Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 10, 1902, Sonntags-Blatt, Image 13

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    W
Ein Testament.
NoveIette von Jda Bau-TH.
räulein Justine Pseilstiicker sagte
es eh seden Tag. daß sie ganz genau
wisse, ihr sei tetn langes Leben mehr
beschieden Sie totettirte mit diesem
Wissen u. traf die umständlichsten
Vorbereitungen. iiber ihren Nachlaß.
der sehr reich sein würde, angemessen
zu verfügen.
Diese Vorbereitungen aus ein bal
diges Ende waren eine wichtige Un
terhaltung. Sie gaben dem letzten
Lebensjahr von Fräulein Justine mehr
Inhalt, als ihre verflossenen siinsund
vierzig Jahre jemals gehabt. Diese
waren in einer stillen Erbitterung hin
gegangen. Fräulein Justine war un
liebeniwiirdrg geworden, weil sie sehr
häßlich war oder vielleicht auch um
gekehrt.
Als sie jung war und sich in dem
Wahn besand, einer reichen Erbin sei
alles Gliia vorher bestimmt —- viel
leicht tiiuslich zu haben —- hatte sie
sich aus das hartnäckigste in den hüb
schen Assessor Heuhenius verliebt und
beut-Entschluß gefaßt, ihn zu heirathen.
Aber dieser Entschluß war durchaus
einseitig geblieben.
Jhr Vater mochte den Assessor ein
laden, so viel es nur irgend anging,
sie selbst mochte so viel Blicke und An
deutungen auswenden wie möglich —
umsonst. Als Heuhenius bald den
Grund des starken Wohlwollens von
Vater und Tochter Pseilstiicker er
kannte, zog er sich zurück.
Dis-le Enttauschung beherrschte nur
das gutze Seeienleben von Justine
Pseilstiieter. Sie nannte ihn bei sich
einen Undankbaren. Jhm zu verzeihen
machte ihr ver Umstand unmöglich,
dasz er glücklich verheirathet schien.
Wie tonnte man glücklich sein mit
einer solchen Pute von Frau, einem so
schmalen Einkommen, siins Kindern
und Schulden! Justine war überzeugt,
dass »Schulden habe. Sie, die ,,Pute«,
hatte auch tein Vermögen gehabt.
Und das Gehalt des Bürgermeisters
in dieser kleinen Stadt betrug vier
tausend Mart nebst freier, Wohnung.
Als Heuhenius den Posten bekam,
sagten doch alle: das sei noch ein
Gliickssall siir ihn.
Er sollte an sie denken. lfr sollte
bereuen, ihre Hand einst verschmäht
zu haben. Er sollte sich alle Tage
sagen: wie wäre mein Leben bequem
gewesen, wenn ich Justine Pseilitücter
gebeiratbet hätte. '
Zell-rauh jahrein zermarterte sie ihr
Hirn mit Gedanken, aus welche Weise
sie sich am gründlichsten in sein Leben
drängen lönne, so daß er reueooll
ihrer gedachte und sein Herz von der
zPute" abwende.
Und wie sie nun so balb angenehm,
halb gruselig sich mit ibrem Testament
beschäftigte, sand sie den Weg, sich an
dem Mann und der Frau zuriichen
Sie bestimmte die Hälfte ihres Vermö
gens zu einer Stiftung« Von den Zin
sen sollten begabte junge Söhne hiesi
ger Bürger studiren. Der jeweilige
Bürgermeister sollte diese Justine
PseilstiickevSiistung verwalten. Nach
menschlicher Berechnung blieb Henne
nius hier als Bürgermeister sitzen. Die
andere Hölste ihres Vermögens aber
vermachte sie ibrem ,,Jugendsreund,
dem jetzigen Bürgermeister Paul Heu
herritt-, in trenerGesinnung aus selbst
losem Herzen«.
Daß sie mit dieser Handlungsweise
das richtige getroffen, bestätigte ihr
alsbald ihr Entwinden- Als sie aus
subr, begegnete ihr Bürgermeister
Heuhrnius.
»Ak),« dachte sie gesättigt, »wenn
du mußtest . . «
Jm Grunde hoffte sie, dasz man ihns
schon jetzt von ihrer Großmuth etwas
zuflüsterr. Sie rechnete geradezu mit
einem tleinen Buch «r-er Amtsverfchwie
gen-heit seitens ihrer Notare.
Ein andermal fah sie Frau Etna
beuhenius. Es war ein schöner Früh
lingstag, Frau Erna hatte offenbar
einen neuen hat auf-— wahrscheinlich
noch nicht bezahlt und wahrscheinlich
noch die Ursache eines eheherrlichen
Vetstirnmung —- unb sah frisch aus
Justine aestand sich zum erstenmal,
daß diese Erna nicht übel sei. Aber
was half es ihr. Triumphirend dachte
Justin«
»Deine nette Larve hilft oir nichts.
Meine Seelengrijße wiro Siegerin
bleiben.«
Feuriae Kohlen s-— o ja, das ist die
tiefste, oie seinfte Rache.
Und Jastine sprach immer mehr
und immer lieber von ihrem Tobe.
Manchmal war eg ganz merkwürdig
in ihrer Phantasie: sie starb, ward
ungessiiihnlich ehrenvoll begraben nnd
genoß doch als Mitschauenbe an's Mit
lebente den Effett ihres TestamentH.
Ja, sie hatte Momente, wo sie es nicht
c fiir ausgeschlossen hielt, daß heuhe
-. nius unter dem offenbaren-den Ein
druck ihrer Treue nnd ihres Edel
muthes sich Joch scheiden ließ . ..
Aber eines Nachts wurde es doch
llar, daß Gott bkessnat tein Wunder
« thue. e’;rts’tine Pfeilstiiaer nahm an
ihrer- Herzleiven rar- schnelle Ende,
- das ier Dottor vorausgeiehew
Der Bärgeemeister Heuheniug hiirte
die Tobesnachricht unb waro von einer
leisen Bewegung überrascht
" Das ist die Kraft des Tooesr er
chkiesst vie verborgensten Schreme ve
sebschtnisses auf. , » » »
»Das arme Fräulein Pfeilftucker,
Wie heuhenius, «liebeleer durchs
Dasein gegangen. Keine Freuden ge
habt und gemacht. Tro all i ren:
SO« d b
· Unb er tam sich in all seinen Sorgen
wie ern Krösus vor, mit seinen siinf
prachtigen Kindern und seiner lieben
Erna·
Als er aber am Tage nach dem
Tode seiner einstigen Verehrerin von
ihrem Testament hörte-sie hatte die
Eröffnung desselben aus vierund
zwanzig Stunden nach ihrem Ableben
bestimmt —- waret stumm und starr.
So also hatte sie ihn geliebt? Jhr
ganzes Leben treu die Neigung be
wahrt, die er nicht hatte erwidern kön
nen? Wie das beschämend war!
Und wie falsch hatte er sie damals
beurtheilt. Arme ststinet Arme Ju
stinei
Wer das gut machen dürstet Aber
an Gräbern kann man nichts gut
machen.
Aber jetzt fiel es ihm ein: vor Jah
ren, ais er hier Bürgermeister gewor
den, hatteer erwogen, sich mit Fräu
lein Pfeilstiicker auf einen freundlichen
Fuß zu stellen. Aber Erna hatte ihn
quehcltexn Auf einen dummen Klatseij
rn.
Er fühlte sich so renevoll, als hätten
er nnb die Seinen eine Reihe von Ver
brechen gegen die arme Justine be
gangen.
O, auch Erna würde ausser sich sein.
Er ries seine Frau.
Sie brach in Thränen aus, vie sich
zu Weinlrämrfen steigertem
Geerbt —— sie, die von niemand et
was zu erwarten gehabt, erbten!
Heuhenius stand ganz erschüttert.
Jetzt erst erkannte er, wie sein Weib
sich abgearbeitet hatte.
Als vie Thränenflurh versiegt und
das erste Delirium der Freude vorin
war, wollte Erna aber wissen, wieso
Justine Pseilstiicker dazu komme»
heuhenius berichtete von Justinens
Liebe und wie er diese und ihren Werth
unterschiißL
Es war ein Ton in seinem Vortrag,
ver Erna nicht gefiel.
»Dich reut’5 wohl, daß du sie das
mais nicht genommen«, sagte sie hef
tig und ging hinaus.
Zu seinem Schrecken mußte Heuhes
"nius nach wenia Taaen eriennen, daß
seine Frau von einer wirklichen nach
träglichen Eifersucht erfaßt war. Das
Vermächtniß sei nur verständlich, wenn
die alte Freundschaft in aller Stille
weiter bestanden habe.
Da Heuhenius sah, daß seine gute
Frau aller Vernunft bar zu werden
schien und sich jeder Phantasie und je
der Einsliisterung hinaab, sprach er
eines Tages, um den Frieden seiner
Ehe wiederherzustellen, das große
Wort aus, daß er die Erbschaft nicht
antreten wollte.
Aber da ward aus dem murrenden
Unsrieden ossener Zank unter völligem
Irontwechsel der Anschauungen Frau
rna’s. Sie war nie eifersiichtig ge
wesen. Keinen Augenblick. Aus etne so
häßliche alte Jungfer! Aber die edle
That Iustinens verdiene nicbt den Un
dant, dasz man ihr Erbe ablehne. Er
war wohl toll. So ein Mann! Un
ter Kuratel müsse man ihn stellen! .
Der Friede blieb dahin. Nur die
Tonart des Zanles hatte gewechselt.
Die verwünschte Erbschaft! Heu
henius klagte sich einmal zu seinem
Freund, dem Rechtsanwalt Miiller,
aus, demselben, der Justinens Testa
ment hatte aussetzen müssen. Und als
er davon sprach, daß Justine doch
habe Segen stiften wollen, und daß
sie bis jetzt mehr Unsegen gestistet, sah
ihn Möller so seltsam an. So durch
dringend, so warnend, so vieldeutia.
cSäer Blick ging heuhenius sörmlich
na .
Noch am selben Tage gina er, sei
nen munteren Jüngsten an der Hand,
—--k- L-— O-:-hQ-I
Iluuf »Lu- Ishskquso
Er dachte mit ganzer Sammlung
der Verstorbenen, wie er sie gekannt,
wie nachher die ganze Stadt sie ge
kannt. «
Das Bild war sehr einheitlich: ego
istisch, geldstolz, unliebenswiirdig,
menschenseindlich. Nur ein Zug
paßte nicht hinein: eben ihr Testament.
Wenn sie ihn treu und selbstlos ge
liebt, weshalb sand sie dann nicht
Mitel und Wege, seine Kinder an sich
zu ziehen, diesen Freuden zu machen?
Aber vielleicht hate sie etwas ro
mantisch und verschämt sich gelegent
lich heimlich seinen Kindern genähert
Er neigte sich zu seinem Jungen
herab
»Kanntesi du Fräulein Pfeil
stücker?«
»Nee", sagte der Junge und wars
seine Mütze nach einem Kohlweißling,
der ihm ooraus im Sonnenschein flat
terte
»hat dich wohl mal eine Dame an
gesprochen und getiißt oder gestrei
chelt, eine Dame mit schwarzen Haa
ren, einer aoloenen Brille nnd ein paar
großen Warzen aus der Backe die
Dame hintte ein bischen. . .«
Der Junge rief erfreut;
»Ach, die Altsche, die neben Pastarö
wohnte? Nec. Die inacht’ mich nich
leiden. Als ich mal bei Bastard Heini
war, sagte sie: »Das ist ja woll ein
heuheniusscher Bengel -—« ganz so
häßlich wie seine Matten« Da hab’
ich ihr ’ne lange Nase gemacht. Und
Deini auch. Und die Zunge haben wir
auch ausgestreckt.«
Sie standen gerade schon am Grabe.
deuhenius war ein Mann von nüch
tern-ein Verstand. Doch aber schieii's
ihm, als tichere ein leises hiihnisches
Lachen in sein Ohr » Und er war
ein Mann, siir den sansi nur Staatsa
chen sprechen. Aber seit hatte er eine
Eingebung, nnd dte bewies ihm mehr
all alle geschriebenen und beglaubig
ten Worte.
Er begriff, daß Instine Pfeilftiicker
sich an ihm habe rächen wolle und
da sein Freund, der Rechts nwalt,
die e ihre Absicht auch erkannt.
»Ur-me Justine«, dachte er, »noch
viel ärmer, als ich geglaubt«
Als er mit festen Schritten heim
ging, wußte er, was er wollte und
mußte.
Der Kampf mit seiner Erna war
nicht leicht. Sie wollte nichts von ei
ner Ablehnung der Erbschaft hören,
mochte er ihr immer beredter vorstel
len, daß man bisher glücklich, frei,
stolz, satt und gesund gewesen, und
daß es ihren prächtigen Fünsen im Le
ben nicht an autem Fortkommen feh
len werde. Erna war gerührt, aber
nicht besiegt.
Da sprach Heuhenius bitter und
traurig:
»So soll denn Justine Pfeilstiicker
ihren Zweck erreichen. Sie hat ihre
Rache ..... ich kann nicht mehr so
groß von dir denken toie bisher, und
unsere Ehe bleibt getriibt«.
,,Nein,« rief Frau Erna und fiel ih
rem Mann um den Hals, »ihren Wil
len soll sie nicht haben. Deine Liebe
soll sie mir nicht nehmen« Lehne die
Erbschaft abe«
Und mit Erstaunen fah die Stadt
ihren armen Büraermeister Hundert
Itausenoe ablehnen. Aber sie sah auch
die Familie sieh noch lustiger und
glücklicher als bisher erfolgreich durchs
Leben schlagen.
-»--——-·. — —
; Endlich.
Humoreste von Hercnann Ritter.
Das ift ja famds, here Assefsor,
;dasz Sie gerade heute gekommen sind,
versicherte ver Rentner Vierwea sei
nein Gaste « Dabei leuchtete fein von
einein buschiaen, erarauten Barte ein-—
Igesaszteö rothes Gesicht auf wie ein
Freudenfeuer, und seine kindlich gut
cniithigen Aeuglein blickten fast väter
lich-tödlich zu dem jungen Manne
hinüber. Jch habe da Entdeckungen
gemacht in den letzten Tagen, fuhr er
» fortz Sachen gesunden-, großartig, sage
;ich Zonen vsie vestanaen mir aueg,
»was ich bisher aus Grund meiner
physiologischen und phrenologischen
Studien vermuthete. Aus allen Pa
»pieren hab-e ich da charakteristische Ei
genschaften gefunden an Personen,
die ich schon längst zum Ggenstand
meiner Studien machte. Ah, ich sage
Jhnn, es- gibt Hallunlen in der Welt.
JSachen kommen vor, unglaublich!
Aber verurtheilen tann man doch Nie
smand, jeder ist eben ein Produtt von
"Geburt und Erziehung.
Er machte eine Pause und sah den
jungen Mann an, als wolle er an des
sen Gesicht die Wirtung seines letzten
Ausspruches studiren. Der Assessor
Schlebusch erwiderte mit verbindlich
besahendern Lächeln diesen Blick, ob
wohl sein Jnneres aufstöhnte in ver
zweifeltem Jammer. Er war heute,
wie schon verschiedenemal, an's der
Stadt zu der am Waldrand liegenden
Villa Vier-weg hinaufgestiegen, unt
die Tochter des Hauses endlich einmal
allein zu treffen nnd eine Erklärung
herbeizuführen nach der sein Herz
lechztr. Aber es war ihm heute ergan
gen, wie jedesmal bisher. Er war
gleich dem Vater in die Hände gefal
len, saß ihm wieder wie festgenagelt
ge niiber und mußte sich von dessen
S udienweisheit einer etwas lonfusen
Mischung aus Anthropologie und
Philantrophie überschwemmen lassen.
Der Alte hielt ihn wegen der Geduld,
mit der er stets seinen Betrachtungen
standgsehalten hatte, leider nun einmal
siir den aleichgestimmten, seltenen
Geistesvsrwandtem nach dem seine
inittheilungsbediirftige Seele schon
lange veraeblich suchte. Den wahren
Zweck der häuiiaen Besuche ahnte der
harmlose Vater Viernrca nicht. Die
Gattin war ihm schon seit Jahren
aestorben, und so entbelsrte er gänzlich
des weiblichen Beratung, den Väter
beiratbssälsiger Töchter so dringend
bedürfen.
Sehen Sie, lieber Freund, schwatzte
der Alte vergnünat weiter, ich bin stets
glücklich über Jbren Besuch. Sie sind
mir ein Beweis, daß der Jdealigmus
noch nicht ganz ausaestorben ist, daß
da unten in dem Neste noch Menschen
leben können, die sür die Wissenschaft
schwärmen. Wissenschaft! Du lieber
Gott, trer dentt heute daran! Fach
tudien, weiter gibt es ja nichts. Weis
beit, gut aenua eben, um das tägliche
Brot möglichst reichlich zu verdienen
und es, wenn thunlich, seinem lieben
Mitmenschen vor der Nase weazu
schnavven. Die Jugend wuchs srüber
auch anders aus wie beutzutaar. Sie
wurde nicht vollgepfropft mit That
sachen, sondern zu moralischen, ver
anügten und aesunden Menschen er
ioaetn Glauben Sie mir, lieber
Freund, es gab damals glücklichere
Menschen« als man noch sang: »Freut
euch des Lebens« und «Ueb immer
Treu und Redlichkeit«. Man lebte
mehr mit der Natur und war deshalb
aemüthvoller. Ein jammervolles Ge
schlecht wächst heute auf, aber man
dars lich nicht darüber wundern, der
Mensch ist eben ein Produtt aus Ge
burt und Erziehung. Die Anthropo
logie . . . .
Der Assessor wand sich in innerli
chen Schmerzen Das Stichwort, aus
das sein Gastgeber immer zurückkam
aus allen Irraänaen seiner Betrach
tungen, stachelte ibn aus zu einem ver
zweifelten Versuche, diesen von dem
wildwserdenoen Steckenpserd herunter
zu bringen.
Sie baben sich auch eine reizende
Gegend bier ausgesucht, um der Ruhe
und dem Naturaenuß zu leben, unter- »
brach er eifrig.
Gewiß, antwortete der Alte begei
stert. Es ift ja wunderschön hier.
Morgens, wenn ich erwache, habe ich
die herrlichen Wälder vor mir, sehe die
Sonne iiber die Berge steigen, höre
das Vogellonzert hinter dem Hause.
Dann spaziere ich durch meinen Garten
uud bin der gliicklichsteMensch von der
Welt. Aber die Fähigkeit, so still zu
trieben zu genießen, habe ich mir doch
nur durch meine Studien erworben.
Die Anthropologie . . . .
Der Assessor guckte zusammen. Da
saß der gute Alte ja schon wieder bei
einem Leitmotiv, wie die ausge
scheuchte Fliege aus dem Honigtopf.
Jhr schönes Gartenreich bietet Ih
nen gewiß allein schon reichen Natur
genuß, fuhr er mit lrampfhaftem
Mutbe dazwischen.
Der Garten ist meine Welt, mehr
brauche ich nicht, versicherte strahlend
der Rentner. Da grabe, s·cie, pflanze
ich. Das ist gesund und gibt ver
niinstiae Gedanken. Sehen Sie, mein
lieber Herr Assessor, die ganze Mensch
heit wäre unstreitig besser, wenn sie
mehr auf dein Lande arbeitete. Jhre
Erziehung wäre vernünftiger, sie hätte
natiirlichsere Eindrücke. Das Produit
von Geburt . . . .
Fräulein Elfriede hilft gewiß flei
ßig im Garten? meinte der Assessor.
Gewiß hilft sie. Sie ist ein gute
Kind. Aber der Jugend ist doch ein
Garten auf die Dauer zu eng. Sie
muß zuweilen hinaus-. Friedchen Tst
heute Nachmitaa Drüben in den Bu
chenwalo zum Erdbeepfliieten gegan
gen.
Dem Assessor stieg siedendheisz ein
Entschluß aus. Die Gelegenheit
mußte wahrgenommen werden, selbst
auf Die Gefahr hin, den Schwiegerva
ter in spe etwas zu dergriimen. Er
erhob sieb plötzlich wie von einer Feder
aufgefchnellt. Sie verzeihen gewiß,
Herr Vierweg, saate er mit menschen
möglichster Verbindlichkeit Jch beab
sichtigte eben, nur im Vorbeigehen
Ihn-en guten Tag zu wünschen, und
wollte, da ich den ganzen Tag im Bu
reau saß, noch einen kleinen Spazier
gang unternehmen Sie beurlauben
III-b --»-ZI. «-·c-;·- Its --Z«Z.
» III-us Liebes-D gu- ktu Vduusujs st
I
dem Heimwege werde ich mir erlauben,
nochmals vor-zusprechen um die in
teressanten Dotumente anzusehen. Sie
wissen ja, wie ich die Ergebnisse Jhrer
Studien bewundere. So und mehr
redete im Galopptempo der Assessor
bis zur Stubenthiir und ließ den Phi
lanthropen in einigem Erstaunen zu
rück. —
Draußen strebte er in schnellen
Schritt dem Buchenwald zu. In eini
gen Minuten hatte er ibn erreicht und
stieg eilig nach dem bekannten Erd
beerfundvlatz, einer steilen Waldwiese,
hin. Er sah nichts von der Schönheit
de Sommertages, von den Licht-sit
t , die durch das Laubdach auf den
Waldpfad fielen. Sein Geist war mit
nichts anderm als mit feiner Wer
bung beschäftigt Jn den letzten Ta
gen hatte sich ein niederträchtiger
Forstmenfch auffallend viel in der
Nähe oer Villa Vierweg zu thun ge
macht. Gepeinigt von dem Gedanken,
er könne diese gunstige Gelegenheit für
eine Erklärung doch noch vielleicht ver
säumen, rannte er weiter. -
»Willy, Willn, der Herr Asssessor,«
schrie da plötzlich eine Kinderstimme
vor ihm.
Der Assessor stand wie angewurzelt
auf dem Waldpfade und ein ärgerli
ches, halblautes Donnerwetier! flog
über seine Lippen. Da waren ja
Willv und Lilly, die gräßlichen Zwil
linge, auch im Walde und bei ihrer
Schwester Elstiede. Er hätte sich das
ja denken können, aber er hatte neben
der bealiickenden Vorstellung von ei
nem Alleinsein mit der Geliebten kei
rbiem anderen Gedanken Raum gege
en.
Da kamen beide schon mit dem
Heiegsruf »Der .5·Jkrr««21sselsor!·«»den
dDdllg ylnlllilck gchUIL Jjchl Poclk
nackten brauner und viekfacb zerschun
dener Beine polterten abwärts durch
Laub und Fallholz, zwei hell-e Kinder-«
lleider flatterten auf und dann hing
rechts und links je einer der zehnjähri
aen Frechlinae am Arm des Assessors,
zu beiden Seiten blickten ein Paar
Taugenichtsauqen zärtlich aus und
zwei beerenbeschmierte Mänlchen stag
trn: »Haben Sie uns auch etwas mit
gebracht?«
»Nein, Kinder, nein,« versicherte der
Assessor mit schmerzlichem Lächeln
und blickte auf die Aermel seines hel
len Sommeranzuaes, den die nicht all
zu reinlichen Hände umllammerten.
»Ich konnte euch nichts mitbringen,
wußte ich doch nicht, daß ich euch auf
meinem Spazieraanae traf.«
Links und rechts verzog sich schmol
lend ein Mäulchen· Dann fragte Willn
leck: ,,Wus3ten Sie denn auch nicht,
daß Frieda im Walde ist?«
»Woh« sollte ich das denn tvissen,"
J sprach wzhmiithiq der junge Mann.
Willy sab Lilly, Lilly iah Willn an.
Dann lnusften sie sich hinter desAsseF
- sors Rücken und brachen in ein toll-s
! Gelächter aus.
Dieser zwana sein empöries Ge
miiih zur Ruhe. «Wo ist denn Fräu
lein Elstiede2« fraate er harmlos.
»Allo. Sie wollen sie doch einmal
besuchen « meinte Lillv mit einem Ver
such, aus ihrer Heiterkeit in seltsamen
Ernst überzugehen. »Die wird sich
sicher freuen.«
«Glaubst du?«
»Gewiß, ich weiß, daß sie sich sreui,«
versicherten beide, dann zuckte es wie
der in ihren Schelmengesichtern, und
ohne ersichtlichen Grund begann noch
mals ihr beleidigendes Lachen. El
iriedse hatte sich von dem Rasen am
Waldrand erhoben, wo sie Becken in
ein Körbchen ordnete, und war auf
lden Lärm hin einiae Schritte den
Kommenden entgegen· angen.
»Irieda, der Herr gekeift-»Triin
ten die «-Z;oillinge und schleppten den
Freier im Geschwindschritt heran.
»Kinder, schämt ihr euch denn
nicht?« zürnte Elftiede. Dann schritt
sie aus den jungen Mann zu und
reichte ihm erröthend die Hand.
»Welches Glück, Sie hier zu tref
sen,« sprach strahlend der Assessor.
»Er iit ganz zufällig in den Wald
getornnien,« rief Lilln, und Willh setzte
hinzu: »Er hat uns deshalb auch
nichts mitgebracht.'·
»Aber Kinder, ihr seid ja unver
schämt,« schalt Elfriede. »Verzeihen
Sie, Herr Assessor, die Kinder wach
sen, seit wir hier auf dein Lande woh
nen, wirklich auf ioie die Witten.
Papa ist zu nachsichtig, und Sie ten
nen ja seine Schtoärmerei jiir natür
liche Erziehung«
Der junge Mann machte ein Gesicht,
als sei er imstande, alle Ungezogen
heiten der lieben Jugend in einein ver
llärenden Lichte zu sehen. Ein guter
Gedanke war ihm gekommen. Er zog
ein Geldsstiicl hervor und sagte lächelnd
u den Kindern: »Ich muß mich ent
fchuldigem dasj ich die übliche Düte
vergessen habe, aber ihr habt flinle
Beine und seid gewiß in zehn Minu
ten big zum Konditor am Markte ge
laufen. »Dort lauft ihr euch etwas
Leckereg.«
Di: Zwillinge erhoben ein Freuden
gehseul Ian rannten mit dem Geldstück
davon. während der Assessor mit- der
lbealiictten Miene eines Mannes, der
»alle Hindernisse vor seinem Ziele be—
seitigt sieht, sich wieder an Elfriede
wandte nnd abermals begann, in de
.redteu Worten dan Glück diese-Z Ztt
- sainnientreffsens in Preisen.
Jedoch die Zwillinge blieben nach
hundert Schritten schon stehen und
dertiejten fidi in einen erregten Flü
ster-Disput. Dann schlenderte Willy «
zurück und Lillh folgte mit verdrosse
ner Miene.
»Lillh will nicht aehen,« schmolltc «
Wälle
»"Willh meint, ich müsse alle Wege
laufen,« sagte Lilly.
»Aber ihr konntet doch zusammen
gehen,« meinte Elfriede mit einer Ver-—
drossenheit. die den Afsessor entzückte.
Es ist doch nicht nöthig, daß wir
beide durch die Hitze rennen, erklärten
die Zwillinge entrüstet. »Dann war
ten wir lieber bis heute Adend.« Sie
nahmen eine tugendhastaleichziiltige
sMiene an und ließen sich hinter dein
sPaare im Grase nieder. Bald aber
begann wieder ihr Getuschel nnd Ge
kicher, das jeder Blick, den die Schme
ster oder der Assessor ihnen zuwarsen,
zu einem unerrtiirlichen Lachen mit
zusammengesteckten Köpfien steigerte·
l
l
Jn dem jungen Manne kochte der Acr- «
ger, aber er bezwang sich« nnd nach .
einem von allgemeinen Rede.oendun
sähen ausgefüllten Gespräch mit seiner
J achbetrin, fragte er freundlich zu den
Zwillingen hingewendet: »Wald ihr
mir denn nicht einige tirdheeren pslil
cken?«
Sie waren beide sosort bereit, der
gestalt ihre Dankbarkeit auszudrücken
Aber sie entfernten sich nicht weit von
dern Paare, das sie nicht aus den Aus
gen ließen. Bald kam Willy zurück
mit der bedauernden Erklärung: »Ich
sinde kein Eerdbeeren mehr!«
»Ich habe etwa-Z- schkie Liny inm
laut. Sie rannte herbei und hielt
Willh die ansaestredte Hand hin, aus
der ein braune-s Grasfröschchen
sprang. »Pfui! So ein etligsxs
Thier," kreischte diese; sie sprang zu
rück nnd stieß dabei undermuthei den
vor ihr sitzenden Vlsfessor derart an,
daß dessen heller Strohhut abfiel und
wie eine Scheibe den Wiesenhana hin
unter tollerte.
»Der Hut, der Hutt« janchzten die
W:fl!
,Oluculllti«c UllU sUsllclc Ullltcc MIU
Flüchtling her wie junge Dachghnnoe
hinter einein rollenden Garnkniiuel
»Die Ungezoaenheit ist wirklich iu
arg," sagte Elsriede, entrüstet aus
stehend
Aber der Assessor sprach mit fliegen
den, stockenden Worten! »Endlich ein
Augenblick des Alleinseins, theure El
friede! Seit Wochen sehne ich mich
danach, Jhnen endlich einmal sagen
zu können, wie sehr ich Sie liebe, Sie
zu fragen« --«
Mehr war nicht nöthig. Ein glü
hendeg Noth stieg in das Gesicht El
srieden5. Berschiimt hob sie ihre Au
gen und sank dann an die Brust des
jungen Mannes, der einen Kuß aus
ihre frischen Lippen drückte.
Da erschallten auch schon wieder die
Stimmen der Zwillinge »Lillh,
Lilly,« schrie Willen »er bat sie endlich
geküßt, ich habe es- aesehen!« Eilig
rannten die Tauaenichtse mit dem H it
herauf zu dein Paare, das sie, eng
umschlungen, erwartete. thhemlos
fragte Willht »Habt ihr euch wirklich
einmal gekiißt?« Lillh setzte obr
tvurfsvoll hinzu: »Warum habt ihr
es nicht aethan, als wir dabei waren.
all die Zeit haben wir schon daraus
gewartetli«
Man stieg abwärts- der Villa u, die
Zwillinae voraus in tollem «agen,
bald Willh vor Lillt), bald Lillh vor
Willy. »Papa, Papa,« hörte das
Liebeöpaar, das ihnen langsam und
mit häufigen Kuhunterbrechnngen
folgte, sie bald unten im Garten rn
sen, »Papa, Frieden der Herr Assessosrk
Sicher, wir haben es gesehen!« —
Vater Viertvea war außer sich vor
Erstaunen, Glück und Zärtlichkeit.
»Mein lieber Herr Assessor,« sagte er,
..liebe lMicha, ihr habt meinen reich
sten Sen-en. Ihr habt beide gut ge
wählt, ihr werdet glücklich sein. Na
türliche Menschen zeigen-stets ein rich
tiges Eint-sinken fühlen sich zueina
ber hingezogen.«
Er betca tete sie getiikrh sein gn
tes Antlitz kablte. We in Mäg
Selbstvetaessenbeit murmeiie et: «
tiiriiche Menschen sind giste Menschen«
werben glückliche Menschen. Und ie
det Mensch ist nichts als ein Produtt
z von Geburt und Erziehung.«
Bissine Kritik.
» Kritiker: »Ja, ja, zwischen Ihnen ·
und Homer giebt es nur einen Unter
schied.« «
Dichter: »Und der isttM
Kritiker: ,,Homer schrieb ins
Schlafe und Sie schlafen. wenn Sie
schreiben.«
Gut geschmeichelt.
Herr: »Ach, Fräulein, Sie sind der
reinste Moses-»F
Fräulein: »Wie so?«
Herr: »Nun, Sie schweben so.«
Falsch ansqesaßt
Dame: »Was muß ich sehen, Auns,
Sie haben einen Schatz?«
Dienstmädchen: »Ja, gnädige Fran,
zwei sind mir zu viel.'«
Erklärt
»Wa9 ist eigentlich der Vater von
Deinem Schatz?«
,,Chemiker.«
»Drum sagtest Du auch, sie wäre
ein ätberischeg Wiesen«
Druckfehler-.
Der Schlächtermeister lag, als die
Frkunoe ihn abholen wollten, noch in
seinem Tfett (Veti) und schnarchte
Tic praktische Frau.
kirrt. »Aber liebe Frau, schon wie
oer einen neuen Hut. Dein Vorigek ist
noch ganz gut erhalten«
Sie: »Den tannst Du ja süt Dich
nmändern lassen!«
Selbstbewußt
Bseriihmter Dichter: »Wollen Sie
die Meine sein« Ema? . . . O sagen
Sie ja, und Sie machen mich zu
Giiieiiichsien ver —— Unsterblichen!«
Darum. -
As »Mit dem Lehrer, der meinen
Sohn unterrichtet, bin ich sehr zufrie
den«
B.: »Ihr Sohn ist doch beim Exa
men durchs efallen?!«
Au »Wohl, aber der Lehrer hei
rathe: meine Tochterf
Unverfroren.
»Das ist doch nein zum Verzweisels
mit ihnen, Lisette! Ich warte jesl
dereitge ine volle Stunde auf Sie!«
»Ja, ja gnädige Frau; man glaubt
gar nicht, wie lang einem die Zeif
wird, wenn man tvartet.«
Rahmen
»Frau, ich hade Dir hier das Werk
von Nanssen, »Jn der Nacht und
Eis-« , mitgebracht Wenn Du das in·
den iiisschrank ieqst, ersparst Du das
Lsis «
Mißversnindnifs.
»Was hattet Jhr denn heute in det
Erhnleksp
»Wir haben Sätze iiber den Tisch
gemacht«
»Ja, war denn Turnstunde?«
Zweit-entity
Lehrerin (in der Geographiesinns
de: »Zaan Sie mir, Ella, wodurch
ist siiifznacht beoeutungsdoll?«
Zehiileritn »Es ist das Ziel vieler
Hochzeitsreisender.«
tssin maanetischeg Experiment
Wenn man bei trockenem Wetter
über ein dünne-Es Blatt Papier mit
einer Bürste oder mit der Handsliiche
verschiedene Male auf- und abstteicht,
so Tvird man finden, daß das Papier
in ganz kurzer Zeit in so hohem Grade
magnetisch geworden ist, daß es M
der band oder am Zeug festhält. Di
ckereg Papier, z. vB· eine Posttarte«
l J
wenn in derselben Weise magnetiich
gemacht, lviro kleine Sachen wie Kot-k
theilchen u. s. w. anziehen.
Wenn man z. B. einen Spazisrlflock
ans der Lehne eines Stuhles b au
(-irt, so sviro der Stock herunterhlley
ohne das-, man itin anfofzt, ihn it end
tvie bewent oder an den Stuhl r htt.
Alles-, was Inan zu thun braucht, ist,
eine Posttarte iiber ein Licht oder eine
Lampe zu halten, bis sie ganz warm
oder trocten «ft; dann reibt man sie
auf kam Noelånnet und hält die Karte
annz dicht an Den Stock, welcher der
Karte folgen wiw, gerade wie eine
Ida-del einem Maaneten. bis der Stock
von selbst zur Erde fällt.