Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 21, 1902, Sonntags-Blatt, Image 12

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    Cisie m muckte Geschichte von Sakemts von sdlerstelds
Ballestrenr.
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(8· Fettietungo
Um 32 Uhr tras der Major wieder
in seinem Schlasgemach ein, total
»sertig« und zwar in einem Maße,
daß ibm sogar das beliebte, von Hoch
und Nieder, Gehobelt und Ungehobelt
mit Vorliebe gebrauchte Erleichte
rungimittel des Schimpsens versagte
und der ihm sonst so aetreue Militär
schlaf sein Lager stob.
Ueberniichtiq, zerschlagen und miß
dergniiat erhob er sich an dem schönen
Sonntagmorgen vom Lager und
machte dazu noch die ärgerliche Ent
deckung, daß er sich start ver-schlafen
hatte. Er zog sich also schleunigst an
und stürzte hinaus. zum Rechten zu
sehen, ehe Frau Thussi mit ihrer mehr
Zeit beanspruchenden Toilette fertig
war, und iam gerade zurecht, um zu
sehen, wie in der Halle Margot
Schramm einem jungen Manne in die
Arme floa.
»Donnerwetter — na, erlauben Sie
mal,« rief der Major im ersten Schre
cken dann aber erkannte er den jungen
Mann der so in aller Morgenfrischc
schon sein Haus betrat. »Ah —- Herr
Alsred Schramm! J, das ist ja eine
reizende Ueberraschung fiir Jbr Fräu
lein Schwester! Sonntagsurlaub er
halten, musi«
»Jawohl, Herr Major,« bestätigte
der Anaeredetr. »Sogar bis Dienstag
habe ich Urlaub —- wenn ich nämlich
mit Ihrer giiligen Erlaubniß so lange
hier bleiben darf —«
»Na —- natiirlich, gern,'· erwiderte
der ajor. »Na, gehen Sie nur mal
siir’s erste in den Speisesaal früh
stiicien. Muts das ein Schaf von
einem Capitän sein, der seinem Ein
gihriaen nach so kurzer Zeit schon drei
age Urlaub giebt,'· setzte er in seinem
Innern hinzu. »Na, mich gehi’s ja
nichts an und dasi die Geschwister so
aneinander hängen, das siihni einen
sast mit dieser Margot, dieser Karita
tur von einem Erziehungsexemolar.
aus. hübscher Kerl, der Schrammt
Sieht beiden Eltern nicht ähnlich.
Kolossal sertia und weltgewandi siir
seine Jugend. Ab —- schönen guten
Momen, meine gnädiae Frau —"
dies zu Frau von Moschelwitz. welche
eben die Treppe herabtam. »Gut ge
schlafen beut’ Nacht trotz der Unruhe
der neuaelommenen Gäste?
»Ach lieber here Major,« sagte
Frau von Moschelwiy, »das sind nun
einmal Sachen. auf die man rechnen
muß, wenn man sein haus oeelaßt
und unter Freunde geht. Das sind ja
Illcll lllll Spuk-»Ich Mc upruusugcyuk
Aber dieser Asseisor neben mir
schnarcht so entsetzlich — er brüllt
förmlich, sage ich Ihnen —- daß kein
Schalldiimpser dagegen etwas nützt.
Es ist einfach unerträglich!«
»Ach! Acht Acht Ach!'« sagte der
Maer voll Theilnahme »Nun, ich
werde versuchen, Herrn Dreszberg zu
transloziren —"
»O bitte, nein, wir wollen teine Un
ruhe machen und oen Armen, der ja
schließlich nichts dafür kann, nicht
tränken, aber Excellenz will mit mir
das Zimmer tauschen — er sagte, es
wäre ihm gleich, ob einer neben ihm
schnarchte oder nicht —"
»Ah, selsr rücksichtsooll don Ertei
lenz —'«
»Man wahr? Aber natürlich müs
sen wir bei dem Tausch der Zimmer
einige nothwendige Räumereien vor
nehmen und wenn es Jhnen dazu jetzt
paßte, mein lieber Herr Major, so
wäre uns das, ach, so lieb! Sie sind
ja so gütig und so rührend liebens
würdig und Miiillig —« U. s. w.
U. s. w.
FünsMinuten später arbeitete schon
in den Räumen unter des Majors
Oberaussicht, der bei schweren Stücken
ja gar nicht umhin konnte, selbst mit
hand anzulegen, da Excellenz es auch
that, und obwohl sein noch nüchterner
Magen sich gegen schwere Arbeit aus
lehnte, so half das eben nichts uno
die Räumung wurde vollzogen. Das
Gesiilsl eines schweren, unschuldig er
littenen Unrechts im grollenden Busen
hegend, stieg der Major nach vollbrach
ter That herab, um nun endlich seinen
schwerverdienten Morgentafsee zu sich
zu nehmen, aber noch auf halber
Treppe wurde er von Frau Stolle
angehalten, die sonst nie vor zwölf
Uhr ihr Zimmer verließ.
»Ich muß Jhnen sagen. daß ich ge
diesen S——tandal in Ihrem-hause
Irr-tell erbebe,« begann sie indi nirt.
Wer soll denn bei solchemLärm schla
i Die Inten, die heut’ Nacht an
nmen nd, haben zwei S—tun
iiber meinem Kopf herumgetram
M und dann noch so laut e ähnt
Its ihre S—tiese1n vor die II r ge
W Gähnen i« unseint Wenn
»» einmal Nachts ein olcher Lärm
k- tfindet, ver-lasse ich das haus
«U"C—ZF«; si he
. » as reppe emp ng rr
« . , In Wot.
« sie, sei iutesler sein« be
« II tas- Sie see Seinen
schwatzen thäten sie jedenfalls jeht
noch. wenn ich nicht mit ’m Stiefel
tnecht bei ’n angegloppt und um
Ruhe gebeten hätte. Die eene hat’s
auch verstanden, aber bis sie’s der an
dern alar gemacht hatte, darüber isi
Sie die halbe Nacht vergangen. Viel
leicht wär« Sie das meegiich, die bee
den in e bissel abgelegnes Zimmer zu
loichiren.«
Der Major versprach sein Bettes
su versuchen und wurde mitten in die
ser Versicherung don dem Assessor an
gesprochen, der durchaus Auskunft
dariiber haben wollte, wie Schnieste
heut’ Nacht in sein Zimmer gekommen
sei. Durchs Schlüsselloch wäre doch
das nicht gut möglich, Tbatsache aber
wäre, daß er, der Assessor, heut’ auf
dem Teppich vor seinem Bette gelegen
hätte. balb erfroren und ganz steif,
während Schniefte der Länge lang
ausgestreckt im Bette gelegen und teine
Luft bezeigt hätte, dies angenehme und
warme Lager zu verlassen. Deshalb
ichliefe er ja nicht mit Schniefte zu
sammen in einem Zimmer, weil-das
die Gewohnheit des »trautften hund
chemi« wäre, feinen Herrn im Schlafe
aus dem Bette zu dränaeln. Das
konnte der Major ja natürlich nicht
wissen und er mußte geloben, es nicht
wieder zu thun. sonst wenn Schnieste
nicht heulen sollte, das -liebe Thier
eben einfach vor seines herrn Thiir
liegen zu lassen.
Nachdem der Fall Schniefke-Dreß
berg erledigt, drängte des Majors
Maaen um so hefiiger Frühstück ent
negen, doch das stand so schnell nicht
in den Sternen geschrieben, denn kaum
hatte er einen Schritt dieser Labe ent
ngen gethan, als ihm Fräulein von
ardjss in den Weg lie.
»Den!en Sie, derehrter herr Ma
jor» ich bin so aufjeregt und außer
mir,« fing sie athemlos an. »Ich
komme eben aus Ihrem Jarten, und
wissen Sie. was ich da jefunden habe?
Einen Rosenstrauch, der verfeht wer
den muß, ehe er Knospen treibt, das
Dasein hängt davon siir diesen Rosen
ftrauch ab. Kommen Sie. ich werde
Ihnen den Strauch zeijen —«
«Bedaure jegt keine Zeit zu ba
ben —« fiel der Major ein.
»Aber ich bitte Sie,« fuhr Fräulein
oon Mardifi sort, »sur seine Jemachse
musz man Zeit haben. Denken Sie,
ich habe jesunden, daß es nur mora
lisch ianz schlechte Menschen sind, die
sür Pflanzen kein Herz haben. Bitte,
kommen Sie jleich mit mir, den
Strauch zu versetzen —'«
»Ich babe jetzt keine Zeit —«
»Sie haben Zeit, Sie müssen Zeit
haben! Lassen Sie doch die unwich
tigen Dinge nnd retten Sie dem Ro
senstrauch das Leben. Denken Sie.
das regt mich so furchtbar aus ——- ach!
Sieben Sie nicht so hart und unzu
jänalich da — ich will ja jern aus die
Kniee vor Jhnen fallen, nur sagen
Sie ja und kommen Sie mit mir ———'«
Der Major sab sich hilsesuchend um
»Vielleicht aeht Herr Bachleitner
mit Ihnen « ichan er vor.
»Bedaure, bin kein Sachoerstäncii
aer,'· mit den Worten zog dieser sich
schleunig zurück.
»Nein. nein, Sie müssen selbst kom
men, es ist Jhr Rosenstrauch,«
dränate Fräulein von Mardiss, »und
denken Sie, von den Kohlkövsen, vie
im Jemiiseiarten jepslanzt sind, mits
sen «eben Stück abieschnitten werden,
sonst schießen sie —«
»Lassen Sie sie schießen —«
»Wie können Sie so etwas herz
loses saaen?« schluchzte Fräulein von
Mardiss. »Ich habe die sieben Kohd
kövse jezeichnet mit rothen Ländern,
der Koch muß sie heut’ noch holen —"
«heut’ wird kein Kohl gegessen,«
weh e sich der Major.
.Daj thut nichts; wenn der Kohl
in nassen Sand im Keller sesteckt wird,
hält er sich frisch. Kommen Sie, wir
holen den Sand und machen den hau
sen im Keller zurecht —- eine Jieß
kanne habe ich schon jesehen —'·
»Vardon, ich babe keine Zeit-« er
...irte der gequälte Major und drehte
sich, entgegen seinen besseren Kava
lieraesiiblen kurzweg um, denn selbst
der Wurm krümmt sich bekanntlich,
wenn er aetreten wird, und der Ma
jor betrachtete mit seinem knurrenjen
Massen iede Verhinderuna an seinem
Frühstück siir ein moralisches Getre
tenwerden.
Als er sich umdrehte, ah er aber in
das schöne Cherubsaesi des Italie
ners Dante Rardtni, der einen ver
hüllten, kleinen Gegenstand an sich
drückend hinter ihm stand und.ihn mit
seinen großen, uns uldsblanen Uuoen
erwartunnevoll an ah. Schönheit It
unter allen Umständen ein Freibri ,
ihr Anblick mildert nnd Recht aus
und darum unter der jar auch
hier ihrer Macht, dem der Ueber
gana von dem Anblick des Fräulein
von Mart-is aus das reizende glücks
derkläete ntliti des Landsmannes
Mo angenehm and beruhigend aus
seist Fett-es wirkte.
sc « U R M k
-»- i« M , inkuIlk cYich aus«-«
M ee W anderm con.
QJDC Ins eben sit euch se
vcacht ein so große Gliidf erwiderte
der Oitaliener strahlend.
»Na. das ist doch mal was Ange
nehmes zu hören,« meinte der Ma«or,
und seine Frühstücksfehnsucht ii r
windend, iiigle er als liebenswündiger
Wirth hinzu: .Dars man fragen, rn
wiefern mein Haus Jhnen Glück ge
bracht hatt«
»l) si!« strahlte Fett Dante Nar
dini weiter. .Jch a en so lanae zon
gesucht die Zluii von meine Erfin
dun« ich habe nie finden können. Hat
mir böse demacht und malcontcnto.
Aber gestern ich aben gefunden und
macht mir aliicklich und zu frieden.«
»Nun, das ifl ja wunderschön ———«
»Si, ist wunderzön. Meine Erfin
dung ist eine wunderzöne Mittel siir
die leidende Menzheit, eine Mittel, die
alle Leute wird geben Glück und Ge
sundheit und Zufriedenheit, eine Mit
tel für ihre anendigteit. Zum Bei
spiel, iSe aden geaesfen eine zwere
Speise, Zweinehraten oder Sauer
lraut —- ich lieben gar nicht die Zwei
nebraten, aber die Deutschen lieben
ihr sehr — und Sie aben Angst, daß
Sie werden ahen Unbehagen davon in
Jhre anendigleit, dann nehmen Sie
meine Mittel und Sie fühlen wieder
gut. Zweclt sehr gut, meine Mittel.
seit mir ist gelungen die emulsionc in
Ihre Aus. Jch aben ihr gefiillt in eine
botiglia und wenn Sie mir wollen
machen selig —- tntto iclice —- Sie
werden aben die Güte, ihr zu loften!«
Mit diesen Worten enthüllte der
junge Mann den Gegenstand in sei
ner Hand —- eine Medizinflasche von
circa 500 Gram-n Inhalt, gefüllt mit
einer appetitlich aussehenden create
farbenen Flüssigkeit
»Hm« machte der Maior zweifel
haft. »Meinen Sie. dan es zu meinen
Pflichten als Wirth gehört, zu loflen.
was meine Gäste zusammenvanschen ?"
»O no,« wehrte der Italiene: ab,
»aber Sie sind eine viel zu gute und
liebe Menz, als dafi Sie mir nicht
machen würden die große, große Freu
de, von meine Erfindung zu versuchen
und mir dann zu sagen: Dante Nar
dini, Sie sein eine glückliche errinan
weil Sie geworden fein durch Ihre
Erfindung die oWhlthiiter von die
Menzheit!«
Diesem Appell, bealeitet von dem
wunderbar sprechenden Blick des Ita
lieners, lonnte der Maior wirklich
nicht widerstehen.
«Junger Mann, Sie sollen sich in
dem alten August Fuchs nicht ge
täuscht haben." erwiderte er wohl
wollend. »Ich werde ietzt frühstiiclen
gehen, und dann —«
»O. Sie müssen nehmen meine Mit
k,-, evJquttjes t:-I k;«-.-- «
—
lct UUL qu pfuiqsruvh H« -.H».«
Nardini ein. »Meine Mittel, wenn
genommen nach die Essen, neutralisirt
die zwere Speisen und hilft ihnen ver
oauen, wenn sie aber wird genommen
aus die nüctterne Magen, sie macht die
Menzen glücklich sür die ganze Tan!«
»Na, das ist ja die Menschenmist
lichteit. Wenn’s Sie und mich also
glücklich macht, dann nur her damit!«
»O, Sie sind eine Enae1,« jauchzte
der Jtaliener. »Ich eilen zu fliegen,
» nu, ich fliegen zu eiten, zu olen ei
nen citcciiinj»!«
»Was holt eri« fragte der Major,
ehe er aber noch Antwort erhielt, war
Nardini schon zurück mit einem Stip
penlösseL den er nun mit der dickli
chen, cremeartigen, weißen Masse aus
der Flasche zu füllen begann.
»So hielt-« sraate der Maer mit
einem gewissen, nicht zu unterdrücken
den Mißtraum
»si. Eine Eßlössel sein die vorge
zriebene Dosis sür astulti. Eine Thu
löfiel für banibini und »main-«
»Ich wollte. ich wäre eins,« mur
melte der Major, unbewußt den alten.
ewig-neuen, unnützen und thürichten
Wunsch «ein Kind noch zu sein« damit
wiederholend· Aber der Inhalt des
Lösfels roch ganz gut nach bitteren
Mandeln, uno da ihm eine ganze
Menge oon Augenpaaren zusahen, so
wollte er auch nicht den Zagen spielen,
und so machte er den Mund gründlich
aus und ließ den Jnhalt des Lösselg
mit einem Ruck darin verschwinden.
Kaum aber hatte er ihn intus, als er
blaß wurde, die Haare sträubten sich
ihm, die Augen quollen aus ihren
Höhlen und die Arme mit geballten
Fäusten von sich streckend brachte er
mit einer schrecklichen Grimasse nur
das eine Wort hervor: »Ricinus«ol!«
Die Umstehenden, der glückliche Er
finder eingeschlossen, sahen sich er
schrocken an, der Mnior aber sanl in
den nächsten Sessel und schrie noch
einmal in den Tönen höchster Angst
und Verzweiflung: »Ririnusöl!«
’s ist ihm schlecht, Sie heerenö in —
er will Rieinusiil,« riet herr Frosch
-Jch habe welches —- ich hole eö,«
leuchte Fräulein von Mardiss, deren
Fürsorge sosort vom Rosenstrauch
und den Kohltöosen aus den sichtlich
leidenden Maior überwaan Aber
tron der augenscheinlichen Dringlich
keit des Falles hielt sie ej doch sür
nothwendig hinzuzufügen: »Ich brau
che es nämlich zum Stiesesschmieren
— es macht das Leder wasserdicht!«
Niemand hörte ous diese Erklärung
—- rnan war um den sichtlich lett-enden
Major beschii tigt, der leichenbla da
snß und sti terliche Gesichter t itt.
»Er hat den Kenntnis sliisterte rau
von Motchelwin Rat Niemand al
driantropsen zur sandt« —
» ,« rief Fräulein von Zur a
notoslen ein Ilaeon one der a che
iehend sowie ein Wichtchen mit«
« ex W. Ein solches wurde niit
« den stinkt-re tränkt
«- son Roscheltoii choh es
aior intt sonst-r Gewalt in den
Mund-. Leider gehörte er aber zu de
nen iiir die Baldrian lo abstehend in
Geruch und Geschmack ist, daß er ein
vollständiges Umtehren ihres inneren
Menschen bedeutet, und so hatte er
auch kaum die trampstillenden Tropfen
aut der Zunge, als er schon wahrhaft
heängsrigend zu wiirgen begann —
ein Vorgang, der meisi ansteckend zu
sein pflegt, wie Herrn Bachleitner’i
Verhalten auch sofort zur Geniige he
wies. Jn diesem Moment erschien
Fräulein von Mardiii mit ihrer Fla
sche athemlos wieder auf der Bild
fltiche, Frau von Moschelwiß fitllte ein
wohlgemessenes Maß des werthvollen,
medizinischen Oeles in den Eßlösfel,
den der Jtaliener noch in der Hand
hielt und näherte sich damit dem Ma
for
»Bitte hier ist, was Sie wollen,«
sagte sie freundlich zuredend, wie man
ehen mit Kranken verfährt, »nehmen
Sie’s rasch und aus einmal, ja?«
Der Major, der die satanische Aus
legung seines Ausrufes von seiten des
Sachsen überhaupt gar nicht gehört
hatte und dem nur darum zu thun
war, den ihm entsetzlichen Baldrian
gefchmack loszuwerdem öffnete willig
seinen Mund dem Löffel, denselben
mit einem Ruck leerend. Ader taum
war das geschehen, als er wie gestochen
in die Höhe sprana und unter grauen
hafter Verzerrung seiner Gesichtsziige
mit merkwürdig dicker Stimme den
Ausrus: »Pfui Deiwel — wieder Ri
cinusöl!' that und wie ein Gehehter
mit einem Sage in seinem Zimmer
verschwand.
Die Zurückhleihenden sahen sich
stumm und erschrocken an.
»hm,« meinte Excellenz Xanten nach
einer Pause, »Ba!driantropsen und
Nicinusöl scheinen unserm verehrten
Wirth gegen die Natur zu sein. Er
reagirt start auf beides.«
»Ja, was haben Sie ihm denn ge
gehen?" wandte sich Frau von Mo
scheiin an den Italiener, der seine
Flasche zärtlich an sich driictte. -
»Q« sagte er etwas tleinlaut. »Ich
bin betrübt, daß man immer noch
zweckt die Audtsack von meine Mittel.
Diese sein eine cmuisione von mit
hittere Mandel parsiimirte olio cti ri
cino.«
Tableaut
Erst als dieser miserable Tag sich
dem Ende zuneigte, wurde dem Main
wieder besser und er entwickelte wieder
ein gewisses, latentes Interesse für
die Außenwelt, bezw. die Vorgänge
auf Malepartus. Als er sich zum Spei
sesaal begab, trat ihm das Zimmer
mödchen Rosa entgegen und erllärte
geheimnißvoll, sie hätte etwas zu sa
gen.
»Na, was giebt s denn?« sragte er
in nicht gerade rosigster Laune, worauf
.L----L Akt -- st
UUT ULUUWLU lqllt zugkueu unuuuuh
die heut’ Nacht ans No. 22 angekom
menen Herren hätten den ganzen Nach
mittag aus dem Boden geturnt, aus
dem Kopie gestanden, mit Gewichien
gespielt und andere Allotria getrieben
und zwar in Schwimmanziigem Der
Major, der ja das Gewerbe seiner un
erwiinschten Gäste kannte, erwiderte
kurz, es wäre schon recht, Rosa sollte
die Herren nur thun lassen, was sie
wollten.
a,« meinte Rosa daraus, »das ist
schon gut, aber aus No. 17 ist’s auch
nicht rich2ig bei der englischen Mis; mit
den gelben Haaren«
»Wieso?« sragte der Major.
«Ja,« berichteie Rosa wichtig« »wir
ich vorhin zurecht machen wollte, war
die Thüre verschlossen, don inwendig
nämlich und da habe ich durchs
Schlüsselloch geguckt —«
»Das dars man nicht thun," sagte
der Masor streng.
»Na, was soll man denn machen,
wenn’s zu ist?" war die naioe Ant
wert. »Also da habe ich die Miß mit
den gelben Haaren sieben sehen oor
rem Spiegel ——— Herr — du —- meine
— Güte —- die hat auch nischt ange
babt, wie eine bissel lange Schößeb
taille von grünem Atlas und grüne
Schuhe —-'«
Der Maior dachte sich die Rosa’g
Blick entgangenen Tritots dazu. »Wei
ter!« sagte er. «
» a, weiter warsch nischt,« meinte
die chlesische Rosa. »Sie hat sich die
schnacksche Kledasche wohl blos andro
birt, denn sie gratschte zengsnum
dran ’rum und drehte sich aus’m Ab
sah vordem Spiegel wie der Dromm
tretsel ruin.«
»Das geht uns nichts an,« erklärte
der Major.
»Nee, aber der große Kasten mit den
Beschlägen, mit dem ist’ö nicht rich
tig,« berichtete Rosa weiter.
.Na, was soll denn da «nicht rich
tig« dran sein2« inauirirte der Maior
»Er bat Lustlöcher,« sagte Rosa ge
geimniszdoll.
»Was hat ert«
«Lustlöcher. Eine ganze Zaspel
seini, oben und an der Seite. Ich
hat« beim Ausräumen gesehen. Und
wuschbern thun in dem Kasten, als
wenn wag Lebendigei drin wäret«
»Ach, Blsdsinn,« entgegnete der
Major leichthin nnd liess Nosa stehen
Aber die rannte ihm noch ein paar
Schritte nach.
»Den Masor,« tuschelte sie, »das ist
noch nicht allei. Die Misz srißt leben
dige llbner.«
« r Rosa —- du bist wohl ine
schngge,« erwiderte der Major, das
Mädchen besorgt betrachtend.
»Wenn der here Mo or damit sa
gen wolle-. dass ich tit seh tm Kopfe
bin —- noe, das bin i nicht,« ver
sicherte Rost-. »Die« M ist früh
an angen und hat sich vier toben
dise Lilie-or tn eenem Michel mitge
bracht -- mescheulich han se gesaetert
und gei.rbert. Und dann hat se mir
das leere Kürbel gegeben, ich solH der
alten Miillern am Thore, wo sie die
Sühne-c getauft hat. wiedergeben
denn sie hätt’ sich act blnssig geborgt
Die Hühner sind aber nicht mehr in
der Stube, die hat sie mit Haut und
Haaren, mit Schnaebl, Pfoten und
Federn labendig gefressen, oder ich
grill. nicht mehr Rosa Pomalig hei
n.«
.Ree. wenn dich der Koch wirklich
heirathet, was ich nicht glaube, wirst
du Rosa Maher heißen. Dem kannst
du dann deine Mordgeichichten erzäh
len, der glaubt sie oielleicht,« meinte
des Mai-or trocken nnd ging nun wirt
t .
Das heißt, warum sollte er die
Sache nicht auch glauben? Seit er
die Pension Matepartus hatte, hielt
er alles fiir möglich, denn was die
Species »Mensch« zu leisten imstande
ist, das lernt man wirklich erst in
Sommerfrischern Winter- und Luft
turorten tennen und das scheinbar
Unmögtiche wird da vollbracht Wa
rum also sollte Miß Anaconda Ph
thon nicht lehendiae Hühner und
gleich kker aus einmal verspeisen, das
Wunder dabei war ja bloß, daß sie
dieselben nicht als zur Pension gehö
rig requirirt hatte. Uebrigens nann
te sie sich »Dompteuse« —- Thierbiin
diaerin —- oielleicht aiso bändiate sie
sühnen d. h. sie richtete sie höchst
ioahrsetkeinlich zu Kunststiiekn ab und
oerrvahrte sie wohl in der Truhe mit
den Lustliichern. in der Roia es
,,tousel:kern« gehort hatte. Na also,
das tocr ja die Lösunq des Räthselst
Der Major maßt-e lachen, wie ein
fach die Sache war unt er gonnte sei
nem gekbmähniaen Gaste oon Herzen
das sogenannte Verariigen, Hühner
zu Schanstellunaen abzurichten, denn
was er bisher bei diesem Federoieh
beobachtet« hatte ihn zu dem Schlusse
Hefühkä daß es außerordentlich dumm
ek.
Mit-en in diesen Betrachtungen
wurde er von Signor Nardini aufge
sangen. der ihn mit seinen ichönen
Cherucssanaen so flehend ansah daß
dem Major aller Zorn im Buka
schmolz.
»Es thun mir so zrecklick leid, daß
Sie aben qezmecki die ricino in meine
(-nmls"-«nc«,« sagte er schmelzend.
»Na. es bat mir ja weiter nicht ne
schadet —- reden wir von was ande
rem," riseinte der Major gerührt.
»O, aber es sein die Zweit von
meine Leben, die Mittel io zu mischen,
Mit man nicht zmecit die ricinu,« er
widerte Signor Nardini melancho
lisch- »Es sein so viele Menzery die
nicht lsinnen vertragen die Gezrnaet
don die ricino. Ich aben die emai
sione aetoitet und ich oben ihr nicht
mehr aezmeckt, aber ich tosten ihr sc
ast, rasz mir fein gegangen Mr
I slum die feine Gezmart. Da aben ich
gelassen Sie tosten und Sie aben die
ricino gleich gez-neckt. Macht mir so
trauriq, das-. ich mir aben geirrt und
daß man immer noch zmeclt die
riesin().«
lffortsetzunn solnt.)
-—-...-——s
Der Oenscb als Sten.
Lord Kelvim vielleicht der größte
lebende Physiter, nennt den mensch
lichen Körper einen Thernwstat. Dieser
ist ein physikalischer Apparat fiir
telbstthätige Erhaltung einer gleich
bleibenden Temperatur innerhalb
eines Raume-'s- oder in einem Stücke
sester oder sliissiger Masse-, während
»die Temperatur der Umgebung wech
selt. Es ist durchaus tlar, daß der
; Vergleich des menschlichen Körperss
: mit einem solchen Apparat berechtigt
list, denn die Körpertemperatur bleibt
I vermöge einer automatischen Regelung
iaus der gleichen Höhe im Winter wie
s im Sommer unter den Tropen wie im
Bereich des Prlareises. Mo steckt nun
aber in unserem Körper die Bottich
tung, durch die unsere Temperatur
immer aus derselben Höhe erhalten
wird? — Es ist seit langem bekannt,
dasz die Körpern-arme durch die Ber
einigung von Nahrungsstoffen mit
Sauerstosf entsteht, wenn die um
geben-de Natur niedriger ist als die des
Körpers. Kelvin hält an der Ent
deckung von Magnus fest, derzufolge
sich diese Vereinigung hauptsächlich in
den seinen Röhren vollzieht, durch die
das Blut den Körper in allen seinen
Theilen durchströmt, nicht aber an der
Stelle, wo gleichsam der Ofen unmit
telbar durch Einführung der Nahrung
geheizt wird, noch in den Lungen, wo
der Sauerstosf in das Blut ausgenom
men wird. Jedoch ist es möglich, daß
der Mechanisrnus, der ein zu hohes
Steigen der Temperatur zu verhindern
bestimmt ist, in den eentralen Theilen
oder geradezu in der Pumpstation,
nämlich dem herzen, gelegen ist. Im
merhin ist es auch diesbezüglich wahr
scheinlicher, daß der Vorgang in den
kleinen Blutgefcißen sich abspielt, too
die Vereinigung des Sauerstosfs mit
der Nahrung stattfindet.
Es drängen sich nun aber noch an
dere Fragen auf, die schwer zu beant
worten sind. Wenn die Lust in der
Um ebung des menschlichen Körpers
siar erhiyt und außerdem mit Feuch
tigkeit ge littigt ist, o daß eine Ver
dunstunq aus der O rfläche des Kör
pers nicht e ntreten kann, so müßte
der Körper selbst doch eigentlich über
hist werden, da die eingeathmete Lust
und die etngenommene Nahrung sich
dann in einer Temperatur befindet, die
iiber der des Körpers liegt; da aber
teoidetn der Körper immer weiter ge
hetzt wird, tote kommt es dann, das
nicht wenigitens die ausgeathmeteLust
eine höhere Temperatur annimm» unt
die überichiissigse Wärme auj demKörs
per zu beseitigeni Entweder müßte
eben der Ueberschuß aus dem Körper
durch die baut der-dunsten, oder die
augaeathrnete Luft müßte wärmer sein
als die eingeathmete, beides ist aber
unter den gestellten Bedingungen nicht
der Fall. Dieses Räthsel sucht Lord
Keldin dadurch zu lösen, daß er eine
stärkere Berdamdfuna oder Verdun
stuna durch den Athern annimmt,
und er meint, unter solchen Verhält
nissen müsse die ausgeathmete Lust
mehr Wasserdampf enthalten als ge
wöhnlich. Das Wasser, das getrun
ten oder in der Nahrung eingenom-.
men wird, miifse unmittelbar aus den
Lungen in Gestalt von Wasserdamdf
wieder abgegeben werden« und die
überschüssige Wärme werde eben zur
Verdampfung dieses Wassers ge
braucht.
W
streitet-irren vor spet Jahrtausen
den«
Es ist darauf aufmerksam gemacht
worden, daß sich in den Echriften des
römischen Naturforscher-s Plinius ei
ne Erzählung findet, die darauf hin
udeuten scheint, da das Alumjnium
schon vor fast zwei ; ahrtausenden als
Metall entdeckt wurde, während die
Neuzeit seine Ausscheidung erst durch
ein Experiment des breiihmten Göt
tinger Chemilers Wöhter aus dem
Jahre 18757 kennt.
Plinius berichtet an jener Stelle,
daß unter der Regierung des römi
schen Kaisers Tiberius (14-—37 n.
Chr.) ein Metallarbeiter dem Kaiser
einen schönen metallenen Becher e
b t habe, der dem Silber ähnlich
n sei. aber glänzender als die
ses-. Der Kaiser habe den Mann nach
dem Fundort des Metall-s gefragt und
erfahren, daß der Arbeiter das neue
Metall aus Thon herausbezogen habe.
Das Geheimniß feines Verfahrens
sei nur ihm und den Göttern be
kannt. Der weise Tiberiud, der auf
den Gedanken verfiel, das aus Erde
herzustellende Metall tönnte den Preis
des Gokdes und Silbers herabsenen,
feste lurzer Hand den »Kitnstler« e
fanaen, damit das Geheimnis i
ihm und den Göttern bewahrt bliebe.
Soweit die Geschichte des Plinius.
Es entsteht nun die Frage, welche
Grunde für die Annahme sprechen,
daß jenes Metall Aluminium gewesen
sei. Es find vier Gründe anzugeben:
es wurde aus Lehm gewonnen, es
glich dem Silber, es war noch heller
als Silber und es tonnte endlich zu
einem Gefäß geformt werden« Die
Schwierigteit aber liegt darin, daß
im Alterthum ein Metall entdeckt
worden fein soll, das im 19. und 20.
Jahrhundert nur·durch Verfahren oHe
IUUUUIU ÄNKUIU lUlllU(, Usc Uklls Ut
terthum durchaus unbekannt gewesen
sein müssen. Wie soll es nun gekom
men sein, daß es eineni einzigen Ar
deiter jener enttegenen Zeit zufällig
aelungen wäre, das Metall auszu
fcheideI Die heutigen Mittel der
Aluminiumgewinnung sind zweierlei,
nämlich cheinische und elettrisehe. Daß
der römische Arbeiter im ersten Jahr
hundert unserer Zeitrechnung dieElet
rieth zur Herstellung des Alurni
niurng gebraucht haben sollte, ist ja
von vornherein augaeschlossem da die
tllten von dem Wesen der Elektrizb
tät höchstens eine ganz nebelhaste Ah
nung hatten. Die chemischen Mittel
zur Ausscheidung deg Aluminiums
sind an die Benutzung des Latium
und des Natriurn gebunden, und es
ist wiederum als ausgeschlossen zu
betrachten, daß ein Zeitgenosse des
Kaisers Tiberiug die Herstellung die
ser beiden Stoffe in reinem Zustande
verstanden habe.
Es ist schließlich nur ein Ausweg
übrig, um den Bericht des Plinius zu
erklären, wenn man dessen Gegenstand
auf das Aluminium beziehen zu
miissen glaubt. Der rämische Metall
arbeiter müßte nämlich ein Verfahren
angewandt haben, das den heutigen
Chemitern ganz unbekannt ist. Es
ist eine Thatsache, dasi mancherlei che
mische bezw. alchemistische Verfahren
aus dem Atterthum und dem Mittel
atter in Vergessenheit gerathen sind.
Vielleicht findet ein hervorragender
Chemiker noch ein neues Mittel zur
Gewinnuna des reinen Alurniniums,
das so beschaffen ist. dasz es auch
zur Erklärung der Darstelluna des
Metalls itn Alterthums dienen kann.
——-—.,
Das höchste Dichterhouoeae
Es ist einem Deutschen zutheil ge
worden. Man erzählt sich häufigWuns
derdinge von den Honoraren der eng
lischen Dichter, unter denen Lord BU
ron siir die Verszeile eine Guinee GE)
erhielt; später haben Atsred Tennnson
und fiir seine Prosa Rudnard Kiy
ling wohl noch höhere bonorare em
pfangen. Aber das ist alles nichts ge
gen Fritz Reuter. In den «Läuschen
un Rimels« finden sich bekanntlich die
Verszeilem
»Wie drunt iek betren Win as dissen
Te is vun Maatzrnann un vun Rissen-«
· Die dadurch aeehrte Liibecker Wein
firrna stihlte sich aus Dankbarkeit der
ps·tichtet, dem Dichter der «Stromtid«
seit dem Erscheinen dieser Verse den
von ihm benöthiaten Rothwein nratis
zu liefern, was bei dem aktimeetlens
durgischen Durst des trefflichen Man
nes ahrltch eine aanz erkleckticheSurns
me trug. «Und somit hat das Dono
rar stir diese zwei Verszeilen alle
OeldbeÆ der «doraenannten en li
schen dmtheiten weit hinter asich
zuriiaqelassen Allerdings wurde ei
m nseura bezahlt.