Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 15, 1903, Zweiter Theil, Image 9

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    Äsbrfas ka
s
J P Wmoolph' Herausgeber Grund Island. Nrbt., l·'). kuiai tin-J Mlcseiter TlikiH Jahrgang 253. No. :;7.
—- m--»--.««
E- tver einmal.
Es tönt in meinen Llireti
Eitt leitlattt miidee tttting . .
Ein altes, kleine-J Liedchen
Ins meint Mitten-. fang
Ein König-sititdcttniirilten
Voll Zeluicii ttitd voll Linn
Tit-J Lied iioii einer ritt-im
Tic im Erliliilteii ti:«ii1it.
Istt i.li · det· Mutter Weit-it
Ein ittre tiltttjic Lsitiid
Ei tiiillrit let-:- das Ltidtiki
»et- irlt nie i.itn tie«tiii. nd . . .
N--.-— - ·
Ritr fünfzehn Minuten
Novellette von M Si o s s a l.
,,t!oswig! Eine Minute Atisents
halt!«
Die Wagentbiir wird ausgerissen,
und ein Herr tritt hastig in’s Coupee.
,,Giiten Abends«
Dann stellt er feinen kleinen Hand
tnfser in·g Netz und läßt sich in der
ttärtxitesi Eile nieder. fast gleichzeitig
slctinint die Lampe aii Der Mann
fährt in die Höhe und steht sich sor
icl: nzi tim. Es ivar ihm eben gewesen
als od Jemand ausgeschrien hätte oIek
wenigstens ausschreieti wollte Wollte
Welch ein Unsinn! Wenn Jemand nas
nttr will, so leinn tnan das doch niitn
hören-. Natürlich ivar ers ttiir eine
Einbilditng von ihm, denn das- ältlictse
Ehepaar ihni gegenüber sitzt in seine
Pelze gehüllt io nltleiinieitisch itnd
stiimpsfinnig da, als ob es tiiit offenen
Augen schliefe· Von den Beiden hat sich
Keiner auch niir bewegt.
Aber es ist ja noch Jemand in:
Beispie. dort eint jenseitigeit Fenster
oder vielmehr es find deren zwei
eine Dame iiitd ein kleines Mädchen
Tsäe tirstcre schnitt angestrengt hinaus
its-In kann von ihr niir die gerade
sllllllclllllllc llllll clllcll Dllllclkll Dl1t171
lnoten sehen. und den kaum, dem
seine obere Hälfte bedeckt eine gelbliche
Pelziniihe und die untere versintt in
dem bochitelsenden Kragen des Man
teld. Nur ganz leicht schimmern ein
paar töthlich braune Haaksträhnen
zwischen den hellen flaumigen Pelz
lkätdzen hindurch.
Der Herr betrachtet sie aber gan-,
anhaltend, und wieder hat et dadei das
Gefühl, als ob hier in diesem eng-:
Ra nie etwas vorainge etwas- extt
letzlickt Aufregendes, das — —
Was aber soll das sein? Ach, er met is.
eis- nicht er ist ja halb toll.
Zaknig über sich selbst, iiber seit-e
undegreifliche Nervositiit, reißt er mit
Gewalt den Blick von dein braunen
Haarlnoten los und wendet ihn den
Kinde zu —. und nun weis-, er rni
eineni Mal, was das iiir ein Spuk its,
der biet umgeht.
Die Frau braucht ·aac nicht den
Kopf unt udrehen, er weiß doch, das-,
das seine rau ist und das Kind fein
Kind ist-»Mit Kind dort in dein
weißen Mäntelchen, rnit dern lchtva
rtenveedrämten Mützchen« das eben di
,- Rosen anshebt, die seiner Mutter ans
dee Hand gefallen irrer-. Als er's zu
letzt sein«-war es noch ganz klein, kanns
ein Jahr alt, nnd ein rundes rathe-:
Miindchen hatte es, mit ein paar
spitzen Mauseziihnchen drin und solch
kleinen dicken weichen Höndchem mi«
denen es ihrn immer in’s Gesicht zu
datichen pflegte. Wenn er anf dein
heißen Wüstensand Afrilt1’5 nnter sei
nein Zelt schlief« und ein leichter Lust
eng seine Stirn streifte dann träumte
er immer, daß et die weichen Händ
eben seines Kindes im Gesicht fühlte
Jetzt schautes ganz ganz anders ans-.
ils d-m«l-'I s-.- M «-f«-- -- -
»... .-......... ».....»., ..- ... ». .
schon fünf Jahre alt aber er weiß
ganz aenau, daß er ficli nicht irrt, daß
Ue fein Kind ist.
Lb es wdlil ndcn das rotlie Mal ai
der Stirn haben mag, das er selbe
ehedein hatte und fein Vater vor ihm
und alle Anderen seiner Vorfahren
auch, soweit die Familienchronit zu
tin-reicht Gerade wie ein idiniiaes
Btutstropfen fah es aus auf der ivei
ßen Haut. Wenn er sich davon über
zeugen will, muß er die blonden Löct
chen bei Seite schieben darum wird
er ei nie sehen.
Er hätte sich ja feinen Antheil ai-.
dem Kinde sichern tönnen - der
Nechtsantvalt fragte ihn noch ausdriirt
tich. ob er nicht wünschte, daß es att
iiibrlich eine bestimmte Zeit bei ian zi-,
bringen sollte, aber-r verneinte be
itimint. Was nützt ihm solch ein Zu
iamnieniein, bei dem seine Tochter inn
entfremdet, scheu und feindlich aeaen
iibe"riteht? Zumal fest, da sie eine-:
Ziiefvater bekommen. im Hinblick auf
dessen Vortrefflichteit man ec« allein
schon sicher nicht versäumt hat, ihr-s
den eigenen Vater in den tchiviirzeiteii
- eben zu schildern! Bei einem seine
tannten hatte er einmal to etwas
erlebt. und das mar io traurig Nein
nein. besser da mit einem scharfen
Schnitt ein Ende machen. Er war ni
fur die Tomyris-risse unn iftkz asictx
heute nicht. Und doch -
Ja, wenn die Frau anders war-!
Aber sie· sie kennt ja keine Rücksicht
Sie tennt überhaupt nichts, als ihren
eigenen eigensinnigem unvernünftian
Willen Sie ist der vertörperte Einen
sinn! Wie ein unaezogenei Kind! Ein
Kind war sie ja allerdings noch, als er
sie heirathete, aber « ei gibt doch ausf- i
gut erzoaene Kinder. Der- Gott, spar
dat er Mt durch die Frau gelitten-!
- Und er ivar immer so gut, so rück
sichs-voll und nachsickssig sgeaen ste. tm
sth immer? Ja, ja, ia — ins-mer«
Hater kann es aar nicht Matteå
M geben. Immer. immer.
ins-its
Unserem bemälzt ee sich nrit einer
wilden zorniaen Wuth, sich alle di
vielen Gelegenheiten its-Z Gedächtnisz
zn rusen, bei denen sie ihn bis aufs
Blut gequält hat ioegen nichts, buch
stäblich wegen nichts, und bei denen er
iniiner so giit niid nachsichtig und so
riictsichtsooll gegen sie war. Als das-.
aber Alles noch nicht genügt, um ihn
mit dein Haß zu sättigen, der allein
ihti iiber diese Stunde hintrsgbrinigen
laiin, da will er an das Letzte denken,
das sie trennte, aber er oerniaa es nicht
zu finden, sein Hirn ist wie ausge
braniit. Die Scenen, die an sei-nei
Seele vorüberziehen, sind einander so
gleich ssioas loinnit’s daraus an, oh
das eine Mal er, das andere Mal sie
etwas übel nahm? Der einzige Unter
schied ist der, das-, man sich zuerst un
absichtlich und später geflissentlich ver
letzte. Und sie war immer so empfind
lich —— so ganz ungerechtfertigt em
vsindliet. Wer legt denn aus die
Wagschale, was inan hinredet, weni
iiian gereizt ist! Man weiß ja selb7t
ganz ani, daß das Alles sinnlosecs
Zeug ist.
Und dazwischen iiiiisz er immer wie
der an die lleiiie rothe Narbe aus der
Schläfe seines Kindes denken und ob
es die wohl noch haben mag.
Da ziiiii ersten Mal iisiilirend de-r
Fahrt wendet die Frau deiiKops uin
lanasani, widerwillig, alLs ob eine un
sichtlnire Macht in ihr umdrehte. Jbr
Gestein ist erschreckend bleich und sörin
lich wie versteinert. Einen kurzen Mo
iuent hattet ihr veralaster Blick aiis dein
Manti, dessen brennende Augen noch
isniiier das Kind iiiiisanaen, dann »in-ji
esJ iini ihren Mund, nnd plötzlich bieai
sie sich mit einer hastigen unaeschiclteu
Bewegung zu der Kleinen und sliisterf
ihr etwa-.- zu.
Die sieht zu ihm hinüber, ein wenig
verwundert. ein wenig verlegen, draiis
umspannen die Finger die Rosen, isie
sie iu einein Strauß ziisammenaesaszr
hat« und iiiit dem anderen Händcheii
sich an der Polsterhanl aeaeniiber hat
tend, toinnit sie aus ihn zu.
»Lotti schenkt Ihnen ihre Rosen!«
.i«)eltia hatte er das Kind an sich ne
rissen und nun küßte er es ans Wan
gen, Stirn und Mund und preßt eis
an sich mit solchem Ungestüm, daß die
Kleine sich freizumachen strebt und die
Lippen weinerlich verziehn
»Nicht siirchten. Lotti nicht fürs-;
ten,« sagte die Frau mit beleater
Stimme. »Der Herr hat wobl aucli sJ
ein kleines Mädchen gehabt und es
verloren -- bleib’ bei ihm, mein Herr
chen, so lana’ er eei tviirischt.«
lsr nriate ernst dankend das Haus-:
aeaen sie, aber kann ilire Ziiar kann
unterscheiden, est« liegt ilim wie ein
Schleier iiber den Augen.
Der lielle Schein einer Laterne siiklt
in’e Eouvee - ein areller Psåss -
lanasainer nnd langsamer fliegen ch
siiiattenliasten Baurnaestalten am Akt-i
voriiei nur wenige Minuten non-,
dann heilt der Zusi. Dann muß ei
aus-steigen -natiirlich! lks wäre ja
unritterlich, wenn er sie noch länaer
der Pein seiner Gegenwart aussetzen
wollte. Und abermals drückte er dacs
liind an sich und löst ilnn die Finger
chen von den Rosen nnd kiifrt jede-s
Fingerchen einzeln. Nach dem kleines
rotben Mal zu selten aber liat er dostr
vergessen. e
Da tauchen schon die Lichter der
Station aus dem Dunkel aus —« der
Zna lsiil. ietzt muß er gleich ans
steigen. «
»Kötzschrnbroda!« rnsi der Schaff
ner. »Fiins Minuten Ausenthalt2«
Dabei reiszt er die Thiir aus, und ein
eisiger Lustzua dringt herein. so dasi
der mitreisende Herr, der ebenso wie
seine Frau discret die Augen geschlos
sen, unwilltiirlich emporsährt und die
Lider öffnet. Sein Blick veaegnet
dem seiner Frau, der mit nicht miß-in
verstehendem Ausdruck aus ihn aeriax
tet ist. Er nickt sast unmerklich unt
legt seiner Frau die Hand aus den
Arm. »Komm " sliistert er ihr iu.
Sie ver-steht sosort nnd erbebt sich,
woraus Beide leise ohne Gruß das
Couoee verlassen uno hinter sicb
schließen. i«
,»Jeyt tvird sie ausstehen,« denkt der
Zisriickbleibendh »und dann dann
muii ich aehen.« —
Ader sie rührt sich nicht. Wieder
ertönt die Absalon-away und der Zna
setzt sich in Bewegung. Sie ist da
gebliebn -- wahrhaftig s- und er -
ist mit ihr allein!
Verstoltlen lunt er nack- ihrem ttle
sicht. Wenn der Schleier nur nicht vas
seinen Augen läge, damiter den Aue
druck in ihren Zügen besser zu unter
scheiden oermiichtet Aber gleichviel
was kommt daraus an. wie sie es aui
sasrt er kann so stumm nicht von ilir
geben.
Und nun kiikt er das Kind noch ein
mal, sest eo dann aus die Wagen-tot
ster und gebt, sich stets emporreckend
zu ihr hinüber
.Jss möchte Dir danke-if sagte er,
sich zu ihr beugend, ganz leise.
Sie bewegt abwehren-d den Kon und
wendet ihn dann wieder dem Fenster
zu. Ein paar Mal . setzt sie zum
Sprechen an und bringt endlich doch
nichts weiter hervor, als »was ist do
zu danken!«
»Doch! Es war sehr freundlich von
Dir. Jch hätte das nicht erwartet.«
»Jet. -—tvir ---—«, sie wiirgt immer
noch an den Worten — »wir haben ja
keinen Grund, uns zu hassen —--— wir
wir konnten
»Mir nicht zusammen leben. Nicht
wahr, das wolltest Du doch wohl
sagen? Jch machte Dir das Leben zus
Hölle ——«
»Wie ich Dir --—«—
»Lassen wir doch die Vergangenheit,
Gertrud», unterbricht er sie. »Dos
fentlsch hast Du jetzt besser gewählt.«
Jhr Kopf fährt blitzschnell herum,
nnd ihre Augen funteln ihn feindlich
an. »Du weißt --«
»Es war dasErfte, was man mir
erzählte, als ich ansAfrita kann Dass
heißt, Du weißt wohl nicht das; ich dis
qcrnze Zeit über dort warf-« Sie ant
wortet nicht« sondern fährt fort, ihn
anzusinnen »Ich war so einsam, so
fiirchterlich einsam,« klagt sie. »Auch
meine Mutter war inzwischen gestor
ben und ich bin doch noch so innig
so sung das Leben liegt noch vo
mir. Was soll ich denn nur machen?
Was soll ich denn nur machen Z« schreit
sie fast heraus.
Ihr Ton erschüttert ihn so tief, daf,
er sich erst eine Weile sammeln man
ehe er erwidert. »Ich mache Dir ja
keinen Vorwurf,« spricht er sanft. »Wie
tiime ich daznf Jch wollte Dich nur
fragen, wie Du lebst, wie es Dir geht
-- - sonst nicht-, wirklich nichts, Ger
trud. Bist Du glücklich? will er
fragen, aber er bringt es nicht iiber dis,
Lippen. Statt dessen sagt er, »ich
möchte so gern wissen, wo meine Ge
danlenlsnch suchen löitnen — Dich und
das Kind. Wo lebst Du jetzt, Ger
into-»
»Noch immer on demselben Ort
in demselben Haus«-— init der alten
Anne.«
»Mit der alten tltnnexsp wiederholt
er mechanisch.
Sie nickt. »Ja, aber der Cäsar
der ist todt. Er starb schon bald,
nachdem
»Der gute alte Cäsar!« Er siihlt
wie ihm die Augen naß werden, und
wie entschuldigend siigt er hinzu: Wir
matten uns immer ans-U wie dac- Kind
die Lotti s- ntit ihm spielen würd-,
wenn «
»Woz« sagst Tu du«-Z« stillt sie hes
mit mir? Wozu bist Du nicht ansge
stiegen ans der ooriaen Etationf Wo
zu «
»Da tommeu wieder die Lichter.
!Uiettt:a,« ruft vom entgegengesetzt-Its
Fenster die helle blingende Stimme deij
Kindes.
»Ich steige gleich ausz. Noch einmal,
habe Dank, Gertrud!« Er beugt sitt
iiber ihre Hand und siihrt sie an seine
Lippen.
seinen Arm. »Bleib’ doch!«
Eben sagtest Du, warum ich nictst
vorher schon ausgestiegen wäre ----"
»Was hörst Du nur d’raui, wag ich
sage-? Was ich so hinrede hat ia aas
teine Bedeutung! Aber so warst Du
immer! Immer ---von jeher! Ansah
ren hättest Du mich sollen -- halt’ de»
Mund, dummes Ding, dummer-, un
getogenes Kind! Aber statt dessen
ihre Stimme bricht, und die Thränen
stiirzen ihr aus den Angen.
»Das Alles könnte ich Dir turiicl
aeben, Gertrud.«
»Aber ich habe ja schon gesagt, das-,
ich schuld bin, was lann ich denn nocls
mehr thun? Und Du bist doch älter
als ict zehn Jahre älter! Um so viel
tliiger hättest Du sein müssen, Du "
»Um Gottes-willen, Kind,'« unter
bricht er sie heiser, »was soll das
Alles? Gertrud - beruhige Dich doch
Ich weiss ja nicht, ob Du erwartet
wirst, aber - -«
erwartet werde es ist mir Alle
gleichgiltig. Lotti,« schreit sie den;
Kind; zu, das mit großen erschrockeners
Anan die Szene verfolgt, »Lotti, die
hier ist Dein Vater dies, dies, hörst
Dri, Lotti? Dies ist Dritt Vater. den
Du allein lieb hohen sollst -- hörst
Pilz-«
»Mein Gott« mein Gott!« murmels.
er. »Das ist entsetzlich! Gertrttd —
tomm doch zu Dir-— willst Dir Dis
denn abermals DeinLeben oerderhn?«
»Mein Leben ist verdorben! Jch war
wahnsinnig damals — wahnsinnig
spricht er schwer.
Einen Augenblick starren sie sich an,
wie zwei zum Tode Verurtheilte, dann
sagte er: »Aber was kann ich denn
thttn. Guttat-? Du hist jetzt eines
andern Mannes Frau —
«Jch bin ei noch nicht und werde es
nie werden ——seht nicht mehr —-«
«---·--.-—.--—.-----.
Als er sich ansrichten will, pactt sit :
»Es ist mir ganz gleichgiltig, ob ich E
l
l
tig ein. »Wotn sprichst Du überhaupt ’
(
Der Zug hat inzwischen gehalten,
und der alte Herr, der zuvor mit seiner
Frau bei den Dreien im Coupee geses
sen hat, streicht daran vor-über. Er
wirft einen raschen Blick hinein, und da
fiehret, wie der Mann und die Frat
sidx umfaßt halten, wie Zwei die frei
anf dieser Welt nicht mehr lassen wol
len.
»Mir fünfzehn leiinuteni« spricht o-·
siir sich· »Noch nicht einmal ein Tro
psen im Meer der Einigkeit nnd doch
-- nm wie viel weniger bedarf ei-,
wenn die Schicksale-Iwane sich neigen
toill!«
- —-.-«-—
Der Einbrnch in den Cigarrew
laden.
Humans-le von Mar Hirschseld
Erfist eine schmerzliche Thatsache,
mit der wir beginnen müssen, daß der
Strnmvswirtermeister Muschel nach
dem Ableben seiner Gattin sich viel in
den Wirthshäusern hernmtrieb, seine
Freunde behaupteten, um seinen
Schmerz zu betäuben, die bösen Zun
gen meinten, um sich siir die Entbeh
rnnqen während seiner lihe zu ent
schädigen.
tfg ist feststehende Thatsache. das-,
Meister Muschel eines Tage-J mit ei
nem fürchterlichen Vrnmmschadel aus
dem Sosa seine-:- Wohniimniercs er
wachte.
»Na, endlich!" saate Riese, seine
Wirthschafterin, welche schon zum wer
toeifi wievielten Male den Kopf lzur
Thiire hineinstectte, »Herr Muschel,
soll ich Ihnen jetzt den stafsee drin
arti.««
linverstiindlichesz Brncnmen vorn
Svfa her.
»Gut, dann bring« ich ihn also!«
Nach einigen Minuten erschien Rie
te mit dem Kaiser - Tablet, das sie
ans den Tisch setzte. Bei diesek Gele
aenheit war sie immer gewohnt, iiber
die Neuigkeiten des Otiidtchencs in be
rirhten, die sie von den Nachbarn oder
beim Einholen vom stemmig gehört
Milch
. »Wissen Sie schon von Bitllericiis,
Herr Ltitttchel.«
»Was denn?«
»Was-? Sie wissen nichts Bei Zi
aarrenlyiindlerixi Bullerich ist diese
Nacht einaebrochen.«
»Wer ist eingebrochen?«
»Ja, das weis; noch keiner nich,
aber die Poliiei ist höllisch hinterher,
Zchutzmann ztnuse läuft schon den
sanken Morgen wie verriictt rum «
der ,,Anzeiger" nat ja auch ein Extra
blatt ans-gegeben - warten Sie
mal
Niete fuhr in die tiefe Tasche ihres
Wortes holte Zunächst den aanzen In
halt eines Niiblorbeg nnd dann ein
zerlnittertez Blatt lierbor Diese-J weit
von sich abholte-nd entiifferte sie
miibsiun folgende-zu
,,Ertrablatt dei- ».8talbersta«dter Lin
ieiger«.
Jn der veraanaenen Nacht ist iu
dein Zigarrengeschäst des Herrn Vul
lerich am Markt eingebrochen worden.
Dein Diebe siel der Kassenbestand im
Betrage von 5 Mi. und m Pfennigen
in die Hände. Auch hat er ein Dutzend
aesiillte Zigarrenlisten mitgenommen
Nachtwächter Schlumper bat von dem
Einbrnch zwar nichts bemertt, will
aber einen Mann, den er am Mars
gen mit Zigarrentisten bepaett durch
die Entendsulslgasse schleichen sali, mit
Sicherheit als den Dieb bezeichnen.
tfr signalisirt denselben folgenderma
fzenz Wuchs: klein und etwas dict;
Haar-: borstig: Vlnxugt grau; Hut
»Jemine, Herr Muschel!« treischte
Miete pldnlich auf.
»Was ist denn los "'
»Die Beschreibung stinnnt genau
Alls Sie-«
»Du-neues Franenzimmerk Machen
vSie mal die Tbiir von draußen zuk«
»Herr Muschel, ich wollte Ihnen ia
nicht beleidigen, - ich weiß ja, daß
Sie ein reputierlicher Mann sind
nnd s«
Eine nicht ntiskzuveritehende Arm
bewegung des Herrn Muschel bewog
Miete, das Feld zu räumen. Sobald
sie die Tbiire hinter sich geschlossen
hatte, schob der Meister seine turzen
Beine vom Sosa herunter, um es sich
bequem zu machen nnd in sitzender
Stellung den Rassee zu trinken.
Da bumnisl er hatte etwas schwei
res vom Sofa heruntergeworfen, das
neben ih: n gelegen haben mußte Er
hob dieTischdecke ans nnd blickte Hin-s
unter,da lag eitleZigarrentisth die, wie
er sich sofort überzeugte, gefüllt war.
errn Muschel trat der talte
S weiß auf die Stirn. Man wird
das begreifen. wenn man hört, daß
unfer Held Richtraucher war.
Vergebens versuchte er die sich ihm
aufdröngenden Gedanken zurückzuhal
ten. es war ja alles nur zu klar: in der
völlig sinnlosen Betruntenheit des
gestrigen Abends war er » entweder
allein oder in Gesellschaft eines richti
gen Spisbubem der ihn verleitet hatte
——— in den Bullerich’schen Laden einge
brochen; die Beobachtung des Nacht
wächter-s war richtig gewesen —- wel
ches Glück, dasz er ihn nicht erkannt
hattet —s— er mußte ja aus dem Wege
vom Wirtjhshause nachstxeiner Woh
nung die Entenpsuhlga· e Passiren, —
die übrigen Zigarrenkisten hatte er
wahrscheinlich unterwegs vedloren.
Wieder steckte Riete denKops herein.
»Herr Muschel, der Schutzmann
zinuse ist da, er will s-- —--—«
»Lassen sie ihn schnell hereinkom
nien!« rief Muschel, wobei er sich be
mühte, das Zittern seiner Stimme zu
verbergen.
Schutzmann Finuse iani aus einem
ziemlich harmlosen Grunde. Er sollte
Herrn Muschel daran mahnen, eine
schadhafte Stelle des Bürgersteigs vor
seinem Hause ausbessern zu lassen.
»Herr Muschel,« begann der Schutz
mann, »eg thut mir leid, aber der-Herr
Bürgermeister hat mir ausdrücklich
ausgetragen, ich soll etwas tchars vor-«
gehen -- ---—«
»Ich weiß, ich weis- alles, lieber
Herr stnuse,« fiel Muschel mit beinahe
weinerlicher Stimme ein« »aber ich
vertichere Ihnen, ich hatte gar keine
Ahnung «
. »Meine Ahnung. Aber Herr Mu
»schel, das können Sie doch ivirtlich
» nicht sagen. Es muß Ihnen doch selbst
»unangenehni sein, wenn Sie Nachts
nack- Hause kommen
»Ach ja, Herr Knuse, -- hätte ich
doch auf meine selige Frau gehort,
dann wiire mir so ein Unglück nie das-:
firt «
»Wie? Sie haben sich in dem Loch
also beschädith Nun, sehen Sie, jetzt
trerden Sie doch durch Schaden tlug
werden, Herr Muschel. Die Strafe
taiin Ihnen nicht geschenkt werden«
»Ach ich bitte, baden Sie doch Mit
leid.«
»Na, so arg ist es nicht,« beschwich
«tiate ihn der Strohmann in die
i Brusttasche greifend.
»Ich tauche ja gar—iticht,« rief Mu
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!
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E
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schel, um den wichtigsten wettoerungg
grund anzuführen
»Ich will Jhnen ja auch teine Zi.
garre anbieten, Herr Muschel, ich will
Ahnen nur ein Strafmandat iiber
drei Mart überreichen, damit Sie end
lich das Pflaster vor Ihrem Haufe
ausbessern lassen.«
»Wie- Dag war es- nur?« ries der
Meister aufathrnend »hier haben Sie
drei Mart und hier noch eine Mart
Trinkgeld, lieber Knirse.«
»Das ist mir auch noch nicht pas
firt,« schmunzelte der Schutz-nann,
das Geld einsteckend, »zu einem-Straf
besehl noch ein Trinkgeld. Besten
Dant, Herr Muschel.«
»Noch ein Wort, lieber stnusek Wie
steht es denn mit dem EinbrecherZ Ha
oen Sie ihn schonk«
»Ich habe jetzt iiherhaupt nichts
mehr damit »in thun. Ter Bürger
meister telegraphirte heute friih nach
F. an den Poli·ieipriisidenteii, und der
schickte sofort einen »Geheimen« her
über der die Sache in die Hand ge
nommeu hat.«
, So einen ,,(-S)eheicnen« non der Vo
lizei möchte ich doch auch einmal sehen.
ttommt er hier vorüber?«
»Das weiß ich nicht, Herr Muschel,
und wenn er voriibertame. würden
Sie ihn doch nicht ertennen, er ist in
Oivil und macht sich nur durch die
Marte tenntlich, die er gegebenensalls
vor,zeigt.«
Schutzmann Fenuse war gegangen.
und Muschel hatte sich ganz vergnügt
erhoben, um Toilette zu machen, als
sein Blick wieder aus die qigarrentiste
fiel. die noch immer am oden lag.
Die alte Angst beschlich ihn wieder.
Er starrte die Kiste mit solcher Furcht
an, als könne der Deckel plotzlich aus-«
springen, wie die Büchse der Pandora,
um allerhand Unheil iiber ihn kom
men zu lassen
Wieder tlopste es an der Thüre.
Ein Herr, den irgendwo gesehen zu
haben er sich duntel zu erinnern
glaubte, trat ein, und o Schreck!
unter jedem Arm hielt er eine Zi
garrentiste.
»Gute» Morgen, Herr Muschel!«
sagte der Fremde freundlich.
,,(Stuten Morgen, Herr
»Na, wie geht es denn? Sie haben
mich wohl schon erwartet. Hier sind
die Zigarren Ich brauche Jhnen die
Mai-le wohl nicht zu zeigen, aber
wag ist Ihnen Sie werden ja ganz
«
, bleich?«
,O nichts-, nicht-II
hendes Unwohlsein
»Läßt sich denten
striaen Nacht
Meister Muschel fiel stöhnend aui
das Sofer. Das war unbedingt der
»Geheime'«. Er hatte die Zigarren ge
sunden. die er, Muschel. aus der-Flucht
durch die Entenpsuhlgasfe verloren
hatte, er sprach ganz deutlich von sei
ner Marte, und er spielte in grausa
mer Weise aus den Einbeuch an.
»Herr —- --I, Herr -—- » ,ich ver
sichere Ihnen, geehrter Herr ich weiß
von gar nichts —
«Dachte ich mir doch!« fiel der an
Gin vorüberae
nach der ge
dere mürrisch ein. »So! sauie Aus
keden kenne ich schon. A k wenn Sie
dabei bleiben, bringe ich Sie sofort «
vot’s Gericht —«
,,Gnade! Gut-du« flehte Muschei
mit emporgehobenen Händen. ,
»Jemersch! Haben Sie sich doch
nicht so! Jch will Ihnen ja nicSt den
Kon abreißen Mit lumpigen drei
ßig Mart ist die Sache geinacht.«
»Ach wie gerne, Herr Gehei
mer «
»Greiner, bitte!«
»Ja, ich sagte doch, Geheimen Herr
Geheimn! Dreißia Mark gebe ich
Almen mit Freuden, wenn sie mir ver
sprechen, mich dann ganz in Ruhe zu
lassen.«
»Hu mit dem Geld ---- So, danke
schön! Und hier sind die Ziaarreni
Ein seineres Kraut haben Sie noch
nie qerauchi «
»Aber -s- —ich bin ja -—— Nichttanchek
— und ——
»Ja, weshalb haben Sie denn ge
stern drei Kisten Zigarren bei mir be
tellt und wollten eine Kiste durchaus
gleich mitnehinen?«
»Was-?- Jch? Wo denn?«
,,Gestern Nacht im Wirthshaus
zum goldenen Schas·«
»Ist-, wer sind Sie denn?«
,,Stellen Sie sich nicht so, Herr
FIUIIIFADH Kann-n Git- donn den OF
saarrenreisenden Greiner nicht mehr?
Ich habe Sie ja noch mit dem Nacht
wächter zusammen nach Hause ge
bracht -—« ,»
»Ja, jetzt erinnere ich mich, —. ich ·
hatte schon zehn Seidel getrunteii, als
Sie kamen —«
»Freut mich, dasz Sie jetzt darauf
kommen! Augenblicklich habe ich keine
Zeit mehr, ich muß auf die Bahn, —
aver nach vier Wochen erlauben Sie
mir vielleicht, Ihnen noch drei Kisten
zu senden?«
»Herr, ich habe Jhnen ja gesagt —«
Sltiete stürzte Plötzlich ins Zimmer.
»Herr Muschel, sie haben den Ein
brecher! Schutzmannl Knuse bringt ihn
antraiisportirt, sie kommen hier
vorbei.«
Und nun stürzten alle auf die Gasse
hinaus-, um das seltene Schauspiel zu
aenießen, durch dessen Anblick Muschel
siir alle heute auggestandenen Qualen
entschädigt wurde-.
—- -—------.- Is--—
Geschiilisimde von de Mut-ten
Ilotte. -
Von Messina kommt eine Nachricht,
die besonders in Marinclreisen großes
Interesse erwecken wird. Der dortige
niederländische Konsul berichtet, daß
er kürzlich Gelegenheit hatte, 25 Ge
schiitze zu besichtigen, die in der Straße
von Faro nahe bei Messina gehoben
wurden. Sie stammen von der spa
nischholliindischen Flotte, die unter
dein Befehle de tltunterg stand und am
BED. April lti7ti in der Bai von Ca
tania gegen den französischen Admi
ral Duauesne schwere Verluste erlitt.
De Ruyter wurde dort durch eine Sta
nonentugel schwer am Fuß verwundet
und starb noch an demselben Tage.
Die meisten Stücte sind stark beschä
digt. Die Sttohrlänge schwantt zwis
schen 1.4t) M. und 1.70 M. daH sta
s liber von R bisz 14 Cin. Auffallend
- aut haben sich neun holländische Ge
ssiiiiitze gehalten, tvaS aus das schon
z damals in Holland verwendete
Bron,;eiiiiitei·ial zurückzuführen ist.
Einige tragen die Jnichristz ,,«.tldini
raliteiiszs kttesidentie Amstelrednrn«,
«andere ,,«.)ldniiraliteit5 - lttesidentie
, tttotterdani«. Ferner befinden sich aus
den lttohren Medaillon5. worin der
I niederländische Löwe auf zwei Antern
l ruht: Ajteergöttinnen und kltanten ums
geben das Ganze. Man erwartet m
Holland, das; diese werthvollen Stiicke
Vom Lande angetaust werden.
—-—.·-.-., .
Das kleinste Wirt-klebten
Das kleinste, bisher beisaan gewor
rcne Wiriseltbler ist ein Fisibchen
(«lJileichtt;y-:s), don dem wir erst seit
dem Aufenthalt ainerilanischcr Trup
pcu aus den Philippinen Nähere-z wis
sen. Es findet sich in großen Massen
it. einem auf Luzon gelesgenenSee und
ek.eicht seine Länge don höchstens Fins
zsszrbuite Die Thierchen sind, wie so
viele in Den oberen Schichten der Ge
nsässer lebenden Wesen-, ging-artig
;«ui·chsich:ia und saft ganz ohne Zeich
nung. Sie werdens zu Tausenden von
c.n Eiitaeborenen ins große-n Tiichern
cis-J dient Wasser gesiebt und- bilden ge
trocknet ein sItJr geschätzteg Nahrungs
i.-it:el, dessen Genus-, auch die ameri
l..uischen Soldaten nicht Verachten sol
ur» lieber dke Lebensweise diese-J
Fischen-eng ist noch nichts Näher-ex de
kannt; ec« ist aber wahrscheinlich daß
ei- fich nicht durch Eier sortpsl.inzt,
fsnscern lebendige Junge zur Welt
bringt. Auch einige andere neuerdinas
betanust aeioordene Fische aus Bin«
uenaeioiisseru zeigen diese aussalleude
und abweichend-e Erscheinung, so der
von Pallas entdeckte und später von
Zagenf näher untersuchte Cornepborus
eng rein Bailalsee.
—-—- «—-·-.-—— «——
Mal-.
lälerichriioollzielter lzur Danie, die
ihm aus iriederhclte Fragen keine
Antioer qiebt, unaeduldsia): »Na,
tbun Sie doch den Mund aus« das
Gebiß piände ich Ihnen doch nicht!"
Der til-laue Schneider-.
Kunde: »Ich möchte gern einen An
zog haben, aber ich muß Ihnen gleich
im Voraus sagen, ich kann Sie erst
in vier Wochen bezahlen. Wann kann
der Anzug wohl fertig sein?«
Schneiden »Ja —- viee Wochen.«