickte ganz triumphirend aus
Grete lächelte stumm, und Frieda
meinte
«Weil man im Geschäft ist« denken
die Leute immer, man solle sroh sein,
wenn sich iiberhanpt ein Mann sür
uns fände. Bah! Mein Papa hat stu
dirt, und ehe er starb, hat lein
Mensch daran Fedachh dasz ich noch
neal siir Mama Und die Kleinen mit
verdienen müßte. Aber deshalb bleibt
man doch, was man war« und lann
genau dieselben Ansprüche stellen wie
oorher.«
.Selbstverstöndlich«, pslichteteGrete
bei, indem sie ihr Stupsnöschen bedeu
tend hdher b. »Wer weiß« wir trie
gen am En auch noch so einen reichen
Banlier oder Fabrilbesitzer« wenn uns
Edith ost einladet. Ob wohl große Ge
sellschaft heute da draußen ist«-? Ei
gentlich hiitte sie ans doch schon früher
aussordern mllssen, was? Oder nicht?
Jm November hochzeit gehabt« dann
bis Mai aus Reisen gewesen« und bald
sechs Wochen hier« ohne an die alten
Kameradinnen zu denken.«
«Am Ende ist sie seht stolz gewor
den in ihrem großen Milch« sagte
Frieda, die Lippen schützend
Lenchen schüttelte den Kopf.
Eber nein« das glaube ich nicht.
Wir drei waren doch ihre bestem-Trenn
diuses its GeschäsL Wir und die
LUMIP
W
Grethe tichertr.
»Na, die List-eth! Die war schön
dnnimt hat doch wirklich ihren Post
assistenten geheirathet. Ehe der mal
zu was tomnit. Nun sitt sie da, wäh
rend wir uns noch amiisiren können«
Die Mädchen lachten. Sie lachten
überhaupt gerne.
Jm Koupe wurden die anderen
Sonntagsanssliigler ordentlich anges
steckt von diesem klingenden, frischen
Triu. Dazu die goldene Jnsnisonne,
die lauschigen Wald- und Wiesenwege,
die zu beiden Seiten des Zuges aus
tauchten, —- es war doch ernc Lust, das
staubige Berlin auf ein paar Stunden
mit dieser Freiheit im Grün vertau
schen zu tönnen.
Aus den verschiedenen Stationen
lichtete sich. das Wagenabtheii. Die
letzte Strecke bis Wannsee waren die
drei Mädechn allein im Koupr.
Sie waren stiller geworden und be
gannen an ihren Toiletten herumzu
nutzen.
Gretbes kleiner Taschentamm und
Spiegel wanderten von Hand zu
Hand, und eine jede erträumte heim
lich von dem ersten Besuch bei der rei
chen Freundin draußen am Wannsce
irgend etwas Wunder-dates nnd Schö
nes, das ihr Leben jäh in ein einziges,
großes Glück verwandeln würde.
Lenchen besonders war ganz ausge
regi. Sie hatte das lustige, liebe Mii
dsI hnä Ins-. III-»- Mä--sA-- N -----
------- 7--» Us-- »Ist-use obs-Urst
thal hieß, besonders gern gehabt.
Schöne Sonntage waren das früher
gewesen, wenn sie gemeinsam hinaus
gefahren waren in den Wald. Edith
mit Fritz Stepfen, und sie mit Walter
und —— und ————— sie stockte in ihren
Gedanken und wollte nicht mehr an die
braunen Augen des Jugendfreundes
denken, die gestern Abend so erschreckt
und traurig an ihrem Antlitz gehaf:
tei
»Denl doch bloß, Lenchen, wie glück
lich wir oft zusammen waren.« —-- —
Sie hatte dafür nur ein Achselzucken
gehabt.
»Kinderei, —- — mit der es nun
vorbei sein muß, Walten Also leb
wohl.«
Und sie war ganz lalt und ernst zu
seiner Mutter noch einmal hineinge
gangen, die eine Freundin ihrer
Mutter war, und hatte der auch Adieu
gesagt.
Nein, sie wollte nicht. So eine Par
tie lonnte man alle Tage machen! Und
das mit Edith war doch auch ganz
plötzlich geolmmen, und sie hatte eine
Hochzeit gehabt, wie eine Fürstin, und
die tostbare Ausstattung hatte der
Bräutigam auch noch selber bestellt.
Und dann die halt-jährige Hochzeits:
reife nach dem Süden, die Van jetzt
am Wannsee, und iiber alles sein, ja
—- das war doch noch etwas, wenn
man jung war, lebenslustig, schön. ———
Lenchen griff noch einmal nach dem
Spiegelchen der Freundin.
Sie sah ihr goldenes Haar mit den
blauen Augen darunter, sah das feine,
schmale Gesicht über dem hellen Spi
tzenkragen und richtete stolz das Köpf
chen empor.
Edith war auch nicht hübscher, und
hat solch- Glück gemacht, dachte sie
troyig
»Ich werde euch den Wagen an die
Bahn fchicten,« hatte die junge Frau
auf ihre Einladung geschrieben.
Die drei jungen Mädchen fühlen
schon jegt so eine Art Größenwahm
als sie in Wannfee auf dem Bahnhof
von einem Diener in Lioree in Em
pfang genommen und zu der bereit
stehenden Eguipage geführt wurden.
Nur Grethe tonnte sich das Kichern
nicht verbeißen, als Frieda mit ganz
veränderte und viel vornehmer als
sonft tlingender Stimme den Diener
fragte: »Das Befinden der gnädigen
Frau ist hoffentlich ein gutes?"
. O « ·
-- «- O----- -----L-4- CI- ti-t.
Mc IOI SIUIII UIOIIIUII IIW UIUI ·
würdevoll und öffnete den Wagen
schlag.
Als Grethe lustig weiterlachte und
laut den Damast der Sitze und die
sonstige « elegante Einrichtung des
Fuhrwerts zu bewundern begann, gab
ihr Frieda einen gelinden Stoß in die
Seite.
»Sei doch nicht so albern, Grethel
Das braucht uns doch der Diener nicht
gleich anzumertem daß wir nicht alle
Tage Equipage fahren.« —
Der Wagen fuhr wohlgepflegte
Straßen, mit den prächtigften Besin
ungen zu beiden Seiten, entlang und
hielt schließlich vor einem hohen, eiser
nen Partah hinter dem ein Spring-«
brunnen plätscherte und zwischen alten
Bäumen die weißen Thurme einer
Villa hindurchfchimmerten.
Die Mädchen schritten nun doch et
was befanden durch all die Herrlich
keit. Jeden Augenblick glaubten sie
einen freudigen Zuruf zu vernehmen
und liebes, helles Lachen« wie es der
warmherzigen Edith eigen war.
Es schien teine Gesellschaft zu sein.
Der Garten war wie ausgestorben.
Nur Rosen und immer wieder blii
hende Rosen auf den Beeten, Duft und
Licht und Schönheit ringsherum, doch
kein Mensch zu sehen auszer dem Die
ner, der die jungen Damen auf die
Terrasse der Van hinauffiihrte, wo
ein siir vier Personen gedeckter Koffer
ttsch stand.
Und nun trat durch die Glasthiir
aus den inneren Räumen der Villa
eine- Frauengestalt mit auggestreetten
Anders und Thränen in den Augen.
Kein Lachen — —— nein —- — es l
waren richtige Thkänen in dem blas
sen, wunderschönen Antlitz.
Die Mädchen standen tote angemar
zelt.
War das Edith tDie schlante, stille
Frau dort mit den müden Augen und
dem Zacken um die Lippen, das wie
Weinen war?
Aber ja, sie küßte eine jede mit der
selben Herzlichleit wie früher.
»Ach, daß ich euch mal wiederhabe,
— —- daß ich euch —- —— mal wieder
habe,« —— — sagte sie mit mühsam be
haupteter Fassung.
Sie nahm ihnen die Hüte vom Kopf
und trug sie selber in das Zimmer ne
ben der Terrassee. Und dann strich sie
sich mit neroöser hastiger Handbewe
gung über Stirn und Augen, und
schellte dem Stubenmädchen, daß es
den Kaffee bringe.
Und nun lächelte sie auch. Aber es
war ein ganz anderes Lächeln als frü
her, und in die drei jungen Herzen fiel
es wie ein Reif, so daß sie ihre alte
Unbefangenheit nicht finden konnten.
Edith hielt Lenchens Hand mit der
Rechten, während die Linie ab und zu
die beiden anderen Mädchen streichelte.
»Aber seid doch nicht so stumm, so
fremd, Kinder. —- — lacht doch mal,
redet doch mal etwas Tolles, —- seid
doch lieb zu mir — lieb zu mir,« stot
terte die junge Frau. »Seht mal, ich
hätte euch ja so gern früher schon mal
hier draußen gehabt, aber allein, ganz
allein wollt ich euch haben, Kinder.
Und immer mai-en Gäste bi» tose
lang ost! Sportgenossenmeines Man
nes, Herren, immer Herren, die wüst
und laut, und —- — sonderbar wa
ren.« s
,,Lene, —- —— Lenchen, -« —- —
ich hätte euch nicht zusammenbringen
mögen mit ihnen." — — —
Die drei saßen wie unter einem
Bann. Sie hatten sich das Glück ganz
anders vorgestellt, als hier in dieser
müden, schlanten Frau verkörperi. Sie
tranken und aßen aus das Zureden der
Freundin, ohne zu wissen, was. Sie
verspürten auch plötzlich von der
Schönheit des Ausenthaltes und dem
Dust der Rosen nichts mehr. Immer
nur in das weiße Frauenantlitz muß
ten sie schauen, in dem die Augen so
tief und dunkel geworden und das
goldene Lachen erstorben war.
Edith fragte. Sie fragte hundert ge
ringfügige Sachen in hastiger, sich
überstiirzender Weise.
»Was macht’s Geschäft, Frieda,
und lebt der alte, dicke Mertens noch,
der mir früher immer das Bier zum
Frühstück holte —- — Hast du denn
nun endlich Zulage bekommen, Grethe,
und ist Fräulein Grashoff noch erste
Directrice? War denn eure Land
partie schon in diesem Sommer, und
— —- und — —- tanzt ihr dann wie
der im Wald — — und spielt Pfiin
derspiele?«
Jetzt zuckte die Stimme schon wie
der, und die Thränen waren auch da,
die kaum versiegt.
Frieda würgte krampfhast an ihrem
Stück Kuchen.
»Fräulein Grashoff hat augenblick
lich Urlaub, Edith, tannst dir ja den
ken, wie idhllifch ruhig es während
dessen bei uns zugeht Und unsere
Partie ist am fünften Juli. Großes
Mittagessen wie immer auf Kosten des
Ehefs und Abends Ball in Friedrichs
bogen-«
Jest thaute Grethe auf.
Au sein! Js doch jedes Jahr gleich
schön! Weißt du noch vorigen Som
mer, Edith2 Du tanztest noch denMe
nuettwalzer ganz alleine mit Fritz
Stepfen, die andern umringten euch
und sahen zu, weil ihr beide so gut
— ——,« sie stockte, da die junge Frau
jiih und tlirrend ihre Tasse nieder
sente.
»Ist — ist er noch bei euch, Herr
— —- Stepfen?«
Grethe nie-tie. Sie merkte gar nicht,
daß Lenchen Stegemann sie warnend
auf den Fuß trat.
»So halb und halb ja. Er reist fürs
Geschäft seit letzten Winter. War rein
dersessen, von hier fortzukommen, seit
du — ——«
Nun merkte sie doch, was das Fuß
signal zu bedeuten hatte. Das Statis
näschen senkte sich schuldbewußt.
»Verzeih, Edith, ich hatte wirllich
ganz vergessen, daß ihr früher so in
tlm zu samtnen waret!«
Die junge Frau erhob sich.
»Laß nur,'· sagte sie bitter. ,,Redet
nur ganz so ungenirt wie sriiher. Jhr
müßt es ja doch selber sehen, wie es
mit mir bestellt ist« Glück schaut an
ders drein, was, Lenchen?«
Sie beugte sich plötzlich nieder und
küßte das blonde Mädchen unvermit
telt und leidenschaftlich auf den
Mund.
Jm nächsten Augenblick war sie von
der Terrasse in das Nebenzimmer ge
ganaen und blieb ein paar Minuten
verschwunden. Als sie zurückkam.
brannten ein Paar heiße, rothe Flecke
auf ihren Wangen.
Das Stubenmädchen ränmte den
Kasfeetisch ab, brachte Obst undNaschs
wert auf einer Schale herbei und ent
fernte sich wieder.
»Schade, daß Lisbeth nicht mit euch
lam,« begann Edith ruhig. »Sie
schrieb mir eine kurze Absa e, die sehr
verworren klang. Lebt se glücklich
mit ihrem Manns Sie heirathete ia
dier Wochen früher als ich damals-«
Lenchen nicktr.
»Seht glücklich. Sie ist noch rosi
get geworden denn als Mädchen. Und
jedesmal fragt sie nach dir, Edith,
wenn wir beisammen sind.«
Frieda lächelte mitleidig.
»Aber so thöricht zu sein als verhei
rathete Frau! Als ich neulich mal da
war s— —- dentt mal. vier Treppen
hoch in der Alten Jakobstraße » —
thaten die beiden Leutchen noch, als
ob sie sich eben verlobt hätten. Ein
viertel Pfund Leberwurst hatten sie
als Abendbrot und dazu Braunbier!
Und sie lachten und machten einen
Unsinn, als hätten sie Seit getrunken.
Ja, er küßte sie sogar in meiner Ge
genwart."
Edith saß still und oertriiumt da.
,,Ja«, fügte Grete hinzu, und nun
geht sie auch gar nicht mehr aus. Näht
immer nur kleine, winzige Hemdcheth
Jäckchen und Läßchen Natürlich soll’s
ein Junge werden und aussehen wie
der Papa.« —- —
Es wurde still nach diesen Worten.
Die junge Frau hielt die Hände im
Schoß gefaltet, ein Paar schwere
Thränen glitten langsam über das
marmorblasse Gesicht. Und nun sah sie
empor nnd direkt in die heißen, ver
wirrten Mädchenaugen.
»Die Glückliche, — die Reiche«, —
sliisterte sie heiser. »Ich will Euch mal
etwas sagen, Lcnchen, Frieda, Grete,
Jbr seid auch noch so jung, so unbe
dad1t, so voller Sehnsucht nach etwas
Wunderbarem Große-m Glänzenden1,
das da kommen soll, wie ich es war.
Hört nicht auf diese Lockung bitte, —
——- bitte hort nicht darauf! Geht nur
nach der Stimme des Herzens, wenn’s
mal so weit ist, eßt lieber trockenes
Brot bei jungen Seligkeiten, als ver
läuft Euchs Ach Kinder, Kinder, —
man glaubt ja immer, die Liebe
kommt, sie muß ja kommen, wenn sie
nicht schon vor der Hochzeit da ist.
Oder, —- -— du hast sie ja gar nicht
nöthig bei all dem Glanz, all dem
Reichthuml —- — Und nachher war-«
tet man, wartet Tage und Nächte auf
das Wunderbare —- und hat doch
nichts als einen kranken Mann, der
vor unserer Zeit fein Bestes fortgear
ben und sich mit seinem Golde durch
uns Kraft und Jugend zurücktaufen
will . . Mädchen, das wünsch’ ich Euch
niemals, d i e Stunde darf Euch nim
mer kommen, wo Jhr schaudert bei der
Nähe Eures eigenen Mannes, wo ihr
in Qual und Neue Euch zurücksehnt
nach einem Menschen, der weiter nicht
viel besaß als eben dieses goldene
Herz! . . . Seht mal, das lönnt ihr ja
auch noch wissen, ich habe damals den
Fritz Stepfen lieb gehabt, lieb . . .
lieb, so lieb! Aber er war mir nicht
gut genug, ich wollte höher hinaus
und bin doch nun so tief, so tief ge
sunten, daß mir der liebe Gott nicht
mal ein Kindchen schenkt, um das ich
ihn so innig angefleht, . . . nein, . . .
nie, nie schenken wird in all dem
Elend!«
Sie schwieg, wie vor sich selber er
schreckend, erhob sich jäh von ihrem
Sitz und lachte dann ganz laut und
forcirt auf.
»Aber nein -— —- was red’ ich euch
denn da alles vor, — s— kommt,
lommt in den Garten, Kinder, laßt
uns lustig sein« lustig wie früher!« —
Aber es wollte mit der Lustigteit
nur schlecht gehen an diesem Nachmit
tag·
Es war noch hell, und die Abend
fonne färbte den Westen blutroth, als
sich die Mädchen schon zur Heimsahrt
riisteten·
Edith hatte ihnen die Hände mit
Rosen gefüllt und ihnen das Geleit
bis zum Bahnhof gegeben.
Nun fasten sie im Konn- mnriknm
gedriickt und ernst.
Besonders Lenchen. Sie band in
unertlärlicher innerer Unruhe wieder
und wieder ihren Blumenstrauß zu
sammen.
Ob wohl der Walter heute Abend
noch daheim war? Aber ja . . . seine
Mutter tränkelte so viel in letzter Zeit,
da blieb er des Sonntags ja stets bei
der alten Frau und las ihr vor oder
spielte- Bioline an stillen Sommer
abenden.
Ob sie wohl noch hinaufgehen
könnte nachher und seiner Mutter die
schönen Rosen bringen? Und dem
Walter vielleicht gleich ein gutes Wort
dabei sagen, weil — weil sie ihn doch
so tieb — so lieb —- ach so lieb hatte!«
Das bionde Mädchen saß plötzlich
da und weinte.
Und als die Freundinnen ganz er
schreckt ihre Hand nahmen, schluchzte
sie nur noch mehr. i
»Mußt dir das nicht so zu Herzen
nehmen mit Edith,« meinte Frieda
tlug. ,,’s is ja traurig, . . . aber mein
Gott, sie lann sich ja scheiden lassen«—--—
Und Grethe setzte hinzu-·
»Ja, und alle reichen Männer sind
doch auch nicht trant und haben eine
Glatze wie Direktor Jagenthal!«
Lenchen antwortete gar nicht« Sie
umklammerte mit beiden Händen ihre
Blumen, und in ihre Thränen stahl
sich, je mehr der Zug sich Berlin nä
herte, ein weiches-, träumerisches Lä
cheln·
Ja, —- sie wiirde noch hinausgehen
zu Walter und seiner Mutter. Ja, —
das mußte sie doch sicher heute Abend
noch thun! Weil doch sonst die Rosen
verweilen könnten, — —- wenn —- —
sie noch wartete. —- — —
Das Sparkassenbrich.
Humoreste von H u g o M a r o.
»Donnerwetter, lieber Namensvet
ter, bei dieser Lettiire muß man aber
einen »Morsali chen« kriegen!« rief der
Studiosus Al rt Meyer.
Der mit Namensvetter Angeredete
—- er hieß auch Albert Meyer und war
Buchhalter in einem der ersten Ge
schäfte der Universitätsstadt —- lsachte
fröhlich auf. Er hatte sich nicht wenig
auf den Moment gefreut, da er dem
Studiosus, seinem Jugendfreun-de, mit
dem er bis Sekunda die Bänte des
Gymnasiums gedrückt, »das kleine, un
scheinbare Büchelchen mit den blauen
Deckeln zeigen würde.
Der erwartete Effekt blieb denn auch
nicht aus. Das Gesicht des Studen
ten war wirllich photographirens
werth, als er nach wiederholter Prü
fung von Titel und Inhalt des Heftes
Bedeutung erfaßt hatte.
Ein Sparkassenbuchl
»Es ist also keine Legende, sdaß es
solche Bücher gibt?« meinte der Ver
bliiffte mit gepreßter Stimme, »und
Du bist der glückliche Besitzer dieses —
u ng laublichen Dotuments?«
»So ist’s,« bestätigte der junge
Buchhalter schmunzeltid
Der Musensohn legte das Heft auf
den Tisch.
»Da steht nun mein Namen auf dem
Titelblatt,« seufzte er, »o grausame
Ironie!« Und vor dem geistigen Auge
des ewig in Geldnöthen befindlichen
Studiosus tauchte die Unzahl seinern
Manichäer sauf.
Längst nachdem sich sder Spartassen
buchbesitzer entfernt hatte, saß der
Studiosus noch immer nachdenklich im
Banne des ,,Moralischen«, den das Er
lebniß hervorgerufen hatte. Da wurde
an die Thüre getlopft.
,,Herein!« Und leise fügte er hinzu:
»Wenn’s kein Schneider ist!«
Ein Schneider war’s nicht, aber der
Onkel Bissing, und das bedeutete auch
nichts Gutes.
Onkel Bissing hatte nämlich in sei
ner großen Verwandtschaft die Mis
sion, dem jungen männlichen Nach
wuchs, besonders den Studenten, wel
che ihre Einnahmen und Ausgaben
nicht im Gleichgewicht zu halten ver
mochten. ab und «zu Strafpredigten
vulgo Moralpaulen zu halten« Jn
solge langjähriger Uebung wußte er
sich dieser Aufgabe stets mit wahrer
Virtuositiit zu entledigen.
Auch heute-ließen seine tiihle Be
griißung und sinstere Miene Schlim
mes ahnen.
»Bitte, Onkelchen, nimm Platz!«
Aber Onkelchen ignorirte die
freundliche Einladung. Die Hände
auf dem Rücken, ging er im Zimmer
auf und ab, in allen Ecken ,,un1her
schniisselnd«. Das war so seine Art,
wenn er seine Gedanken siir einen träf
tigen Sermon tonzentrirte.
Der Studiosus senkte resignirt das
Haupt. Fühlte er sich doch schulsdbe
wußt, da er vor wenigen Tagen erst
einen Brandbrief nach Hause geschickt
hatte.
Plötzlich ließ ihn ein Ausruf des
Erstaunens von des Onlels Lippen
aufschauen. »Albert, was ist denn
das?«
Da stand der Onkel, in der Hand
ein dünnes Heft, in dem Antlitz starkes
Staunen.
,,Junge, Du hast Dir ein Sparkas
senbuch angelegt?«
Sollte Studiosus Albert Meyer
dem Onkel reinen Wein einschenken
und verrathen, daß sein Freund und
Namensvetter bei seinem etwas eili
gen Ausbruche das Spartafsenbuch —
auf dessen Titelblatt der Stand seines
Besitzers nicht angegeben war — ver- ·
gessen hattet Mein, er woute ern ein
mal abwarten.
Der Onkel war wie umgewandelt;
aus feinem Gesichte, wo eben noch die
drohenden Wollen eines heraufziehem
den Gewitters gelagert hatten, lachte
jetzt der Sonnenschein bester Laune.
»Albert, Junge, ift’s denn möglich?
Also darum brauchtest Du immer fo
viel Geld? Ja, nun sehe ich die Sache
freilich in einem anderen Lichte. Sieh
mal, Albert, ich war eigentlich gekom
men, um Dir infolge Deines le ten
Brandbriefes asuf Bitten Deines a
terö eine kräftige Philivpika zu halten.
Du weißt, Dein gutmüthiger Papa
bringt das nicht über’ö Herz. und da
muß ich dann in die Vresche springen.
Freude macht mir die Ausführung sol
cher Aufträge wahrlich nicht, besonders
in diesem Falle, denn Du bift von
Kindheit an mein Liebling gewesen.
Um so mehr freut mich die Entdeckung,
die ich soeben gemacht habe. Die Jdee,
sich als Student ein Spartassenbuch
anzulegen, ift wirklich nicht übel. Denn
ihr jungen Atademiter müßt ja auch
nach Absolvirung der Universität oft
lange warten, bis ihr von eurem eige
nen Einkommen existiren könnt. Da
kann solch ersparter Fonds im Hinblick
auf mancherlei Möglichkeiten von gro
ßem Nutzen sein« zum Beispiel falls
dem Vater einmal hinsichtlich der ewi
den Zuschüsse der Geduldsfaden reißen
sollte. Nun aber-, mein lieber Neffe,
follst Du mich auch einmal von einer
angenehmen Seite kennen lernen.« Der
Onkel zog fein Portefeuille. »Ich sehe,
daß Du bisher siebzehnhundert Mart
eingezahlt haft. ier schenke ich Dir
sdrei Hundertmarl cheine, daß Du die
Summe auf zweitausend abrunsden
tannft.«
Der Studiofus starrte ganz fas
fun slos auf die Kassenscheinr. Drei
Hun ert Mart, damit konnte er ja sei
ne ärgften Gläubiger befriedigen»
»Onlelchen, ist’s wirklich Dein
.»».. ..— --.—.. --- — ...--. .,-·.. .-.---..-...-.«-.,. —
Ernste O. vielmals besten Dunkl«
»Schon gut. Betrachte das Geschenk
als Lohn und Ausmunterun zu wei
terer Bethiitigung des Spar amtettss
sinnes.«
»Ja, Onkelchen, aber zanuse darfst
Du von dem Sparkassenbuche nichts
verrathen, Papa würde wir dann mei
nen Monatswechsel wahrscheinlich be
schneiden.«
»Ganz recht, die Sache bleibt Ge
heimniß zwischen uns beiden.«
Als der Buchhalter später sein Ei
genthum abholte, bemerkte der Studie
sus im Brusttone innerster Ueberzem
gung: »Weißt Du, Namensvetter,
solch Sparkassenbuch ist wirklich eins
segensreiche Einrichtung.«
Somit-eures
Als neuester Garnisonwitztvird in
deutschen militärischen Kreisen —
swelcher Garnisons ist ja gleichgültig —
solgendesGeschichtchen mit stets erneu
ter Heiterkeit weitererzähltt
Die beiden Höchstkommandirensden
des sbetresssenden Ortes, der General
und der Oberst, haben bei ihren Unter
gebenen die Spitznamen ,,Aeneas« und
,,An"dreas«. Sie tannten ihre Beina
men, ohne allerdings den ihnen gani
unertlärlichen Zusammenhang dieser
Namensgebung zu wissen. Schon län
gere Zeit hatten sie bei einigen ihnen
besonders besteundetens Kameraden
nach dem Warum gesorscht, ohne jedoch
Aufklärung zu finden. Da geschah es,
daß wieder einmal ein junger Leutnant
nach Xstadt tommandirt wurde. frisch
vom Kadettenlorps het. An diesem
jun en Menschen beschloß der Generak
no einmal durch seine Adjutanten
sein Verlangen nach Auf-krum; über
,,Aeneas« und ,,An-dreai.»' . erfüllen.
Den beiden Adjutanten wu;;: einge
schärft, beim ersten Liebesmwl dem
iungen Offizier mit aller etdentxichm
Liebenswürdigkeit zuzutrinken, dcsznit
sich vielleicht unter dem Einfluß Des
Seites seine Lippen zu dem ersehntes-c
Geständniß über oie sonderbaren Bei
namen öffnen würden. So geschul)’5.
Mit »Prosit!« und immer erneute-n
,,Prosit!« und ,,auf’g Spezielle" u. s.
w. wurde dem- neuen Ankömmling ge
hörig zugetrunten und eingeheizt, bis
er schließlich ganz selig wunde. Nun
hielt man den Augenblick filr gekom
men. Der General nahm ihn untev
den einen, der Oberst unter den andern
Arm und man fragte ihn, ob er nicht
wisse, woher sie die merkwüvdigen
Spitznamen »Aeneas« und »Andreas·«
hätten . . . »Aber gewiß, Ex’lenz,« sag
te «der jüngste Leutnant seelenvergnügt,
,,Ex’lenz betonen nur falsch.« Der
General machte ein fragendes Gesicht.
Da öffneten sich die Lippen des Leut
nants:
»Es heißt einfach: das »dem Aas«
und das »andre Aas! . . .« .
W
Künstlers Sprache.
Geigentiinstler: . .Meine Fin
ger helfen mir auf die· Beine!« I
Nn also.
Alte Dame: »Wie, Sie bekommen
Honorar? Jch glaubte, Sie schrieben
nur zu Jhrem Vergnügen?"
Junge Schriftstellerim »Nun, ist
Geld bekommen vielleicht tein Vergnü
gen.«
Beim medizinischen Konnt-eß.
Vortragenden »Und deshalb, meine
werthen Herren. muß nunmehr die Hy
giene zu dem endgültigen Resultat
kommen: Ungetochte Milch ist und
bleibt ein zweischneidiges Schwert!«
Ein guttt Mensch.
Student lzu feinem ihn mahnensderc
Jckzneiderx »Sie sehen übrigens recht
uiukz aus . . . kommen woyi zu wenig
an die Luft . . . ich werde, damit Sie
hierzu Gelegenheit halben, Jhnen dak
Geld lieber nicht geben«
Leichte Ablittlfr.
Miethlustiger Garcom »Aber das
Babn wird mich doch nicht in der Ar
beit stören?"
Vermietherim »J wo — wenns das
zu schreien anfängt, setzt sich meine
Tochter immer gleich an’s.-— Klavier und
spielt!«
Busens-Stutt.
Redakteur: »Ist meine Tante mit
der Toilette fertig?«
Zofe: «Nein, Madame müssen noch
ein wenig ihre Jugend redigiren!«
Besonderer Falt.
Junger Ehemsanm »Unsere eglittep
wochen fielen gerade in die unst
tage.«
Freund: »So hattest Du diesmal
eine süße Saure-Gurkenzeit.«
Im Wachsfiguren-Museum.
(Jm Jahre 2000.) Besuchen »Wer
war jener robufte Bauer?«
Aufseher: »Der einzige nicht nee
vöse Mensch des vorigen Jahrhun
dert5!«
L riqinelle Zurückweiiuns.
Student (zudringlich): »Wissen
Sie, Rietchen, Sie sind ein wahrer
«Diamant!«
Dienstmädchen: ,,Jawoll, Herr
Sitffle, blos ich will nich jefaszt sind.«
So lau-sam.
»Das ist ein netter Junge, den Sie
da haben.« "
»Ja, er ist auch ganz gut, aber
furchtbar langsam. Wenn er die Arche
Noahs zu bauen gehabt hätte, wäre
die Sintslutli wahrscheinkich noch im
mer nicht eingetreten