Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 14, 1902, Sonntags-Blatt, Image 9

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    » - .. "---. — » --.-’,- -,
Letzte Liebe.
Erzählung von Tore Duncker.
Karl sitzt aus seinem ärmlichen La
ztolsapa cen vuntgeiour eiten Kis
en, Den kleinen mageren eib vorn
iiber gebeugt und starrt in die graue
Dämmerung, die das Zimmer ganz
erfüllt. Dritt-en an der schräg-en Wann
sieht das Bett der schlasetiden Eltern.
Das Wiinrnern un- Weinen und rö
cheinde stimmen-Annaan hat sie nicht
gestört.
tiarl aber ljat kein Auge schließen
können. Die ganze Nacht, eine Ewig
keit tang. hat er in das dunkle kahle
Zimmer gesrarrt und ohne es wirklich
seyen zu tönnen, aus das Bett sich ge
genüber-, in dem die krante Schwester
liegt. So leise sie auch gesprochen
hauen, er hat es gestern Abend doch
ganz deutlich gehört, daß der Doktor
gesagt hat« die kleine Anna miisse ster
ben, sehr bald sterben.
Seitdem war kein Schlaf in Karls
Augen gekommen. Er grübelte nur
immer darüber, was es sei, zu sterben.
Alte Leute mochten sterben, wenn es
der liebe Gott nun einmal so einge
richtet hatte, Laß man nicht ewig leben
kann, Kinder aber waren zum Leben
und Spielen und Vergnügrsein da.
Ach und Annchen spielte so gern! Un
ten aus dem Hof und aus der Straße
mit ihm, Ball uno Pferd und Haschen
und Versteck, aber seit sie krank ist und
im Fieber liegt, spricht sie von nichts
andetem als von einer großen Puppe
im langen weißen Kleide mit rosa
Schleifen und blondem Lockenlopf, mit
der sie spielen mochte.
Jetzt, alaeo hell wird, sinaAnnchen
wieder zu weinen und zu sprechen an.
Laut und hastig schrie sie törmlich nach
der Puppe mit dem weißen Kleid nnd
den rofa Schleifen.
Karl war aufgesprunaen. Er lniete
neben ihr und versuchte, ihr freundlich
zuzusprechem Aber sie hörte gar nicht
aus ihn, sah an ihm vorüber, schien
il;n aar nicht zu tenneu.
Jetzt lam auch die Mutter, aus
iklirem schweren Schlaf acschreckt, aus
oßen Füßen herbei. Sie wars einen
Lappen in die Waschschiissel aus dem
wackeliaen Tisch neben dem Bett und
legte ihn Annchen auf den Kopf. Zu
Karl sagte sie rauh:
.Las3 sie. Du kannst ihr nicht helfen.
Mach, das-, du in die Kleider kommst
und hol' Frühstück sur Vater. Es ist
so wie so über die Zeit.'« . ..
Als Karl mit Milch und Schrippen
uriiclkam, stand der Vater schon zum
zertgeben in die Werkstatt bereit. Er
hatte dies-seit verschlasen, nun lchimpste
er den Jungen aus, der io spsit Früh
stiick brachte. Ehe er aus der Kammer
qing, trat er noch einmal an das Bett
feines lleinen Mädchens. Er fuhr
iim mit der aroben zerarleiteten Hand
iiker das wirre, feuchte blonde Haar.
Dasu brurnsitelte er etwas in seinen
dichten schtrarzen Bart, das Niemand
verstand, vielleicht nicht einmal er
selbst.
Tit-je Nächste, die die Wohnung ver
ließ, war die Mutter. Sie mußte um
Sirt-en aus einer Aufw.r:testelle sein.
Wenn Karl dann in einer halben
Stunde zur Schule mußte, kam die
Tochter der Nachbarin, um bei Ann:
chen zu sitzen, ihr Medizin zu geben und
talte Lappen auf den heißen Kopf zu
legen.
Als die Mutter fort war. schlich
Karl sich wieder an Anncheng Bett zu
rück. Wie merkwürdig sie aussaht
Gar nicht mehr wie die lustige kleine
Schwester Ordentlich älter geworden,
nie ein aanz großes Schutntädchien sat)
sie sich an. Wurde nxan so aus ein
mal älter, wenn man starb?
,,.Karl!«
Mit einem Sprung war er bei ihr.
»Karl,« ihre Augen waren ganz
grcß und rund. »Ich muß eine große
Puppe haben, eine ganz große Puppe,
so groß," sie spannte die mageren
Aernrchen weiter auseinander, »und
ganz weiß, und ganz rosa -— ach Karl,
Karl,« jammerte sie. Dem Jungen
wurde ganz weh urn’s Herz.
Wenn er ihr nur hätte helfen tön
nen! tsr kenn-te sie doch unmöglich ster
ben lassen, ohne die Puppe. Wo aber
sollte er eine herbetommen2
Er tröstete und versprach und Ann
cken berutiate stel; wieder ein wenig.
Mit ausgestiitztem Kopf dachte er nach,
wie es anzufangen sei, nsie er zu einer
Puppe siir Annchen gelangen tönne.
Plötzlich sprang er aus. Es war
löchtte Zeit zum Gehen. Tie Nach
barin tam schon selbst, um nachzusehen
ob ihre Luise kommen n:iisse. Karl
steckte das spärlich mit Schmalz he
deckte Frühstüetgbrod in einen alten
Qiesumschliag der aus der Erde lag.
»Adieu, Annchrn. start bringt dir
was mit. Weißt du, die schöne große
Puppe.«
Er mußte lich sehr eilen. Alser in
die Nähe des Schulhauses karn, schlug
es schen Acht. Ob er lieber gar nicht
ging? Viel Zeit würde jedenfalls ver
loren geben. ehe er Annchen die Puppe
bringen konnte, wenn er erst in den
Unterricht ging, und der Doktor hatte
gesagt: »Wer weiß, ob sie den Tag
noch überlebt!«
Ihrs gab den Ausschlag. Karl ließ
Schule Schule sein, und machte sich
auf die Suche nach der Puppe.
So schnell ihn seine Füße trugen,
lies er aus die Cbausseestraße zu und
hastig durch das Gewühl bis zurFrieds
richistraße hinunter.
Wie er so dabintralite, dämmerte
ganz plöhlich die Erinnerung an einen
Cenntaana mittaa tn Karl aus« an
deutet Intt m Vater-Mutter und
Sonntags Matt
Beilage des ,,!Iebrastm staats-Ätxzeiger und Herold«.
I P. Windolph, Herausgehen Grund Jeman, Nebe» den « Natuan 19()2. Jahrgang 23 No. Il.
Annchen begossen Grospnutters Grab
-——— durch den Thiergarten gegangen
war. Jm Thiergarten hatte es von
kleinen Mädchen mit Puppen gewim
melt. Nach dem Thiergarten also
wollte er hin und von einem der klei
nen Mädchen eine Puppe in Weiß und
Rosa für Annchtn borgen. Nur für ein
paar Tage, bis sie gesiorben war. Kei
nes der Kinde würde ihm diese Bitte
aslzfchlagen nen. Er würde das
Mädchen mit der richtigen Puppe nach
ihrer Wohnung fragen und wenn
Annchen todt war, würde er ihr die
Puppe wiederbringen.
Karl war ganz heiß vor Glück da
rüber, daß ihm plötzlich dieser erlö
fende Gedanke gekommen war. Der
Schweiß brach ihm aus allen Poren.
Wie ein kleiner Wilder fah er aus mit
seinem über die Brust offenem Hemd,
der von Natur braunen, jetzt tief ge
rötheten F)auifarhe, dem dichten
schwarzem feuchten Haar.
Jni Thiergarten sah er ein paar
helle Kleider schimmern, vielleicht fand
er da, was er suchte. Wirklich hette
er sich nicht getäuscht. Zwei junge
Mädchen, wahrscheinlich die Fräulein,
gingen eifrig redend, ganz ineinander
versunken, auf dem schmalen Wege
weit voraus, hinter ihnen. nur wenige
Schritte von Karl entfernt, schritten
zwei Kinder, von denen eins eine
große Puppe trug.
Karl lief rasch hinter den Kindern
her. Er rief sie an; neugierig blieben
sie ftehen und drehten sich nach ihm
um. Wahrhaftig, die Puppe war ganz
fo wie die, nach der das arme Ann
chen seufzte: ein bloder Lockenlopf und
ein langes weißes Kleid mit rosa
Schleifen.
,,Wo wohnt ihr denn mit eurer schö
nen Puppe?« fraate er ohne weitere
Priiliminarien.
DieKinder sahen ihn ietzt beide starr
an. Was wollte der Junge eigentlich
von ihnen und ihrer Puppe?
Aber Karl hatte keine Zeit mehr zu
verlieren. Jest oder nie. Wenn sie ihm
ihre Wohnung nicht verriethen, würde
er ihnen die seine tchware au weiß ge
ben, dann konnten sie ihre 7 uppe fel
ber atsholen kommen. Er zog den in
zwischen fettia gewordenen, leeraeges
ins-n Nrieiumfrblaa mit der Adresse
Jan den Vater ans der Tasche und
driickte ihn der Besitzerin der Puppe in
die Hand, Dann risz er dirs Puppenlind
s lieftia an sich und ehe eines der beiden
kleine-n Diraer auch nur zur Besin
niism treten-men, war Karl mit seinem
J tösitichen Raub aus nnd davon.
i Niemand verfolgte ihn, tltienrarrd
i hielt ihn ans. Jm Schutz eines dich
ten Buschioerts stopfte er die Puppe
stinter seine Jacke, vorsichtig dass, ja
tein Zinselchen hervorsah nnd machte
sieh dann aus den Heimweg
Ab undzu blieb er eine-! Augenblick
stehen, uin zu verschnausen Dann
l drückte er das dicke unsörmliche Etwas
lunter seiner Jacke zärtlich an seine
s Brust. Wie glücklich Annehen sein
s werde! -
Zu Hause öffnete Nachbars Luise
schon die Thür, als sie ihn aus der
Treppe hörte. Gleichzeitig dranqu
wehe, wimmernde, verworrene Laute
zu ilim herunter.
»Komm nur schnell. Sie schreit den
ganzen Vormittag. Man tann’s kaum
mehr mit anhören. Keiner weiß, was
sie will. Mutter war auch schon hier
und der Doktor. Jst Denn die Schule
schon aus?«
Fearl lächelte geheiinnißboll nnd legte
den Finger aus den Mund. »Geh nur,
es ist aut.«
Annchen lag mit dem Kopf der
Wand zugekehrt, war giuhroth im lite
sicht und murmelte wirres Jena«
Als Karl sie ansprach, guckte sie zu
sammen. Dann wars sie sich jäh he
rnm, sah ihn gros; an und ries wei
nend nach der Puppe.
Karl nahm das weisse rosigePups
ventind hervor und legte es ihn in den
Arm. Ein verllärtes Leuchten aina
über die zerquälten Züge des sterben
den Fiindes. Mit ihrer letzten Kraft
driiclte sie die Puppe an sich und schloss»
das niiide Köpfchen an die kalte Stirn
des Spielzeugs lehnend, die Augen.
Lanae lag sie so, ohne sich zu rühren
init seliaeni Lächeln da. Karl kniete
neben ihr und erzählte ihr eine Ge
schichte, aber sie hörte ihn nicht und sah
ihn nicht mehr. Ihre kleine Seele
weilte schon im Paradiese, allem Er
denleib entrückt.
Eine Stunde später lam der Vater
nach hause, mit ihm ein Schutzm-ann,
der ihn vor der Thüre angesprochen
hatte. « , ,
Er nahm seinen Jungen heftig bei
der Schulter und schüttelte ihn. Ein
grober Fluch wollte ihm über die giv
ven, alt dteFrau den jähzornigen
Mann sanst bei der Hand faßte und
an des todten Kindes Lager zog. Der
Schumann war an der Thür stehen
geblieben.
Stets und stammt vor Kummer
übern-Mitgi, stand der Mann am
·
Todtenbetre seines Kindes. Erst all
gemach fiel fein Blick auf die Puppe,
die das todte Aunchen fest im Arm
hielt. Er trat sein paar Srlzsritte zurück
und zapfte den Schutzmann am Aet
mel, ihm bedeutend, näher zu kommen.
»Ist sie dass« fragte er heiser vor
Bewegung, den Blick seines Jungen
meidend.
Sie nahmen Karl bei Seite und
fragten ihn aus. Nuhig und geseht
gab er Auskunft. Er war sich beiner
Schuld bewußt. Der Vater wandte
sich ab. Was sein Junge da zuwege
gebracht, griff ihm mächtig an’s Herz
. und trieb ihm das Wasser in die Au
gen. Dennoch, wenn man Strafe über
; ihn verhängte, mußte er’s hinnehmen.
»·«- er Schutzmann und Karl lsatten
leise weiter gesprochen. Jetzt sagte der
Schutzmann entwas vernehmlichert
»Na, nimm’g nicht zu Herzen. Eine
Strafe paßt verflucht schlecht auf das
was du gethan. Morgen friih lannst
du wieder nach Hause geben«
»Und die Puppe?" Fiarl fragte es
atheml05.
»Die wollen sie nicht wieder haben.
Es ist nur von wegen des Prinzips,
am Objekt liegt ihnen nichts.«
Karl athmete auf und reichte dem
Schutzmann wie ein-ern guten Kante
raden die Hand.
»Dann ist’s gut, wenn Annchen die
Puppe mit in den Himmel nehmen
kann, geh« ich gern mit Ihnen, und
wenn ich zwei Nächte und zwei Tage
bei Wasser und Brod sitzen müßte.«
Er nickte den Eltern zu, nahm feine
Mütze und folgte dem Schutzmann.
Erst in der Thür kehrte er noch ein
mal um, nnd über die todte Schwester
gebeugt, flüsterte er:
»Ich bin so froh, ach ich bin so
frob.«
Dann ging er mit l)-)cher.hobenen1
Kopf in seinen Gewahrsam.
-.—-—..--——
Erinnerungen »des« Burenober
sten Dchiei.
Der Name des BurenoberstenAoolf
Schiel ist als der eines tapferen Mit
lämpferg der Buren, sowie als des
Organisators des deutschen Corps im
Burenheere allgemein bekannt; und
wag Dieser Mann vom siiIasritani
schen tlrieae zu eriöhlen hat, darf aus
Das arösrte Interesse rechnen. Hat die
Antiindiaung seiner Erinnerunnen in
weiten streifen Spannuna erregt, sa
wird das Werk selbst die Erwartunaen
nicht enttäuschen. ,,2.'3 Jahre Sturm
und Sonnenschein in Züdafrita« ist
eH betitelt und schildert die Abenteuer
nnd Erlebnisse des unternehmenden
Ijianiieg in Süvasrita, Erlebnisse, die
den bunten Charakter eines Roman-J
tragen und dabei den Vorzug haben.
der Wirklichkeit anzugebören Den
Höhepunkt erreicht dann die Darstel
luna in der Schilderung der Anfänge
des Krieges und der Schicksale des Er:
.!.ähler5 während seiner Gefangen
schaft. Schiel erzählt schlicht, aber
lebhaft und anschaulich, so Daß sein
Buch auch in dieser Hinsicht seinen
Reiz besitzt. Es ist uns eine besondere
Freude, unseren Lesern einen der in
teressantesten Abschnitte aus dem
Werk-se vorleaen »in können, aus dem
sie sich selbst ein Urtheil iiber Werth
und Interesse des Buches zu bilden
vermögen. «
DerTodesrittoonElandg.:
laaate.
Die Schlacht von Elandslaagte war
in vollem Gange. Da erhielt Oberst
Schiel eine Ordonnam vom General
mit dem Befehle, sofort mit seinem
Eorpg aus die Hauptstellung zurückzu
fallen, da der General diese sonst nicht
halten könne. Es galt Eile, die Hilfe
wurde mit Sorge erwartet, jede Mi
nute war kostbar. Es wurde ein To
des-ritt Schiel schildert ihn folgender
maßen:
Bald kamen wir an die Bahnlinie,
an der auf beiden Seiten ein Stachel
drahtzaun entlana läuft. Wir waren
jetzt nordivestlich im Rücken der Unse
ren, etwa 1500 Meter von dem Hügel
rer Hauptftelluna entfernt und muß
ten iiber eine Fläche, die von der linken
Flüaelbatterie des Feindes bestrichen
wurde. Während der Draht abge
schnitten wurde, um uns einen Durch
gana zu ösfnen. konnten die Pferde
zum lenten Ansturm ver-schnaufen Jch
wußte, es mußte in Carriere gehen,
um vor der Batterie vorbeizulommem
ehe sie Zeit hatte, sich aus uns einzu
schießen. s
Da ich nicht wußte. bb der General
unseren Nitt beobachtet hatte, befahl
ich Capitän Robertson, mit dreiMann
in Carriere zum General zu reiten
und unser Kommen im Rücken zu
melden. Er sollte zugleich die Leute
als Aufklärer benutten und eventuell
Meldung zurückschicken.
Während der Draht durchaeschnit
ten wurde. ries ich die Ofsiziere noch
sschnell zusammen, um ihnen Detail
- Instruktionen zu geben. Jch hatte in
der Feldslasche noch einen alten
FCognaq wer weiß, ob wir noch je
wieder zusammentrtnlen würden.
»Meine Herren,« sagte ich, ,,ehe wir
anreiten, wollen wir noch einmal als
gute Deutsche die Gesundheit unseres
allerqniidigsten Kaisers trinken!«
Jch tranl und gab die Flasche
Hauptmann Weiß.
,,Seine Majestiit!« sagte er, die
Flasche erhebend.
Dann kam von Albedyll, er that
dasselbe.
Auch Zeppelin nahm einen Schluck,
und frisch tam sein: »Seine Maik
ftät!« heraus. Dann nahm er noch
einen, hielt die Flasche hoch und nickte
mir zu. Jch wußte, was es bedeuten
sollte.
»Die Herren auf ihre Plätze!
Schritt anreilen lassen!« lam das
Commando.
Im Schritt aing es über den Bahn
damm, dann Galopp und sobald wir
in Sieht der Batterie lamen, ging es
in Carriere über die Fläche. Ssst,
Ssst tam auch schon das erste Schrap
nell über uns vorbei und platzte über
uns in der Luft, aber zu hoch. stt....
lam das zweite, genau über uns zer
springend Jch wandte mich im Sat
tel um; Gottlob! Keiner war gefal
len. Mit einem Krach zerplaszte das
dritte. Diesrnal war es gut empiri,
es saß. Mehrere vom letzten Zuge
waren getroffen. Ehe das vierte lam,
waren wir außer Schußlinie hinter ei
nem Hügel.
Nun waren wir noch 200 Meter
vom Fuß des steil abfallenden Hügels
unserer Hauptposition entfernt. Da
lam quer vor uns ein Wasserlauf. Wie
ein Pfeil flog mein Fuchs hinüber,
ebenso glücklich nahm Zeppelin, dem
man das Vergnügen und den Reiter
muth am Gesicht ablesen konnte, den
Graben.
»Herr Oberftleutnant,« rief er in
feinem schwäbischen Dialekt, »aber
schön ist’s halt doch!«
Ich drehte mich im Sattel um, nach
der Abtheiluna zu. Etwa dreißig
Mann waren hinüber: den anderen
Pferden muß der Spruna über den
fMoraft zu weit gewesen fein, einige
Mannfchaften waren eingefunten, und
die Andern ritten theils langsam hin
d«rch, theils suchten sie etwas nach
lints nach einer festeren Stelle.
Alle Pferde, die aesdrungen waren,
waren mit mir am Hünel angelangt.
Die feindlichen Gran-neu schlugen
rechts und links um uns ein, und
schon wollte ich über einen Einschnitt,
uin nach unserer Sielluna vom Mor
aen zu aelanaen, wo Leutnant Badicke
mit dem Rest aeblieben war, da mit
einem Male bekamen wir heftiaes Ge
wehrseuer von halblints hinten, Leut
nant von Albedvllg Pferd stürzte ge
troffen unter ihm zusammen, ebenso
das don Capitän Weiß, und ich sah
in meinem Schrecken, daß wir vom
rechten Flüasel des Feindes umgangen
waren. Ich hatte ihn bei unserm tol
len Stiitte nicht bemerken können, da
die kleinen Hiiael ilm verdientem und
ich dachte auch an keine Umaehuna, da
der General keine Frontderiinderuna
voraenoinmen hatte, obwohl man vom
aroßen Hiiael ans die Umaebunachiitte
bemerken können und auch bemerken
müssen.
Jch riß mein Pferd herum, rief oon
Albednll dag Commaneo su: ,,.5tehrk,
batbrechtg marsch!« und wie der Wind
aing es wieder den Hiiael hinunter
dem Feinde entaeaen, ae,1en dessen
Feuer mir nun in der Booenhöhlung
gedeckt waren.
Unten am Fuße des Hijaels in der
Terrainvertiesuna laa eine kleine
Form; ich ließ absitzen, um zum Aus
schwiirmen vorzugehen Capitän Weiß
bat ich, mit allen unseren Mannschas
ten, die in einer kleinen Entfernung
ankamen, sofort nachzutommern da
Alles daran aeleaen war, vor dem
Feinde einen kleinen selsiaen Rand zu
erreichen, der uns von ihm trennte.
Wir hatten nur sünszia Schritte vor
zulaufen. Bei den Farcnhänsern wa
ren mehrere Bitten, die Berwnndete
dorthin aebracht hatten· t
»VorwärtH, Junaens!« rief sich
ihnen zu. und ein aewisser Schenk vom
Iobannesburger Detektivcorps fchloß
sich mit noch einem Dukend Anderer
uns an. Ehe der Feind den Rand er
reicht hatte, waren wir droben.
Gras Reppelin war gefallen. Ein
Granatsvlitter hatte ihn tödtlich am
stopft aetrofsen, auch mehrereder bra
r-en Junaens lagen schon am Boden.
Die Tirailleurlinie des Feindes war
höchstens 100 Schritt von uns ent
fernt· An den Röcken sahen wir. daß
es Schotten waren. Von beiden Sei
ten beaann ein mörderisches Feuer.
»Wenn doch nur Beritärkuna käme
und der General eine theilweiseFront
veränderuna machte, um uns vorn Hit
ael herabzuhelsen!« war mein Stoß
seufxer.
Ein neues Unaliick trat ein. Eine
Ahtheiluna vaerial Liaht Dorfe
tauchte am äußersten rkchten Hüael des
Feindes auf und bestr ch mit heftig-m
Feuer die kleine Niederunq. durch die
Weiß und von Albedyll kommen muß
ten, um zu uns zu gelangen. Dreimal
siürmten sie an, und dreimal wurden
sie zurückgeschossen. Wir seuertensso
schnell wir konnten. Fehlen war fast
unmöglich Denn schon konnten wir die
Gesichter d. Schotten erkennen. Jch
winkteWeis tochmars Zu, aber er satte
wohl schon ru große Verluste ge abt·
Wie sehr i. sr mein kleines Häustein
schon zusan nengeschmolzent
Neben mir kniete ein Herr Ludwig
von Borries; ich bewunderte seine
Ruhe, mit der er feuerte, jeder seiner
Schüsse saß. Er sprana aus, um ei
nige Schritte oorzulausen, da fiel er
zurück, mir gerade vor die Füße-, mit
einem Schuß mitten durch die Stirn.
Feldkornet Potaieter kniete zwei
Schritte halbrechts Vor mir, er hatte
einen großen Stein zur Deckung. Eben
hob er sein Gewehr wieder hoch, da
sah ich ihn blitzschnell den Kopf nach
rechts rücken, auch er sank um. Rechts
und links laqen die armen Jungens,
und keine Hülfe kam.
Jch batte Capitiin Weiß beim Vor
stiirmen zugerufem zum General zu
schicken und ihm die Umaehung mitzu
t·heilen, auch zu melden, dasz wir,
wenn er keine Frontveriinderung mehr
machen könne, versuchen würden, den
Feind aufzuhalten, um den Rückzug
«u decken.
Mein Gewehr war so heiß, daß ich
es kaum halten Innte Aus einmal
fühlte ich einen Stich unten an der
Hacke des Fußes, gerade als ob mir
Jemand ein glühendes Eisen hinein
ltäche, und ich glaubte fest, daß ich ei
nen Schuß in dieselbe bekommen hätte.
Mein Magazin war wieder leer; ich
nahm eine neue Kapsel mit Patronen
aus dem Bandelier und seuerte noch
drei Schiiisse aus den Feind, der schon
so nahe war, daß wir das Weiße in
den Augen sehen konnten.
Jn der Lust psiss es von Kugeln.
Ich wollte einen Schritt vor, da war
es mir, als ob ich überhaupt kein lin
les Bein mehr hätte; ich fiel, und es
wurde mir schwarz vor den Augen.
Jch kann mich aber noch erinnern, daß
ich im letzten Augenblick noch meinen
Adolf und mein Töchterchen vor mir
sah; dann verlor ich die Besinnung
Wie lange ich so aeleaen habe, weiß ich
nicht. Als ich wieder zu mir tam,
wußte ich im ersten Auaenblicke aar
nicht, wo ich- war. Jch«rich:e—te· mich
auf, mich auf den rechtenseirm iruizena,
fiihlte aber ein-en so heftigen Schmerz
im linien Oberscheniel, daß ich wieder
umsiel· Die Schiinenlinie des Fein
des war bei uns vorbei schen den Berg
hinauf, wo noch, obxvohl bedeutend
schwächer, geseuert wurde. Ich sah
nach meinem Bein; die aanze Reithose
ivar voll Blut und die Schmerzen bei
der gerinasten Bewegung unerträglich.
An verschiedenen Stellen lasen feind
liche Mannschaflen Waffen auf und
trugen sie zusammen.
Wie schrecklich sah es aber um mich
herum aus dem Boden aug! Rings
herum laaen meine braven Jungens,
wenige waren durchgelomtnen. Schot
ten und die tlnseren, Alle lagen durch
einander. Links vor mir lag Herr
von Borrieg todt. Einen Schritt vor
mir Feldlornet Potqieter aus dem
Rücken: das bleiche Gesicht mit dem
schzvarien Bart und den aroszen offe
nen Auan bot einen furchtbaren An
blick. Die Augen sahen mich an, ge
rade alg ob er noch sprechen wollte.
Drei Schritte hinter mir saß der
jüngste Bruder von Potgieter, mit ei
nem Schuß durch beide Schultern.
Ganz in meiner Nähe, zwei Schritte
rechts laa ein Afrikanen Mit Stöh
nen drehte er sich nach mir herum, fah
mich halb aufaerichtet an und sagte:
»J5 Coinmandant nie dood?«(Com
mandant, sind Sie todt?)
Ich mußte trotz meiner Schmerzen
iiber diese naive Fraae lächeln. Der
Aermste hatte einen Schuß durch die
Brust und einen zerschossenen Arm.
Etwas weiter davon Schmidt, ein fru
herer preußischer Artillserieunterosfis
zier, anscheinend todt.
Da trat einer der Liaht Horse, der
Gewehr-e auflas, auf mich zu:
»Alle Wetter,« sagte er, ,,da ist Co
lonel Schiel!«
Es war ein Betannter aus Johan
nesbura
»Wer hat gewonnen?« fragte ich,
als wir uns die Hände reichten.
»Wir wir,« kam es zögernd her
aus, ,,haben aewonnen, »aber eine gute
Anzahl von Euch sind entkommen!«
Also doch, dachte ich, Gottlob!
—- w-«
Gutes Avnneement.
A.: »Nun, wie gefällt’s Dir denn
in Deiner jetzigen Stellung, hast Du
Dich denn auch wirklich verbessert?«
«B.: »Gewiß! Alle meine Bureau
Kolleaen sind nämlich Mitglieder ei
nes Touristenclubs und leidenschaft
liche Beratraxler, so daß jedes Jahr
einer, manchmal auch mehrere dersel
ben abktüraem Jnfolae dessen habe ich
natürlich ein ganz gutes Avancement
und loniine rasch vorwärtst«
Maine vie hundert Ismen
Die Stadt Mainz und die auf dem
linken Rheinufer liegenden Gebiet
raste des Erzbisthums warenc nach
dem Frieden von Campo Formio und
dem rtvzuge der Recchsrruppen am Y.
März 1«t97 durch den französifchen
eldminiftramr der sämmtlichen links
rheinifchen Lande, RegierungskommiF
iär Rusd-ler. verwaltet worden; diese
Stelle wurde rasch hintereinander von
anderen Kommissären eingenommen.
ais sie zuletzt am 20. Dezember 1801
an Jeanbon Samt Andre vergeben
wurde. Mehrere Jahre verblieben
die rheinischen Departements unter der
Administration der Regie ungskonp
inisfäre, ohne daß sie an den k reiheiten
rser französischen Verfassung Antheil
hatten. Erst am 23. Sepxember 1802,
also vor hundert Jahren (1. Brude
miaire Xl), erfolgte die Einverlei
bung der Stadt Mainz mit den übri
gen Departements und die politische
Gleichstellung mit den zur französi
schen Republik gehörigen übrigen Pro
vinzen. Die Stelle des Regierungs
ld.nmiffärs fiir die rheinischen Depar
tements ging nun ein, und der bishe
rige Kommissar Jeanbon Saint Andre
wurde Präfelt des DepartementsDon
niersberg mit dem Sitze in Mainz.
»Biirger« Moßdorf, der bisher die
Funktion-en eines Präfekten versehen
hatte, übergab ihm nunmehr die Admi
nistration. Unter Feierlichleiten wur
die Einverleibung am 23. September
1802 verkündigt. Die Beamten, der
Präfeti an der Spitze, zogen aus dem
Bräfetturgebäude nach dem Freiheits
platze idem heutigen Marktplatze), wo
jie von den Generälen und Truppen
rer Garnisvn emvfangen wurden. Der
Gereralsekretär verlas .,am Altar des
Vaterlandeg« eine Proklaination des
Präsekten, die mit den Worten be
gann:
»Bürger! Der Augenblick ist ge
kommen, wo die vier neuen Departe
ments des linken Rheinnsers den übri
gen Departements der französischen
Republil definitiv gleichgestellt werden.
So schwinden alfo die Hoffnungen der
Uebelgesinntcn, die Biesorgnisse der
Furchstfamem die Vorurtheile der Ge
wohnheit. Mögen die guten Bürger,
nögen diejenigen sich freuen, die seit
lange gewünscht haben, einer mächti
gen Nation anzusehören und ihr Land
derselben beigesellt zu fehen.«
Am Schlusse hieß es:
,,Möge die Vereinigung der Herzen
ebenso aufrichtia sein, als die dieser
vier Departements mit der Republil
fest und dauerhaft fein wird.«
Darauf Kanonenddnner, Aufmarsch
und Truppeniibungen, Nachmittags
Festtafet Die Mainzer Bevölkerung
stand aber der definitiv-en Eint-erlei
bung recht tiihl gegenüber, fie bethei
ligie sich nicht in der aewiinschtenWeife
an dem Festjuhei; am anderen Tag
konnte man in der von dem Präfei
ten infpirirten »Main3er Zeitung«
Folgendes lesen:
»Der erste Vendemiaire war fiir die
Bewohner cer vier Departements ein
iseftlirber Tag der Freud-e; denn mit
Hin sVÄpöo sey-. h-H.-l«»k- O.-U-.«x k
.-,... .,-.» »p. »«»u««-» ,Jussuu«s »u«
Ungewißheit iiber unser künftian
Schicksal und jener Zustand von De
iniithigteit auf, in dem wir ietzt wie
unechte liinder des Vaterlandeg gelebt
haben. Um so ausfallender mußte der
Mangel an lauter allgemeiner Theil
nahme sein, den man bei allen Stän
den bemerkte. Hat ein zehnjähriger
Kampf die Menschen ermüdet, hat eine
zehnjährige Ausdauer sie abgestumpft?
Werden sie gegen das, was sie liebten,
so lange sie es kämpfend suchen, gleich
ailtia, sobald sie es ungestört besitzen?
Das oraanische Senatskonsulat vom
16. Thermidor wurde von einer gro
ßen Anzahl Bewohner dieser Gegend
mit Kälte — um mich des gelindesten
Ansdruckes zu bedienen — ausgenom
men; und doch hat dieses weise, tief
durchdachte Gesetz dem Bürger seine
ganze politische Existenz wiedergege
bene«
Mainz war eben doch, bei allem
Freiheitsdrange und bei allem Ver
ständniß fiir die Größe der französi
schen Republit, eine deutsche Stadt.
-s --——--—--—- —
Jri«che »Bull:s«.
Als ein Jrländier gefragt wurde,
ob sein Pferd furchtsam sei, antwortete
»er: »O nein; durchaus nicht! Es
bringt die Nacht immer ganz allein in
H einem dunklen Stalle zn.«
s Ein Jäaer schoß einen Seeadler aus
l der Luft herab. Paddy, der dabei« zu
ssah, bemerkte zu ihm: »Sie hatten
Pulver und Blei sparen können, der
iFall allein würde ihn schon getödtet
haben.«
Ein Sohn Erins erzählte einem sei
ner Bekannten: »Ich sah Pad aus der
anderen Seite der Straße reiten; ich
dachte, es sei Pad, und Pad nachte, ich
wäre es; als ich aber hinüberging,
war’g keiner von Beiden.«
Zwei Jrländer, welche nach London
inarschirtem fragten in Barnett, wie
meit es noch zur City wäre. Man
sagte ihnen: »Rehn Meilen«
»Das gibt für jeden von uns fünf,«
saate der Eine,»,,die können wir noch
leisten.«
Billiae Landwolsnunq.
Frau: »Sie hatten es heuer aus
dem Lande doch sehr feucht, da haben
Sie sich wohl sehr aelatiaweiltti« ·
Dame: »Im Geaentheil, wir spiel
ten Karten und dabei habe ich unserer
Wohnunagverrnietherin das Kostgeld
abgewonnen.«
Gesallsucht ist die Sucht, Fallen zu
stellen.