Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 14, 1903, Zweiter Theil, Image 11

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Die Totenband
Ktiminalmman vcsn Richard Millle
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U« « (1. Fortleiungd
«Nur von ungefahr: Ich muß Sie
haben.«
Die Frau siel mit nerviisem Ruck
gegen die Zimmerthiie und stöhnte:
. »Sie sind ein Polize«ibeamter?«
»Nein nichts derartiges. Wie kom
men Sie aus diese Vermuthung? Sie
müssen freilich besser wissen als ich,
was Jhr Mann aus dem Gewissen
« hat. Aus seinem ganzen Benehmen
- löst sich nur schließen, daß er triftige
Gründe hat, die Polizei zu fürchten,
denn kaum hatte ich ahnungslos diese
Aeußerung gethan, welche vielleicht ei
ner polizeilichen Form ähnlich hieß,
als er auch schon die uaf dem Tische
stehende« Flasche ergriff und mich wie
ein Wahnsinniger damit niederschlug.«
»Er schlug Sie damit nieder?« Das
Gesicht der Frau wurde aschfahl Jch
sah, daß sie Mühe hatte, sich aufrecht
zu erhalten
»Davon sagten Sie mir ja aber lein
Wort, als ich gestern Abend ing- Zim
mer trat.«
»Ich war so unfähig zum Denken
und fast von Sinnen durch die Ge
waltthat Jhrrs Mannes, daß ich über
haupt laum Worte fand. Jch nahm
mir nur vor, bis zum andern Morgen
zu warten und dann mit ihm abzu
technen.«
»Sie sagen mir die Wahrheit-P
»san«-du«
Es war die Wahrheit, nur hatte ich
ihr nicht alles gesagt.
Die Frau Wirthin schien genug ge
hört zu haben, denn gleich darauf ver
ließ sie mich, ohne Zweiefl wenig er
leichtert durch dac- soeben geiiihrte Ge
spräch
Am andern Morgen erwachte ich
mit den heitigsten Lopfichmerzem wie
es nicht anders zu erwarten war. Ich
fühlte mich förderlich und geistig in
denkbar ichlechtester Verfassung. als
ich zum Frühstück hinunterging
Diesinal bediente mich esin Mäd
-.». mei- n- m;- »me- Issiibitiick nickt
-,.... ...- « .......... »--,..-.
te, lag auf dem Präfentierbrett ein
Brief mit der Auflchrift: »denn Jas
mes Southam.« Die Frage. des
Mädchens. ob veksktve nik mich sei,
bejaht-nd, nahm ich das Schreiben an
mich und öffnete das Couvert sogleich.
Es enthielt einen befchriebnen Brief
bogen und eine zweite Einlege.
Der Brief lautete folgendermaßen:
s« Werther Herr!
d
b
Soeben erhielt ich ein Telegramm
wn Cleaver und Garten, Durch wel
ches mir Ihre Adresse betannt wurde.
Jetz- beeile mich, Ihnen darauf sofort
zu schreiben. Augenblicklich tehr ftnrt
beschäftigt, hoffe ich, hinnen turzern,
spätestens in einigen Tagen, ielbit bei
Ihnen vor-zusprechen Heute nur lo
viel, daß mein Besuch für Sie von
großem Vortheil iein wird. Als eine
schwache Garantie fiir meine Worte
bitte ich, die heutige Einlnqe betrachten
und annehmen zu wollen. Sie hab-en
nichts zu befürchten, denn ich bin Jhr
wahrer Freund. Von meinem Kom
men werde ich Sie per Telegrainin in
Kenntniß setzen· Bis dahin betrach
ten Sie als Jhren aufrichiigen Freund
Jhken
Duncjn Rothwell.«
Ich öffnete die Einluge; dieselbe be
ftand aus vier Fünfpiundnoten.
Daß ich auch nicht die leifefte Ah
nung hatte, wer dieser Duncnn Noth
tvell fei, ift kaum nöthig, zu erklären.
Der Brief felbft trug weder Adresse
noch Datum; auf dein Gouveri befand
fich der Poftftenipel Manchester.
Die Herren Cleaver unn Caxton
mußten unverzüglich, nachdem fie mich
hier untergehradz hatten, an den Ah
fender des Briefes telegraphirt haben,
und auch dieser hatte mit dem Schrei
neu allein Anlcheine nach teinen Au
«' Der Brie war ganz gut fiilifirtz
aber ein Etwas in der Schrift und sag
ganze Ansehen des Schreibens ließ
Idoch erkennen, daß dasselbe nicht von
einem besonders fein erzogenen Manne
kam. In mehr ais einer Bezlthng
fchien es mir zweifellos, daß Ver Brief
nicht für mich bestimmt fei. Kaum
Hatte ich indes den Bogen ganz ans
einandergefaltet, ais mir tiae wurde,
daß ich mich ganz irrthiimlicherweife
nicht fiir den rechtmäßigen Empfänger
gehalten heite, denn ganz unten auf
der dritten Seite stand forgendm
P. S. Mit tiefftem Bedauern habe sich
dont-ein iraurigen Ende Ihrer Mut
ter in Putneö gehört. Jch hatte vie
fchmerzliche enugthuung, an ihrem
Grabe auf dem Friedhofe von Mantis
worth zu stehen. Das ift ein Um
stand, der fei: die Folge manches er
leichtern wird.
Nun wußte ich es genau, daß Tier
Brief fiir mich bestimmt war, fiir mich
alle-in; Denn meine Mntier war in
Peinen gestorben nnd auf dem Fried
ofe von Wandsworth beerdigt wor
den« Wie und warum aber meiner
Mutter Tod in Zukunft auf irgend
M Sächs von Einfluß fein over sie
kbtedielrsleichiern könnte-, blieb smir ein
f , , e I
» III sh. am Fenster stehend, noch
genblick geszöfxerip
über das lesene nachdachte, trat das
Dienstmiid en mit ider Antrage an
mich heran, ob Frau Barnes mich
einen Augenblick sprechen könne. Jch
muß gestehen, daß ich nicht besonders
begierstg daran war, Frau Barnes
abermals zu se n und zu sprechen,
denn ich hatte den Eindruck erhalten,
daß ich sin die Familienangelegenheiten
dieser Frau mehr als wünschenswerth
eingeweiht werden würde, salls ich
mich nicht so ablehnend als möglich
verhielte. Wenn ich jedoch noch einige
Zeit in ihrem Hause verblieb, ließ es
sich wohl nicht ganz vermeiden, mit ihr
ab und zu zusammenzutressen Eigent
lich hatte ich vor, zu Cleaver und Catt
WII zu gehen mit der Bitte, meine
Wohnung verlegen zu wollen; aber ich
hatte das Gefühl, daß sie mir die Er
füllung meiner Bitte verweigern wür
den. Kurz entschlossen wandte ich
mich also zur Thür, um dem Wunsch
der Wirthin zu entsprechen. Ihr Pri
datzimmer war ein kleiner mit Mö
beln aller Art vollgepfropfter Raum,
an dessen Schwelle mich Frau Varnes
empfing. Nachdem ich eingetreten
war, schloß sie wiederum die Thiir
hinter uns ab.
»Er ist nicht zuriiclgelehrt,« sagte sie
zu mir.
»Sie meinen —-——
»Mein Mann!«
»Offen gestanden finde Ich es viel
besser, er lehrt nicht hierher zurück, so
lange ich noch ein Jnsasse Jhreg Hotels
bin. Sie liinnen tsaum don mir er
warten, daß ich sein, gelinde gesagt,
anßeraeioöhnliches Betragen mit völ
ligetn Stillschweigen übergehe.«
Zie starrte mich in derselben Art
wie in der verflossenen Nacht an; dann
sagte sie: »Seit zwölf Monaten bin
ich mi: Barneg verheirathet. Jch habe
es schon unzählige Male bedauert;
denn ich befürchte, es unt-giebt ihn ir
gend ein schreckliches Geheimniß.'«
»Ich mus; meinestheilg allerdings
ins-eben snnir fein Betragen mir acum
«
iiber mindestens geheimnisvoll ist; wi e
weit das auch bei Jhnen in Betracht
kommt, tann ich freilich nicht beurthet
en
»Er ist mit immer unheimlich gewe
sen --von Anfang an s—« sie stockte
und bewegte tonlos ihre Lippen. »Sie
sind mir zwar ein ganz Fremder,« hub
sie von neuem an, »aber ich muß einen
Vertrauten haben.«
»Bit. e wählen Sie aber nicht mich
zu «Jhrem Vertrauten ———ich versichere
S e — —«
i »Ich muß aber mit Ihnen sprechen,
! un no ich will es auch; denn ich tann vie
’ nat nicht langer ertragen. Sehen
i Sie sich und hören Sie mir zuk«
Ich begriff, nasz ich, ohne eine nn
angenehme Scene herbeizuführen, nicht
oon ihr lostommen würde una fügte
l mich daher in ihren Wunsch.
i »Ich hatte niemals den Wunsch, ihn
izu heirathen,« begann sie. »doch er
! brachte mich aus besondere Weise dazu,
ihn trotzdem zu nehmen· Jch wollte
sdiesen Mann nie, niemals- heirathen,
ich die ich eine, wenn auch allein
i stehende, Doch mit ihrem Loose ganz
izufrieaene Frau von beinahe vierzig
Jahren war. Er war mir ein gänzlich
;Frember, so ivsie Sie es sind. Warum
- sollte ich gerade einen solchen, noch oa
zu ohne einen Pfennig in der Tasche,
heirathen.- Dieses Haus ist mein Ei
genthum, wie es vor mir meiner Mut
» ter gehörte. Hier herein tam er eines
Tages von- der Straße, taum ein Paar
ordentliche Schuhe an den Füßen tra
gend, und fragte mich, ob ich einen
Kellner brauchen könne. Daß ich seine
Frage verneinte, störte ihn nicht weiter
in seiner Unverschämtheit, denn er be
gann sofort seinen unheilvollen Ein
fluß aus mich aus utt"ben, dadurch,
pasz er tnichhhtznoti sprte und schließlich
foweir orach:e, feine Frau zu weroen."
»Er hypnotisirte Sie-Frau Bar
nes, Sie fcherzen.«
O, durchaus nicht."
Allerdings mußte ich ihr ·die Ge
rechtigteit widerfahren lassen, daß ich
’ kaum je einen.Menschen sah, der zum
Schergen weniger aufgelegt schien
» als sie.
» »Ich bin immer eine sehr nervöfe
Natur gewesen, das hatte er sofort
; durchschaut und wußte, daß ich ganz
in seiner Macht stand. Er hypnoti
sitte mich unauögesetzt und hatte da
durch nach Verlauf eines Monats sei(
nen teuflischen Zweck erreicht. Gleich
nach unserer Verheirathung drängte
sich mir der Gedanke aus« er miisse
wohl wahnsinnig sein. zu welcher An
nahme mich manche seiner Museum
gen und atra-langen berechtigten. Da
tani die ewohnheit, im Schlaf laut
zu reden—rvas für Träume mußte
er haben, o, mein Gatt! Nacht für
Nacht lag ich s laflos da und lauschte
feinen entfetzli n Reden. selbst halb
wahnsinnig vor Furcht. Dann ta
men wieder Zeiten, in Wen er im
Schlaf urntprwandelte.—
»Der einzige Gegenstand, den er mit
hierhergebracht hatte« war ein tleiner,
hölzerner, in ein Taschentuch einge
brrndener Kasten. Nie konnte ich er
fahren, was dieser Kasten enthielt.
Ein einziges Mal war tch nicht im
Stande meine Neugier nä Ist-:
—
driickem und ich richtete eine Frage m
betreff des Inhalts an ihn, doch ich
bereute es auf der Stelle, denn ich
glaubte snichi ansder5, als er würde
mich sofort tödten.
»Eines Nachts stand er wieder ein
mal im Schlafe auf und begab sich die
Treppe hinunter. Obwohl ich vor
Furcht fo zitterte, »daß meine Kniee
aneinanderfchluigem ging ich doch hin
ter ihm her. Er trat hier in dieses
Zimmer ein. Der erwähnte Kasten
befindet sich hier in diesem Schreib
tif. Sie deut ete mit dem Finger
auf in großes, altmoid sches Cylinder
bureau, welches sich dicht hinter mei
nem Sitz befand.
»Ununterbrochen murmelnd hielt er
ein Zwiegespräch mit sich felber. Da
er sehr leise sprach, konnte ich bei wei
tem nicht alles verstehen, was er fagte,
aber immer usnd immer wieder tam
etwas svom Teufel darin vor. Wäh
rend dieser Reden zog er seine Ksaffette
aus dem Schreibtisch hervor und
nahm darin mit seiner Hand etwas
vor; was es war, konnte ich nicht sehen,
aber ich denke mir, das Behältniß hat
eine geheime Feder, welche nur er zu
finden weiß, denn so oft ich auch seit
dem verfucht habe, es zu öffnen, im
mer war und blieb es veroeblich, wäh
rend er nur die Hand anzulegen
brauchte, um den Deckel zu öffnen.
Als dies geschehen, stellte er den Kasten
auf den Tisch nieder. Jch stand hin
ter ihm in der offenen Thiir und be
obachtete jede feiner Bewegungen, ohne
daß er «·die geringste Ahnung von mei
ner Gegenwart hatte.«
,,Sind Sie denn tvirtlich "der Mei
nung, krau Barnes, daß Jhr Gatte
alles, was Sie berichten, im Schlafe
that3«
,,Jn festem Schlafe!«
»Wenn ich nun annehmen möchte,
daß auch Sie sich in diesem Zustande
befunden haben?«
»O Gott, ich wünschte, es wäre fo
aecbesen; denn feit jener Stunde habe
ich nicht eine ruhige Nacht mehr gehabt
-. ....-,.-....-»--..- ..».. . —«
Ullo slll Icllscm llcgcllkllgckl zum EDIT
lett. Doch lassen Sie mich fortfahren:
Als der Kasten sich öffnete, stieß mein
Mann ein Lachen aus« so grauenvoll,
daß mir fast das Blut isn den Adern
zu Eis erstarrte.«
Sie schien mir ganz und gar zu den
Geschöpfen zu gehören, Ideren Blut eine
besondere Neigung dasiir haben mochte,
selbst auch ohne ungewöhnliche Veran
lassung.
»Jetzt nahm er etwas aus dem Ka
sten heraus. Als ich das Etwas sah,
dachte ich, ich müßte vor Grauen um
sinten.« —
Die Aermste schien von einer wah
ren Nerventrisis gepackt zu werden«
und ihre Stimme sant zu einem speise-!
ren Flüstern herab: »Es war der Fin
ger e: ner weiblichen Hand!«
»Iau Barne·s!"
- r Finger einerFrau, an welchem
ich deutlich einen Trauring glänzen
sah; leyterer war zu tlein für den
Finger, so das-, er tief in das Fleisch
einschnitt Er stand und starrte diesen
Trauring an.
»Was-? Er hatte die Augen geöff
ne:t Sie sagten mir doch soeben, er
hätte sich in tiefem Schlaf besunden."
»Im allgemeinen weiß ich nichts von
Nachtwandlern zu sagen; er war der
erste, den ich in meinem Leben sah,
und ich hoffe zu Gott, daß es auch der
letzte ist. Aber soviel weiß ich genau.
daß, wenn er irn Schlafe umherging,
seine Augen stets weit offen standen;
mi: einem Ausdruck, der geradezu
fürchterlich war, hefteten sich diese
Augen aus die ihn umgebenden Dinae
und starrte er auch jetzt aus den Ring
an dem bewußten FS nger. Daher
klang es laut und vernehmlich von
seinen Lippen:
»An einein dieser Tage werde ich
dich heraus-s chneiden und sehen, wie du
dich an meinem eigenen Finger aus
nehmen wirst.«
Mit diesen unheimlichen Worten
legte er den Finger aus den Tisch und
entnahm dem Kasten noch drei andere
Finger, sowie einen Daumen·«
»Ein-d Sie auch sicher, Frau Bar
IIID, Utlkj IV WILOUUK UKUIUJULUI UND
ger waren?"
»Ich dente, ich tenne Fin er, wenn
ich sie vor mir sehe! Doch gären Sie
mich zu Ende: Er legte die Finger aus
den Tisch dicht zusammen, die Nägel
nach oben, wie Sie es an Jljrer eige
nen Hand sehen, und redete sie folgen
dermaßen an: »Ihr werdet mir nie
wieder eure Tesjselsitreiche spielen, das
ist sicher.«
»Dadei grinste, schielte und schnalzte
er mit der Zunge, viel eher einem
Teufel als einein Menschen ähnlich.
Jetzt zog er einen in ein weißes
Stück Zeug gewickelten Gegenstand aus
dem Kasten. Jch sah, daß die Um
hitllung an verschiedenen Stellen Blut
flecke aus-wies. Er entnahm derselben
eine derstiimmelte krauenhand, deren
Fläche er an seine tippen drückte und
tiiszte. Auch dieses Fra ment legte er·
zu denFingrrn aus dem isch. berührte
alle Theile in sonderbarer Weise und«
MFrau Barneg gab einen gurgelnden
Laut von sich. der recht unheimlich
Hang-— »und nachdem er diese einzel
nen Theile mit einem Griff erfaßt
hatte, hielt er die durch irgend einen
Teufelösput wieder zu einem Ganzen
vereinigte Hand doch empor.«
Vergebens sann ich auf ein Mittel,
sie an der Fortsetzung ihrer unglaub
lichen Geschichte zu hindern.
»Ich dente mir,'« fuhr sie sori, »daß
ich durch den schrecklichen Anblick ohn
miichtig geworden bin; denn das
nächste, woran ich mich zu erinnern
vermag, ist die Thais-sche, daß ich mich
aus dem Fußboden liegend in dem völ
lig leeren Raum befand Eine Weile
konnte ich kaum Athem schöpfen oder
mich bewegen; auch konnte ich mir nicht
erklären, wo mein Mann hingekommen
sein mochte. Wie ich in dieser Stunde
den Muth gewonnen habe, die Treppe
wieder hinau«szusteigen, ist mir noch
heute ein Rärshsei. Als ich oben an
kam, fand ich meinen Mann sest schla
fend in seinem Bett vor.«
»Entschuldigen Sie meine Frage,
Frau Barnejz asber haben Sie viel
leicht noch eine Erinnerung daran,
wag Sie am Abend vor jener Nacht
genossen hatten? Vielleicht leiden Sie
an Alpdriicken.« ,
,,Alpdriicken? Lächerlich! Das war
ja nur das erste Mal, daß ich ihm ge
folgt bin. Jch habe ihn seitdem un
ausgesetzt bewacht und herausgefun
»den, daß er immer in der dem Freitag
vorausgehenden Nacht im Schlafe um
herging, die Treppe hinabstieg und
jene schreckliche Hand anglotzte.«
»So meinen Sie, daß es bei ihm
mit diesem Tage eine besondere Be
wandtniß habe?«
»Das weiß ich nicht! Was weiß ich
oder irgend ein anderer Mensch über
haupt darüber zu sagen? Lachen Sie
nicht über mich, mein Herr. Sie den:
ken, ich sei eine Närrin oder eine Lüg
nerin. Nein, Sie sollen diese Hand
selbst sehen und mir sagen, was Sie
davon halten. Jch will sie Jshnen zei
gen, und wenn ich den Behälter in
Stiicle schlagen müßte.«
Jn höchster Aufregung durchschritt
sie den Raum. Jch erhob mich, um
ihr den Zugang lzum Schreibtisch frei
zugeben Sie zog einen kleinen Beutel
aus ihrer Tasche und entnahm dem
selben einige Schlüssel.
,,(fr hat meine Schlüssel; er brachte
mich auch dazu, sie ihm zu geben.
Das-: ich sie aber doppelt besaß, wußte
er nicht. »Es geschah sehr selten, daß
er ausging; denn er mochte wohl trif
tigen Grund haben, sich nicht allzuviel
zu zeigen; wenn er aber einmal aus
gegangen war, so begab ich mich sofort
hierher, schloß mich ein und versuchte
immer wieder, die Feder an dem be
wußten Kasten zu finden. Dabei hatte
sich immer den Gedanken, daß in dem
selsben noch irgend etwas anderes lie
gen würde, was ich nicht gesehen hatte.
Jetzt aber will ich den Jnhalt genau
kennen lernen, koste es, was es wolle.«
Bei diesen letzten Worten zog sie die »
Kladpe des Schreibtisches herunter,j
wodurch eine Anzahl Schnbladen, so: ’
wie ein in der Mitte befindliches Fach
sichtbar wurde. Kaum hatte sie letzte
res aufgeschlossen, als sie einen geilen
den Schrei ausstieß.
»Sie ist fortl« stöhnte sie.
Ich trat an ihre Seite. »Was ist
for:?«
Sie wandte mir ihr vor Schreck
entstellies, wachsbleiches Gesicht zu
und rief mit keuchender, gänzlich ver
änderter Stimme: »Die Kassettel Ge
stern Abend stand sie noch hier an
ihrem Platze. Als er fortgegangen
war, sah ich nach, ob er sie etwa mit
genommen hiitte, fand sie aber noch
hier oor und schloß sden Echreibtisch
ad wie iinmer.«
Plötzlich ergriff sie meinen Arm,
driickte denselben mit einer Kraft, deren -
ich sie nicht fiir fähig gehalten hätte»
und sliisterte mir ins Ohr: i
»Er must in dieser Nacht wie ein
Dieb liiershergetommen sein, um sie zu
holen. Vielleicht ist er auch in diesem
Vlngendtict liier irzrndwo oerjteckt. L,
mein Gatti«
:t. Jl- a p i te l.
Jch sprach bei Cleaver und Caxton
o:r und fragte an, wag ich mit den
vier Fünfpfund Noten, welche derBrief
enthalten hatte, beginne sollte.
Nur der Hem, welcher mich in das
Hotel gebracht hatte, war zurzeit im
B.irean anwesend. Es schien mir,
dcxß dies Herr Clea«oer, der erste Theil
daher, war.
Als er hörte, wag mich hergeführt
l1«.tte, begann er zu lachen
»Was Sie damit thun sollen? Nun,
facnlen Sie das Geld weg, werfen Sie
ei- in den Fluß, oder geben Sie es
FULL
Zögernd stand ich da. Meine Lage
schien mir immer vertvictelter zu wer-:
din, und ich hatie das unbehagliche
Gefühl, daß jenes Etwas, welche-:
Jimes Souiham hören sollte, nur
»das höchst Unangenehmes sein
tEnntr. Ich entschloß mich daher zu
einer Aussprache mit Herrn Cleaoer.
»Wer ist Duncan Rothwell, Herr
(5.eaver? Jst dies vielleicht Jhr Klient,
fiir welchen Sie handeln?«
Herr Cleaoer nahm ein Stück Pa:
pier zur Hand und zerisz es mecha
n:sch in lauter kleine Streifen. Anstatt
nseine Frage zu beantworten, stellte er
imr die Gegensrage:
»Warum wollen Sie das wissen?"
»Weil der Brief, der die Bantnoten
enthielt, mit diesem Namen unterzeich
net ist. Da ich nun keinen Menschen
dieses Namens kenne. möchte ich wohl
wissen, wer Duncarr Rothwell ist.«
»Haben Sie etwas dagegen, wenn
ich Einsicht in den bewußten Brief
nehme?«
»Nein, sich habe durchaus nichts da
gegen.« und so las er denselben ganz
durch.
»Wenn ich Ihnen einen Rath geben
dars, lhere Southam. möchte ich Jhnen
empfehlen, Ihre freilich nicht ganz
unmotivirte Neugierde zu zügeln und
ruhig den Laus der Dnge abzuwar
ten.« s
»Aber. mein Herr, wie leicht ist ess
möglich, daß ich mich an eines anderen »
Stelle befinde und gar nicht der Ge
suchte bin. Damit will ich nicht etwa
sagen, daß mein Name nicht Janus-i
· YOU-.- -.- .M d- -.-.W- --—..-»-»
Souiltam wäre; aber ich meines-theils
kenne nun einmal keinen DunkanRoth
welk, folglich ist mir dessen Brief auch
völlig unverständlich Der Name
Southam mag vielleicht auch dutzend
weise existiren.«
,,Unter den Bewohnern von Duk
borouth Jch denke, das ist nur ein
kleiner Flecken?«
,,Jawoshl!«
»Wie lange lebten Sie dort?«
»Ich bin Dort geboren und erzogen
worden«
»Hsaben Sie noch Verwandte Jhres
Namens dori?«
»Ich habe in der ganzen Welt keinen
einzigen Verwandten.«
»Wenn Sie dort geboren und er
zogen find, müssen Jhnen »die dortigen
Einwohner doch bekannt sein.«
»Ich lglaube, ich kenne jeden einzel
nen in der ganzen Gegend.«
»Dann vielleicht noch einen« anderen
James Southam?«
»Das ist even das merkwürdige an
der Sache. Jch war der einzige dieses
Namens, am Orte sowohl, wie mei
lenweit in der Runde.«
Herr Ckeaver lächelte wieder. »Nun,
so ist doch sdie Möglichkeit, um nicht
zu sagen Gewißheit, vorhanden, daß
Sie vie vosn uns ges-richte Persönlichkeit
sind. Jch will Ihnen ganz offen sagen,
daß auch wir kaum mehr als Sie von
der ganzen Angelegenheit wissen. Wir
haben denAustrag erhalten, die Adresse
von Jaines Southam aus Dulborough
ausfindig zu machen, sdas ist alles-A
So also lag die Sache. Nach dem
gestrigen Benehmen der Herren hatte
ich allerdings nicht voraussehen kön
nen, daß Cleaver und Csaxton als
bloße Gliederpuppen, von einem Drit
ten -gelenkt, in meiner Angelegenheit
sigurirten.
»Noch etwas anderes möchte ich zur
Sprache sbringen,« fuhr ich fort. »Ich
habe den lebhaften Wunsch, das Hotel,
in welches Sie mich felbft brachten, Io
·bal·d als möglich zu wechseln.««
»Ist es Jhnen nicht fein genugs«
,,Davon ist keine-Rede; aber die
ganze Art, wie es darin zugeht, ist
durchaus nicht nach meinem Ge
schmack.«
»Wie es darin zugehtZ Was meinen
Sie «damit?«
Jch wußte nicht recht, ob und inwie
weit ich mich erklären sollte und fragte
Idasheu »Was wissen Sie von dem
Ehegntten der Frau Barnes?«
,,Nehmen Sie es mir nicht übel,
Herr Southam, aber Ihre Neugierde
scheint mir doch in einer ganz unge
heuerlichen Weise erregt zu sein; denn
was in aller Welt hat der Mann von
Frau Barnes mit Jhnen oder mit uns
zu thun? Wenn Sie sich in Ihrem
jetzigen Log-is nicht wohl fühlen, steht
es Ihnen selbstredend jeden Augen
blick frei, dasselbe zu wechseln; nur
würden wir in diesem Falle für die
Kosten Jhres Unterhaltes nicht länger
auftommen.«
« Jch wandte mich zur Thür.
»Noch einen Augenblick! Falls Sie
also Jhre Wohnung soerlegen sollten,
bitten wir, uns davon jedenfalls bald
zu benachrichtigesn.«
»Gewiß, das werde ich nicht unter
lassen.«
Ob es, in Anbetracht des tragischen
Vorfalle5, der sich nun ereianete, fiir
mich besser gewesen wäre, nicht mehr
in das Hotel der Frau Barnes zurücks
zutehrem kann ich nicht sagen.
Nachdem ich eine der erhaltenen
Bantnoten gewechselt hatte, begab ich
mich in ein Konzerthaug und speiste zu
Abend in einein am Quai gelegenen
Reftaurant, worauf ich mich in mein
Logig zuriickbeaah Jch hegte die Be
sorgniß, das; Frau Barnes mir selbst
gleich wieder etttgeaentreten würde,
nnd war daher recht froh, als mir das
Hausmädchen die Thitr öffnete. Von
der Wirthin war nichts zu sehen und
zu hören, nnd ich konnte diese Nacht
in ungestörter Ruhe verbringen.
Arn folgenden Morgen erhielt ich
nach dein Frühstück folgendes Tele
11 fh III UT «
»Um zwölf Uhr bin ich bei Ihnen.
Duncan Rothwell.«
Es wurde zwölf Uhr, und Niemand
ließ sich blicken. Jch wartete bis gegen
einhalb ein Uhr und begab mich dann
hinaus, mit der daguen Idee, nachzu
sehen, ob denn noch immer Niemand
oon der Straße her auf das Haus zu
geschritten käme. Der Hansflur toar
nur ein enger Durchgang, dessen Thiir
zur Straße offen stand.
Zu meinem Erst-atmen lag ein
Mann aus der Schwelle sder Hausthür,
das Gesicht nach unten und die Füße
in das Haus -hineingerichtet. Mein
erster Gedanke war, sofort Kehrt zu
machen; denn ich dachte nur an das
eine, daß der Herr Barnes oder Jameg
Southam oder wie der geheimnißvolle
Gatte meiner Wirthin sonst noch hei
ßen mochte, zum heimischen Herd zu
rückgetehrt sei, nicht nur aus etwas
unsicheren Füßen, sondern geradezu
sinnlos betrunken. Nachdem ich indeß
den am Boden Liegenden etwas ge
nauer betrachtet hatte, kam ich allmäh
lich zu der Ueberzeugung, daß das
nicht der Mann sein konnte, der mich
hier zuerst als Kellner bedient und
dann auf seine Art mit der Flasche
trattirt hatte. Jch bemerkte, daß dieser
viel größer war; auch hatte sich sein
Hut beim Fallen verschoben, so daß ich
einen Theil seines kahlen Koper sehen
konnte. Als ich so stand und »den
Mann betrachtete, beschlich mich ein»
höchst unbehagliches Gefühl. Er lag«
so ausfallend still und in einer ’o un
natürlichen Position. Er war in sei
ner ganzen Schwere-ich sah. daß es
ein ungewöhnlich starker, kräftiger
Mann war-platt aus die Brust ge-(
fallen, unso seinGestcht lag so dicht
auf oee Schwelle, baß ich mich wun
derte, wie er in dieser Lage zu athtmte
vermöchte. Sein rechter Arm lag un
ter ihm, in einer Art, daß man ihn
für gebrochen halten konnte. Der
Mann mußte mehr als betrunken sein«
Wahrscheinlich war er in einem An
fsall oon Kräsmpfen oder dergleichen
hingestiirzt. Mit einem mir ganz un
erllärlichen Gefühl des Widerstrean
trat ich noch näher an ihn heran, um
ihm, wen-n möglich, Hilfe zu leisten.
Ueber ihn gebeugt, legte ich meine
Hand auf seine Schulter-; voll Schreck
zog ich sie aber sofort wieder zurück,
denn ich fühlte, daß des Mannes Rock
feucht war. Was konnte das sein?
Jch betrachtete meine Hand —- mit
Entsetzen sah ich, daß sie rot-h gefärbt
war. Voll Grausen sprang sich in die
Höhe. ,,.Hilfe, zu Hilfe, Frau Barsnes!«
schrie ich, so laut ich es vermochte.
Frau Barnes und das Hausmäldchen
tamen gleichzeitig herbeigestiirzi.
»Frau Barnes,« sagte ich, noch im
mer meine ausgestreckte Rechte an tar
rend, ich glaube, das ist das « erl
eines Mörders.« i
»Eines Mörders? Barmherziger
Gott! Vermuthen Sie etwa, daß er es
gethan hat?«
Jch sah sie an, und wenn ich auch
sehr gut wußte, wen sie meinte-, ließ
ich ihre Frage doch unbeantwortei.
,,Sattt aller nutzlosen Bemühungen
wollen wir lieber zur Polizei und zu
einein Arzte schicken.«
Das Mädchen erfaßte am schnellsten
den Sinn meiner Worte unsd sagte:
»Ich weis-« baß ein Arzt gegenüber
Von uns wohnt; ich hole ihn sofort
herbei.«
Zum Glück war dersel. daheim,
und in Anbetracht dei- « aensden
Falles erschien er sofort. Fast irleich
mit ihm trat auch ejn Polizeibeanter
sin Begleitung 1n«ehrr:er anderer in Sag
Haus.
Letztere schlosse1. oorspallenj den the
grenzenden seyen der erran- ao, ou
sich bereits eine neugierige Mulscheni
menge oor dem Hau e zu sammt n be-.
gann· Das ganze ebäude wurde un
ter strenge Bewachung gestellt.
l
4.Kapitel. I i
,,Vor fünf Minuten hatte der Mann
noch gelebt,« lautete der Ausspruch
des Arztes. ,,Sein Körper ist noch
ganz warm«
»Mich anblickend, fragte er hieraus:
»Was wissen Sie von der Sache?«
»Ich? Nichte-! Ich erwartete einen
Besuch; da sdieser sich verspätete, ging
ich hinaus, um zu sehen, osb noch tm
mer niemand käme. Beim Betreten
des Hansflures sah ich diesen Mann
shier am Boden liegen.«' . .
Der Fremde war tnsittlerwerle in
das tleine Zimmer im Erdgeschoß ge
bracht worden. Außer dem Arzt, einem
jungen Manne mit ernstem, aber
freundlichem Gesicht, und mir war
noch ein Polizei-Jnspettor und ein an
derer Beamter, der die Tshiir bewachte,
anwesend. Auch Frau Barnes und
das Dienstmädchen, bseisde in der Ecke
des Kam-ins sitzend, befanden sich im
Zimmer. .
Nachdem ich dem Arzt geantwortet
hatte, verhörte mich der Polizei-Jn
fpettor.
»Was haben Sie denn da an Ihr-z
Hand?«
Ich hielt ihm meine Hand hin und«
sagte: »Blnt! Es ist das Blut diese-Z
unglijrtlichen Mannes. Als ich ihn auf
dem Boden liegen sah, dachte ich zu
erst, er wäre betrunken oder o-hnmäch
tig. Ich legte meine Hand auf seine
Schulter, :n«i: sder Absicht, ihn, wenn
möglich, zu ermuntern. Dabei ent
deckte ich, daß sein Rock naß war, und
als ich meine Hand, die ich schnell
zurückzog, näher ansah, entdeckte ich
Blut an derselben. Da wußte ich so
fort, daß hier nur ein Verbrechen ver
übt sein tonnte.«
Man hatte den Todten auf den Tisch
geiegr. Letzterer war ein gut Orua zu
lnrz fiir die Länge des Körpers, so
daß die Fuße iiber die Kante herab
hingen. Der auf mhsteriöse Weise
Verungliictte war wirklich ein außer
geiviihnlieh starker Mann; besonders
sein Kopf war von ganz enormem Um
fange. Auf seinem Scheitel befand
sich nicht ein einziger- Hnar sinehr, mäh
rend sein Gesicht von einein üppigem
etwas röthliche-n Backenbart umrahmt
wurde. Er trug einen schwarzen
Tnchrock und an den Händen schwarze
Glacehandschuhe. Jn seinem Ehe-mi
seti funkelte ein großer und, solveitich
beurkheilen konnte, sehr werthvoller
Br«illant. Eine schwere, goldene Kette
hing von seiner Weste herab.
Fortsetzung solgt.)
Ein paar glimmende Kohlen hat
Jeder in sich, es kommt nur daran-s an
od ein Wind dazu kommt, der sie an
sacht.
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Manche Mensschenpartitur klinyi
nur darum so schlecht, weil sie mit
falschen Schlüsseln gelesen wird.
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Selbst die Wahrheit kann zur Lüge
verdreht werden durch sden Ton nnd
das Gesicht, mit desrn Jemand sie aus
spricht.
s- it- se
Jn Si. Joseph, Mo» beleidigten
Milizsoldaten eine junge Dame, die
durch das Lager schritt, und acht davon
wurden von dein Begleiter der Dame
u Boden geschlagen. Soldaten, Ue
Frauen deletdigen tin-d ldann acht voll
Einem vermöbelt werden, scheinen nicht
viel zu versprechen, wenn sie wirklich
einmal gebraucht werden sollten. P-»