Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 21, 1902, Sonntags-Blatt, Image 9

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    W--—-»-,- ---1---«» —
Wohtthun trägt Zinsen.
—--»--·
Aus ldein Unaarischen von Ar min
Ronai.
Guido Kenter war mit Siloia
Gordt, der Tochter des steinteichen
Sammlers una Antiouittitenbänvlerg
Baltbasar Gordi, so gut wie verlobt.
Die Eltern waren über die Sache un
ter sich längst einig; Guido war von
den Reizen Still-two aansi gehst-Am
und auch Silvia batte an dem liebens
würdigen, tüchtig-en und dabei über
ein beträchtlich-es Bermöaen gebieten
oen jung-en Mann nichts auszusetzen
Dennoch wurde vie Verlobung im er
wieder binausaeschobem Denn S lvia
war noch sehr iuna. kaum siebzehn
Jahre alt. und sie sollte doch erst er
starlen an Leib und Seele, ebe sie als
Frau Mler in das alte Patrizierhauö
om Stadtgraben einiöar. Guido war
schon etwas unaeduldia aeworden, sei
nem Temperament bebaate dies allzu
lange Warten nicht —- man hatte ihn
ja noch nicht einmal der Familie seiner
Auserwählten voraestellt. Es waren
nämlich einiae Onlels da, alte, reiche
Junggesellen die bei der Entscheidung
über die Zukunft Silvias ein gewichti
ges Wort mitzusbrechen hatten.
Endlich erbielt Guido vom alten
Gorot eine Einladuna. nächsten Sonn
tag bei ibnen zu essen. »Meine Brü
der Michael und Anton werden auch
dabei sein« —- hiesz es am Schlusse
der Einladuna, und Guido siihlte
gleich her-aus« wie wichtia Oie Anwesen
heit dieser Herren fiir sein künftig-es
Leben stn werde
Gt , s erschien vünltlich Mit wel
chem Entzücken begrüßte er Silvia, sie
er seit Monaten nicht aesehen hatte.
Sie war noch schöner, aninutbiaer, be
gehrenswertber acworoen. aber auch
zugleich reifer. mild-streuen und
Guido tonnte sich bei aller Schwärme
rei siir das prächtiae Mädchen doch
nicht verhehlen, daß in ibren Auaen
etwao Veüsenres. Berechnendeg, Ab
wäaendes zu lesen war. Das hatte sie
ossenbar von ibrein Vater, der ja sein
ganz-es Leben lana ein aeichiclter, talt
berechnender Handelsmann gewesen
wur.
Das Mittagessen nahm einen heite
ren Vertaus. Nichts störte oie Ge
mütblichteit des familiiiren Beisam
menseins. Von den iunnen Leuten
und ihren Absichten wurde gar nicht
gesprochen. Man betrachtete das als
eine selbstverständlich-e. abgemachte
Sache, von der ei- aar nicht lohnt, be
sonderes Aufhebens zu machen. Die
Brüder sprachen lieber von laefchästlis
chen Dingen, von der Schlechtiaieit der
Zeiten uno ver Schwieriateit, selbst
mit einem bescheidenen Vermögen ein
Arbia-es Dasein zu leben. was freilich
von Leuten, die über Hunderttausende
gebieten, ein sonderbares Gespräch
war. Guido. der in frei-erer, nicht so
staut-trocken : kaufmännischer Atmo(
sub-are ausgewachsen war, fiel von ei
, .
--..- I-fe..«--- --’.-, «nr«-ipo Nyssisfwf
die Brüder Gorbt in solcher Weise von
Geld und Welt sprechen zu hören. Tier
alt-: «Balthasar, iein iuiiinftiger
Schwiegervater ein verinöcherter Mit
lianär, ließ es sich besonders- angeiegen
sein, auseinander zu setzen, ivie ichgver
es hält, sich ein ruhige-H, forgenfreieg
Alter zu sichern.
»Und dennoch« meinte er im Laufe
des Gesprächeg,« tvie von einer iveichen
Regung übermannnt, »toie wenig
Freud-e bietet dennoch dieses Leben,
wenn man nur fiir sich arbeitet, nur an
sich denkt, nur eigene Zweck-e verfolgt
unr- nicht zugleich ein offenegrluge und
reges Mitgeiiihl hat fiir das soziale
Elend, das uns untaib:.«
.Du hast recht, Baithasar,« stimmte
ihm Michael hei. an einsem Glaie Süß
tvein nippend, »inan soll auch im
Wohlstand seiner minder gliicklichen
Brüder gedenken. Gott iei Dant, ich
habe mir es angewöhnt, von dem We
nigen, das ich eriibriae. auch der noth
leidenden Menschheit etwa-s zukommen
zu lassen. Jch hin ja, tvie Jhr wißt,
Vorstand des Vereins gegen Haus
rmd Straßenhettel und habe auch ein
halbes Bett im St. Johannes-hospital
aettiftet.«
»Die andere Hälfte ist von mir,« er
gänzte Anton: »nichts macht mir ia
größere Freude. als Gutes thun,
Wohlthaten erweisen.«
»Und, meine Lieben.« nahm wieder
Balthasar, Silioias Vater. das Wort,
»welche innere Befriedigung bietet uns
doch das Bewunfeim Gutes gethan,
Noth gelindert, Gram und Kummer
verscheucht zu hat-en· Ja, ich behaupte
sogar auf das Bestimmteste, daß jede
Wohlthat in unmittelbarer Folge die
Vergzltung mit sich bringt. Wer
wchlthut, hat einen Wechsel auf das
Glück gezogen . . . . Jch spreche aus
Erfahrung . . . Vor einiger Zeit —
eis mag an die vier Jahre her sein —
hahe ich etwas erlebt, das mir deutlich
zung daß Wohlthun immer seine
Zinsen trägt.«
»Ach, Bank nrilchte sich ietzt Sil
oia mit ihrer aloaenhellen Stimme
in’s Gespräch »Du meinst gewiß die
Geschichte von der armen Frau aus der
Kugelgasse, nicht wahr?«
»Ganz recht, mein Töchterchen.«
»Du machst uns neugierig,« wandte
sich Anton an Bruder Balthasar,
»was ist es denn mit Deiner armen
Frau?« ,
Eine arme Frau in der Kugel
gasse?" fragte Michael. »Ja der That
interessant. Bitte. Balthasar. erzähle
doch! Es thut wirklich wohi, bei her
ppllhesehten Tafel auch der Armen ge
eiemd,«u denken. Es schmeckt gewis
ser-alten heilen«
Sonntags Htht
Beilage des »Hei-ragten staates- Äneeiget und Leerold
( J P. Windolph, Herausgehen Mond Jgianly Nebr» den Bl. November 1902 Jahrgang 253 No. 12.
’I
Damit führte er ein mächtiges Stück
Iriisfelpastete zum Munde, die er be
haglich schmatzena verzehrte.
»Es ist ja eigentlich lauin der Rede
werth,« hub der alte Gordt zu erzäh
len an, »aber die kleine Geschichte
zeigt doch, daß wir oft ganz unbewußt
Werkzeuge der Vorsehung sind . . . .
Wie gesagt, vor etwa vier Jahren war
es, da gehe ich eines Tages ganz zu
fällig aurch die Kugelaassr. Jch hatte
eigentlich sdort nichts zu schaffen,
aber als Sammler pflege ich manch
mal ohne bestimmten Zweck durch die
Stadt zu bummeln. Man weiß ja nie,
ob das Schicksal oder der Zufall Eis
nein nicht etwas Lohnendes quer über
den Weg leat wie mir das ja schon so
häufig zugestoßen ist . . . . Jch gehe
also langsam schlendernsd durch die
Kugelaaffe, da erblicke ich auf einmal
unter dirr Thoreinsahrt eines der gro
ßen Miethshäuser eine aanz in
Schwarz gekleidete Frau, noch gar
nicht al:, mit intelliaenten Ziiaem aber
so elend, tibaehiirmL aramerfiillt . . .
Ihre Iluaen waren eingefallen, ihr Ge
sich oerzca sich schmerzlich, sie lonnte
sich scheinbar kaum aufrecht halten.
Ein Blick aus dieses Bild menschlichen
Jammere- aeniigte mir. Ich lisef rasch
über die Straße zu der Frau und
stützte sie, sonst wäre sie gewiß nieder
gesunken«
»Wie aut Du bist,« lispelte Silvia
beioeai.
»Da-Z sieht Dir ähnlich, Balthasar««
rief Michael, »Du warst immer edelae:
sinnt -— ich darf aber wohl sagen, das
lieat schon so in unserer Familie. Also
Du eiltest dem armen Weib zu
Hilfe . . .
»Ja, ihre Schwäche aina aber bald
vorüber, ich hatte sie ja auch an inei
nem Flaschchen mit Hoffinanngtropfen
riechen lassen·
»Da Vervol«
Aus mein-e sanften Fraan
nach rein Grund ihres Kummers
lonnte sie ian erst aar nicht antworten,
sie war zu schwach und auch zu schüch
lern. Endlich fafite sie sich aber ein
Herz, sie merkte es ia schließlich doch,
wie aut ich ev rnit ihr meinte, und da
vertraute sie mir ihren ganzen Jam
mer an. Sie sei Wittwe, habe zwei
lleinse Kinder und befände sich in ver
zweifelte-.- Laae. Ohne Geld, ohne Ein
hnsnken ohne Gönner . . . Alles Ent
dehrljche bade sie bereite verkauft, nun
sei sie aber am Aeusiersten anaelanat.
Zei: erei Teraen habe sie kein Brod
iikelzr im Hause, den Anblick der hun
geritten Minder könne sie nicht länaer
eriraaen Da sei sie hinaugaeaanaen,
unt, wenn nicht andere-« zu betteln. Da
stände sie nun schon seit einer Stunde,
sie hätte es aber nicht über sich aexvin
nen können, Jemanden anzusprechen
Nun war sie nahe daran, oor Kummer
und Schwäche umzusinken, als ich ihr
gerade zu Hilfe eilte. Jhr lönnt Euch
keinen Begriff machen. wie sehr ntir
das Elend der Frau zu Herzen ging,
ziicem war ia die Sache sehr schwierig·
Was sollte ich thun? Jch hatte ja keine
aewöhnlicheBettlerin vor mir, der nian
mit ein paar Groschen hätte aushelfen
können —— und ich dachte schon mit
Schmerz daran, daß ich die Arme wohl
ihrem herben Schicksal werde überlas
sen niüssen, da kommt mir zum Glück
die Idee, sie zu sraaen. wag denn ihr
Mann eigentlich aetvesen. »Ein Künst
ler,« antwortete sie schluchzend, »die er
blind aeworden ist, auch hat er leiden
schaftlich aesatnmelt und mit Bildern
gehandelt.« Nun beaann mich die
Frau natürlich noch mehr zu interessi
ren und sie erzählte mir aus meine Er
kundigungem dasi sie natürlich schon
Alles, was von ihrem Manne zurückge
blieben war, verkauft habe. Immerhin
dachte ich mir, konnte etwas übersehen
worden sein« was sür mich von Werth
ist und itach lanaem Ueberreden wil
ligte sie ein, mich nach ihrer Wohnung
zu siihren. . .Erlasit es mir, von die
ser Stätte des Jammers zu erzählen.
ists war wirklich nichts mehr übrig ge
blieben, als das nackte Elend . . . Jch
wollte schon forteilen aus dieser unbe
haalichen Umaebuna, da bemerkte die
Frau, in einer Schublade sei noch ein
Stück bemalter Leinwand, wohl aber
nicht viel werth, denn ihr Mann habe
nur den Rahmen, der d’rum war, vor
lanaer Zeit verkaust. Ich lasse mir
mitleidia das »Stil«-l Leinwand« zei
.«.en, und denkt Euch nur« was ich aus
sen erst-In Blick entdecke! Ein Rims
dael, ein echter prächtiaer Ruysdaell
»Nicht möglich, ein Runsdael!« rief
Michael, die Hände zusammenschm
aend.
»Ist es auch wahr, ein Ritttsdael?!«
sliilterte Anton in andachtsvoller Ver
wundern-tm
»Wie ich Euch saae, ein Ruvssdaeh
ein besonders gut erhaltenes prachtvol
les Werk . . . Nun war ia die Sache
sür mich sehr klar. Der armen Frau
mußte um jeden Preis geholfen wer
den. Was konnte ihr die alte Leinwand
reitan Sie brauchte Brod —- Brod
und » leisch.« ·
. rdszartig, salthasat.« ties Mi
r
chael, »Brot) und Fleisch, wahrl;«s1ftig
großarti-,3’«
,,Alfo sage ich ihr, ich bin bereit, das
Ding zu taufen, wieviel sie denn dafür
haben wolle. Die Frau wußte aber
nicht zu fordern und bat mich, ihr zu
neben, was ich für gut fände. Jch habe
ihr fünfzig Mart gegeben. Fünf blanke
Goldstücke Die Augen hättet Jhr
sehen sollen. Sie konnte vor Glück erst
gar nicht sprechen. diann floß sie iiber
vor Dantesbezeugungen, und es hätte
wenig gefehlt, sie wäre mir um den
Hals gefallen ..... Jch bin schleimig
sortaeaanaen, um mich allen weiteren
Gesiililsausbriichen zu entziehen; ich
bin lein Freund von solchen Sentimen
talitäten.... schließlich habe ich ja
hoch nnr meine Pflicht und Schuh-ig
teit als Menschenfreund aethan.«
»Du warst immer ein Philanthrop,
lieber Bclthasar«, meinte Anton be
dEichtin mit dem Kopfe schüttelnd.
Guido Keiner hatte die ganze Ge
schichte stumm mitanaehört. Er ver
spürte nicht die aeringste Lust, ein
Wort fallen zu lassen, wie er iiber die
Frau und ihr Glück denke, trotzdem es
an ermunternden Winken aus den stolz
dreinblicienden Augen Silvias nicht
fehlte. Er begann überhaupt so ein
ganz sonderbares Unbehaaen zu füh
len, die Leute, mit denen er am Tische
saß, wurden ihm immer fremder, sie
schienen ihm Alle aus einer anderen
Welt-zu stammen mit ihren Anschau-!
unaen und Empfindungen Auch Sil
via, sein Ideal. . . Von welch’ fremder,
ihn durchaus nicht ansprechender Seite
lernte er sie jetzt kennen . . . .
»Und was hast Du denn mit dein
Runda-fiel angefanaen?" fragte Onkel
Michael nach einer Pause, während
welcher Mandeltorte herumaereicht
morden war.
»Ich habe das Geinöloe restauriren
lassen « hat mich dreihundert Mart
aetoftct -—·, dann fand sich allerdings
balo ein Liebhaber, der mir siir das
Bild dreksiiataniend Mart aezahlt hat.
Bedenkt doch, ein schöner Ruheban
Ich habe auch die gute Frau nicht ver
gessen. Dich folgte einer momentanen
weichen Regung und sandte ihr noch
fiinsiEa Markt, ja wahrhaftig —- noch
fünfzig Mari!"
isin Gesumme der Anerkennuna
ward am Tisch hörbar-:- Guido jiihlte
e; eiskalt uher seinen Murren lauten.
»Aber damit ist es noch nicht in
Ende-'s rief Balthasar Mordt, ,,mein
Geld scheint der Frau Gliick gebracht
zu haben. Sie ist aufUZ Land gezogen
und hat eine kleine Gartenmirthschast
iibernommen, die recht aut gedeiht.«
»Und wie dankbar ist sie dem lieben
Papa noch heute,« zwitfcherte Silvia
dazwischen. »Jedesmal, wenn sie nach
der Stadt kommt mit ihren Gemijsen,
spricht sie hei uns vor, bringt mir ein
paar schöne Blumen uno fiir die Kiiche
vrächtiae Gemiise, Spargel, Erbsen.
Artischoctem und sie nimmt nie einen
ilifennia Bezahluna an. Oh, sie ist
eine sehr liebe, aute Frau und weiß,
wag sie dem Papa verdanlt.«
»Ja, ja,« meinte Onkel Michael sin
nend, indem er ein Glas Seit bir- auf
den Grund leerte, »Wohtthun trägt
Zinsen«
Noch ehe der schwarze Kaiser qereicht
wurde, hatte sich Guido Reßler empfoh
len. Er schätzte heftiae Kopfschmerzen
vor, um sich unauffällig so friih ent
fernen zu können. Jin Hause des rei
chen Balthasar Gordt ließ er sich aber
nicht mehr blicken
dont-gröber.
Jn der Stadt Telmessos in Pisidien
ist kürzlich ein Grabstein aus dem er
sten vor-christlichen Jahrhundert aufge
funden worden« aus dem in griechischer
Sprache die Worte stehen: »Hier schläft
den Schlaf der Ewigteit ein Mann,
dem die Musen die Gabe der Rede ga
ben, Bocthas liegend in süßem Honig«
Die letzt-en Worte sind ganz wörtlich zu
verstehen. Es ist hier zum ersten Male
auf einem antiken Grabstein aus-ac
sprochcn, daß der Todte in Honig bei
gesetzt war. Aus zahlreichen Nachrich
ten bei antiten Schriftstellern folgt
dasselbe. Hoing oder Wachs war ein
Hauptmittel bei der Einbalsamirung,
welche sowohl zum Zwecke der Beisetzi
ung im Grabe wie auch nur fiir die
feierliche lange Ausstellung der Leiche
vorgenommen wurde. Jn hoing ruh
ten vielfach die alten Babyloniey Sky
then und Perser, auch die Könige von
Sparta und Alexander der Große.
Stets war es eine theure Bestattungs
weise, die nur die Fürsten und Vor
nehmen sich leisten konnten. Sie spielt
schon in der ältesten griechischen Sage
eine Rolle. Glanlos nämlich, ein Sohn
des lretischen Königs Minos, fiel als
Knabe bei der Verfolgung einer Maus
in ein Honigsasr und ettransk darin.
Durch die Kunst eines Wahrsagerg
wurde er aber dort entdeckt und mit
hülfe einer Zauberwurzel wieder zum
Leben erweckt.
Ueues Leben.
Novellette von Helene Lang
Anton.
Mit rasender Schnelligkeit eilte der
Expreßzug von Wien nach Selzthal
nnd Aussee durch die herrliche Geaend
Dicht gedrängt standen die Reisenden
an den Coupeesenstern und warteten.
»Sieh nur, Alex, sieht« rief ein
junges Mädchen in grauem Lodenge
wand und mit lleinem Jägerhnt:
»Sieh nur, wie schön, wie wunder
schön die Berge sind!«
Und es war wirklich ein überwälti
gender Anblick. rechts und links die
ungeheuren Betgriesen, mit dem ewi-:
gen Schnee eine Kette bildend, und tief
unten neben dem Bahnzuge, ganzim
Gegensatz zu ihrer Großartigleit, die
mitlausende, «silbertlare Quelle-, die
wurmelnd Geschichten er,;ählt; man
muß das gesehen haben. um das Ent
zücken der Reisenden zu begreifen.
»Nein, Alex,« rief wieder die Mäd
chenstirnme, »wie glücklich hin ich, die
Berge gesehen zu haben! Ich habe j-:
gar nicht gewußt, wie wunderschön die
Welt ist,« und sie drückte dem Bruder
mit srendestrahlenoem Gesicht begei
stert die Hände.
»Jetzt, meine Herrschaften, ausge
pafzt,« ngte eine sonore Männerstim
me, »jetzt, wenn wir um dieEcle bie:
gen, kommt das Schönste von’s
Ganee.«
Lllle reckten die Hälse und standen
in sast athemloser Erwartung
Das junge Mädchen hatte sich ganz
dicht an das ofsene Fenster gestellt, es
sollte ihr nichts entgehen. Es war ihre
erste große Reise und Vielleicht die
letzte, und da wollte sie so viel wie
möalich schöne Eindrücke sammeln,
alles Herrlich-e, Wunderdare in sich
ausnehmen, um dann tin kleinen Hei-—
mathstädtchen von der Erinnerung-,
zehren zu können.
»Jetzt!« erscholl die Männerstinkme
wieder« und blitzschnell aog sich der
junge Mädchentops mit dem Jägerhus .
zum Fenster hinaus.
Der schneidende Wind pfiff ihr in’LL
Gesicht- Ein marlerschiitternder Schrei
folgte:
»Um Gottegwillew Adi, was ist
Dir?« und besorgt hielt der Bruder
die fast Ohnmächtige in den Armen
Alle wandten sich erschreckt der
Gerippe zu.
smna ifk Mk Kind fix-hinw
Sie hatte sich etsvas erholt iind
staiiimelte: »Ich weiß nicht, es stach
mich so furchtbar iii den Augen. lind
wie schade, daß man nun doch nichts
sieht, dass wir gerade jetzt in den häß
lichen Tuniiel einfabren müssen. Wo
bist Du denn, Alex, Du weißt, ich
ängstige mich, wenn es dunkel ist.«
Entsetzt starrte alles aiis das junge
Mädchen. Veraessen war die Land
schaft, die herrliche Natur. Was sprach
sie da von Finsternis-, und Dunkel, da
doch die Sonne so strahlend schien.
,,Wo bistDu, Alex, ich fürchte niich.«
»Hier, mein Kind« Mit fast er
stickter Stimme taiiien die Worte aus
dem Munde des jungen Mannes, der
aanz sassungslos auf seine Schwester
starrte.
AlleAnwesendeit standen dorGrauen
und tiefstem Mitgesiihl siir das arme,
unglückliche, betlagenskoerthe junge
Geschöpf, das so plötzlich sein« Augen
licht verloren, da, und konnten das
Entsetzliche noch immer nicht begreifen.
»Warum zittert Deine Hand, Alex?
Jst etwas geschehen? Alles ist so still
um uns. Und der Tiinnel dauert
immer länger, tind eg wird immer
dunkler um mich. Alex, warum sprichst
Du nichts? Alex! —« und ihre Hand
iastete an seinem Körper hinauf bis in
sein Gesicht. ,.Aiex! Deine Wangen,
Deine Augen sind naß! —- Alert —
ah! und ich sehe nichts! — Alex, um
Gottesivillen — ist es möglich ----- ich
—bin -—- blind!« Und mit einem
Aufschrei, der alle Herzen noch mehr
erbeben machte, sant ste dem Bruder
an die Brust.
Er war wie betäubt von dem Größ
lichen, Unfaszbarem das so schnell ge
kommen, das so unvorbereitet aus
einem fröhlichen, lachenken Mädchen
eine tief Unglückiiche gemacht, sie des
Höchsten, des Augenlichtes beraubt,
das schwerste Schicksal über sie der
hängt.
Durch den engen Gang neben den
Coubees drängt-e sich ein älterer Herr
zu den Geschwistern, die umringt wa
ren. Er wandte sich an den junaen
Mann mit den Worten: »Sie müssen
sofort an der nächsten Station aus
steigen iind nach Wien zurückfahrem
Dort ionsultiren Sie den Augenarzt,
dessen Adresse ich Jhnen aufschreiben
werde. Hat Jlire Schnester jemals
iranke Augen aehabt?«
,,Nein.«
»Schwache Augen«-«
»Auch nicht.«
»Dann ist Hoffnung vorhanden, ja,
dann ist es gewiß, daß die Sache in
einigen Wochen wieder gut wird. Es
dürfte ein plötzliche Lähmung des
Sehneer f« in, die bei fofnrtiger ärzt-·
Per Behe dlung sich bald beheben
a .«
Er sagte es im zurersichtlichsten
Tone und tsatte wirklich die Genug
thuung zu tehen, wie sich die Hoff
nung der amen Blinden und ihres
Bruders belebte.
Daraufhin sah er ihr noch selbst in
die Augen. Als er seine tröstenden
Worte wiederholte, hatte jedoch seine
Stimme einen unsichere-n, belegien
Klang, der den beiden so tief erregten
Menschen nicht auffiel. Desto mehr
hörten die Umstehenden den Zweife;
heraus-. fühlt-en, wie der Tröster wenig
Tröstlichses gefunden. Als-er Alles war
ihne siir sein Einqreisen, siir sein Mil
Dern der qualvollen Scene dankbar.
In Admont verließen die Geschwi
ster den Zun, begleitet von der aufrich
tiasten lesilnabme der Mitreisenden
All-c sahen ihnen traurig nach, als der
Traurigste der alte Arzt. Er hatte
nicht die grrinqste Hoffnung Jn den
allerseltensien Fällen ist eine so totale,
plötzliche Erblindung heilbar.
Ein Augenlicht, das langsam er
lischt, kann durch die Kunst des Arzte
miedererobert werden, aber so— —
armes, kleines Mädchen. Sie wiirde
wohl kaum die Welt, die sie so wunder
schön gefunden, und dieBerge, bei de
ren Anblick sie so in Entzücken gerieth,
jemals wiederzusehen
Donnernd fuhr Ferthig weiter-.
Ein Jahr später finden wir Adi im
Zanatorium des Doktor Huber bei
Wien. Sie war noch immer blind und
leinMenscb hätte in dein bleichen, elend
augsebenoen und milden Mädchen das
thaxifriscbe Geichdpf aus Dein Greises-,
zuae sviedererlannL
Sie hatte sich in ihr trrstlosesschick
sal, so gutes aina, qefiint und klagte
uiemalg. Zie wollte die Herzen der
Ihren, deren Liebling sie war, und Die
unter dem schweren Verliiinaniit, du«-.
sie getroffen, namenlog litten, nicht
necb mehr bedrucken Eis lxeuchelte eine
Ruhe und Heiterkeit, die sie nicht be
saß, und sprach von Bessern-erben zu
einer Zeit, wo sie selbst nicht die ge
rinaste Hoffnung mehr begie.
Ein junger Arzt hatte ein großes
Santorium fiir «.)lugenlranle in de:
Nähe oer Hauptstadt aufgemacht, und
so sehr ser auch angeteinoer wurde,
man erzählte sich Wunderturen oon
ihm·
Alex war zu den Ferien gekommen
und sprach dariiber. lei wollte davon
nichte- hören. Was war schon alles
geschehen? Wie viele Autoritäten schon
befragt? Alles umsonst. Vertröstun
aen aus später —-— Worte ohne jeden
realen Untergrund.
Ein Freund des Hauses- hatte durch
Zufall Gelegenheit, mit dem Besitzer
bei Sanatoriums ;t!s-:.nmeniutom
men, und hatte mit ihm oon Adi und
deren tragischem Schicksal gesprochen.
Der Fall interessirte den Arzt. Das-,
oiele Aerzte die Behandlung den ode
rativen Eimriss, als aussichtslos zu
riinaewiesen, reizte ihn. Er musiteoie
Blinde sehen. Er ließ sich die Adress.
geben und schrieb an ?ldi’s Eltern,
Diese auffordernd, ihm die Tochter zu
bringen.
Obwohl Adi widerspruch, fuhr Alex
doch mit ihr hin.
Der Arzt untersuchte die Augen und
behielt Ada Eva-Noch sprachet sich
nicht aus, aber aus dem Umstande,
daß er sie behalten, schipsten sie und
ihre Familie Hoffnung. — Wochen
lang blieb sie im Sanaterium. Die
einzigen srohen Stunden waren die
Besuche des Arztes, die erst kurz, sich
immer länger ausdehntew Sie war
fast glücklich wenn er neben ihr saß
und mit seiner weichen Hand die ihre
leise streichelnd, wohl auch theil
nahmsvoll ergriff. Wie liebte sie seine
Stimme, diese milde, tlare Stimme,
der man alles glaubte, die iiberzengte
und tröstete. Wenn er mit ihr plan!
derte, ihr gute Worte sagte, Tages
neuigleiten erzählte-, wohl asich gar
scherzte, siihlte sie ihr Elend kaum.
Dann ruhte ein süßes Lächeln um den
kleinen Mund, und die todten Augen
bekamen sast Leben.
Sehnsüchtig wartete sie aus ihn,
wenn sie erwachte. Seine erste Visite
galt ihr, seine letzte ihr.
Heute blieb er länger als sonst:
beim Abschied drückte er ihre Hand
träftia, wie um ihr Muth zu machen:
»Morgen um zehn llbr will ich ver-!
suchen, dihre Aue-en sehend zu machen.«
Sie schreckte nicht zusammen.
Ueberrascht sah er sie an. Sie war
ganz runia aeblieben.
»Sie haben doch keine Anast?«
»Nein. wenn Sie etwas thun«.
»Sie haben also Vertrauen zu mir?«
»Das arößte!«
»Ich danke Ihnen. Aber ich will
kein-e zu arosie Hoffnung in Ihnen er
wecken. Diese Auan, die ietzt nicht
sehen, sind unverändert, eine miß
glückte Operation kiinnte Sie ent tellen.
Wollen Sie mir trotzdem die perai
tion gestatten?«
»Ja, ich thue alles, was Sie wol!
len.«
Waren es die schlichten, einfachen
Worte, die grenzenloses Vertrauen,
vielleicht noch mehr verriethen, die den
Mann vor ihr so tief berührten, daß
er sich neigte und flüchtig mit dem
Munde ihre Stirn streifte?
Sie blieb ganz still, ohne seinen
Gutenaehtgruß zu erwidern. Ein
glückseliges Lächeln über das ganze
Gesicht, so sah sie dem kommenden
schweren Tag entgegen. Was er
brachte, wie es ausfiel, es kam von
ihm — von ihm —- — —
Die Operation war beendet und
glänzend gegliickt. Adi hatte einen Au
genblick gesehen, ihn gesehen, seinen
Anblick in ihre Seele aufgenommen.
ehe sich die schwarze Binde auf ihre
Augen senkte. Jetzt nur Ruhe, große
Ruhe, dann war alles gut.
Er kam oft, sie fühlte auch, weshalb
er lam. Er sprach nicht darüber-, denn
iede Aufregung, auch die freudigste,
konnte schaden« Sie hatte große
Schmerzen, aber sie leugnete sie, auch
die schlaflosen Nächte gab sie nicht zu.
Nichts durfte ihn beunruhigen, und sie
wußte, daß er Alles mit empfand Sie
fühlte sich eins mit ihm, daß sie feine
Gedanken errieth, seine Anordnungen
befolgte, ehe er sie aussprach.
Und als die Bnde fiel und sie sah
und nun doch die Aufregung, dieThrä
nen lamen, da kniete ihr Reiter zu ih
ren Fiistscri und hielt sie im Glücksae
fiihl fest, um sie nie mehr zu lassen.
Ta. lsl end fiel von ihr ah, das Elends
das sie ietzt segnete, weil es ihr den
Illiann ihrer Liebe und das Glück ge
bracht hatte.
lsin französischer Ossizter über das
deutsche Metz.
Der iranzösische Oberstleutnant
Rousset schildert im ,,Gaulois« in be
merkenswerther Weise die Eindrücke,
welche Metz in seienr heutigen Verfas
sung in ihm hervorgerufen hat. »Auf
den ersten Blick « so schreibt der fran
zösisehe Lsfiziser, welcher früher in
Utetz stationirt war, »schesint die Stadt
keinerlei Veränderungen erfahren zu
haben; es ist das alte, schöne Metz mit
dem wunderbaren Panoramsa seiner
Umgebung und mit seiner prächtig-en
siathedraje Um so größer ist die Um
gestaltung im inneren Leben der
Stadt« Obwohl sie hauptsächlich auf
den Umstand zurückzuführen ist, daß
dag- deutsche Element die Oberhand
aewonnen that, tann Rousset doch nicht
uiuhin, zu gestehen, daß der allgemeine
Eindruck heute ein sehr günstiger ist
Allco, was man sieht, athmei Kraß
und Solidität. Die Macht der neuen
Staatsverwaltung äußert sich überall;
in der Haltung der Beamten, in der
iliuhe der Schutzleute, in der Regelmä
sziateit jedes öffentlichen Dienstes, ja
selbst in dem robusten Aussehen der
sljiänner. Hier sieht msan nur ruhige
Leute von starlem Selbstbewußtsein
welche auf die sie beschützende Regie
runq vertrauen. kliousset ist geneigt,
diese Bliithe der heutigen Bevölkerung
Ion Metz, hauptsächlich auf die Verfas
sung nnd Tiiegierungssorm Deutsch
land-H zurückzuführen Wenn die Se
parationsgseliiste und die Sehnsucht
iarh Frankreich bei der elsässischen Be
völkerung heute zurückgegangen sind,
so erklärt dies Rousset gleich Bartes
durch die Corruption der republitani
schen Regierung jenseits der Bogesen;
Die Glsiisser siihlen es, daß sie jetzt ei
teln ruhiger und besser regierten
Zinatsorganistnus angehören. Dies
aßt die alte Protestbewegung erster
ben, umsomehr, alg das »Joch« der
Deutschen immer milder wird. Auch
Iie ausgezeichnete Haltung der Offi
ziere erscheint Rousset als eine Folge
Ier gesicherten Verhältnisse, in denen
iie leben. »Es giebt wohl nirgends
ein schöneres Offiziers - Corps,« ge
steht der sranzösische Oberstleutnant.
Diese stolzen und imponirenden »Ko
Iosse«, welche einfache, aber-tadellos
sorvette Unisornven tragen, machen,
venn sie die Straßen von Meß durch
"rhreiten, den Eindruck einer triumphi
renden Stätte, welche in ihrer überle
ienen socialenStellung wurzelt. Wenn
iie nicht die Eleganz des französischen
Dsfiziers haben, so verrathen sie ande
rerseits auch nicht seine nervöse Un
ruhe: man sieht, daß sie nicht von Mi
iistern abhängen, welche in ihrem
liarteisanatismus jeden Augenblick
die tüchtigsten Ossiziere suspendiren
können, daß sie nicht gelegentlichem
iit wechselnden Herrschern unterstehen,
sondern nur Gott und ihren Vorge
setzten«
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Uuter Dienstboten.
Marie: »Ist DeineGniidige geizig?«
Anna: »Na, das siehst Du ia an
den Kleidern die ich trage.«
Ahnen-Mem
Strolrh: »Wollen Sc mir det Haar
schneiden?«
Barbier: »Nee, mit so’n faulen
Kopp mag ich nischt zu thun haben.«
Geschickt ans-gewichen
Vater ldes Mädchens)« »Und wie
steht es mit dem Vermögen?«
Brauttoerber: »Vermöqen? Ja, das
muß allerdings besprochen werden;
wieosiel geben Sie denn Ihrer Tochter
mit «