Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 31, 1903, Zweiter Theil, Image 13

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    W
»Es steht ein Banne im Oden
wald.«
—
. Ins den Ertnnernnaen eines alten
Kowsstndenten vzsn M a x T r e n.
Es ist deute längst Gras gewachsen
über die»-Gei(?ichte. Man darf dar
itder reden, ei en und eh:tich.
Mir steht alles noch immer so deut
lich vor Angen, als sei es gestern ge
wesen. Noch rrnmer sehe ich das strah
lende Gesicht meines lieben Lords
druders Richard, mit dem er eines
schönen Sonnnertaztess auf meine Bude
gestütnrt karn, mir tun den Hals fiel
nnd tief:
»Du, es ist etwas qefcheirenl«
»Das Vermnthe ich intt,' entgegnete
ich, »denn io toll habe ich Dich noch
nie gesehen. Was itt es denn aber?«
Der fchtante, bitdschöneBnriche mit
den sprechenden Anarn unter der
hohen, gedantenvollen Stirfm über
die das üppige, duntle Haupthaar in
einzelnen wirren Locken herabfiel,
starrte ein paar Augenblicke zu Boden.
Dann riß er mich an den Schul
tem, daß ich fast ansichtig vor Schre
cken und Ecktirterz, nnd rief: I
»Ernst, ich bin verliebt!«
»Gratnlire.«
»Sieh auf, alter Stockfifch!« rief
er tviede1. »Stei) auf und gratutire
mir ernsthaft! Ellen Waidtvortb ist
die Ineine!"
Jetzt sprang ich doch anf, mit dei
den Füßen zugleich. Verwundert
starrte ich ihn an, wie er er da so tyei
ter vor rnir stand.
»Miß tillen Wajdtvorth7«
traate ich unalarrbia.
»Nein Zmeiset daran: Ellen gehört
mir! Gestern Nachmittag hat iie mir
ihre Hand sitt-I Leben gereicht.«
In fn Tanan nlfn Inn-It MI
aestern nirgends zu finden. Wo ward
ihr denn?"
»Aus unserem Lieblingsplatz, hoch
oben in den Bergen, wo der berühmte
Baum im Odenwald steht!«
»So, aber jetzt sei so gut und er.
zöhle mir. Wie tam denn die
Sache?«
»Siehst du, alter Freund, jetzt habe
ich doch deine Neugier gereizt«
Jn der That, das hatte er, Wir
alle tannten Ellen Waidworth, nnd
wir alle schwärmten für sie. Sie war
eine junge Amerilanerin, die seit Be
ainn des Sommers bei Verwandten
wohnte und durch ihre ausfallende
Schönheit allgemeines Aussehen in
der alten Mitienstadl am Neclar er
regte. Die wenigsten lannten ihren
Namen, aber die »schöne Ameritane-—
rin« tannten alle, und jeder. der das
Burschenband trug, beeilte sich, ihren
Spuren zu folgen, während die Füchse
sie nur andachtsvoll aus der Ferne
anschwiirmen durften.
Jch weiß nicht mehr, bei welcher
Geloaenheit Richard die schöne Ellen
tennen gelernt hat. Jrgendwo in
einer Familie muß es gewesen sein,
aber seit der Stunde war der gute
, Junge wie umgewandelt ,
Jn den letzten drei Wochen war eg
uns allen ausgesallen, daß Richard
ziemlich ost ganze Nachmittage abwe
send war; wenn unser Korps irgend
eine Ausslug unternahm, -iuchte er
sich unter allen möglichen Vorn-ändert
von der Theilnahme daran zu be
freien.
Jeht also endlich war der Schleier
dieses Geheimnisses gelüstet Und nun
stand er wieder vor mir als der
Alte, der er sonst immer aewesen war,
hell lachend, Licht und Wärme in den
großen, prächtiaen Blauauaen, den
Schall im Nacken.
Vliihlich legte er seinen Arm um
meine Schultern« und mit einem To
ne, dem man es ansiihlte, daß er aus »
tiesstem, leidenschasteriiilltem Herzen
emporauoll, sagte er: 1
»O Ernst, ich bin nanienlos aliict !
lich."
Jetzt war auch ich tiefbewegt· Alles
Gliick gönnte ich ihm von Herzen; ich
wußte, er war es werth.
Endlich zog ich Richard sanipaus ·
das Sopha nieder.
»Nun aber erzähle, mein Junge,
»Z- s--- h-« -fl--O«
»Wie alles lam? Du sollst eg wis
sen. Schon ost waren wir, Ellen
und ich, in den letzten Tagen allein
ausgegangen; die Ameritanerinnen
sind anders als unsere deutschen
Mädchen, sie treten dein Mann selbst
ständia und sicher genug gegenüber.«
Ich sagte dir schon: an unserem Lieb
linasplatz waren wir· Mein Herz
hämmerte und pochte; mir war, als
Iniisse Ellen jeden Schlag zählen und
sehen lönnen. Es litt mich endlich
nicht mehr unter diesem Bau-ne, und
so frage ich: Rennen Sie unser als
tei, deutsches Volkslied, Ellen: »Es
steht ein Baum im Odenwald-P
Sie schüttelte leise das schöne
Haupt. »So-sen Sie es cnir,'« bat sie.
So sprach ich denn die alten, wohlbe
kannten Straphem
»Es steht ein Baum im Odenwald,
Der hat viel grüne Aest’;
Da hin ich wohl viel tausendmal
Bei meinem Schuh gen-est«
Der Abendwind spielte mit den Lo
eten aus ihrer Stirn, und sie duldete
es, daß ich die lleinen, widerspensti- !
gen Goldsträhnen mit meiner Hand
leise unter ihren Hut schob.
»Kann man das Lied auch swamp-«
fragte sie dann.
»erisi,« saate ich und sang ihr
Ieise die schlichte Melodie dot. Sin
Irr-ed hörte sie zu, von Ansnng bis zu
M, während die Strahlen der un
W
tergehenden Sonne einen heiligen
lchein utn ihr Haupt woben.
Und als der lehte Laut verhallt
war, neigte ich mich zu ihr und liißte
ihre rothen Lippen, teet nnd s iichtern
zugleich, ais ob ich's schon tau endmal
gethan hätte. eDann aber iegen wir
band in Hand wortlos zu hal.«
Der Erzähler schwieg.
»Und nun?" sragte ich.
»Nun ist sie mein!« antwortete er
jubelnd. » hre Eltern sind telegra
phisch utn i re Einwilligung gebeten,
und ich bin mein eigener Herr.«
Richard war Waise.
Mit herzlich-m Giiickntunsch drückte
ich iltm die Hand. O
Es kamen Wochen des höchsten
Glücks siir Richard. Ellens Eltern,
sehr vermösgende amerikanischeGrund
besitzer, hatten ihre lfintvilligung zu
dem Verlöbniß gegeben und waren
selbst aus einige Wochen nach Heidel
berg gekommen, um sich des Glückes
ihrer Kinder zu freuen. «
So ging in srohester Stimmung
das Somtnerseinester zu Ende. Noch
ein letzter großer Mensurtag aus der
Hirschgasse sollte stattfinden, darauf
der Schlnßtommers des S. is. und
dann frohen Sinnes hinein in die Fe
rien! Nur Richard wollte in Heidel:
berg zurückbleiben, um gegen Anfang
August mit sziner Braut und deren
Eltern eine größere Srhweizerreisc
einzutreten.
. Wir hatten damals zu einem an
deren Heidelberger Korps - ich will
es »Saxonia« nennen - leine guten
Beiiehiingern Zwischen den Sachsen
und uns hatte es schon seit einer gan
zen Reihe von Semestern beständig
größere nnd tlcinere Häteleien gege
ben. nnd die Füchse, die in die beiden
Korpg einsprangen, wußten es gar
nicht anders, als daß zwischen der
.,Saronia« und der ,,Normannia«,
unserem Roms-, eine beständige, mehr
oder weniger offenlundige Fehde vor
tianden sein müsse. Kurz, eLs war ein
trenig erfreulich-r Zustand. Auswei
its-en konnte man einander nicht um
soweniaer, als der Heidelberger S. C»
wie noch heute, schon damals seine
scfxtneipe in der oberen Haitpistraße
Jbeim »Sepdl« hatt-s, wo sämmtliche
Zorns zu sröhlichem Thun beieinan:
der fassen· Unmittelbar hinter unse
ren Tischen standen die Tische der
Sachsen, so daß jedes laute Wort,
das bei den einen fiel, bei den anderen
gehört werden mußte.
Eines Abends war unser Korps
von einem Ausflug nach Nectarstein
ach, an dern auch ausnahmsweise Ri
chard theilgenommen hatte, zurückge
kehrt; wir waren, wie üblich, am
Babnhof Karlsthor aus dent Zug ge
stiegen und dann in eorpore zum
Abendschopven beim .,Seppl« gezogen.
Es trar geaen zehn Uhr; die Sachsen
waren bereits da und offenbar schon
sännnilich in ziemlich vorgeschrittener
; Stimmung.
Wir nahmen nach lurzeni Gruße
lan unseren Zischen Platz und waren
noch mit der Auswahl des Abend
essens beschäftigt, als ich plötzlich am
Tische hinter uns das Wort »die
schöne Ameriianerin« fallen hörte,
dem ein fchallendes Gelächter folgte.
Richard erhob sich sofort. trat in völ:
liaer Ruhe an den Sprecher heran und
bat ihn zu kurzer Riicksprachx heranz.
Wenige Minuten daraus schon kam
er zurück und sagte mir leise, daß er
den Sachsen aus »Schlag» ohne Bin
den und Vandaaen" tontrabirt habe,
und daß die Mensur an dem nächsten
Mensurtaa -- dem letzten in diesem
Semester, wie ich schon sajte — stei
gen lönne.
Ich nickte befriediat. Richard war
als der beste Schliiaer Heidelbera’o
betanntx sein Gesicht war frei von
Norden und Zchuiisien, nur einiae
leise ,,Iipser« verriethen, daß er nicht
aanz von der blanirn Waffe ver
schont etc-blieben may T» IMM
wiirde seinen Dentzeitel bekommen
und damit würde die Sache aus sein.
Richard erzählte friner Braut von
dem Rencontre.
»Es sreut mich." sagte er, »daß
ich siir dich, mein gutes Mädchen,
auch einmal mit der blanten Waffe
eintreten lann.·'
Sie schmiegie sich an ihn.
»Wenn dir aber etwas zustöskt,
Richard« - --
Er lachte. ·
»Mir? Sei ruhig, Schatz, miri
passirt nicht-P »
Jn ihren Augenleuchtete es aus.
»Ich will dir etwas schenten, Ri-:
chard," sagte ite, »Daß du geseit bist
gegen jeden bösen Dieb«
»Und was toll das sein, mein gn
tes, tleines Mädchen?"
»Du wirst es sehen: tomm heut-:
Nachmittag zu mir! Dann sollst du
es haben --- snd Glück soll es dir
besagen-«
Als Richard am Nachmitmg wieder
kam, reichte ihm Ellen mit strahlendem
Lächeln eine dlante Mensurtlinge aus
prachtvolle-m Tolesdaner Stahl, die sie
bei dem Wassenschmied get-ernst hatte.
der uns die Messerilingen lieferte. Si
hatte anfänglich einen ganzen Schlä
er haben wollen; doch der tunoige
« hebnner hatte ihr auseinandergeseni,
daß das Schlagen einer Mensur mit
eigene-m Schiöger unzulässig sei, und
Daß höchstens eine eigene Klinge be
rinnt werden dürfe. die dann in den
üblichen Korb eingeschraubt werden
müsse. So hatte denn Ellen die Klinge
allein erstanden und überreichte sie
nun Richard. Als dieser sein Auge
über den bunten, haaricharsen Stahl
gleiten ließ, fiel sein Blick aus die oben
am hast eingraoirten Worte: »Gotti
W
l
schiise dich!« Darunter stand das Das l
tnrn des kommenden Mnsurtuges.
Er og seine Braut an sich unsd
lüste seie.
»Du bist lieb, mein gutes Mädchen.
Salve Dankt Jch will dir und deinem
eschenl Ehre machen.«
I III I
Der Mensurtag war ba. Die Far
ren aller Heidelberger Korpo leuchteten
in oem alten Saale der Hirschgassr.
Zu »den ersten Partieen, die anzu
treten hatten, gehörten Richard nnd
sesin Gegner. Die Gegenpartei erhob
gegen die Benutzung von Richaros ei
gener Klinge keinen Einspruch, unsd so
wurde Dieselbe in den Korb geschraubl.
Die Paulanten traten an, lvie Se
kundanten ihnen zur Seite, abseits da
von der Unparteiische, die Uhr in der
Hand. Ringsum eine große Korona
»rothe, gelbe, grüne, blaue und weiße
! Mütze-n.
Die Kommarlooruse erschallten.
»Aus die Mensur!«
,,, ertig!«
» «os!"
Schon oer ersteAnhieb Richard-, saß
beim Gegner-· Der Unparteische lon
»statirte einen »Blntigen«.
Jch lvar jetzt daraus gefaßt, daß
Richard sofort einen seiner berühmten
Ahsuhrhiebe schlagen und damit oie
Mensur zu Ende bringen würde.
Wieder prsasselteii die Klingen ans
einander.
Da geschah etwas Unerhörte5.
Ein schriller, scharfer Ton erklingt.
Durch die Luft sanst in großem Bogen
etrvag Planke-« nicht genan tkrtenns
takes nnd sljegt gegen oie Wand, von
:er eg zuriickgeschleudert wirts.
»Achtnng!« schallt ein lauter Ruf.
,,Klinge aesprungen!«
»halt!« tust-der Unparteiische.
Die « Sekundanten schlagen idre
Speer-e zwischen Toie «Iaulanten.
Zie hatten es nicht mehr nöthig ge
habt. Richard lag kalb ohninächtig
einem Korpgbrnoer im Arm. Mehrere
t.sentstt:eter tief in sein Aug-: einge
dr«:)rt, durch die Paukbrille hindurch,
stak die zersprungene Klinge.
Es war seine eigene; dicht oben am
,Heft war sie zersprangen, an die Wand
gele en. in groß-ern Bogen aus den
iungliicklicheii Fechter zurückgesaust und
iihrn in das Auge geidrunsgen Aus dem
Stumps aber, den er starr in der Hand
hielt, standen klar und deutlich die
Worte: »Gott schätze dich!«
Schon ivar derArzt um denSchiver
derwundeten beschäftigt
»Wie sieht's, Dottor?« fragte ich.
»Schlecht, ganz schlecht. Die Klinge
ist in’5- Gehirn gedrungen. Warum
aber nahm er auch nicht unsere er
drohten Klingen!«
Da öffnete Richard den Mund iind
sliisterte:
»Ernst! Grüße filen! Sag« ihr,
es stät-Ue gu: mit nii . Jch ivisse noch
alles —- sag« i«hr’s -— es steht einBauni
im Odenwald ---— sie soll’5 nicht der
gessen ——« ich had’ sie lied« -—
Es entwickelte sich eine Gehirneiit
fiiinsdiirim Mehrere Tage schwankte
sie kräftige Natur Richarsds zwischen
.Iod und Leben, und iviihrend dieser
Mir-ten steit ivich auch Ellen nicht ddii
seinem Schmerzenslager.
Als ich ain Licend des vierten Tages
zu ihr taiii. trat sie mir im Wohn
ziiniiier entgegen, legte den Fiiiqer asn
den Mund und flüsterke:
»Siili, still, er schläft. Kommen
Zie!«
An der Harid führte sie mich indas
Schlnsziiiiiner. Und la lag er im Bett,
mein heiter Freund still unsd ruhig,
zin freundljches Lächeln auf denZiige
als habe ihm ein liebes Wesen die lei
ten Schiiierj hinweggekiißt Ueber
ude über aber idar US Lager mit
dirstigen rothen titosen bestreut.
Und nun schlang sie ihre Arme um
den Lehlosen und fliisterte ihm die
iiißesten Kosesvorte ins Ohr-.
»W.1ch« auf, wach auf, id, es
iit Zeit! Jch sing« dir r . dar
dii mich in der schönsten c- . mei
neg Lebens gelehrt hast. Weißt du
noch: »Es steht ein Baum im Ocen
idcild —- Hörst du mich auch, Gelied
:er? Hörst du inich?«
Sie wollt-e sich erheben: hin und her
tauinetiid schwankte sie anen Augen
blick.
.--.... «
Psalm Les Ilc leilez »Ja- lot-nur«
Richard, ich ioinme!« «
Jrn nächsten Augenblick sant sie mir
ohnmächtig in die Arme.
Von der Stunde an siechte das
junge, leben-frohe Geschöpf langsam
dahin. Kein Arzt konnte ihr Heilung
bringen, auch der Süden nicht unso der
Norden nicht, das Gebirge nicht und
die See nicht. Sie welite langsam,
eine sterbende Blume, die die Sommer
sonne verloren hat.
Nach Jahr und Tag haben wir sie
aus decn Heidelberger Friedhof zur
leyten Ruhe gebettet, dicht in der Nähe
ihres Richard. Der Tod tam ihr als
Freund, als gütiger Erlöser von
schweren Leiden, und so hat nie tief
sinnig schöne Inschrift aus dem ein
fachen Grabtreuz recht:
st· III llt
»Der it well with the ihm-?
Jt ’5 well!«
Die Unzrliietstlinge aber ist ihr aut
ihren Wunsch in das Grab mitgegeben
worden.
Zu wahrheiuliebend.
Frau lzur Gouvernante): »Was
haben Sie den- Fiindetn Itzt erzählt?«
H Gouvernante: «Ein iirchen.'« —
Fraux »Ein Märchen, was ist das-W
— Gouvernante: »Ehe Geschichte, die
nicht wahr ist.« »- Frau: »Nun, wie
können Sie meinen Kindern eine Gr
schichte erzählen, sdie nicht wahr ist?«
Vie Jnspektionssaixrt
Humoreglx ron G. il. Hennig
Iiir waren ihrer zwei in bei Kanz
lei, nämlich Praktika.n«-tsen, ein gewisser
Herr Wunderlich uind ich. Wir hatten
das Recht, so viel zu arbeiten, als wir
irgend lonntens uno die Pflicht, sso zu
sriecen mit unserem völlig ,,gel)alt
losen« Dasein zu sei-n, wie das einem
gut-en Siaatsbiirgser uno angiehenden
Beamten zukommt. Und das thaten
wir ten-n auch. Nur einmal im Mo
nat, wenn es auf die sogenannten Jn
«sp-.-lisionsreisen« ging, rebellirten unser-e
staatsbürgerlichen Gefühle bis zur os
seniaren ledersetzlichkeit Herr Krau
se« unstr Kanzleioorstand." war näm
lich nicht nur ein äußerst pedantischser
uno umständlicher alter Herr, soncern
ein tiniiier, irsåe er im Buch-e fiel-L Er
scheute sich nich-t, Iiie Speien, die fiir
ten Fall der Jnspetiiongfsahrt auch
siir «oen Praktikantesn bezahlt wurden,
zur gemeinsamen Reiselasse zu schla
gen, uns aber dann so knapp zu lyali
ten. daß wir kaum satt zu essen, viel
weniger zu trinken hatten. Dazu
dauerte eine solche Reise oft zwei bis
drei Tage -— uno zwei bis drei Tage
in solcher Gesellschaft, das will etwas
heißen -- so daß wir Die Jnspektiong:
fahrten fürchteten wie Das Hölle-n
selten
Der Tag dieser Reisen war nie im
voraus bestimmt, so baß wir immei
ins Erwartung «oerielben leben mußten
und uns nie daraus vorbereiten konn
ten. Unsd so wunderte es mich denn
auch gar nicht, vasz eines Nachmittags
Herr Krause an mich lxserantrat und in
seiner gewöhnlichen alrichgiltigen
Weise zu mir sagte: »Mor·qen, Herr
Praltilanil Bitte, haben Sie Die Güte,
sich aus eine längere Fahrt einzus
rsicltten wir müssen imiilf Bezirke ma
s- - s
chen.«
Ich verbeugte mich ganz mechanisch,
undsa eine Antwort aus diese rein
bäen iche Mittheilung nicht nöthig
war, so wunderte sich Herr Krause
auafi gar nicht, daß keine erfolgte. Mir
aber war diesmal die freundliche Ein
laoung dermaßen in die Glieder ges-ab
ren, daß ich auch kein-e Antwort hätte
gebrn können. Denn gerade morgen
war der erste dies-jährige KasinsobalL
zu dem wir Prattitonten niatiirlich
ebenfalls geladen waren und aus den
wir unss in dem langweiligen Neste
schon kindisch gefreut hatten. Zudem
hatte mich in letzter Zeit das Ewig
Weibliche irr seinen Bann geschlagen
und morgen sollte ich zum erstenmal
Fräulein Räthchen -—»s—— s-. Doch dag
getiört nicht weiter hierher. Kurz, ich
war sprach-los vor Zorn und Schre
cken ob der vom Aanzlcivorstand gesJ
machten Eröffnung. Kaum baue
dieser die Bureautshiire hinter sich zu
gemacht, so stiirmte ich in das Zim
nier, wo Wunderlich arbeitete.
»Herr Ftollega,« sagte ich, »Sie
müssen mir einen großen Gefallen er
weisen.«'
»Jch bin immer gern zu Diensten,
Herr Kollega,« erwiderte dieser bösli
cher als es nöthig gewesen wäre, und
wie eg- mir schien, mit einem leisen An
flug von Schadens-sende. »Sie haben
gehört, wag- der »Alte« soeben zu mir
gesagt bat?« fuhr ich fort. »Ich soll
morgen mit auf Jnspettion, aus diese
dreimal verwünschte Pech : Schwefel:
Jnspettiot1!«
»Da wollen Sie gewiß einen Reise
toffer von mir leit-,en?«
Jch war im Begriffe ausznsalsren
doch ich bezwang mich
»Sie baden gut spotten,« gab ich zu
riick, »doch im Ernst. bester Herr Kol
lega Sie müssen mir das Opfer brin
sen, diesmal meine Vertretung zu
i?bernebmen!«
»Nicht um zwanzig Mart!« erwi
oerte Wunderlich
»Weil Eie wiffen, rast ich sie nicht
nrbe2« entgegnete ich.
»Sie wissen,« sutxr Titunoerlich mir
grosser Feierlichteit fort, »daß diese
Jnspettiongreisen fiir den einen so un
anaenclnn find. wie siir den andern.
Wir haben derber einst aus Handschlag
einen Pakt mit einander geschlossen,
niemals gegenseitig Vertretung zu for
vern, um durch Ablehnung unser
smrnsdfchaftlicheg lsinoerrielrmen nicht
zu stören. Und jetzt brechen Sie den
Vertrag.« « «
»Zusgegeben,« erwiderte ich etwas
tleinlaut. »Aber ich laubte, daß die
Zeit, die wir miteinan er liier oerlebt
kalten, une freundschaftlich so weit
genähert hätte, um einen wirklichen
Freundschirftsdienst von Jsltlten ver
lau n zu lönsnen.«
Beden« gab Wunsderlich zur Anti
wort, »nur diesen nicht. Eben weil wir
Freunde bleiben wollen. haben wir den
Vertrag geschlossen!«
»Sie wiser ja, Herr Kollege, daß
morgen Aasinoball ist und diefcr mir
die erste Gelegenheit bietet, Fräulein
stäthchen ..... «
»Hier will ich ja gern Ihre Vertre
tung überrrebirren,«· erwiderte der boss
lzirfte Mensch.
So ,,lolleg.1ten« wir noch eine halbe
Stunde hin und her, jedoch ohne Re:
full-at Acrgerlich verließ ich endlich
sras Bureau, unsd obwohl ich einsah,
naß Wunderlich formell im Recht war
- denn wir hatten allerdings long er
wähnte Ablonrmen getroffen so
war ichdoch über seine Halsslarrigleit
erboft und beschloß, nunmehr auch
teine Rücksicht nie-he auf ihn zu neh:
men und ihn zur Vertretunsg zu zwin
gen. Am andern Tage « mit dem
Mittagszuge sollte eg fortgehen —
tani ich init verbundenein Gesicht life
Burerru.
W
»Ranu, here Praktidant,« i mir
Kraufe entgegen, »was sehr-html
denn?«
,,Zahnfchmerzen habe ich, HerrRath,
fürchterliche Zahnschmeizen «
»Hm, das ist bös!«
»Ja sehr!«
MEnutenlangeS Schweigen·
»s’s ist ein hohler, so ein verdammt
hohler,« nahm ich endlich das Thema
wie-der auf.
»Ja, ja, »die machen eine-m viel zu
fchaffsen,« brummte theilnahmslos der
Herr Vorstand- ,,Hatte auch einst als
Knabe einen uno lriegte regelmäßig
immer zu Weihnachten Zahnweh.«
Dann wieder große Pause.
,,Werden wir auch ftrseckenrveife die
Lanotutfche benützesn müssen?« fragte
ich, indem ich gleich-zeitig damit direk--f
ter auf mein Ziel los-ging.
»Wie, was? Ach so, wir haben ja
heute Jnfpeition,« erwiderte oerHeuchis
ler. »Nun ja, wir swerden auch dir
Landtatfche benütze-n.«
»Da zieht es gewöhnlich furchtbar
idari«n,« antwortete ich unso hielt mir
mit einem plötzlichen Aufstöhnen den
schmerzhaften Backen.
»Ja so, c e mit Ihren Zahnschmer
zen -— hin, fatal« —
»Jch fürchte, es wird noch schlimmer
werden auf Oder Reise, und osa wiirde
ich dann vielleicht genöthigt sein,
Herrn Rath um Urlaub zu bitten,«
brachte ich ftoßweise, unterbrochen von
schmerzlichen Seufzern, hervor
»Das geht freilich nicht t-,recht« er
widerte Krause nachdentl ich und ging
mit großen Schritten im Zimmer auf
und ab.
Ich triumphirte :nnerlich und thit
nun den entscheidenden Schlag.
»Vieileicht hättenSie ldie Güte, Herr
Rath in Rücksicht auf floie Umftänsoe
meinen Kollegen Wunderlich.« — »
Es war zwar schlecht oon mir, aber
Noth bricht Eisen.
Der Rath überlegte.
Its Ins-non .. , Ein sc lVfLP
sich wohl machen —-«
Jch sprang aus, machte eine Panier
fiillte Verbeugung, legte dieFedcr weg
unsd warf die Schublaoe zu.
« ---«— —— aber,« fuhr der Mann
fort, »Sie werden Damit noch immer
nsicht Jhre Zahnschmerzen los-. Wissen
Sie was-? Gehen Sie zu Dr. Müller
und lassen Sie sich auf meine Kosten
den Burschen reißen.«
»Nein, nein, nur teine Ucnftänoe,«
mehrte er ab, als ich irgend etwas Un
zusaminenhiingenoes stammelt«e, »der
Mann soll mir die Rechnung schicken
und damit hast-a. Wir werden Das
Geld unterwegs einspa"ren!«
Und ich ging zu Dr. Müller und
ließ mir einen Zahn relszen, währen-o
oer großmüthisge Herr Krause in den
·Ochsen« ging und srii«hstiie1te. Dann
aingen toir miteinander aus Jnspet
tion.
-s -——— - —- —
Pulver-Lytter und vie Svtktttstem
Der aroße Romanschriststeller Zir
Ebro-am Bulwer-Lt)tton gab sich viel
mit Spiritisten ab. Der Schmerz
iiber den Verlust einer heiß geliebten
Tochter trieb ihn diesen Leuten in die
Arme, die ihm vorspiegelten, daß sie
die Mittel besäßen,- ihn mit seiner
Tochter in Verbindung zu setzen. Bei
der Seanre, der Sir Edward bei
wohnte, war auch eine Wittwe zuge
gen, die ebenfalls sehnlichst wünschte,
mit oeni Geist ihres verstorbenen Gat
ten ein Gespräch zu halten. Die
Seele des Abgekchiedenen stellte sich
wirklich ein, und die Dame richtete sol
aende Frage an ihn: »Bist Du glück
lich, Sch-:Itz?« »Ja. ganz glücklich«
lautete die Antwort. »Wie? ebenso
glücklich wie mit mit?« »Oh! weit
aliiitlicher!« »Dann bist Du gewiß im
Himmel?« »O, nein, ich bin in der
.fJölle!'« Sir Eotrsard Bulwer pflegte
diese Geschichte zu erzählen, alg er in
späteren Jahren ini Kreise seiner
Trennt-e seine Beziehunan zu Den
Oplklllllcti utlvcllleluuuscstfc zur Ue
tlarung, weswegen er init ihnen brach.
-—--—-——- --
Ein Vom-von ali Schar-spielen
Im »Teatro de la Zarzuela« zu
Madrid trat dieser Tage ein Mitglied
des königlichen Hause-H Bourbon als
Schauspiel-er in einem Stücke aus, in
welchem dieRepublit versherrlicht wird.
Es handelt sich unt den Sportsmann
Alleng Perlins n Bordon, einen Vetter
zweiten Grabes des Königs Alsonso.
Der königlich-e Herr besinsdet sich in so
schlechter Vermögens-lage das-, er sich
der dramatischen Kunst in die Arme
werfen mußte, um Geld zu verdienen.
Die Gesellschaft Fuentas· die gegen
wärtig im Zarzuela - Theater spielt,
nahm ihn mit Freuden aus und gab
ihm eine Hanptrolle in einein Revolu
tionsdrama, das aus den ,,Misera:
bles« von Viktor Hugo geschöpft ist.
Es war ein eigenartiges Schauspiel,
einen Bourbon auf den Barritaden zu
sehen und fortwährend »Hm-h die Re
publit!« rufen zu hören. Das Publi
iusnr verhielt sich ganz merkwürdig
Während es den Schauspieler aus tö
niqlichem Gebliit bei seinem Auftreten
und auch sonst an mehreren Stellen
dies Tramas freundlich begrüßt hatte,
lachte ei- ihn dort, wo er die Revolu
tion zu verherrlichen hatte, regelrecht
Z
gu» M N-.—»f —
Eine neu-andre Gram-rin
Sie: »Du irrst, Fritz, wenn Du
glaubst, ich reagire as Deine Stiche,
ich werde-nicht zu meiner Mutter zu
riiekkehrerh alter einiaden werde ich
sie.«
Ein Echaxiipieler, der untergeord
neie Rollen spielt, spielt keine Rolle.
Vor der Matt-see
Humoreste von P. p. c o s.
Nein, daß Ll ette auch gerade heute
zur Hochzeit i res Bryders reisen
muß, da ich sdas erste Mal zur Westin
N. zur Mattnee geladen bin. rste
tann mein Haar so wunderschön un
srisirt srisiren, nur sie allein hat den
gen-taten Schwung der Stirnwelle.
»Anna, hast Du auch noch einmal hin
über-geschickt zum Frsiseur?«
»Ja, Komtesse, und er hat gesagt;
in zehn Minuten sei er da.«
»Ist Papa schon zurück vom Mini
Iteriusm?«
»Ja, Herr Gras haben. noch zu thun,
Komtesse möchten Herrn Grafen in
einer halben Stunde »zum Lunch er
warten«
sie reizen-De Komtesse Fritzi siyt be
rei im Pudermantel vor ishrer Tosk
lettie und beschäftigt sich damit, ihrem
holden Spiegelbild ein paar kleine
Grimassen zu schneiden, insdessenAnnm
die heute zur Zofe erhobene Kammer
junch-rr, geschäftig oag Kleid herbei
trägi. Mit spitzen Fingern leat sie es
zurecht. Die Romtesse springt ungedul
dig aus.
»Nun miro er dato kommen? Daß
dieser Friseur auch keine Fräulein hat,
sondern einen Herrn schickt. Wie
schauderhastl Nichte gleich Lisette-z
Frisirschürze und alle meine exgenen
Brennjeheeren etc. her. Er muß ihre
Schürze anziehen. Immer kommt er
noch nicht, ee ist schrecklich« Die Kom
tesse rast in ihrem Ultikleidezitiritier auf
nnd ab, Die goldenen Locken wallen
über den griechisch arrnnsgirten Frisip
miantel. Die Schleppe der weißseides
nen Jupons raschelt und tvierlAgenie
am Drifpkshiw Hm 5;« .k;- us ..... »s.
- .,». ,.- » ....... »W
stöhnt:
»Schon wieder zehn Minuten, i
wersde nicht mehr fertig, ivsas thun?
—Da, ein Klsingelm —Anna fliegt
hin-aug, um im nächsten Moment einen
jungen, sein-en Herrn hereinzugeleiten.
Die Komtesse eitt ihm entgegen.
»Nun, endlich sind Sie da, solange
iosarte ich schon. Was, ein ganzes
Täschchen Utensilien unter dein AtmeT
Nein, nein, ich habe alle meine eigenen
Sachen. Anna, binoe dem Herrn die
Schürze um; hier mein Kamm,
Scheere, hier meine Bürste, so nun be
ginnen Sie, warum zögern Sie immer
noch, schnell, es eilt.«
Der junge Mann steht mit umge
bnndener Schürze starr mit steifen
Armen, sin ver einen Hand die Brenn
scheere, in der anderen den Kam-m mit
halb ossenem Mund und erschrecktem
Ausdruck hinter der Kom«tesse Usn’d stot
tert:
»Verzeihung, mein gnädiges Fräu
lein!« «
»Nichts von Verzeihung, schnell san
gen Sie an!«
»Aber -
»Nein Aben«
»Ich «
«Nun?«
»Ich tann ja gar nicht srisiren.«
»Nicht frisiren«t -—— Ja warum schickt
man Sie denn«-.-’«
»Ich bin ja gar nicht geschickt.«
»Nicht geschickt?«
»Nein, erlaube mich vorzusteceiu
Ministerialfeiretär von Kunksel.«
»Wie? Werk Was wollen Sie denn
bei mirs«
»Ich will ja gar nichts bei J-hnen,«
stöhnt der junge Mann, »ich will zu
Excellenz dem Herrn Grafen und ihm
diese Mappe bringen und einiges mit
ihm besprechen.«
,,. iminel!« tTableauJ
Die Komtesse verschwindet im
Schlafzimmer.
Es schellt. Diegmal ist’S der Nich
eige.
NOP ’—
Judividuclte Anschauung.
»Sie-, Frau .s)-«iusmesisterin, »das
Ehepaar im t. Stock prügelt sich abn
jeden Tags« ,,05’schieht ihnen schon
Rechts Warum haben s’ ans- Liesbe ac
1.-:.-,. -.s.-t t«
sxketssttyte .
ifin kleines Mißverständniss.
Herr: »Hören Sie mich an, meins
Frauleim ich muß Ihnen ein Geständ
niß machen: »i;eis3e Liebe -- - ---« —
Fiäuleins silsn unierbrechend): »Seh
ansgenehn - heiße Lehmann-« ,
Höfliche Grobheitem
«Wiir-den Sie sich verletzt fühlen.
wenn ich Jshnen sagte: Sie sinid eins
ganz gemeiner Ke·rl?« ---— »D-urchans
nicht -—-- aber Sie-, mein Herr, münden
sich alsdann durch mich sehr »in-richt«
fiih.len!«
Die sparsame Hausfrau.
Frau: »Aber Mann, wasche Dich
doch, Du kannst doch nicht so schmu
tzig beim Termin- erscheinen!« —--·
Mann: »Ist nicht nöthi-q· Mein Ver
dheisdiiger sagte mir, er würsde mich
vor Gericht schon rein waschen.«
Zaun-.
Hausker »Nun kam-m. altes
Freund, noch ein Gläschen zum
Abschied ......... « — - Freund: Kinder,
miachi mir doch den Abschied nichi sc
sauek!«
Moder-ne Familie.
»Sieh’, dort komimt die Familie
Müller. Der Vater ist Jnge-nieut, die
Mutter ist Doktorin nnd der Sohn ist
Doktor-Ingenieur. ;
Bedenklicher Zeuge.
Asdvokah »Ich proiestire gegen die
Eidabnahme sdieses Zeugen!» s— Rich
ter: »Warum sdenn-?«—-Advokat: »Es
ist Försier!« J