Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 03, 1903, Zweiter Theil, Image 10

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    Die Sünden der Väter.
Roman von Franc Damit
NWWFMFU
« - — ---- Jus-suc- is Isssfstston ists « cito-: til-KLEMM A HÄLFDKSTZKOXI XII-OTT
«
XII-ngGREE
(2. FortseyungJ
Beide Mhielten sich einige Minn
ierp lang schweigsam, indem fee iider
die Misgiichteit, das Hansorar zu ver
dienen. nnd-dachten Sassnlitsch übers
legte wie vie Begebenheiten ihrer
Flucht Xa ihrem Vor-thesi zurechtzurii
Gn seien; Olga jedoch war entmu
tkhigt sweil srsvoraussa«h, wie ManchIS
erfassen oder gesälschst werden mühte.
»Das könnte man- ja machen,"
rneinste Iwan.
.Was mich betrifft, so könnte ich es
nicht«
»O, laß das nur meine Sache sein!
Ich werde Dir diktiren.«
»Ich blau-des Englischen nicht genü
gend mächtig nnd schreiben ist sein-e
rer, als sprechenI
»Es wäre sehr schlau, wenn Du
Dir ivon dein jungen Man-n heissen lie
ßest,« sagte Sassulitsch mit einem
spitzbiihischen Lächeln-. »Der Fisch
würde gewiß anbeiszenx ich »weiß, was
diese Art von Mitarbeiterschaft be
deutet«
Olga erröthete usnd sein-Ue den Kopf.
»Der jun-ge Mauer scheint rni- aber
von seinem Vater abhängig zu sein,«
fuhr Sassnlitssch fort. »Und Ver alte
Politik-er würde voreilia dazwischen
fahren. Außer-idem laden sie uns nur
Fu einer- Soivee ein· Es gebricht uns
an Zeit, und ich tann den alten Gen
tlernan nicht leidend Schlage was an
ders svor.«
Olgsa legte den Brief bei Seite und
ergriff einen andern.
»Was-n Cardecott trer Franck«
Einen Augenblick! Nicht wahr, das
tsi ein pensionirter Osfizier?«
Olga bejahte diese Frage.
7« «Hat er nicht ein Buch geschrieben?«
.Jn England hat beinahe Jeder
mann ein Buch geschrieben oder ist irn
Begriffe, eins zu schreiben. Der Major
breitet eine Broschüre über seine Dia
Wntsammlung vor. Ueber den Titel
fhat er indessen noch keinen Entschluß
gefaßt, wie er mir sagte. »Wie ich
weine schwarzen Diamanten erwarb«,
wittde ihm sehr gut gefallen, wenn er
mir nicht befürchten müßte, daß man
die Broschüre als eine Nellarne fiir
Steintohlen ansehen würde.«
« .Seine Diamanten!« rief Sassu
titsch mit salbungsvoller Sanftmuth.
»Ich möchte sie für mein Leben gern
irfiihlen,« fuhr er fort, indem er die
ists-h- Itimsgm seyn-O- enkd III-Isi
- s- »-··- HI---- -«..» -
» ..
schloß. »Man sagte mir. das-. er fein
ganzeåk Vermögen in die Edelsteine
hinein-gesteckt hat. Ein Brillant soll
einen Werth von einer halben Million
besitzen. Wenn man bedenkt, dafz in
so einein Stein ein ganzes Vermögen
steckt, das keine Zinsen dringt! Es ist
gerade so, als zahlte man täglich fünf
zig Mark für das Vergnügen, einen
Stein zu besitzen. Dieses Original
möchte ich näher kennen lernen; der
Mann könnte uns zur Veröffentlichung
unseres Buches verhelfen.«
»Nein, nein, nein!·« schrie Olga ent:
sestauß da sie den verborgenen Sinn
der Worte ihres Großvaters wohl be
griffen hatte.
»Er dittet uns, ihn zu besuchen,«
sagte Iwan. »Ich erinnere mich dessen
ganz genau; wo wohnt er?'«
Olga las: »Sobald wir nach Pangs
dvurne am 15. Mai zurückgekehrt sein
werden —." »Erft drei Wochen," fügte
sie sichtlich erleichtert innqu
» »Berd . . · ., diese Zwischenzeit! Wir
H haben nur vier Tage Frist! Einen an- «
deren Brief!«
Olga las mehrere vor, aber die Ein
kadnngen lauteten nur auf Soireen
oder erst fiir den Sommer auf das
Land.
«Jrnrner nurSoireen!« schimpfte der
Alte. »W-) sollen wir aber unsere Tage
such dem 28. zubringen?«
, Sie fanden keine Antwort auf diese
Frage und verdrachten den Abend sehr
mismuthig
; .k Am nächsten Morgen fand sich Phil
k- Iips ein, um sie in das Hotel Interna
-«tisnal zu bringen, wo er zwei Zimmer
sitt sie belegt hatte.
»Meine Ordre lautet,« sagte er ih
«J M leise, nachdem die Uebersiedlung
Vollzogen war, »daß ich alle Ihre Aus
Isen bis zum 28. dieses Monats be
« Ich bade Herrn und Frau
diet benachrichtigt, daß sie an die
» Tage das Inventar mitbringen,
orin wegen natürlich, damit sich
III at überzeuge, daß kein Jn
fthiii Ich bsbe sie such be
- i. Ihre Sachen mit ubringen,
., und die Ihrigen, M zich habe
auch die Freiheit genonunem
« «E er mit einein Seitenbück
in, mn sich zu til-erzeu
» ob diese nicht offen stehe, »Ihr-J
» Das meinen Dicken auf :
» -T- Zwitter-zu kais-« !
M einer M de nner wieder ;
»Beste vesnich bmorgeni ehe
iiie , Werwachi sein werden«
Win- m sie nach
coec- is Visite-»
-t
i
Olgas wandte-sich ab, um die Thra
nen zu verbergen, die ihren Blick ver
dunkelten. Phillipsz aber verhandelte
ruhig mit Safsulitfch weiter.
»Sie wissen doch, Fürst, daß für
London die Saison vorüber ist, in der
man sich mit einem Schafpelz betleidet
auf der Straße zeigen kann, und ich
dachte mir, Sie würden etwas seltsam
aussehen, wenn Sie sich so auf der
Straße zeigten. Die Straßenjungen
haben fiir der-gleichen einen merkwür
digen Scharfblick.«
Nach Phillips Weggang blieb Sassu
litsch in Gedanken vertieft. Mit gebeug
tem Rücken saß er in seinem Lehnstuhl.
Jn seinen Gesichtsziigen spiegelte sich
die Hoffnungslosigkeit wieder, denn er
befand sich wiederum in derselben
schrecklichen Lage, wie damals, als er
sich im Bureau McAllisters meldete
und um Almosen bat. Er fühlte sich
neuerdings als Bettler.
Die Schrecken der Zutunst waren
indessen für Olga noch fürchterlicher.
Sie hatte mehr zu verlieren, als der
Greis-; ihre Lebensfreude war viel leb
hafter und ihre Wünsche weitreichender.
Die entsetzlichen Qualen in den sit-tri
schen Gefängnissen hatten weder ihren
Stolz gebrochen, noch ihre Feinfiihlig
teit gestört; aber die diisiere Zukunft
voll Armuth undEntbehrungen erfüllte
sie mit Ekel. Sie erinnerte sich an die
Worte, die ihr Großvater gesprochen,
als sie durch das enge. schmudige Gäß
chen fuhren: »Hier wohnen die Armenl«
Und wie sie in Sibirien jede Berüh
rung mit den verwahrlosten Leidens
genossen vermieden hatte, so war sie jetzt
entseßt bei dem Gedanken, dafz sie das
Leben der bedauernswerthen Bewohner
des Whiteehapels theilen müßte.
Endlich hatte Sassulitfch einen Ent
schluß gefaßt, nnd die Hand aus
streckend rief er: «Olga!«
»Wir sind allein,« erwiderte die Ge
rusene, ohne ihren Platz am Fenster zu
verlassen. "
»Du mußt dein McAllifter sofort
Pius-Hain mis- fmfun spinsn Inn-obli
zu verlieren da wir erst in drei Ta
gen eine Antwort erhalten können."
»Was soll ich ihm schreiben?" fragte
Olga unschliissig.
»Schildere ihm unsere Lage.«
»Er.lennt sie ja.«
Sassulitsch machte eine ungeduldige
Bewegung.
»Schreibe ihm, daß wir erst aus drei
Wochen später eine Einladung hätten,
und bitte ihn in delikater Weise —- so
verblümt, Du verstehst mich ja —- daß
er uns ein Darlehen gebe, damit wir
bis dahin unsere Ausgaben bestreiten
tönnen.«
»Wie wollen wir ihm das Darlehen
zurückzahlen ?"
»Das geht Dich nichts an.«
»Es geht mich wohl etwas an, da ich
den Brief schreiben soll.'«
»Thue, was ich Dir befehle!«" Aus
Dein Meinung kommt es nicht an.
Schreibe!«
Olga war einen Augenblick lang un
entschlossen, dann siegte aber ihr Stolz
und sie tief mit verneinender Geberde:
»Nein, nein, es ist zu gemeint Jch
schäme mich ohnehin schon, daran zu
denken, was wir ihm bereits schulden
durch Betrug.«
»Du wirst Dich noch mehr erniedri
gen und in Schmutz waten müssen!
Ein wenig früher oder später wirst Du
doch betteln müssen. Willst Du lieber
in Lumpen betteln?«
s li,Jawiihl, wenn ich durchaus betteln
o .«
»Geh in Dein Zimmer, dumme
Gans,« schrie Sassulitsch wüthend,
»und schick mir Parler«. »
Olga ging hinaus und eine Minute
später trat Parter ein. Dieser machte
leine Schwierigkeiten, und Sassuiltsch
erröthete nicht, als er dem Diener ein
klägliches Bittgesuch an MrAllister dik
tirte, bei dem er sich entschuldigte, dasz
er sich durch die Vermittelung des Die
ners an ihn wende, da Olga zu stolz
sei, zu schreiben.
Sein Groll gegen die Enkelin offen
barte sich durch ein eisiges Schweigen,
als er mit Olga beim Frühstück saß,
aber ersterer war verraucht, als sie am
Nachmittag ausfuhren. Da waret wie
der sehr liebenswürdig und machte es
sich in der Victoria bequem, die ihnen
Frau Allister zur Verfügung gestellt
hatte.
»Am Park wollen wir aussteigen
und spazieren gehe-V sagte er. »Es
mußte nicht mit rechten Dingen zu
wqu wir nicht Jemanden un
fetrerg setanatschasien triisetu«
ugen langsam die große Alles
Ruh aus dieSuche nach einer baldi gen
nladung, nicht ohne daß Ol Fa em
Demiithigu wegen dieser ver appteu
Bettelei ern and Sie begegnete-i vie
len Peonen mit denen sie eines
seeuuds Zeus austauscheen
Der site betteite aaus Junge-riet nat
einecinWtMania t,te setmi
« Wiesen mehrere
äuw imtrittst-l in wohne-, gereist
lifcheu boten
UMM Of M sti
deres, als Einladungen zu Soireen file
die nächste Woche.
Sie verfolgten ihren Spaziergang
bis dem Alten die Beine den Dienst
versagten. Da sie lein Geld hatten,
sich Stiihle zu miethen,—— Philtips war
nicht beauftragt worden, ihnen baares
Geld auszufolgem —- so waren sie ge
zwungen, ihre Promenade fortzusehem
Als der Pakt sich gegen Abend leerte.
befiiegen sie wieder die Viktoria und
fuhren in grimmigem Schweigen ins
Hotel zurück.
Am nächsten Tage hatten sie mehr
Glück. Sie begegneten den Smhths.
Olga hätte das Ehepaar nicht wieder
erkannt, wenn es nicht auf fie zuge
kommen wäre; aber Sassulitsch, der
ein vorzügliches Gedächtniß befah, er
innerte sich, daß er mit Frau Smhthe
ein interessantes Gespräch geführt
hatte.
Die Dame tannte die Unannehm
lichteiten des Hotellebenz aus Erfah
rung, und da sie Mitgefühl für die
Lage Olgas und ihres Großvaters
hatte, lud sie Beide für den nächsten
Sonnabend zu sich nach Wimbledon
ein, wenn sie mit einer einfachen Gast
freundschaft vorlieb nehmen wollten.
- Saffulitsch jedoch-wer mit Freuden
die Gasifreundschaft des erbärmlichften
Hotel garni angenommen hätte. gab
sich Mühe, diesufage hinauszufchiebem
weil er nicht wußte, wo er den Don
» nerstag und Freitag zubringen sollte
und ob der Kleiderverleiher und Par
ler mit dem Aufschub der Zahlung
zufrieden fein würden, die doch mehr
als zweifelhaft war.
Es war jedoch immerhin etwas, daß
er auf eine gaftliche Aufnahme fiir
Ende der Woche rechnen konnte, und
Sassulitsch tehte noch einige hoffnung
auf die Antwort Allifters.
Am Nachmittag desselben Tages be
merlte Olga Herrn Lesleh Dunban,
der mit dem Hute in der Hand auf sie
zukam, als die Vietoria anhielt.
Olga schien glücklich zu sein über die
Begegnung Der junge Mann gefiel
ihr besser, als alke anderen, die sie ten
nen gelernt; er war offener, weniger
gezwungen, weniger förmlich, als die
übrigen. Er war ein hübscher Mann
nicht zu jung, brünett, und seine großen
Augen hatten einen sanften, zärtlichen,
fast weiblichen Blick.
»Ich habe foeben die Familie Tatbe
cott verlassen; sie sitzen weiter unten
unter den Böumen,« sagte er nach der
üblichen Begriifzung
--0--s
»Am, Der iieoe Major; riei cann
litsch lebhaft. »Ich würde mich glück
lich schätzen, wenn ich ihm die Hand
drücken dürfte. Jch möchte ihm etwas
sagen, das mir neulich entfallen war;
es betrifft die Ural-Sinaragde.«
»O, Alles, was die Edelsteine be
trifft. entzückt ihn,« antwortete Leg-len.
»Soll ich Sie hinführen?«
»Ich danle Jhiien sehr,« antwortete
ihm Safsulitsch, indem er sich beim
Aussteigen aus dem Wagen aus seinen
Arm stiihtr.
»Wir sprachen gerade von Ihnen:
das setzt Sie doch nicht in Erstaunen ?«
sagte Lesley, als er nga aussteigen
half. »Man erwartet Sie mit Unge
diild in Panabourne, und Eveline wird
besonders glücklich sein, London ver
lassen zu tönnen.«
»Eveline?« wiederholte Olga fra
send.
»Ich hätte Fräulein Caldeiott sagen
müssen. Es ist aber eben so natürlich,
daß man die Damessxveline nennt, wie
Sie Prinzesfin Jeh betrachte sie, als
wäre sie meine Schwester.«
Olga hatte das Kompliment mit
einem Nicken erwidert, dann sagte sie:
»Das will also sagen, daß sie Ihnen
etwas weniger, oder etwas mehr, als
andere junge Damen ist.«
»Ich weiß nicht« was ich daraus ant
worten soll."
Sie waren inzwischen bei den Salbe
kotts angelangt Leslen, der sich vor
einigen Minuten von der Familie ver
abschiedet hatte, fehle sich wieder, in
deni er in Olgas bezaubernder Nähe
Alles vergaß
Die Caldecotts waren vergnügte
Leute, echteEngliinder vom Scheitel bis
zur Sohle, liebenswürdig gastfreund
lich und glücklich. Sie bildeten einen
auffalleiiden Gegensatz zu Sassulitsch
und Olga.
Der Major, der den Feldzug in
Eghpten mitgemacht hatte, ähnelte
ebensowenig einem Soldaten, wie Sas
sulitsch, der nie in seinem Leben einen
Degen berührt hatte, einem Civilisten.
Er hatte das Aussehen eines gut-nöthi
gen Landedelmaiines, während Stillu
litsch einein Soldaten vorn reinsten
Wasser glich.
Frau Caldeeott war die Heiterkeit
selber, nnd sie blieb nur so lange ernst,
bit sie die heitere Seite ernster Angele
gen-heilen entdeckte. Es war ein Ver
gnügen« ihr nichtssagendes fröhliches
Lachen zu hören. Online, das einzige
Kind dieses lusti en Staates zählte
etwa main-is Ja re; ste erfreute sich
einer blühenden Gesundheit, ihre
blauen Augen blickten vergniigt in die
Welt und der schlichter-ne, aber dennoch
heitere Ausdruck ihres Gesichti ver
schönte die ewshnlichen iige. Sie
war nichts « , aber hübf Zwischen
the und Olga bestand indessen ein Un
terschied wie zwischen Nacht und Tag
Sa nlttseh hatte devnåßllliajäbeäiåi
II Whil, et g -
lich fasan würde, wenn ihrn der Ma-.
or bei der Niederfäeetbnng seiner
f auf die Flucht aus Stbirten
ltliib fein weilte, und der aute
Saldecott war gleich Feuer und Flam
men.
»Weder-n Sie gern i« fragte Eoelinr.
sich an Olga wendend, während ihr
Vater mit Sassulitsch über die schni
schen Smaragde sprach.
»Ich überlasse diese Arbeit lieber
Anderen.«
.Desto besser! Lesley wird rudern.
so daß wir die ganze Zeit über plan
detn können. Sie müssen wissen, daß
Lesley feine Junggesellenwohnung in
Pangbourne unserem Garten gegen
über hat. Vom Rasenplatz aus können
wir seine Fenster sehen, und wir haben
uns eine eichenfprache erdacht, die es
uns ermöglicht, mittelst der Laton
Tennisftöcke zu telegraphiren. Das ist
sehr lustig. —- Spielen Sie Laton
Umriss-«
»Alfo abgemacht,« rief Frau Caldei
eott beim Abschied. »Wir rechnen aus
Sie für den 15. dieses Monats.«
»Ich sehe keinen Abhaltungigrund
für uns,« erwiderte Sassulitsch, sich
tief verneigend.
»Wenn ich nur rechtzeitig die Ant
wort von McAllifter erhalte,« mur
melte er angstvoll beim Einfteigen in
den Wagen, indem er an die Diaman
ten des Majors dachte.
Die Antwort ließ nicht lange auf sich
warten· Arn nächsten Morgen tras sie
bereits ein.
»Ein Brief aus Schottland!« rief
Olga.
»Der ist von McAllister,« sagte Sas
sulitfch, sich die hände reiben-d. »Lies
ihn mir vor.«
»Verehrterherr,« las Olga. «Wollen
Sie die Güte haben und mir die Adresse
der Fürstin Rosowstu und Jhreö ehe
malägen Bankiers in Moskau telegras
phiren. Man behauptet mit Bestimmt
heit, dafz ein Dieb Namens Jsaatoff
ebenfalls aus Sibirien entflohen sei
und den Namen des Fürsten Sassu
litsch angenommen habe. Obwohl ich
persönlich keinen Zweifel in Jhre Iden
titöt setze, so werden Sie doch die
Nothwendigteit einsehen, daß ich die
Gewißheit gewinne, mit dem wirklichen
Fürsten Sassulitsch in Verbindung zu
ftehen, ehe ich Ihnen den Vorschuß
schicke, den von mir zu sordern Sie mir
die Ehre erweisen. Durch den Tele
graphen können Ioir diese Angelegenheit
in einigen Stunden zu unserer beider
seitigen Zufriedenheit erledigen.
Jhr ergebenfter Diener
David MeAllisier-·
Olga war kaum im Stande die les
ten Zeilen zu lesen. Der Brief entsizl
int, und mit deinen panoen oeoeare ne
sich das Gesicht, als wäre die ganze
Welt Zeugin ihrer Schande.
»Der verd ..... Zimmermann!«
brummte Sassulitsch. Dann wandte er
sich wüthend an Dlga, indem er seinem
Zorn Luft zu machen suchte:
»Warum hast Du nicht an Zimmer
mann geschrieben? Warum hast Du
mich an mein Versprechen, ihn zu de
zahlen. nicht erinnert? Er hat gewiß
von unseren Erfolgen gehört und faßte
unser-Schweigen als einen Verrath aus,
den er uns mit gleicher Münze heim
zahltr. Daß ihn der Henler hole!«
Olga antwortete nicht« und Sassus
litsch durchmaß das Zimmer, als sich
seineWuth zu legen begann, mit vor
sichtigen Schritten, indem er den Weg
mit den vorgestreckten Armen suchte
und gleichzeitig iiber seine Lage nach
dachte.
Endlich lam er zum Fauteuil zurück
und liesz sich erschöpft in denselben sin
ken. Das Suchen und Nachdenken war
überflüssig. Er hatte niemals einen
Banlier in Moskau besessen« und wenn
ihn die Fürstin Rosowsla auch nicht
verrathen hätte, weil er die Briefe ge
lesen, die er gestohlen hatte, so wäre sie
doch nicht zu bewegen, ihm zu Liebe zu
lügen. Uebrigens war er auch nicht in
der Lage, an Allister zu telegraphiren,
weil er lein Geld hatte.
Sassulitsch und Olga saßen stun
denlang schweigend. Sie dachten nicht
mehr daran, eine Spazierfahrt zu ma
chen. Am nächsten Morgen würden sie
ja doch in Lumpen gehüllte Flüchtlinge
ohne Freunde und Bekannte sein. Da
war das Betteln um Einladungen eine
überflüssige Mühe.
Als sich Sassulitsch am Abend nie
dergeschlagen in sein Schlafzimmer zu
rückzog, führte ihn Parter zum Fau
teuil und nachdem er sorgfältig die
Thiir geschlossen, lam er zum Alten
zurück und fragte:
»Wünschen Durchlaucht noch eine
lleine Stärlung?«
«Jawohl, einen Geog, aber kräftig
muß er sein.« .
Nachdem Parler den Grog bereitet
hatte, reichte er dem Alten dass Glas in
die hand. Dieser tranl es bis zum
legten Tropfen aus; dann nahm ihm
Parler das Glas ab und gab ihm eine
Eigarette.
»Das ich mir die Frage erlauben, ob
Durchlaucht morgen meiner noch be
dürfen?«
Sassulitsch verneinte kopfschüttelnd
»Der Diener des deren Smhthe
sagte mir, daß Durchlaucht am Sonn
abend seine herrschast besuchen woll
ten- deßhalb wagte ich meine Frage.«
Gassulitfch schüttelte nochmals den
Kopf, ohne zu antworten.
»Dann werden Durchlaucht viel
Jeicht den Maine Caldecott besuchen?«
HUberInalj ein betrübtes Kopfschtib
e n.
zMeine Frau ist der Prinzessin so
zugethan und meine Stellung gefällt
mir so gut, daß ich sie nasses-en Preis«
—- er wiederholte mit Puck —
»Hm jeden Preis behalten in· te.«
e
Safsulitsch war im Begriffe, die
Cigarette zum Munde zu führen, doch
plöhlich hielt er in der Bewegung inne,
schlug die lichtlosen Augen aus sund
wagte eine Sekunde lang kaum zu ath
men; dann erhob er sich halb von fei
nem Side. als fiele ihm plählich ein
wichtiger Gedanke ein.
«Parter, haben Sie Gelds«
»Ein-wenig Durchlaucht.«
» ch habe teins."
« as weiß ich, Durchlaucht.«
»Wie können Sie dann glauben, daß
ich Sie bezahlen würde, wenn Sie in
meinem-« Dienste bleiben?«
»So etwas gl ube ich nicht; mir und
meiner Frau sie jedoch die Jdee ein,
dafz fich, wenn wir Sieszum Masor be
gleiten, schon eine Gelegenheit finden
wird« —- Parler spähte nach der Thür,
ob sie auch verschlossen sei, dann beugte
er sich zu Sassulitsch nieder und fuhr
sliisternd sort —- »unj selber bezahlt
zu machen-"
7. K a p i i e l.
Als nga am nächsten Morgen aus
einem unruhigen Schlafe erwachte, war
es bereits neun Uhr vorüber.
»Sol! ich den Thee bringen lassen,
Prinzessin?« fragte Frau Parier, die
sich sofort dem Bette genähert hatte,
als Dlga die Augen aufschlug.
»Nein, wir reisen heute sriih ab. Sie
hätten mich um sieben Uhr werten sol
len. War herr Phillips schon hier?«
Frau Parter antwortete kurz, Phil
lips sei dagewesen, hätte sich aber wie
der entfernt, indem er ihr siir die Prin
zessin die ehrerbietigsien Griisze aus
trug. Sie hätte die Prinzessin nicht
geweckt, weil diese fest zu schlafen schien
und weil sie gehört habe, daß Durch
laucht noch bis zum Sonnabend im
Hotel zu bleiben gedenke.
»Wo ist mein Großvater?« fragte
Olga äußerst beunruhigt durch dieI
plötzliche Wendung ihres Geschickö.
»Der Fürst tist in seinem Zimmer
und wünscht nicht gestört zu werden bis i
zur Rücklehr Parlers. Mein Mann ist «
mit Phillips ausgegangen, um im Auf
trage des Fürsten einige Angelegenhei
ten zu ordnen.«
Olga wagte nicht weiter zu fragen.
Um elf Uhr erschien Sassulitfch, von
Parter geleitet. im Satan, wo Olga
ihn mit fieberhafter Ungeduld erwar
tete, um endlich eine Ausllärung zu er
halten. .
Die Miene des Alten war keines
tsosnä nied-kn-fckel«nous im Moments-il
er sah recht fröhlich aus« als er sie
fragte. wie sie geschlafen habe. Nach- (
dem sich die Tbiir hinter Parier ge
schlossen und Olga ihm versichert hatte,
daß sie allein seien, ergriff er lebhaft
ihre Hand. —
»Mein liebes Kind,« rief er. »Alles
ist geordnet, sowohl mit MeAllister, als »
mit Phillips und den Meddir und der i
ganzen Gesellschaft«
»Wer hat es fiir uns geordnet?«
»Dritter«
»Unter welcher Bedingiing?« fragte
sie mißtrauisch und suchte die Wahr
heit auf dem Gesichte des Alten zu er
spähen, das manchmal naio, meistens
listig aussah, ihr aber wegen des Man
gels an Aufrichtigkeit stets schrecklich
vorkam
Der mißtrauische Ton ihrer Stimme
machte den Alten vorsichtig und er hü
tete sich, die Wahrheit zu sagen, da er
nicht wußte, wie weit er ihr vertrauen
durfte. Jm Allgemeinen unterwarf sie
sich wohl dem Zwange der Umstände,
allein sie hatte sich schon mehrere Male
gegen seine Befehle aufgelehnt, und sie
war im Stande, ihn wegen einer elen
den Prinzipienfrage zu verrathen. Er
hätte sie ohne Gewissensbisse verlassen
und sich ihrer entledigt, doch war er auf
ihre Hilfe angewiesen. Deßhalb war
er gezwungen, sie trotz ihres hartnäcki
gen Stolzes zu schonen und ihre Lau
nen zu erdulden.
»Q« antwortete er nachlassig, »un
.ter der Bedingung, daf; wir ihm das
Geld zurückerftattem sobald wir im
Stande fein werden. Er weiß es sehr
wohl, daß wir nicht lange in unserer
unangenehmen Lage verharren werden«
und sobald wir reich sind, wird er
gegen Zahlung unserer Schuld schwei
gen. Das isi doch llar.«
»Wir treten also in eine Art von Ge
schäftsverbindung zu unseren Dienst
boteni«
·Ungefiihr.«
»Mit unseren Dienstboten associirt,«
rief sie verächtlich, »das ist erniedri
gendi«
Der Alte lächelte nicht mehr, sondern
stampfte ungeduldig mit dem Fuße.
Wenn er ihr die ganze Wahrheit gesagt
hätte —- daß die Parters seht die herr
schast seien und sie die Dienstboten, dje
bezahlt wurden, damit sie eine Rolle in
dem Anschlag der Parlers spielen —
so hätte sich lga zweifellos ausgelehnt
'aus Scham vor der Derniithigung.
»Ihr-e, was Dir beliebt, Fdiotin,«
schrie er heftig, »san« is- vie Spec-,
wenn Dich das weniger demiithigt. Du
hast die Wahl. Nimmst Du meinen
Vorschlag an oder nichts«
Olga tiirnpsie eine Weile nrit sich
selber.
»Ya, ich nehme ihn ani« sagte sie
endl
»Das dachte ich mtri Du hast weder
»den Muth, Schiffbruch zu leiden, noch
die Kii heit, Dich zu erheben. Was
stät ch die Demiit ung ani· Du
so « leider keinen Sto z.«
»Lehren Stol i Fiir ein Mädchen
in meiner Lage ··tie ich zu viel Stolz.
denke ich."
«Jawohl, den Stolz der Werth
die behauptet. ehrlich zusein, die sich
knapp innerhalb der Schranken des
Gesetzes hält, und ihren welken Griins
iram als frisch verkauft; den Stolz
eines sogenannten ehrlichen Menscher-. «
der, wenn er auch in seinem Leben noch
nicht gestohlen hat, sich doch seinen
Gläubigern entzieht, oder sonst eine
Unanständigteit begeht, wenn er ei un
gestraft thun rann. Wenn Du Stolz
besäßesi, würdest Du Dich wie ein Aar
erheben und nicht wie Ratten und Un
gezieser zu Deiner Beute hintriechen.«
»Rach Deiner Ansicht scheint der Be
trug eine Nothwendigteit zu sein!«
»Das ist er auch für Diejenigen, die
ihr Ziel erreichen wollen. Der Erfolg
steht in geradem Verhältnis zum Be
truge. Kleine Diebe hängt man. große
iiiszt man laufen. Wir haben Alle et
was zu verheimlichen. Es giebt leinen
einzigen Menschen, derAlles eingestehen
würde, was er von sich selber denkt.
Man muß tein tteser Beobachter sein«
um das zu wissen; das Buch der
menschlichen Natur liegt ossen vor uns;
wir können es Alle ergründen. und
seine Lehre lautet: Vertraue Nieman
dem! Jn der ganzen Welt giebt es
keinen wirklich anständigen Menschenl«
Der Alte war mit sich zufrieden, und
um den Eindruck nicht zu verderben,
den seine Worte aus Olga hervorge
bracht, schwieg er.
Diese Ausspriiche hatten Olga in
der That beeinflußt. Trotz ihres Wi
derstandes mußte sie zugeben, daß die
übertriebenen Behauptungen Jwanö
doch ein Körnchen Wahrheit in sich
bargen. So eng begrenzt ihre Erfah
rung auch war, so war es ihr doch
nicht entgangen, daß der Schein selten
mit der Wirklichkeit übereinstimm, dast
im Allgemeinen Jeder seinen Charak
ter aus die eine oder die andere Weise
zu verbergen sucht, und daß es bei
spielsweise sehr schwer ist, die soziale
Lage eines Menschen nach seinem
Aeußeren und seiner Kleidung zu be
urtheilen. Und dann fragte sie sich, ob
sie und ihr Großvater schuldiger seien,
als die Anderen, weil sie eine Stellung
einnahmen« die ihnen nicht zusam.
Da sie nicht wußte, daß ihre neue
Lage vielleicht etwas Schlimmeres
nach sich ziehen würde, als die Täusch
ung, die sie begingen. sehte sie ihre
Bedenken seufzend bei Seite, suhr
Nachmittags spazieren und begab sich
am nächsten Sonnabend lächelnd zur
Familie Smhthe nach Wimbledon.
Das Benehmen Parlers und seiner
Its-m »in-te reizt die neninasik Verän
derung. Die Züge der Frau« waren
ebenso unbeweglich wie früher, der
Blick ebenso ruhig und die Dienstbe
slissenheit war ebenfalls unverändert.
Nur der Brief Allisters verursachte
Olga große Angst. Eines Tages sprach
sie mit ihrem Großvater darüber.
»Damit habe ich auch schon gedacht,«
beruhigte er sie. »Für einen Fürsten
gab es nur eine einzige Art, auf einen
solchen Brief zu antworten: wurocvoll
zu schweigen, und diese Antwort lsat
er. Von dieser Seite ist nichts zu be
fürchten. Wollte er Alles bekannt ma
chen, was ihm die Canaille, der Zim
mermann, geschrieben hat, so würde es
ihm teinen Nutzen, wohl aber Schaden
bringen« und er ist ein zu groszer
Spitzbube, um sich ins Unrecht zu
seyen. Die Gesellschaft würde ihn da
für verantwortlich machen, daß er uns
eingeführt hat. Selbst wenn er uns
schaden wollte —- er hat jedoch teine
Ursache dazu —--» würden Monate ver
geben, ehe er die Behauptungen Zim
mermann-; beweisen könnte. Und selbst
wenn man den wirklichen Sassulitsch
aug Nara herbröchte, so würden wir
behaupten, daß« er ein von der russis
schen Regierung bezahlter Schwindler
sei. Die Englander würden uns Alles
glauben, was wir gegen die russische
Regierung vorbringen. Jch bin sogar
überzeugt, daß es fiir uns von Vor
theil wäre, wenn wir die russrsche Bot
schaft und die ganze griechisch-peitsc
doxe Kongregation gegen uns hätten;
das englische Publikum stände gewiß
aus unserer Seite.«
CFortsegursg folgt·) ·;«
—«--- --—--o - .--—.-.
ste- mepearetschee cytelptaer.
Jn dekn Abtheil eines aus dern
Münchener Centralbahnhos aussah
renden Personenzuges befinden sich
eine Dame und ein Münchener Pri
vatier. Alsbald giebt sich Gelegenheit
zu·einem Gespräch. wobei die Dame
erzählt, dass sie anläszlich der Hochzeit
ihrer Schwester nun zum erstenmal
München gesehen, daß es ihr aber hier
recht gut gefallen habe, was der
Landsmann mit wohlgesiilligem Lä
cheln anhorte. «Geftern,« sagte sie,
«tvar ich auch noch irn Hoftheaten Es
war ein« herrlicher Genußi Jch be-.
neide Sie um hr gediegenes Orche
ster und utn J re werthvollen Stin
er. Aber was mir wie nirgends auf
kiel und in der Seele weh that, war-,
aß das Theater so undankbar spär
lich besucht war. Sagen Sie, Verehr
t er, bat denn das hiesige Publikum
rtltch so wenig Verständnis fiir die
Kunstf —- .Na. nai« meinte der Bie
dere. »du theaw uns unrecht. aber
entschuldigt-wö, wann i frag’, was ist
denn gestern g’spielt wor’ns« —- «Ver
Wassertröger von Cherubinii« det
sehie die Dame. «·-—- »Ja sol« gab der
Mann zu, «nacha glaub« taki sreilii
sei-Ostern Wassextrliggss W is aber do a
gar oa per r an eborn
Miinchnerl« m g «