Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 12, 1902, Sonntags-Blatt, Image 11

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    Die beiden Zorne-nann.
Erzählung na·ch.«;h«atsachen. Von
Friedrich Thieme.
1.
Der Schnellzug Berlin-Wien hielt
aus desi großen Centralvahnhose zu
. Ver ciationsvorsteher Ebert
wollte eben den Befehl zur Absahrt des
Zuges erst-eilen, uns der Zugsiihret
lehre schon die Pseise an die Lippen,
als ploylich eine Dame aus den Stu
tionooorsteher zutrat und ihm ein
zwar altes und vielgebrauchtes, dein
Anscheine nach aber wohlgesiilltes
Portemonnaie entgegenhielt.
»Ich hab-e soeben dieses Portemon
naie gefunden,« sagte sie. »Bitte neb
men Sie es in Verwahrung«
»Ist-den Sie es hier aus dem Bahn
steig oder im Zuge gesund-ens« fragte
der Beamte. .
»Aus dem Bahnsteig.«
»Warten Sie einen Augenblick,«
sprach er zu der Dame, doch diese war
bereits iin Gewühl der nach dein Aus
gange des Bahnhoses drängenden
Menschen verschwunden.
»Achtung! Portemonnaie gesun
den!'« erscholl es alsbald längs des
Zuges. «Schwarz, mit Messingw
gel, ans Leder —- aus einer Messing
platte oberhalb des Schlosses ist der
Name Paul Hornemann eingraoirt.«
Wie ein Lausseuer gingen die Worte
von Mund zu Mund.
»Hier-l« schrie es aus dem Hausen
der noch aus dem Bahnsteig befindli
chen Passagiere heraus, gleichzeitig
entstand eine lebhaste Bewegung nn
ter der Menge. eineGestalt drängte sich
hindurch, im nächsten Augenblick
teuchte ein herr aus den Stationsvor
siehet zu, dessen rothes Antlitz die
Zeichen einer unverlennbaren Erre
gung zur Schau trug.
»Mein Portemonnaie —- wo ist es?«
»Sie haben es verloren?«
»Ja, ich — ich ——«
»Schon gnt —- tvarten Sirt« So
fort erging der von den Passagieren
bereits sehn-lichst erwartete Befehl, den
Zug abzulassem der sich auch alsbald
in Bewegung setzte.
Der Stationsvorsteher forderte den
Fremden aus, mit ihm in sein Vu
renu zu kommen. Hier verbarg er
das Porteinonnaie hinter seinem
Rücken und fragte turz: »Ihr Name,
wenn ich bitten darst«
»Paul Horneinann.«
»Aus«-?"
»Aus Berlin«
»Was sind Sie?«
»Kaussnann.«
»Sie haben den Verlust nicht sofort
bemerkt.«
»Nein. Erst als der Fund ausge
smfan mind- itnd ickr meinen Namen
hörte, wurde ich aufmerksam«
Männen Sie mir genau das Aus
fehen des Portemonnaies beschrei
ben?«
Der Fremde gab ohne Zögern die
verlangte Schilderung-.
,,Wieviel enthält die Geldtafche?«
»Vierhundertundacht,zig Mark in
Gold.«
»Ist was fiir Stücken?«
»Jn Zwanzigmarlftücken.«
,,Sonft nichts ?«
»Sonft gar nichts."
»Nein Silber, Nickel oder Kupfer-P
Paul Hornemann schüttelte sden
Kopf. »Gut nichts, ich habe mein
letztes Kleingeld ausgegeben, als ich in
Berlin meine Fahrtarte löste-«
Der Stationsvorstelyr öffnete das
Portemonnaie, um den Inhalt zu zäh
len. Tie Angaben des Fremden ent
sprachen genau dem Befund.
Der Stationsvorfteher legte die
Geldiafche neben ihn hin.
Jn diesem Augenblick klopfte es an
die Thür, und auf das ·Herein« des»
Stationsvorftehers betrat ein Herr,
dessen Benehmen gleichfalls alle An
zeichen großer Angft und Beftürzung
verrieth, das Bureau.
habe vorhin mein Portemon
naie auf dem Bahnfteig verloren —
eben erfuhr ich, daß es gefunden und
Ihnen übergeben worden fei. — Ach,
da liegt es ja,« unterbrach sich der
Herr erfreut, als er den Gegenstand
auf dem Pulte erblickte. i
Gr streckte ohne weiteres die Hand!
danach aus, doch fchon hatte der Sta-!
tionsvorfteher die Geldtafche erfaßt!
und hielt fie feft in seiner RechterH
»Wie foll ich das verfteben?« fragte
er verwundert. »Haben Sie auch ein
Portemonnaie verloren?« ’
»Jawohl, herr Stationsvorfteber,
das Port-emonnaie, das Sie in der
Band habe-M
»Sie irren,« nnfchte sich hier der
andere Fremde, der noch röther gewor
den war, als bisher, ein, »ei- ift das
nreinige.«
»Das Ihrige?« rief der neue An
kömmling entrüstet. »Sie haben von?
dem Funde gehört, und wollen versu
chen, sich ihn anzueignen.«
,,Haltl« unterbrach der Stationss
vorfteher energifch den Sprecher-. »Es
,ift meine Sache, den Fall zu unterfa
chen. Sie erheben« nun ebenfalls Au
spriiche auf den Fund —- lvie heißen
Sie?« «
Maul Hornemann,« erwiderte der
neue Ankömmling ohne Zögern.
Ebert fchiittelte ärgerlich den Kopf.
»Paul hornemanns Wirklich?«
»Es ift eine Unverfchömlheit.« fiel
Vier der erste Fremde ein. »Er hat
den ausgerusenen Namen gebiirt
und -- -«
»Damit Sie mich machen,« bedeutete
ihn der Beamte kurz. »Das weitere
Verhör wird ja alles ergeben. — Wo
her sind Sie-« wandte er sich von
neuern an den zweiten Fremden.
»Aus Berlin.«
»Und Sie sind?«
Rausmannk
Mannen Sie mir sagen, tvie viel
das Portemonnaie entyattt«
»Viert)undertundachtzig Mart in
Zwanztgniartstiiclen.«
»Zum nichts?«
»Nein!«
»Jn diesem Portemonnaie sind aber
noch mehrere Silber- und Nickelstiicke
enthalten,« fuhr Ebert mit scharfer
Betonung des Wortes fort.
Der zweite Fremde sat) den Sta
tionsvorsteher erstaunt an. »Was —
Silber und Nictelstiicle? Unmöglich.
Ich weiß bestimmt, daß das Poete
monnaie nichts enthielt, als die Gold
stücke. Als ich in Berlin meine Fahr
tarte löste, gab ich meine letzten ein
zelnen Stücke hin. Nicht einmal ein
Trinkgeld fiir den Dienstmann, der
meinen Handtofser trug, war mir ge
blieben.«
»Dann ist dieses Portemonnaie eben
nicht das Jhre.«
»Doch, Herr Stationsvorsteher —
ich werde doch mein Portemonnaie
kennenl«
Ebert starrte bald den einen, bald
den anderen Fremden an. Sein
Versuch, den zweiten Ankömmling
durch die Erdichtung der Silber- und
Niekelstiicte unsicher zu machen, war
mißlungen. Endlich ertlärte er, ein
so sonderbarer Fall sei ihm noch nicht
vorgekommen.
»Ein« von Jhnen muß nothwendi
gerweise ein Betrüger sein,« fügte er
hinzu. »Welcher, lann ich nicht ent
scheiden, solange sich keiner von Jhnen
näher aus-gewiesen hat. « Nun wohl,«
fragte er den ersten Herrn,« ,,trngen
Sie irgend eine Legitimation bei sich?«
»Bedai:re, nein."
»Aber vielleicht können Sie sich legi
timiren?« Die Frage galt Horne
rnann 2.
»Leider ebenfalls nicht,« entgegnete
dieser. »Wenn ich freilich Mitte ver
muthen können —«
,,Veriviinschte Geschichte,« rief der
Stationsoorsteher ärgerlich. »Gesetzi
den Fall Sie sind der rechtmäßige
Besitzer,« redete er Hornemann 1. an,
»in-se ertlären Sie sich denn, daß diefer
Herr so genau weiß, was die Geld
börse enthält?«
»ian eins-»ich, Herr Stationsvor-«
steh-er Wir sind zusammen in einem
Abtheil gefahren; wir saßen einan
der gegenüber, wir haben uns zusam
men unterhalten. Ich habe dem Herrn
meine ganze Geschichte mitgetheilt;
ängstlich im Besitz so ielen Geldes
und« vielleicht auch stolz und eitel.
nahm ich wiederholt mein Portemons
naie heraus, er hat es genau gesehen,
er hörte, daß ich lein Kleinaeld mehr
hatte, er vernahm von mir, wieviel ih
an Gold besaß.«
»Das sind Liiaen?« unterbrach
Hornemann 2. hier seinen Doppelgän
aer wiithend.
,,Liigen?« schrie der andere. «Sind
Sie nicht mit mir gefahren?«
»»Allerdings —«
; »Haben Sie mirnicht gegenüberge
. sessen, sich mit mir unterhalten?«
« »Jarvonl —«
»So-the ich Jhnsen nicht meine ganze
Geschichte erzählt?«
»Sie nicht mir -—- ich sthnent«
»»Waö? Sie haben nicht gesagt, ich
wäre zu beneiden, als ich, während
wir beide allein im Wagen waren,
mein Geld zählte?«
»Das haben Sie gesagt, Herr! Sie
legen sich meinen Namen bei, um mid,
zu berauben, Sie Schtvindler!« tobte
Hornemann 2.
»Das thun Sie, Herr,« schäumt
Hornemann l. »Sie heißen gar nicht
Hornemanm Sie haben sich mir vor
hin als ein Herr Höfcl aus Posen
oorafstellt.«
»Sie sind Höfel,« schrie Horne
mann 2. .
Der Beamte trat zwischen die Wü
then«den. »Meine Herren,« erklärte er
ernst, »ich sehe wohl, hier werden wir
den Streit nicht ausmachen Jch habe
teine Zeit, mit länger mit der Ange
legenheit zu «hefat·sen.« Er ging an
die noch offene Thiir und rief hinaus
»Bose, rufen Sie mir den am Bahn
hof stationikten Schutz-nann! — So
-- - der Polizist wird Sie vor den Po
lizeiinspettor führen, dcr mag das
weitere in die Hand nehmen«
Der eben eintreffende Schuhmann
war in wenigen Augenblicken von al
lem unterrichtet.
Hornemann 1. folgte ihm unter
Ausdrücken zornigen Protestes, hor
usemann 2. klagte wrdgeßlich, daß er
nun nicht mehr rechtzeitig nach Wien
kommen werde. So schritten beide
neben dein Polizeibeamten her.
2
lPolizieiinspeltor Merteng hörte mit
Er taunen den Vortrag seines Unter
beamten und betrachtete aufmertsam
die vorgeführten Fremden.
»Hm, agte er, »dem Räthsel wol
len Fritz-»L- n ariseff dile Später toSmcrhnem
—- rt ,« a er m us
mann, »führen See mir den rrn
gerne-name 2. hinan-, aber a
n Sie ihn gut. Ich will erst stu
mal deren hornemann l. in's Ver
hiir nehmen«
Sobald er sich mit le terem allein
befand, bedeutete er dem remden, sich
u seyen und benann: »Sie nennen
ich Paul Hornemann, sind Kaufmann
unsd aus Berlin?«
» a.«
»Die alt?'«
»Neunundztvanzig Juhre.«
»Ist Berlin Jhr Geburts- oder
Wohnort?«
»Mein Geburtsort nicht, ich hielt
mich nur während der letzten Jahre
dort auf."
»Wo sind Sie aeboren2«
»Jn Magdeburg.«
»Welche Stelle bekleideten Sie in
Berlin?«
»Ich war Buch-haltet in einem Ver
sichetungsgeichäft-«
»Wie heißt das?«
Georg Worms in der Wilhelms
straße.«
»Wie kamen Sie in Besitz des von
Jhnen angeblich verlorenen Geldes?«
»Es waren meine Ersparnisse von
zwei Jahren.«
»Was beabsichtigen Sie mit dem
Gelde anzufangen? Weshalb tru
gen Sie es auf der Reise bei sich?«
»Sie sollen alles hören, Herr Jn
speltor. Ehe ich nach Berlin lam,
war ich ein Jahr in Wien; dort
lernte ich ein junges Mädchen kennen
Wir liebten ung, und teschlossen, so
bald mein Einkommen hierzu ausrei
chend sein würde, uns zu heirathen·«
»Wie heißt Jhre Braut-«
»Nannie Grosse.«
»Und wohnt in Wie:1?«
»Za. Rothethurmstraße 211.«
»F eiter.«
»Jetzt endlich habe ich etwas gespart,
und Nannie hat ihre Aussteuer ser
tig, nun wollen wir unsere Verlobung
öffentlich feiern und bald darauf Hoch
zeit machen. Morgen Abend soll die
Verlobung stattfinden, Deshalb befinde
ich mich auf der Reise nach Wi«en.«
»Und wie verhält es sich nun mit
Jhren vierhundertundachtzig Mark?«
»Es waren ursprünczlich fünfhun
dert. Jch habe sie mir während der
zwei Jahre, die ich in Berlin war, von
meinem Gehalte zurück.ielegt.«
»Wo bewahrten Sie die Summe
auf?«
»Ich besaß ein Spartassenbuch.«
»Wo befindet sich das?«
»Ich habe es zurückgegeben, als ich
die mit den Zinsen gerade fünfhun
dert Mark und einige Groschen betra
gsende Summe gestern erhob." »
- L!«..
«()U LUILUIIII OlUIUc HIIU Olc Vikt
ausgestiegen-P
»Um ein Geschenk fiir mein-e Braut
zu laufen; ich- hatte dad in der Auf
reguna der Abreise in Berlin zu thun
vergessen. Jch wollte init dem nach
sten Zuge weitersahren.«
»Wann haben Zie Ihr Porlemon
naie zuerst vermißt?«
»Ich habe es gar nicht vermißt, ich
hörte plötzlich meinen Jtamen ausrufen
in Verbindung mit dem Fande, er
schrocten griff ich in die Tasche und
fand es nicht mehr vor.«
Der Jnspettor nictie befriedigt
»So, gehen Sie jetzt hinüber — der
andere Herr soll herüberlommen!«
Paul Hornemann 2. erschien blaß
und erregt wie sein Vorgänger.
»Sie wollen Paul Hornemann
heißen?«
»Ich heiße wirklich so, Herr Jnspel
tor.«
»Sie geben an, Kaufmann zu sein
— aus Berlin?«
»So ist es.«
»Sie reisen nach Wien — zu Jhrer I
Verlobung — wies« .
»Das stimmt alles, Herr Jnfpel:
lot-«
»Na, erzählen Sie mir ’mal den
ganzen Hergang.«
Der Polizeibeamte lege hierauf dem
zweiten Bewerber um den Fund genau
dieselben Fragen vor wie dem ersten,
und erhielt, wenn auch in anderes
Worten, genau dieselben Antworten.
»Wie erklären Sie sich den Verlust
der Geldtasche?«
»Ich kann ihn mir gar nicht erklä
ren; ich hatte die Fahrkarte darin,
und als ich den Bahnstieg verließ,
mußte ich sie herausnehmen. Dabei
knuß mir das Portemonnaie entfallen
ein.«
Der Polizeiinspeltor brummte.
»Eigenthiimlich —- bis auf diesen un
erheblichen Nebenumftand gleicht eine
Aussage der anderen w e ein Ei dem
anderen.«
Seinem Befehl gemäß wurde nun
hornemann 1. wieder hereingeführt.
»Kein Zweifel,« redete der Beamte
die Männer an, »daß einer oon Ihnen
einen raffinirten Betrug auszufüh
ren gedenkt. Einer ist Hornemann,
einer ist Höseh ich begreise nur nicht,
woher der falsche Hornernann alle die
Einzelheiten erfahren hat, die er auf
zutischen vermag. Der wahreRormv
mann muß ein rechter Narr ein, ei
nem Mitreisenden in solcher Ausführ
lichleit seine ganze Geschichte zu erzäh
len. Erlliiren Sie sich darilber näher,
meine Hemm— Also Sie « wandte
er sich an hornernann 1., ,,wollen auf
der Bahn mit jenem Herrn aereist sein
und ihm Jhre Verhältnisse offenbart
haben?«
»Jawohl, here Jnspeltor. Er saß
schon im Wagen, als ich in Berlin
einstieg. Jch befand mich in freudi
ger, erwartungsvoller :f’1u regun
fühlte mich so wohl daß ich hätjiech die
ganze Welt umarmen mögen; in fol
cher Stimmung ist man mittheilsam.
»P- muß bitten, Herr Jnspeltorf
fiel r andere hier ein. »Die Sache ist
ganz genau so, aber gerade umgekehrt.
Jch habe dem nichtswürdigen Men
schen gesagt daß ich mich in freudiger
Aufregung befinde, und —«
«Schweigen Sie,« herrschte der Jn
Ispettor den Redner an »Erft mag
kr, ,lnachher mögen Sie s.prechen Wei
er «
1»Er zeigte sich von vornherein sehr
ffehr freundlich, wir taufchten Feuer
für die Cigarren aus, schließlich stell
ten wir uns einander vor, er machte
den Anfang Mein Name ist Hofel
sagte er, worauf ich ihm den meinen
natürlich auch nannte.«
»S e i n Name ist Höfel!« rief Hor
nemann 2.
»Sie sollen fchweiaen,«« zürnte der
Beamte. »Laffen Sie ihn ausreden,
Wann muß er Sie auch ausreden las
en.«
»Wie das nun während einer Ei
fenhahnfahrt zuzugehen pflegt « fuhr
Hornemann 1. fort, ,,kamen wir von
gleichgültigen Gegenständen allmäh
lich auch auf den Zweck unserer beider
feitigen Reise zu sprechen. Er erzahlte
mir, daß er ebenfalls nach Wien reife,
um sich dort eine Stellung zu suchen,
ich berichtete hierauf über meine Ab
sichten. Unterwegs werde ich ausstei
»gen, sagte ichs, um ein Geschenk für
meine Braut zu taufen, ich benutze
dann den nächsten Zug und treffe im
mer noch rechtzeitig genug in Wien
ein. Meine Braut erwartet mich nicht
früher«
»Welche Unverschämtheit!« mur
melte Hornemann 2.
»Sie sind also auch —- um diesen
Punkt vorweg zu nehmen — hier aus
gestiegen?«
» »Wie Sie fehen.«
»Daß-en Sie Jhre Fahrkarte ab
ftempeln lassen?«
,,Ahftempeln? Nein, Herr Jnfpel
tor.«
»Warum nicht? Sie mußten sich
doch die Fahrunterbrcchung beschei
nigen lassen?«
»Ja, gewiß. Aber inzwischen pas
sirte der ärgerliche Zwischenfall, und
dann habe ich natürlich nicht wieder
darn gedacht.«
»Wo haben Sie Jhre Karte?«
»Hier-«
,,Gut.«
»Noch einmal also: Sie haben im
terrvegs diesem Herrn Höfel Jhre
ganzen Verhältnisse auseinanderge
jetzt?«
,,Le«rder, Herr Jnf Pel or. «
»Er« hat Jhr Portcmonnaie ge
fehen?«
« »Ich zählte msein Geld während
»Dir-allein waren.« » »
»Das war eine unriugheir."
»Es-me bei einem armen Menschen,
der noch nie so viel Gold besessen, ver
zeihliche Prahlerei, Herr Jnspektor.«
»Hm, er hat auch den eingravirten
Namen gelesen?«
»Ich habe ihn selbst darauf aus
rnertfam gernacht.«
»Woher weiß er die Wohnung
Jehrer Braut?«
»Er gab an in Wien bekannt zu
sein und frug mich danach. Ebenso
nach meinem Geschäft.«
»Gut. Bitte, nehmen Sie Platz.
-—— Jetzt dürfen Sie reden, Herr Hor
nemann 2. Was sagen Sie zu ver
Darstellung Jhres Doppelgängers?«
»Daß er gelogen hat —- nichts-wür
dig gelogen! Das heißt, was er ge
sagt hat, ist alles wahr-, nur bin ich
Hornemann, und er hat sich mir als
Höfel hier ovrgestellt.«
»Bis auf diesen Umstand also ist
seine Erzählung richtig-«
»Ganz richtig, Herr Jnspektorf
»Nehmen wir einmal an, Sie wä
ren der Rechte: warum ist, Jhrer
Meinung nach, Höfel hier ausgestie
gen?«
»Ich weiß es nicht.«
»Hat er vorher eine dahingehende
Absicht kundgegeben?«
»Keineswegs. Jch glaube auch, er
ist gar nicht ausgestiegen, um bis zum
nächsten Zuge zu warten, fonrern nur,
um während des Aufenthaltes auf der
Station sich ein wenig Bewegung zu
machen. Da mag er wohl das Aus
rufen des Fundes gehört haben, Und
da er, weil ich mich nicht meldete, an
nehmen mußte, ich hätte den Bahn
hof schon verlassen, entstand der Plan
in ihm, sich anstatt meiner in den Be- ’
sitz des Portemonnaies zu setzen. Mit
seiner genauen Kenntniß des Inhalts
und des Ausfehens, hoffte er, miisse
ihm der Betrug wohl gelingen.«
»Sie schreiben mir da Jhre eigenen
Gedanken zu, Herr Höfel,« verthei
digte Hornemann 1. sich entrüstet.
Jnspettor Mertens stand einige
Augenblicke mit gesenktem Kopfe da.
Forschend ruhten seine scharfen
grauen Augen auf den beiden Män
nern. Plötzlich sagte er: »Sie müs
sen sich eine Durchsuchung gefallen
lassen, meine Herren. Nur auf diese
Weise läßt sich vielleicht das seltstine
Räthsel aufklären. Möglich, daß doch
einer von Jhnen Papier-.- oder Schrif
ten bei sich trägt, die auf seine wirk
liche Herkunft schließen lassen "
Bereitwillig ließen die jun-gen Leute
sich untersuchen. Beide lonnten es in
der That ohne Wagniß thun, denn
Papiere führten sie nicht, der eine trug
nur ein-e ganz neue Brieftasche mit
einem Kalender bei sich-, der andere
ein zum größten Theil beschriebenes
Notiszch das aber nichts enthielt,
als Berechnung-en und gleichgültige
Notizen. Nirgends war ein Name
oder eine Thcktsache verzeichnet, die
Anhaltspunkte siir di: Aufklärung
des Falles ergeben hätte. Und was
das Sonderbarste war: ein 5Zotte
monnaie fand man bei keinem von
Beiden vor.
»Das ist der allermerkwiirdigfte
Umstand,« rief der Jnspettor kopf
schüttelnd. »Ein Poetemonnaie wird
nur gestohlen, und das zweite ist auch
nicht da; denn dase einer oon hnen
ohne Poetemonnaie sollte au die
Reise gegangen sein« tann i mir
nicht denken. Jedenfalls bteibt da
)nue noch ein Ausweg: Sie müssen
mir Adressen geben, an die stoir trie
!geaphiren. Sie müssen telegraphisch
hie Persönlichkeiten feststellen lassen,
I onst muß ich, so leid es mir thut, Sie
Hbis auf weiteres Beide in Haft neh
.men. Also sagen Sie mir, an wen
soll ich telegraphiren?«
»An wen Sie wollen —- an meinen
Chef, an meine bisheriae Wirthin, sie
werden Jhnen Alles besiätigen,« rief
Hornemann 2.
,,Sind Sie auch damit einverstan
den?«
»Ich bitte darum,« stimmte der An
dere zu.
Sosort setzte Mertens fich nieder
und warf mit gewandier Feder dre
Depeschen hin.
»Bis die Antwort eintrifft, können
zwei Stunden vergeh-en. Sie mii en
bis dahin hier bleiben. Für Jhr it
taaesien soll Sorge getragen werden.
Jch selbst gehe nach Hause, werde aber,
um dem wirklichen Herrn Hornemann
gefälliq zu sein, mich nach Ablauf die
ser Zeit wieder einsinden.«
Damit entfernte sich der ebenso ge
wissenhafte als humane Beamte, die
beiden Hornemänner de: Beswachung
eines Polizisten überlassend
Z.
Pünttlich um drei Uhr kehrte Mer
teng zurück
»Teliearamme eingeg.n-.gen?« war
feine erste Frage.
,,Soeben, Herr Jnipeitor.« Der
dienstthuende Beamte überreichte ihm
die sehnlichst erwarteten Dolumente.
Gespannt öffnete der Jnspektor die
Verschlusse.
»Nichts, so gut wie nichts,« sprach
er zu den Fremden hinüber. »Weder
der Prinzipal noch die Wirthin wis
sen von dem Gelde. Nun, das ist be
greiflich. Der Eigenthümer hat aus
seinem klein-en Reichthuni ein Geheim
nifz gemacht. Und die Personal-Be
schreibung trifft auf Sie so gut wie
auf Sie zu. Jedes bestimmte Unter
scheidungszeichen mangelt.«
Jnspettor Mertens schritt nach
denklich im Zimmer auf und ab..
»Was thun, meine Herren? So
verworren, wie der Fall liegt, ist er
nicht ohne Weitere-Z zu erledigen.
Nunmehr bleibt nichts Anderes übrig,
als den Instanzenweg zu gehen, das
heißt, die nöthigen Austiinste von
der Berliner Polizei einzuholen und
entweder die Photographie des richti
gen Hornemann oder eine Person
kommen zu lassen, die ihn persönlich
tennt.«
Der liebenswürdige Mann ließ sich
an seinem Tische nieder, nahm wie in
Gedanken das gefunden-e Portemon
naie und ließ den goldenen Inhalt
prüfend durch die Finger gleiten·
»Ganz genau vierhundertunoachtzig
Mart, jawohl,« wars cr hin. »Alle-J
richtig.« Langsam begann er »die
Golo-Füchse in ihre Behälter zurucks—
zulegen. Auf einmal hielt er mit of
fenbaren Zeichen Von Erstaunen inne·
l »Oho, was ist denn das?« Heftig
ließ er das Zwanzigmarlftück, das
feine Aufmerksamkeit erregt hatte,
auf den Tisch fallen, um den Klang
zu prüfen. Dann wiederholte er dies
noch einmal und noch einmal.
»Zum Kuckuck, das Ding ist ,
fallch!«
»Unmöglich, Herr Jnfpettor,« rief
Hornemann 2., während Hornemann
l. den Beamten erschrocken anstarrte.
Der Jnfpettor unterzog einige
Stücke der gleichen Prüfung. »Und
das hier auch — das Eft echt — das
auch —- das ist wieder falsch — das
ebnfalls. Alle Teufel, jetzt wird die
Sache ernsthaft. Acht falsche Stücke
Unter den vierundzwanzig! Das ift
etwas Anderes, meine Herren! So
lange ich nur einen Betrug muth
maßte, hätte ich kaum wagen können,
Sie in Haft zu behalten, da ich noth
wendig einen Unschuldigen mit tref
fen mußte. Nun aber ergiebt sich ein
anderer, weit ernsterer Verdacht ——«
»Welcher ·denn?« fragte blaß vor
Schrecken Hornemann 1.
»Der Vedacht der Falfchmiinzerei,«
bedeutete ihn streng der Beamte.
»Sie meinen wirklich, die Goldstücke
seien falsch?« forschte Hornemann 2.,
blaß vor Erregung
»Ich meine es nicht, ich weiß es
ganz gewiß. Die Sparkasse wird mit
diesem Geld-e wohl nichts-«- zu thun ge
habt hoben. Gerade in Berlin laufen
seit langer Zeit falsche Zwanzig
martstücke um, vielleicht lommen wir
heilte endlich der wahren Quelle
auf die Spur. Auf Falschmiinzerei
steht Zuchthausftrafe — ich derhafte
Sie alle Beide im Namen des Ge
setzes! Einer von Ihn-en ift vielleicht
unschuldig, ich kann ihm aber nicht
helfen. Bevor sich seine Unschuld her
ausstellt, können Wochen vergehen. —
Fritsche!«
,,«Wochen?« stöhnte Hornemann 1.
«Solange sollen Wir in Haft blei
ben?« schrie Hornemann 2. in Ver
zweiflung. »O, meine arme Nanni!«
»Fritfche, führen Sie die Leute ab,«
befahl der Jnfpettor ungerührt. »Aber
getrennte Zellen, verstanten?«
Beide Männer schienen außer sich,
Hornemann 1· stand, blaß wie der
Tod, da und rang nach Athem.
Hornernann 2. schlucbite wie ein Kind
und betheuerte feine Schuldlosigkeii.
»Vorwärts, vorwärts,« herrschte
der Beamte die Verhaflr en an.
»Lassen Sie das Gethue, es nützt Al
les nicht5.«
Da trat Hornemann 1. plöhltch vor
den Jnlvettor bin. »Herr Juloektor.
ich will es nur gestehen —- das Horte
monnaie hätt mir nicht. Ich ht
hiifel, ais hornemann.«
Der Jnspettor lachte spöttisch«
»Aha —- un«d Sie,« lehrte et sich ist
dem schluchzenden Nätgefangenere,
»Sie sind auch Höfeh wies Sie ins
chen ebenfalls teinen Anspruch mehr
auf den Namen Horne:nanni«
»Doch, Herr Jnfpettor, ieh hin
Paul Hornem-ann, aber i schwöre
Ihnen, daß ich von dem sals Golde
nichts gewußt habe. J habe die
Summe von der Sparta e bekommen,
meine Unschuld wird und muß sich
heraus-stellen. Es ift mir nur um
meine arme, unglückliche Braut!«
Mertens wintte dem Schuhmanm
noch einen Augenblick zu warten.
»Ist das auch die Wahrheit, Höfeh die
Sie vorbringen?« fragte er in stren
gem Tone den angeblichen Hornemann
1. »Sie haben vorhin mit solcher Be
stimmtheit und Hartnäckigkeit behaup
tet, Hornemann zu sein, daß ich Jhrer
Versicherung nun nich-i ohne weiteres
Glauben schenken kann. Sie wollen
jetzi, wo Jhre Falschmünzerei entdeckt
ist, nur den Kopf aus der Schlinge
ziehen.«
»Gewiß und wahrhaftig, ich bin
HöfeL Herr Jnspetior — Karl Höfel
aus Posen,« tief der Gefragie in höch
ster Angst. s
»Und Sie wollten sich das Parte
monnaie Jhres Mit-reisenden zu
eignen?«
»Ach lieber Gott, Herr Jnfpeltor,
ich bin gewiß tein böser Mensch. Aber
ich bin seit Wochen außer Stellung.
Mein letztes Geld oerwandte ich, um
nach Wien zu fahren, wo ich eine
Schwester habe. Unterwegs lernte ich
Herrn Hornemann kennen —- er war
so glücklich und schien so gutmüihig,
daß ich mir vornahm, ihn um etwas
Geld zu bitten. Jch brachte die Worte
aber nicht über die Zunge«
»Warum blieben Sie aber so hart
näckig bei Ihrer falschen Angabe?«
»Weil ich mich dann schämte, die
Wahrheit zu gestehen, ich hoffte bis
zuletzt noch durchzukomrnen.«
»Es ist gut,« sagte Jnfpettor Mer
tens mit plötzlich oeränoerter Stimme.
Dann wandte er sich an den anderen.
»Herr Hornemann, hier ist Jhr Poete
monnaie.«
»Wie — was?" ftotterte der ganz
Gelnickte, kaum feinen Ohren trauend.
»Nehmen Sie es ruhig« in Empfang,
Hure sauer ersparten Lyorofruae fino
alle echt,« lächelte Der Beamte »Es
.rn1r nur eine List Von mir, die Wahr
heit Zn entdecken Sonst hätte das
mindestens ttists morgen Abend ge
nauere und Zie mitten doch bei Ihrer
Verlobung nnttt iet)len!«
»Tont, iterzliitten Dink,« rief Pauk
Hernemnnn nng überströmendem
,,;Illso reisen Sie qiiicklich, Herr
Hornexuann.« Damit reichte er dem
Kaufmann freundlich die Hand. —
»Eie alter, Fsreitiibelten,« wandte er
Fiel) »in Den zitternd Daftehnden HöseL
,«o1;ihen Vorläufia bei uns. Ohne ein
.i::s.r Wochen titefiinqnifz kommen Sie
nieltt tue-i. Fritsche, führen Sie den
«3lrreitn11tett ad!«
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A.: ,,.t«,)i5r’ auf mit Deinen Ge
schirtten --— Ia kreist Du tein’ Hund
ninrerm Lfen Hort«
Lt.: »O vielleicht doch — er braucht
nur ’ne Wurst ’nein.-vickeln!«
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Gebildet.
Hausfrau fzu einem zu Besuch wei
lenden Herrn, der ein guter Klavier
spieler ist): »Bitte, Herr Werner,
spielen Eie tin-I Doch mal den Trauer
marsch Von Schopenhaner vor.«
—-—— (
Jmmek (dscldprøt-.
»Wir-m wurden Herr Kommissions
rnth in Ihrem Prozesse verurtheilt?"
Pnrvemh »An einer sogenannten
tätelostrnfe non 5000 Mark.« «
Kontprontisz. « «
Oerrz »Meine Gnädige, darf ich
vielleicht uni den nächsten Walz-er bit
ten«.««
Dame: ,,Eigentlich ist meine Trauer
noch nicht aanz zu Ende-, aber wenn
Sie die Güte hätten, recht ruhig und
langsam zu tanzen, dann Vecht gerne.
Ansrede.
Gläubiger: »Sie wollten mir dacht
Ins qelieheue Geld diesen Sommer zu
rückziehen uno jetzt lssden Sie es nicht
,ietltn11?«
Schuldner: »Ja, hin, Wir haben
Hirn Dieses Jahr gar keinen Sommer
iche1bt.«
—-.- —s—- « As s s
Phantasie-Mc
»Die Frauen müssen für mich doch
Irel Jnteresse haben, wenn ich an einer
nur vorüber gehe, lächelt sie mich schon
:n.«