Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 07, 1902, Sonntags-Blatt, Image 9

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    Das Glück.
Novelle-tu von S. Bogcherin Deutsch
von A. Friedheim
»Sie nnd tun-u wieder da,« ries here
Morel oerdrießlich und sah dabei zwei
arme Bettler io cviitdenv an, als sei-un
er sie in Grund und Boden bohren»
wollte. . . . »vor acht Zacken waren Sie
erst bieri Glauben Sie denn, daß ich
nicht weiß, was ich mit meinem sauer i
verdienten Gelde anfangen soll? Denn x
ich arbeitet« ?
Wenn hekr Morel arbeitete, so hatte j
er sich gesundbeitlich jedenfalls nochs
nicht dabei ruinirt. i
Runde, volle Wangen, ein stattliches i
Doppellinn, alles ein Beweis dafür, J
daß er bei gutem Appetit war und auch j
die Mittel hatte, seinen Appetit zu be- !
stiedigen.
Augenscheinlich lam er von der Jagd j
zuriia, die Hände in den Taschen, die !
Pfeife im Munde, und hinter ihm sein I
Wildbiiter mit der bollgepsropsten H
Jaadtascht.
Die Bettler sahen allerdings ver
hungert und vertommen aus« Mann
und Frau waren es, mit abgezehrtern,
weitergebräuntem Gesicht und zusam
menaeilictten Kleidern. Vielleicht wa
ren sie jung, vielleicht alt. . . . vor lau
ter Elend hatte man lein Urtheil dar
über — betxelnd zoaen sie bei Wind
und Wetter, Sonnenschein und Kälte
aus die Landstraße von Haus zu Haus,
schliefen unter Gottes sreiem Himmel
oder suchten sich iraendwo einen Unter
schlups, der Herrn Morel wahrschein
lich fiir seinen Hund zu schlecht gewesen
;vare.
»Zum Teufel. warum arbeitet Ihr
denn nicht?« sing der ivohlbeleibte Jä-:
ger wieder an.
»Ach, lieber Herr Morel,« antwor
tete die Frau, »Sie wissen doch, dasi
mein armer Mann blind ist seit der
Minensprenguna in dem Steinbruch,
und dasz mein rechter Arm gelähmt ist.
Arbeiten! Q«ja. wir haben gearbeitet
und tüchtig, so lange wir konnten und
nun fällt eg uns desto schwerer, die
Barmherzigkeit der Leute in Anspruch
zu nehmen-. von Andern abhängig zu
sein mit noch nicht 50 Jahren!
Wenn’s nicht sündhaft wäre, seinem
Leben ein Ende zu machen, wahrhaf
tig, man möchte in’ö Wasser gehen. ..
dann wäre doch alles vorbeit«
Herr Morel räsonnirte weiter und
zwar sagte er mit einer Stimme, als
wenn er die gröbsten Beleidigungen
den vor ihm Stehenden zuschleuoertez
» a. .. ja. .. ich weifz wohl Sie
sind brave Menschen, und wenn all’
das Unglück nicht gekommen wäre...
na, immer Kopf hoch, Ohren steif, ver
steht Ihr mich? . . und hier« zum Don
nerwetter, nehmt das!«
Er holte zwei Thaler aus- seiner Ta
sche, doch dann steckte er sie rasch wieder
em.
»Nein, Kreuzdonnerwetter, das ist
nicht genug... hier ist ein Goldstück
.. . aber reckt es ein bischen in die
Länge! Gustav, gieb den Leuten
’mal ein oder zwei Hafen. ·. tann mir
denken, daß die seit Lange-n teinen
Happen Fleisch« in den Mund gescho
ben hat-en!«
Und ohne auf die Dankes-parte zu
hören, ging er seines Weges und
schnaubte sich sehr laut, vielleicht waren
Ihm bei dem Anblick der armen Men
schen auch die Augen feucht geworden
und er griff deshalb zu seinem Ta
tchentuch.
Was die Frau gesagt, beruhte auf
Wahrheit.
Karl Rotte war früher ein tiichtiger
und fleißiger Arbeiter gewesen und
auch Jeanne, die hübsche Wäscherin,
hatte die Hände flinl zu rühren ver
standen. Vor sünsundzwanzig Jahren
war es gewesen, da he ten sie sich ten
nen und lieben lernen und hatten sich
geheirathet. Viel über »Mein« und
»Dein« gab es bei Schließung dieser
Ehe nicht zu debattiren. Beide brachten
ihre Jugend, kräftige Arme, die wohl
zu arbeiten verstanden, und ein gu:
Theil hoffnuna mit in die Ehe.
Und alles war auch lzuerst gut ae:
ganaeu, doch dann war das llngliict ge
tammen. Karl war fast sterbend aus
dem Steinbruche nach Hause gebracht;
er genas, aber das Augenlicht war für
" immer zerstört. Der Steinbruchbesitzer,
ein hartherziger Mensch, behauptete,
dasz Karl allein die Schuld an dem
llnaliict träfe, er sei unvorsichtig gewe
sen, un'd das war auch leider wahr.
Der lleine Sparpsennia war bald
durch die Krankheit artig-zehrt gewe
sen, und da hatte Jeanne doppelt gear
beitet. Tan und Nacht, mit wahrem
Heldenmuth hatte sie gegen das Elend
anaelämpsL Die wenigen Schmucksa
chen, die goldene Kette, das Hochzeits
geschent des Mannes, ja selbst die
Trauringe, mußt-en schließlich verlaust
werden.
Und nach einem bittertalten Win
tertag, an dem Manne, trotzAbrathens
am Fluß gewaschen, larn sie mit
Schmerzen im rechten Arm nach
Hause.
»Es ist nicht3,« sagte sie sich, »nur
ein dischen Ertältungl . . .« T
Ader ach. am andern Tage war der
Arm gelahrnt und, wie der Arzt sagte,
siir immer unbrauchbar.
Von da an mußten die beiden Un
glücklichen betteln, wenn sie etwas es
sen wollten«
« Sie lehrten in die Heimath Karls
zurück und glaubten, bei«den Ver
wandten Unterstiitzuna zu sinden. Die
waren theils gestorben, theils auch
sortaeroaen . . . 25 Jahre sind Can
lange Zeit . . . und die Leute waren
dort alle nicht mit Glück-gutem geseg
Jst-Ung jikas«j-«3’H- WI«;-Z.Lr-«k:15"«s« « -«’
Sonntags-Blatt
Beilage des Medeas-Im .staalei-Ämeiger und Orkan-T
J P. Windolph, Herausgehen Grund Island, Neur» den T. November IWZ Jahrgang ZLB No. m.
net . . . ein Mann, wie Herr Morel,
gehörte su den Ausnahmen.
»Gut, daß wir keine Kinder haben,«
sagte Fiarl manchmal, »was hätte
wohl aus ihnen werden sollen?«
Jeanne seufzte; es war dies einer
ihrer grdßten Schmerzen, daß sie nie
lennen gelernt hatte, was es heißt,
Mutter zu sein.
Während sie nun langsam davon
huinpelten, Karl aus den Arm seiner
Frau aestiitzt, sprachen sie von dem
großmüthigen Gebet.
»Ein Goldstück und zwei Hafen,
welch’ ein Vermögen! . . .« und dann
fingen sie an, Luftschlösser zu bauen.
»Nun kannst Du Dich ein bischen
pflegen, Wonnel«
»Und Du kannst ’mal etwas Wein
trinken, das wird Dir gut thun-«
»Der aute Herr Morel . . .«
»Ja, er ist gar tein Brummhiir, er
thut nur immer sol« und dann seufzte
Jeanne leise.
»Was hast Du denn, Jeanne2 Nun
können wir doch einmal die Sorgen
bei Seite schieben!«
»Ach, nichts-. . . ich dachte nur . .
wenn wir nun ein Kind gehabt hätten,
dann würden wir ihm ietzt eine Freu
de gemacht haben und . . . weißt Du,
ich denie mir, ein Kind im Haus, das
hätte Glück gebracht.«
Und schweigend gingen sie weiter
.doch p löslich blieben sie stehen nnd
Karl sagte:
»Hörit Du nichts . . .? da rechts
dom Weae.«
»Ich höre und sehe auch nichts . . .
es iit schon zu dunkel dazu."
»Es war mir, als wenn ich ein
schwaches Weinen horie «
..Mied wohl ein Kam lein.« meinte
Jeanne, doch da rief sie schon ganz er
fchrocten:
»Mein Gott! Nein . . . es ist ein
Kind . . . . jetzt habe ich es gehört,
bleib’ stehen, Karl, riihr Dich nicht
.. ich will nachsehen. «
Und richtig, halb von der Hecke der
fi,ectt saß ein vielleicht vier- bis fünf
jähriges Kind arn Wege und weinte
bitterlich· Jeanne sprach es mit müt
terlicher Zärtlichkeit an.
»Was machst Du denn, mein armes
Junachen?«
»Nein nicht . . .«·
»Wo sind Deine Eltern? . . .«
»Fort . . . weit fort . . . Mama
weinte . . . Papa hat gesagt, es geht
nicht anders . . . und da bin ich hier
sitzen gebtisben . . .
»Was thun denn Deine Eltern-t«
»Sie ziehen auf den Jahrmarkt ..
o. das iit so hübsch . . . und Mama
tanzt auf dein Seil in der Luft .
und der Wagen ist abgebrannt . . .
und alles andere . . . und nun sind
die Eltern fort . . . wir wollen auch
gehen . . . ich habe bringen«
»Was machen wir nun?« fragte
Karl, der alles hörte, wenn er auch
nichts sah.
Ahn mitnehmen, selbstverständ
lich!« antwortete Jeanne, »wir werden
das Kind nicht aus der Landstraße
lassen.«
»Das war auch nicht meine Absicht,«
sagte Karl: »wir sind ja jetzt reicht«
»Ja. dank Herrn Morels Spende.«
»Machen wir es wie er, helfen wir
den Armen!«
,,Morgen tönnen wir den Kleinen
auf die Bürgermeisterei führen«
Am anderen Tage aber fandJeanne
einen Grund, um nicht zur Biir er
meisterei zu gehen, und den übernach
sten Tag meinte Karl, man müßte
noch warten. So gingen die Tage hin
uns »so-si- ds sei-h osusssn Iz- es- ds
....» » ........... ..,-.., .........
diirstigen Hütte ein fremder Gast ge
wesen, waren mit dem Rinde eingezo
gen. Jeanne pflegte den kleinen,
blondloaiaen Knaben zärtlich und
Karl streichelte ihn so viel, daß daH
Kind saate: »Papa Karl, siehst Du
denn mit den Händen, dafi Du mir
damit immer über das Gesicht fährst?«
»Pava Karl! . . . Mama Jeanne!«
Wie hätten sie sich wohl von dein
Kinde trennen können. das sie so
nannte . . . und es blieb . . .
»Das ist sicherer,« sagte Karl,
»wenn seine Eltern wiederkommen,
finden sie ihn wenigstens gleich am
Ort. Bis dahin können wir fiir ihn
sorgen.«
»O ja . . . gut sorgen,« sagte
Jeanne mit feuchten Augen.
Die Eltern kamen nicht und das
Goldstück aina zur Neige. Jeanne zog
die Stirn in sorgende Falten, wenn sie
daran dachte, was nun werden sollte,
denn sie wagte nicht einmal mehr het
teln zu aehen . . . das Kind durfte so
etwas nicht sehen.
Eines Tages wurde die Thür der
Hütte hefig ausgerissen, Herr Morel
trat ein und mit dröhnender Stimme
rief er: »Was höre ich da! Sie, die Sie
von der Mildherziaieit Anderer leben.
Sie lesen noch Kinder aus« um sie zu
erhalten! Sie sind wohl aanz von
Sinnen! Und ich war noch so dumm,
mir den Kopf zu zerbrechen, wie ich
Ihnen Arbeit verschaffen könnte, die
Sie mit einer Hand und der Mann
ohne zu sehen machen tönnenl . . . .
Weioeittober für das Ver-schicken des
Wildnrets . . . die Hüter könnten die
Weiden besorgen . . . Sie hätten dann
zwei pro Tag machen können, das
Stück zu 50 Pfg. . . . immerhin doch
etwas! . . . Aber jetzt! Himmeltreuz
element, wenn Sie jetzt anfangen,
Kinder von der Landstraße aufzu
fangen! . . .
,,Lieber, guter Herr Morel, hören
Sie mich doch nur einen Augenblick
an,« begann Jeanne ganz ängstlich.
»Es ist doch so schön, ein solch’ kleines
Wesen um sich zu haben . . . ich hab’s
ja noch nicht gekannt . . . es ist gera
de. als roenn der liebe Gott unH Son
nenlicht in die Hüte schicke . . .«
»Ach was, Redensarten!« rief Mo
rel . . · »Ist so etwas schon einmal
sage-riesen! . . . Kinder zu adoptirent
. . . Na, dann machen Sie nur oier
Kober statt zwei pro Tag . . · der
Junge kann Ihnen ja helfen . . . und
seinetwean toill ich Jhnen dann 60
Zika statt 50 für den Kober bezah
en. · . .
Damit ging Herr Morel und knall
te die Thür miildhtiaII hinter sich zu.
An 20 Jahre sind wohl schon ver
aangen, seit Karl und Jeanne den klei
nen Jean von der Lanossraße aufgete
sen haben.
An der Stelle, wo einst die zerfalle
ne Lebmhiite stand, befindet sich jetzt
ein kleine-H schmuckes Häuschen, inmit
ten eines kleinen Blumengartens.
Jeanne pflegt die Blumen trotz
ihres Alters, und mit der einzigen
brauchbaren Hand pflückt sie sie ab
und trägt sie ihrem Mann hin, der
nicht mehr aus seinem Lehnstuhl auf
stehen tann, dertden grössten Theil des
zageg vor ver Umr ntzt und mu den
achtiiajährigen zitterndenHänden noch
versucht, Kober zu flechten.
Jetzt ist das fiir ihn nur Zeitver
treib, er braucht nicht mehr für den
Lebensunterhalt zu arbeiten, denn er
und Jeanne leiden keine Noth. Das
Häuschen und der kleine Garten gehö
ren ihnen. Die tapfere Frau hatte
Recht gehabt, mit dem heiinathlosen
Kinde ist das Glück gekommen und
lflend und Noth find in die Flucht ge
schlagen worden.
Die Flechtarbeiten und die Geschick-«
lichkeit der Beiden hatte gefallen und
mehr wohl noch die Thal der Barm
herzigkeit, die sie an dem verlassenen
Geschöpfe ausgeführt haben. Die Be
stellungen kamen in Masse, so daß sie
kaum rasch genug liefern konnten,
selbst nach dem Tode des Herrn Morel.
Denn der gute, brummige Wohl
thäter ist gestorben, und zwar in
Folge eines Aergers, den er über einen
ffulfrknecht gehabt hatte, der seine
Pferde malträtirte, gerade als Herr
Makel vorbeikam. s
Doch Herr Morelg Sohn, ein be-:
deutender Ingenieur, setzte das Se-«
acngwerl des Vaters fort und ließ»
Jean, der sich als ein kluger und lern: «
beaieriaer Knabe entwickelte, das Ma- s
fchinenfach lernen. Als der junge
Mann dann ausaelernt und sich in der
Welt umgesehen hatte, erhielt er Amt
und Brod in der grosien Fabrik fei
k«.:s5 Beschützer-T .
Und das Findelkind zahlt seine
Schuld, indem es alle-H Geld an diel
Adoptiveltern schickt. «
Uber die größte Freude, die er ihnen -
bereitet, ist die, wenn er am Sonn- -
abend zu ihnen kommt.
»Da kommt unser GliLck!« ruft.
Jeanne, wie sie ihn nur don Weitem j
erblickt. Und der alte Karl hat immer »
noch so viele Kraft, um sich dann auf- )
zurichten und streichelnd mit feinen:
Händen iiber das Gesicht des kräftigen ?
jungen Arbeiters zu gleiten, gerade so s
wie einst. wo er ,;mit den Händen ge- .
sehen hat,« wie das Kind sagie. ;
—-—·-—-— :
Die Geschichte eines Degen-. H
Man schreibt aus Paris: Was ist ;
aus dem Degen geworden, den Nados ;
leon von dem Grabe Friedrichs des;
Großen in Potsdasrn tveggenoriiineii? Z
Diese Friage muß sich schon Mancherx
non-»O Indian nßno sin- Osndtmnvd »- i
—- -,- -- k-« - .
finden. Kein aeschichtl iches Wert gibt «
dariiber Auskunft Der Degen wurde
wie alle Tr-ophäen, nach Paris ge
bracht, dies ist gewiß. Wo er aber ,
seitdem hingekommen ist nirgendwo
anaegeberp Keiner der vielen Pariser
Fährer weiß etwas über seinen Ver
bleib. Nun, wenigstens noch ein Rest
dieses Degens ist vorhanden, und mile s
zu sehen. Als die Verbündseten, Ende ·
März 1814, sich Paris nähme-r s
wurde in der Stadt verbreitet, sie
wollten die im Jnvalisdenhaus befind- -
l
lichem in vielen Fell-zücken erbeuteten
Fahnen nnd Siegrszeichen fortnehmen
Natürlich rief dies im Jnvalidenhasus
große Aufregunq hervor. Der Gou
vernseur Marschall Senirier eklärte
jedoch sofort: »Sie werden sie nicht
trieqen." Am 30. März ließ er einen
großen Scheiterhaufen im Haupthos
des Gebäudes aus Reisig ausschsichten.
Dann mußten Die Invaliden nicht nur
; alle Fahnen, zusammen 1600 sank-ern
auch alle Degen und sonstigen Waffen,
die als Sieaeszeichien aus den Feld
züan nach Paris gebracht waren, auf
diesen Scheiterhaufen legen. Als der
Gouverneur sich versichert hatte, dsaß
feine Befehle, besonders auch hinsicht
lich des Degens Friedrichs des-Großen,
genau auswefiihrh alle Fahnen und
Waffen auf den Scheiterhauer ge
bracht waren, ließ er Feuer anlegen. .
Es toar unterdessen 9 Uhr geworden
Das Feuer koberte schnell mächtig auf,
die Flammen truaen viele brennenoe
» Fetzen der feidenenFabnen in die Lust.
Die Invaliden, welche den Scheiter
hauer umstanden, mußten alle solche
Fetzen mit Stanaen ausfanaen uno in
Iden Gluthherd zuriiclschleudem Den
alt-en Graubärten stiean Erinnerun
aen auf, sie waren so stolz aetvesen ob
der von ihnen eroberten und aebiiteten
Fahnen. Die Tkjränen standen den
ntseisten in den Augen, auch Verwün
schunan wurden laut. Erst als, nach
1()Uhr, Alles verbrannt und vertohlt
war, ’Durften Die Leute sich entfernen
uno schlafen geben«
Am folgenden Ta»e mußte die Asche
fortgeschafft werden. Dabei wurden
sorgsam die Metallsachen gesammelt,
welche zwar ausaealiiht, aber nicht ver
brannt waren: Degen, Dolche, Säbel,
Pistolen unt anderes Metallze11a, be
sonders aber vie-le Spitzen und Be
schläae der Fahnenstangen. Um sie
schnell allen Nachforschunan zu ent
ziehen, wurden Ive einfach in die Seine
geworfen, die bekanntlich an der Es
Plantade des Jnvalidses vorbeifließt.
Erst 1826 wurden diese metallenen
Ueberbleibsel wieder herausgefischi.
Sie befanden sich noch in dem grobleii
nenen Sack, in welchem man sie nach
der Seine gebracht hatte. In dem flie
ji«-enden Wasser hatte sich der hanfene
Sack erhalten. Die Msetallstiicke wur
den gereinigt und im Jnoalidenbaus
aufbewahrt Erst einige Jahre nach
Fertigstellung des Grabes Napoleons
des Ersten wurde wieder an diese
Ueberrcste gedacht 1868 befestigte
» mand ise Metallstiicke aus vier, se etwa
einen Flachmeter groß-e, mit Purpur
sarmnet überzogenen Tafeln. Diese
lzieren nun, als Trophäen, den Ein
aang des Grnbiiials, doch sind sie, auf
jeder Seite zwei, so hoch an der Wand
angebracht, das-, es unmöglich ist, sie
genügend zu unterscheiden. Es befin
den sich etliche zwanzig Degen und
Säbel darunter, alle durch Feuer mehr
oder weniger beschädigt und oerbogen.
Mehrere sind indessen verhältnisp
mässig gut erhalten. Der Degen Fried
richs des Großen befindet sich jeden
falls darunter und würde sicher, bei
näherer Besichtigung durch Sachkuws
diae, herauszufinden sein. Unter den
gegebenen Verhältnissen hat dieW.isse,
nach solch vielfältiaeni Schicksal, im
mer noch einen bedeutenden geschicht
lirhen Werth Uebrigens sind doch
nicht alle Fahnen verbrannt worden.
Es befanden sich deren eine Anzahl im
Palais Bourbon, wo sie, wie erzähli
wird, unter dein Sitz des Präsidenten
der Deputirtenkammer aeborgen wur
den. si
Nationatszieftmqe.
Außer Deutschland das seinen
Sedantag hat, giebt es’ nur zwölf
Länder-, die sicheinen National LFesttag
leisten. Die Norweger seiern den 17.
Mai Tisä ist h» Irm an dom im
Jahre 1814 auf der Reichsoersamw
lung zu Eidsbold die norwegifche stier
fassuna fertig und der dänische Vrinz
Christian Friedrich zum König bon
Norwegen ausgeruer wurde. Der
lttriindunggtag der scl)1vedifchsnerive
gischen Union ist indessen bekanntlich
der 4. November 1814, wo das-Storch
ing in der Verfassung am 17. Mai
die Veränderungen vornahm, die durch
die Vereinigung mit Schweden erfor
derlich waren, und den schwedischen
König Karl den Dreizehnten zum stö
nig von Norwegen ausrief. Fiir die
Geschichte der Schweiz ist die Schlacht
am Morgarten der bedseutungsdollste
Tat-. und in Erinnerung daran feiern
die Schlveizer den dritten Sonntag im
September als den größten National
Festtag ihrer Republit. Wie Frank
reich den 14. Juli, den Tag der Er
stiirrnnua der Bastille, feiert, ist be
kannt. Spanien’s National-Feftfag
ist der 2. Mai, an welchem Tage im
Jahre 1808 der gegen Napoleon den
Ersten gerichtete Ausstand ausbrach.
Die Julirevolution in Frankreich vom
Jahre 1830 gab indirekt den Anstoß
zur Befreiung Belgieu’s, und der
Erinnerung an die Erhebung Bel
giens zur selbständioen Monarchie mit
Leopold dem Ersten als ersten König
sind die festlichen Tage vom 21. bis
28. Juli jedes Jahres gewidmet. Ita
lien seiert am ersten Sonntag im Juni
den Tag von 1848, wo das Königreich
Sardinien eine freisinnige Verfassung
erhielt und der Grundstein zur natio-.
nalen Einheit Jtaliens gelegt wurde.
Aus derselben Zeit rührt die Feier
des Stephantages am 2l). August her,
der den nationalen Festtag Ungarns
bildet. Griechenland seiert den 25.
März, an welchem Tage im Jahre
1822 das Land siir selbstständig er
klärt wurde. Jn Diinemark wird
ähnlich wie in Norwegen der Verfas
sungsrag gefeiert. Unter der Wirkung
der sranjirsischen Februarrevolution
von 1848 erhielt Dänemarl am 5.
Juni 1849 ein freisinniges Grund
gesetz, und dieser Tag wird alljährlich
als nationa .er Festtag begangen. Nu
mänien seiert am 14. März die Erin
nerung an trn Tag von 1881, wo das
Land zum Königreich erklärt wurde,
und Brasiliens Feiertag ist der 13
Mai. Hier bildet die Abschassung der
Sklaverei, die am -3 .Mai 1888 er
folgte, den Anlaß zur alljährlich wie
derkehrenden Feier. Fiir die Vereinig
ten Staaten endlich bildet der 4. Nxuli
bekanntlich den großen nationalen
Tag, der in seierlichster Weise began
gen wird.
—--——· - ———«
Vom Kaiser
berichtet der Berlin-er Chronist der
,,F;)amb. Nachrichten« das Folge-ide:
Die Kostspieligleit der Reisen des Kai
sers ist hier und da kritisirt worden,
und doch weiß ich aus bester Quelle,
daß die Reisen unseres regierenden
Landes-denn bedeutend weniger kosten.
als es bei denen des doch gewiss sehr
sparsamen alten Kaisers der Fall ge
wesen ist, daß in den beiden letzten
Jahren die Reiseausgaben sogar er
heblich unter dem ausgeworfenen Bud
get geblieben sind. Im laiserlichen
"--...-s- -Ik LET- .- ..
IJMUDVULL pslch UcUll Jus zu l-le,Hcll.
man sagt, daß auch die Kaiserin zu
rechnen verstehe. Daß der Kaiser seit
einigen Jahren selbst bei Fürsten
besuchen nur deutschen Champagner
herumreichen läßt, dürfte bekannt sein;
Söhnlein und Henkel sind die bevor
zugten Marien Bei den Besuchen deCJ
Kaisers in stizier-Kasino'g ist stan
ziisischer Akt streng verpönt. Einmal
hat man ihm Moet Fc Chandon mit
der Etitette einer deutschen Marke vor:
gesetzt; und das ist den triftigen Herren
schlecht bekommen. Uebrigens trinkt
der Kaiser sehr mäßig, ohne gerade
Temperenzler zu fein; Litöre und
Cognac genieth er gar nicht; aber ein
Glas gutes Bier liebt er, wenn er bei
seinen Offizieren sitzt und dann pflegt
ihm stets ein frisches Glas gereicht zu
werden, auch wenn das vor ihm
stehende erst halb geleert ist. Für
Delitatessen hrt er nichts übrig: da
gegen viel fiir eine sogenannte Laus
mannstost, ätnlich wie sein Vorfahre,
der rauhe Soldatentönig Friedrich
Wilhelm, der Karpfen in Bier und
Wildbret mit thüringischen Klößen
auch dem Kabiar und den Austern
pastcten vorzog. Mit dem Rauchen ist
der Kaiser sehr vorsichtig geworden.
Das war er früher nicht; da bevor
zugte er die Jnklam oder Bock oder
Capitsana. Jetzt raucht er nur aus der
Jagd seine Pfeife und läßt sie häufig
talt werden und raucht dann und
wann auch eine sogenannte nitotinfreie
Cigarre. Ost auch pausirt er wachen
lang ganz mit dcm Rauchen Das ist
für die Raucher in seiner Umgebung
böse. Nach einein auten Diner hat
man gern seine gute Cigarre zum Kas- I
see; aber in den ,,rauchlosen Zeiten«
werden überhaupt teine Cigarren ge
reicht.
———————·-s.--—s —
Ein spat-sama- Verschwender-.
Thatsache aus unseren Tagen.
In einem wohlhabenden wbauik zu
München waren zwei Brüder, die nach
dem Tode ihres Vaters das Vermögen
unter sich vertheilt hatten zu gleichen
Theilen. Jeder bekam hunderttau
send Mart. Der ältere siihrte mit
feiner Erbschaft das Geschäft, eine
Fabrik, lo-eiter, der jiingere war durch
aug ideal angelegt, batte studirt und
sich dem Gelehrtenstsande gewidmet
Dieser lebte nach Art deutscher Ge
lebrter sehr einfach, tiimmerte sich nur
um seine Philosophen und ließ im
übrigen die ganze Welt weit links lie
gen, tvo sie auch liegen blieb un.d ihn
nicht weiter genirte.
Als etwa zwanzig Jahre nach Thei
lung der Erbschaft um waren, tam
der Gelehrte zu seinem Bruder, dem
Fabrikanten, und theilte ihm rnit, daß
er in der Patsche sitze.
»Was heißt das?« fragte der FaLIrL
laut.
,,Bruderherz, ich habe kein Geld,«
sagte der Gelehrte.
,,Wieso? Du hast ja deine hundert
tausend Marl belonimen.«
,,Bruderherz, die habe ich ver
braucht«
»Bist du ein Verschwender?«
,,Bruderberz, ich habe sehr sparsam
gelebt.'«
,,hast du gespielt?«
—
»Brudethetz, was denkst du von
mitt«
»Nun also wie? Du machst, soviel
ich weiß, auch teine größeren Reisen.
Mit Weibsbildern wirst du am Ende
doch nicht . . . .«
«jBrudetherz halt· ein, du thust mir
schrecklich weh,« ries der Gelehrte, nich
habe ausgehalten und anständig bür
gerlich qelebt, ich habe jährlich nicht
mehr gebraucht als fünstausend Mark,
und da ist die Anschafsung werthvoller
Nischer schon dabei, fsund die kleinen
Reisen sind dabei, und die Beiträge an
wissenschaftliche Vereine. Man ter
plempert sünftaus d Marl im Jahre,
man verplempert se!«
»Gut, so mußt du noch das ganze
Kapital haben, die hunderttausend
Marks«
Der Gelehrte schaute den Fabrikan
ten groß an.—th er denn recht bei
Trost! dachte er, Geschäftsleute kön
nen ja doch sonst rechnen.
»Aber Bruderherz,« sagte er, »so
rechne doch einmal nach, Hunderttau
send habe ich bekommen, fedes Jahr
siinstausend —- in zwanzig Jahren ist
es alle. Jst es alle, nach Adam Riese.«
Jetzt schlug der Fabrikant freilich
die Hände zusammen: »Und du hast
das Geld nicht auf Zinsen angekeatZ
Du hast es nicht verzinst auf fünf
Prozent und von den Zinsen, die ge
rade jährlich fünftausend Mart aus
machen, gelebt und das Kapital er
spart?«
,,Bruderher; !«
,,Schaf5topf!«
,,Bruderherz, ja kann man kenn
das-Ps« —--—
Die Geschichte ist wahr. Und es ist
möglich» daß es heutzutage noch Leute
;
?
;
Z
qxeor, oie man wissen, daß Baaraeld
wächst. Vielleicht hätte man diese
Unwissenheit bei den Hirten km Hoch
aebirge gesucht. Nein, wenn es vor
kommt, so kommt es bei dem vor, der
alles weiß, beim deutschen Gelehrten.
Aber auch bei diesem höchst selten.
-«——-.—
Die Wiederbelebung des stillstehen
den Herzens.
Jnteressante Experimente welche die
außerordentliche Widerstand-straft des
War-mbliiterherzens zeigen, hat Dr.
Kuliabto neuerdings angestellt; er be
richtet dariiber im Archiv für Physio
loaie: Jn dem einen der mitgetheilten
Fälle schnitt er einem Kaninchen das
Herz heraus und ließ es im Eisschrank
abkühlen bis es vollkommen stillstand
Dann durchspiilte er es mittelst eines
iinnreich construirten Apparates mit
siner warmen Flüssigkeit, welche die
inineralischen Blutbestandtbeile ent
hielt, und das Herz begann wieder zu
anlsiren Die Zusammenzieliungen
dies Herzens hörten bei einer Tempera
tur Von OGrad bereits nach fünf Mi
nuten auf; erst nach 183tunden wurde
das Herz in den Durchströmungsap
Narat gebracht, und schon nach einer
halben Minute begannen die rhntini
schen Zusammenziebunqcn Merkwür
diaerweise traten die Pulsationen nur
am rechten Herzen auf; die linke Herz
tamirer reagirte nicht mehr. Nach
drei Stunden wurden die Vulsatienen
schwächer und hörten nach 4312 Stunden
aanz aus. In einem anderen Falle
gelang die Wiederbelebung des Her
zens durch künstliche Circulation noch
nach 44stiindiaem Aufenthalt im Eis
schr-ank. Die Belebung hielt hier drei
Stunden an. Von besonderem Jn
4»·«l'l',. ».-... 8:. en--s..,k«»
« Mal-»He
«
»pr tun-« Um OUJUUUJLUUH Ull einer
in der Aetherbetäubung gestorben-en
Katze, deren Herz nach einer im Eis
fchranl durch die Abkühlung hervor
gerufenen Pause von 24 Stunden
wieder zu schlagen begann.
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lssiu wicdemcfundenes griechisches
Meisterwerk.
Einen großen Ruhm genon im Al
tertbum eine Marmor-Gruppe des
Künstleer Boethos von Chalkedon, die
einen Knaan darstellt, der eine Gans
am Halse gepackt bat und feft um
schlungen hält. Dies Werk, das von
Cicero und Plinius gepriesen wird,
bat sich noch in Covien erhalten« und
noch heute fordert die ftrotzende Kraft
des kleinen Knaben, die anfchausiche
Darstellung des Kam-fes zwichfen 7hm
und der faft gleich großen Gan-? zur
Bewunderung anf. Ein Gegenstiick zu
diesem Werk baden jetzt die Wiener
Archiiologen in Evbefos gesundem
nämlich den Knaben mit der Ente.
lfin etwa iebniähriges Knäblein sitzt
auf der Erde und öffnet den Mund
wie zum Schreien Mit der linken
band driiclt sie kräftig auf eine fitzcnde
lfnte, die rechte aber ist ausgestreckt,
gleich als wolle der Kn .be einen An
ariff auf die Ente abwehren. Ar: dem
Werke, das bis auf einige Fing-er Und
Zelken und andere kleine Endftiicke
vollständig erhalten ist, überrascht die
große Naturwahrheit und Frische.
Die Glieder des Bürfchcheng sind
ftiimntig und voll, fein dicker Kopf
bat eine nieifterhafte Behandlung er
fahren. Wie werthvoll den aiten
lfpbesern ehedem die Marmorarbeit
gewesen istst, zeigt der Umstand, daß
fie auf dem großen prächtigen Markt
platz der Stadt ihre Aufstellung ge
funden hat. Sie ift ietzt im Tempel
des Wiener Vollsgartens, wo alle be
deutenden Funde von Ephefos vorläu
fig untergebracht find, aufgestellt
morden.
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»Helene empfand plötzlich lebhaftes
Interesse für alle möglichen Arten von
Sport und trug lebhaftes Verlangen,
zu ftudiren und ihren ,,Doktor" Fu
machen — kumum in der jnnsgirciu
chen Seele war der Mann etwas-M
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