Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 03, 1902, Sonntags-Blatt, Image 13

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    AschenbrddeL
Sitz-e von Il. Rittweser.
Sie war tein Stiefiind, wie Aschen
brodel im Märchen, sie hatte einen
rechten Vater und eine rechte Mutter-.
Sie war nur ein Stieftind der Natur
die kleine Marthen ein häßlichet Ge
schöpfchen, nicht liebenswürdig, nicht
drollia. Es gab ieine niedlichen
Anetdötchen von ihr u berichten, wie
von den meisten tfeinen Kindern.
Gans anders war Isie, als ihre Ge
schtv ster, die alle gei tig und körperlich
glücklich begabt waren.
Millas goldblondei Oaar und ihr
schimmernder Teint waren eine Se
henswiirdigteiL Ostar. der außeror
dentlich musitalisch, hielt von kleinan
mit seinem Talent die ganze Ver
wandtschaft in Athen Fris, geistig
hervorragend, war in der Schule stets
der Erste.
Und Cvchen, das Nesthiitchen —- so
was gab’5 überhaupt nicht mehr!
Unter diesem außergewöhnlichen
Geichwifiertreis wuchs Aschenbrödci
chen unbeachtet auf. Sie war ein
ganz wunderliches Persönchen, klein,
mager, rnit einem ältlichen Gesicht; sie
trug noch lurze Röckchen, als ihre
Stirn s on gesaltet war.
Die ltern gaben sich nicht die
Mühe, die Eigenart des scheuen Kin
des zu itudirem Es war zu uninter
essant. So drückte unbeachtet sich
Martba umher, immer ängstlich be
müht, Niemand zu stören, dabei aber,
sobald sie dazu fäbia war, unermüd
lich foraend fiir Aller Behagen. Ganz
in der Stille. Man merlte gar nicht,
daß Aschenbrödel ihre Schulfiichezin
Ordnung hielt, und der geniale Us
lar wäre sicher jeden Tag zu spät zur
Schule gelommem wenn Marthci ihm
nicht siets am Abend alles zurecht ge
legt hätte. Sie kannte seinen Stun
denplan austrendig und sie packte vor
Schlasenaehen seine Bücher zusammen
und eraänzte die fehlenden Löschblät
ter in den besten. Dann sah sie seine
Kleider nach und slickte ihm die abge
rissenen Knäpse an.
Mama war so sehr in Anspruch ar
nommen durch gesellige Pflichten, die
konnte das nicht alles so beobachten
und dann gaW früh immer einen sol
chen Ausstand: Rasen und Schelten,
und das war Martha schrecklich.
Dem lustigen Franz lonnte sie we
nig zulieb thun, der wurde selbst ser
tig. Nur ihre Sparpsennige opferte
sie ihm gern, denn er reichte nie mit
seinem Taschengetdr. Sie schob ihm
gunz heimlich von dem ihren in die
asche: um die Welt nicht hätte sie es
ossen gethan. Das hätte ja ausge
sehen, als sollte er sich bedanlen, da
hätte sie sich wirklich schämen müssen.
Sie brauchte ja sür sich sast lein Geld
«- Evchen ma te ihr am meisten zu
schassen. Die leine hatte zwar einen
hellen Kons, aber lernen mochte sie
durchaus nicht. Da saß Martha am
Abend ost stundenlang und rechnete
mit ihr und überhörte Gesichte utid
Botabeln und sah den Aussas durch,
und zulehL wenn das süße Geschöpf:
chen schlastrunlen wurde, dann half
sie ihr bereitwillig heim Aiisiiehem
and dann, wenn das hübsch-e Kind in
den Kissen ruhte, dann wagte es die
häßliche Martha, die seidigen Haare
zu liissen und ihre maaete Wanae In
das rosiae, weiche Gesicht zu drücken.
Für die Eltern lonnte Martha nicht
diel thun, dem Vater die Zeitunz
neben die Tasse leqen und den Asch:
decher und vie Streichhälzer bereit
stellen, was das Stubenmädchen stets
vergaß; in aller Frühe ausstehen und
den Geschioisiern die Butterbrode siir
die Schule sertia machen und sorgen,
das; alles hübsch leise zuaing, damit
Mamas Schlummer nicht gestört
wurde, sonst nicht-«
Daß sie bei all diesen Diensten aus
ihre etaenen lHillulctroeucn nrazr Hi
nua Zeit ver-neuern konnte, tlmt ihr
zioar leib, aber er- licß sich nicht än
vern
Und ans sie tcrn’g ja auch nicht wei:
tet an. Zielen ihre Censuren mässiq
aus« dann lächelten bie Eltern, wenn
fi-. gut aestimmt waren. nachsickktig so,
als wollten sie sag-en: Gott« es handelt
sich ia nur um Marthe-, bag arme
Kind kamst- nicht besser.
Sonst aber hieß eg:
»Weißt Du, Martin-. Du diirstest
Dich schon etwas mehr anstrengen.
Wer so wenig Aenßerez dat, soll-e
doppelt bemiiist sein, etwas Tiichtigeä
zu lernen. Nimm Dir ein Beispiel
an der kleinen Sack«
Dasz die tleine Eva ibre guten Cen
suri:n nur der Schwester zu sanken
batte, das wußte Niemand, es sachte
wenigstens Niemand daran
We Selmleeit ist vorüber. Martin
ist kein fröhlicher Baaiisch und sie bat
keine Blüthe-Kit.
Istan verloibt sich und Martha darf
Mißia an der Aussteuer arbeiten.
ama sann das Sitzen an oer Ma
schine nicht vertraan, und Millas
Zeit gehört der Pflege ibres schönen
Körpers und bem Bräutiaam.
Ostar tst ans rem Conservatorium;
er schidt alle brei Wochen seine Wäsche
nach Hause. Martba bliittet sie unb
bessert alle Schaden aus. Wer ihm
pas so nett besorat. das erfährt Oskar
ar nicht· Er bedankt sich stets bei
, r aeliebten Manna, vie siir ihren
- äiinltlersobM ein ganz besonderes
sen-le hal. ,
.. Frau-h der Primaner, giebt dem
" Is enbriivel jetzt besonders viel zg
rathen aus. Weiß sie, daß er Abend
heimlich knetpen geht« dann macht sie
" in tbrem kleinen dinterstiibchem wec
ches zualeich als Garderobe dient, bis
er zuritekkoinmt. Hört sie endlich Lei
nen Schritt auf der Treppe, dann offk
net sie ihm die Flurthiir so leise als
ins ich. Papa soll nichts merken.
un iit auch« das Nefthiikchen kein
Schulmädel mehr, sondern ein rei en
der Baekfisch, der zur Tanzstu or
sieht. Das »iebt wie-der ein-e Menge
Arbeit fiir artha. Edchen triiai
stets weiße Kleider und sie ieht jedes
nur einmal an. Dann mii Martha
es frisch machen. Edchen ist der Stern
der Tanzftunde und ihre reizenden
Toiletten werden stets bewundert. Es
sind ganz einfache Stoffe, aber so be
onders sauber hergerichtet. Und im
mer hat sie eine frische Nosenknospe
im Gürtel.
Martha zieht an ihrem Fenster
fahrauö, jahrein Monatsrofen und
gern schneidet sie der lieblichen Schwe
ster die schönsten ab.
Man kommt mit ihrem Bahn zu
Besuch. Die ganze tleine Ausstattiiiig
bat Martha gestichelt; Nächtelang hat
sie dabei aufgesessen.
Der ganze Haushalt ruht jetzt auf
Aschenbrödels schmalen Schultern, die
sich unter der Last schon fast nach vorn
neigen. Die Mama ist so nervös; sie
braucht ihre Kräfte fiir die Geselliq
leit. " Und das Leben ist so theuer;
man kann keine Köchin mehr halten«
da ist«-E gut, daf; Martha, die sonst
doch zu nichts zu gebrauchen ist, si
»weniastens« auf diese Art nützli
machen tann. Auf jugendliche Freu
den hat sie bei ihrer äußeren Erschei
nung und bei ihrem scheuen Wesen fa
doch keinen Anspruch. Man würde sie
zeitlebens im Haus behalten müssen.
Zur Ausbildung fiir einen Beruf ist
sie nicht beaabt genug. Es ist wirklich
trauria fiir die Eltern, eine Tochter
zu haben, die eine atte Jiin fer wer
den idird· An eine Heirath ift ja nicht
zu denken.
im»ii». wish Hm »ko- Denn-rieth
—
Es tommt ein Erlöser fiir sie. Kein
Prinz, wie im Märchen —- Aschener
del ist ja nicht schön — sondern der
rosze Erlöser Tod. Noch nicht 23
Fahre all, legt sie sich hin und stirbt.
erade als Eochen Hochzeit ehaht
hat mit dem Mann, den die sti e, ta
lentlofe, häßliche Martha im tiefsten
herzen geliebt,-bei dessen Schritt sie
innerlich gezittert hat, dessen Stimme
sie erbeben ließ nnd der sie so wenig se
beachtet hat, wie die Anderen es. he
than. Ja, ein paar Taae nach die er
Hochzeit stirbt sie. Es ist eigentlich
riietfichtslos, daß sie gerade jetzt stirbt.
Maan hat eine Badereise so nöthig
— nun verschlingen die Kosten der
Beerdiauna einen Theil der verfügba
ren Mittel. Die lebende Martha hat
fo verschwindend wenig gebraucht, hat
immer vorlieh genommen mit dem,
was iihri war. Die todte Tochter
des angesFehenen hause-Z mus? doch
ftandesgemäsz bearaben werden.
Und wer soll nun den Papa versor
gen? Und Milla hat ihre zwei Kin
der da lassen wollen. Sie sind so leh
haft, und die schöne Mutter siirchtet,
zu schnell zu verbliihen, wenn sie sich
nicht kzwischendurch etwas entlastet.
Später wollte Oslar tommen, um
in häuslicher Pfleae eine ariiszere Com
position zu vollenden. Franz, der sehr
slotte Student, hat im Stillen aus
Marthas Sparpfenniae gehofst —- er
steckt immer in Schulden. Hätte er
nur eher gesprochen!
Es herrscht wirklich in der ganzen
Familie aufrichtige Trauer darüber,
daß ein Dasein ansaelöscht ist, auf
welches lein Mensch je Werth gelegt
hat. Man hat die häßliche Martha
bei Lebzeiten mit in den Kan genom
men, so aewissermasren als nothwen
diaes llebeL Nun stört ihr Tod alle
Pläne und Berechnungen, und man
ist geneigt ihr zu zürnen, daß sie so
zur llnzeit qeqanqen tit.
Die entsernteren Bekannten der Fa
milie sind ganz überrascht von der
Tok:s--.1nieiae. Sie haben gar nicht
aezvufzt, Das-, Im noch eine Tochter ge
wesen ist, ausser Man und Euch , so
ein AschenbrödeL
Niemand weiß, daß dieses Aschen
lsrödcl der qule Engel Des Hauses ge
mean ist. Nicht einmal die Eltern
uno die Welch-nistet luden es gewußt
Jiiemand hat ihr je ein anerkennendeg
Wort uesaac, Niemand hat quian
Das-, ein innqu warme-D Hebeln-Dürf
tiqeg Herz in der unscheintnren Hülle
ncichlssm lit. llno nun grollen sie
dein Ilschcnarijch Daß esJ new-Fu hat,
dein tliui feines Bring-en zu folg-en
und an feiner Hand auc- einern Leben
voll Mühe und Arbeit ung- Herzens
einsamtcn in ein lichieres Dasein zu
sliiclzlen
— —---.----—
Stunde-krank
L I ( M U
»F - X «
N -
s-.
-... — , Z
S-- .
,,Du, Lisette, ich glaube, der Herr
auf No.12 ist ein großer Freund vom
Kneipen.«
»Ach, das ginge noch, wenn er nur
nicht immer tiisseu wogte-« J
Jn Vertretung.
Humoresle von Julius Knopf·
Als der junge Doktor Paul Schrit
der bei seinem Freunde. dem Schrift
steller Hans Erhard eintrat, blieb ihm
der Glüelwunsch in der Kehle stecken.
»Herr Gott,« plahte et heraus, »ich
komme, um meine Antbeilnahme an
Deinem Erfolge zu bethiitigem und
Du machst ein Gesicht, als wenn Dein
neuestes Trauerspiel im Hoftheater zu
Krojante mi; Glanz durchgerasselt
ware.«
Der junge Schriftsteller beachtete die
spöttische Rede seines Freundes nicht«
sondern ging grimmig im Zimmer aus
und ab.
»Na, fvas ist Dir denn eigentlich?«
fragte der Freund endlich. Da blieb
Erhard vor dem Arzte stehen und
seufzte: .
»Ich bin in einer berzweifelten
Stimmung Denke Dir also: Der
Männergefancverein von Rumrnels
roda schrieb einen Preis für das beste
lhrische Gedicht aus. Jch bewarb mich
und erhielt den Preis.«
»Ich weiß,« fiel der Doktor ein,
,,trotzdem Dein Gedicht, unter uns ge
sagt, nicht viel taugte.«
Der Schriftsteller lächelte: »Das ist
immer so; bei Preisausschreiben wer
den die guten Arbeiten niemals männ
lirt; aber höre weiter: der Preis be
steht in einem freien bierwöchentlichen
Aufenthalt in Nummelsroda und in
baaren fünfhundert Mark. Diese,
unddas ist die versteckte Klausel, wer
den aber erst nach beendigtem Aufent
halt ausbezahli. Jch würde nun gegen
den Aufenthalt nichts einzuwenden
haben, aber die Sache ist die: Jeh ver
ehre Fräulein Halden, Du weißt, die
junge Schauspielerinvom Deutschen
Theater; und sie scheint mir auch
Avancen zu machen; als selbstverständ
lich nimmt sie jedoch an, daß ich, gleich
ibk ist-O nackt Mioälmhpn neb- nm sie
gaftirt. Wenn ich das nicht thun
wollte . . .ich weiß nicht, was sie da
zu sagen würde. Nach Nummelsroda
zu gehen, ift mir alfo unmöglich Die
fünfhundert Mart schießen zu lassen,
möchte ich aber auch nicht. — Was
soll ich thun?«
Der Arzt überlegte. Nun war s an
ihm, im Zimmer umherzuwandern.
Endlich blieb er stehen: »Ich hasz
Die guten eute in Nummelsroda len
nen Dich och nicht?«
Der Dichter verneinte.
»Nun wohl, so werde ich an Deiner
Stelle nach Rummelsroda gehen. Vier
Wochen Landaufentbalt werden mir
ganz dienlich fein, und die fünfhundert
Mart, die man mir zum Schlusse ein
händigen wird, trieqft Du umgebend
von mir zugefanth —- Allerdings
meine Patienten»
Der Schriftsteller lächelte malitiiis.
»Deine Patienten? —- mein kleiner
Neffe kann sie zählen, und der kennt
die Zahlen nur bis zur fünfzehn«
»Wenn« Du faule Witze machen
willst.
-—-— Der Arzt war an feiner em
pfindlichsten Stelle getroffen.
Erhard wintte ab. »Laß man, ich
bin Dir fehr dantar und mit der Sache
einverstanden, aber vorher mußt Du
fiir die Rummelsrodaer ein-en Dichter
habitus annehmen. »Du, mit dem ab
rafxrten Kopf,« er zeigte auf desFreun
des auf drei Millimetet gefchnittenes
C--- m--IJ This sm- «lls- Nin-Un
»,,.... ,. ,......». ».. --. -..... -...»...
die Haare wachsen lassen, so schnell wie
möglich. Ferner taufse Dir einen
Schlappbut und eine rathe Ueberbrettl
weste und eine Aünstlertravatte, dann
lannst Du vielleicht halbwegs ans
sehen, wie ein moderner Dichter. Var
allen Dingen aber tause Dir meine
angesammelten Werte für zwanzia
Mart.«
Der Arzt war fchreclensbleich ge
worden:
»Deine Werke — iausen?«
Der Dichter beruhiate ihn: »Du
brauchst sie ja nicht zu lesen.«
Man unterhielt sich noch ein Stünd
chen über den Gegenstand und brachte
die Angelegenlseitdallends in’s Reine.
Einige Wochen später reiste Schröss
der nach vorheriger Anmeldung nach
Rummelsrada
Feierlich ward er von dem Männer
gesanaverein empfanaen. Der Dirigent
oer Stadttavelle hatte einige der Er
hard’schen Lieder in Musik gesetzt, und
der Verein fana sie. Es war eine
einenthümliche Musik, bald tlang’s
nach Lohenqrin, bald nach der Geisha,
und der Schluß ertönte wie der Re
srain der Giaerltöniain, aber das
störte die Weibe des Augenblicks nicht,
man war gerührt und fand alles sehr
schön.
Wunderbare Taae begannen jetzt für
Schröder. Er ward angestaunt als
»unser Dichter« und bei den Handw
tiouen eingeführt und zu Tisch gela
den. Man aab ihm zu Ehren Fest
essen, arranairte Feste, italienische
Nächte —— turz ganz Rumrnelsroda
war verrückt geworden.
Der Aufenthalt wäre ihm auf die
Dauer doch ermüdend gewesen, wenn
er nicht in die Familie des Vorsitzenden
des Rummelsrodaer Männergesang
vereinö eingeführt worden wäre. Die
ser Präsident besaß eine Tochter —
eine Tochter, bei derenAnblict Paul’ö
herz höher schlug. Brldhübsch, jung,
etwas phantastisch, aber unverdorbe
nen Gemüthes —- ganz fein Fall. Und
diese Anni Böhme schien auch ihn recht
gern zu sehen; zwar kam eö ihm vor,
als wenn ein ut Theil ihrer Vereh
rung dem Dich er galte; aber troydern
—er war doch ein ganz hübscher
iMensch warum sollte ihm seine Wer
s bang nicht gelingen.
! Eines schönen Abends, die Nachti
gallen schlugen und die Linden daste
-te»n in der üblichen Weise, da konnte er
nicht mehr an sich halten, fiel ihr mii
Pathos zuFiißen und erklärte ihr seine
"Liehe. Erröthend und mit einiger
Mühe —- er wag an achtzig Kilo —
hob sie ihn zu sich empor und schmiegte
ihr biondes Köpfchen an seine breite
;Dichterbrust. Zärtlich erwiderte sie
seine Küsse. Während einer turzen
Ruhepause hob sie die Augen zu ihm
empor und slötete: »Wie singst Du
vweh so schön in einem Deiner herrli
schen Gedicht-U
»Wenn ich einmal ein Weib gesunden,
Dem ich von Herzen Zugethan...«
sie stockte und sah ihn fragend an:
»Wie geht’s weiter-, Gesichter-— schnell
—- schnell?«
Er war in tödtlicker Berlegenheit
und sluchte aus sämmtliche Dichter der
Welt, besonders auf seinen Freund
Hans Erhartn Jhr ietzt alles gestehen,
in dieser weihevolleu Stunde, das
hätte alles verderben können: darum
stotterte er nur hervor: »Ich weiß
nicht; ich weiß iwirklich nicht.«
Erstaunt und befremdet trat sie
einen Schritt zurück: »Du weißt es
nicht«-«
Er hatte aber seine Fassung bereits
wiedergefunden und warf sich in die
Brust: »Nein; überhaupt wir Dichter,
wenn wir ’mal wag geschrieben haben,
dann ist’s fiir uns erledigt, dann neh
men neue, große Gedanken uns sofort
wieder in Anspruch«
Das leuchtete ihr ein· Jhr Liebes
spiel begann aufs Neue.
Am anderen Tag warf sich’Dr. med.
Paul Schröder in die nöthige seierliche
Uniform: Frau, Klari, Lack und stol
perte zu Herrn Böhme· Er tras’s glück
lich, die ganze Familie, Vater, Mut
ter, Tochter, waren zu Hause. Die
alte Frau Böhme schien nicht ganz un
vorbereitet. Als Schrover seine Bewer
bung vorbrachte, siel sie durchaus nicht
vorUeberrasch1:ng um, sondern lächelte
— zufrieden; auch Herrn Böhme’s
Gesicht strahlte vor Wonne: ein Dich
ter in der Familie, das gab Relies.
Ha, wie das klang, wenn er sagte:
mein Sohn, der Dichter; sämmtliche
Bewohner von Rummelsroda und
Umgegend würden vor Neid bersten
Jn gerührtem, salbungsvollem Tone
gab er oie Eintvilligung. Er werde
ihm zwar schwer, sich von seinemKinde
zu trennen-die Mutter weinte ein
paar Tränen und schluchzte —- aber
das sei nun einmal Gottes Bestim
mung und dergleichen. Der Vater gab
seinen Segen, die Mutter gab ihren
Segen » ein Kußbombardement —
und Schriider war glücklich verlobt.
Als man beim Verlobungsmahl
saß, meinte Vater Böhme in plötzlicher
Eingebung: »Wissen Sie, lieber
Schwiegersobn, da Sie nun doch ein
mal ein Dichter sind, so könnten Sie
uns doch eigentlich lsum morgigen
Stiftungsfest unseres Männergesang
ocreins ein schwungsoolleg Gedicht
schreiben-"
»Aber ich kann ja gar nicht dichten!«
entrang es sich rein Munde des Ge
peinigten.
»Er ist verrückt geworden,« schrie
der Schwiegervater entsetzt: ,,er weiß
nicht mehr, daß er dichten tann.«
Die Braut treischte vor Schrecklant
aus und sah den Ungliicklichen scheu
von der Seite an.
Schröder faßte einen heroischen
Entschluß:
»Nein, nein, meine Herrschaften,«.ch
bin nicht verrückt neworden, im Gegen
theil, ich bin ein ganz gesunder Junge,
so gesund, daß ich nicht einmal Ge
dichte mzkse·« Und nun erzählte er,
--n m-' fö«-·I-n«s«- FOR-ine- hqnn M;4
..» »..»....».. ...«.
freierem Herzen, den erstaunt aufbin
chenden Böhmes eine Geschichte, wie
man Dichter wird. Als er geendet,
sah er verstohlen seine Braut an. Sie
bemerkte es und trat auf ihn zu,
drückte ihm bie Hand und sagte: »Daß
Du tein Dichter bist, iit zwar ein gro
szes Unglück, aber ich habe Dich auch
so lieb.«
Erleichtert athmete der Arzt auf,
während der alte Böhme wie eine
hungrige Hhäne auf und ab lief: »Aber
Ajlenschenitino Unaiiietswurm,Schrö-s
der, aus der Verlobung kann ja gar
nichts werden, wag soll ich denn mei
nen Nuntnielgrodaer Mitbiirgern sa
aen, die Eie nur als Dichter Hans
Erharb kennen?«
»Ach, wenn’s weiter nichts is.« Der
praktische Arzt war wieder oben aus.
»Wir halten einfach die Verlobung ge
heim, bis iuir die fünfhundert Mark
aus-gebändigt sind, und alles andere
wird sich schon finden.«
Und das andere fand sich auch. Der
Rummelsrodaer Gesangverein machte
lzwar »in corpore« ein sehr saueres
Gesicht, als er von der Täuschung er
fuhr, tröstete sich aber bald, da sich der
wirkliche Dichter auf Schröbers tele
graphische Anfrage bereit erklärte, im
nächsten Jahre seine Flitterwochen in
Rummelsroda zu verleben, zur Heb
ung des Rummelsrodacr Fremd-erwer
kehrs.
----, sue-·
Am Ende des Monat-.
»Wicviel Uhr haben Sie, Herr Stu
biosus?«
»Aber Fräulein Lina, wie können
Sie so indistret fragen?«
Gemm.
Arzt: »Wo haben Sie denn
Schmerzen?«
tgrosessor der Geographiex .Am
Fu e, nördlich der Ferse.«
Eine heitere prüfung.
Humoresle von Walter Michel
In feinem Studierzimmer saß der
berr Professor Claudius und suchte in
einem Folianten Stoff aus fiir das
Examen des Kam-innrem welchen er
erwartete. Während er noch damit
befchiiftiat war, wurde an die Thiir
»Mopr
Es trat ein junger Mann im
schwarzen Frack ein.
»Herr Professor-, ich —- —««
,,E-rlauben Sie mal, Herr, man
fällt doch nicht fo mit der Thüre ins
Haus,« saate der Professor.
»Wie heißen Sir?"
»Guitnv. Herr Professor.«
,.Vaierånamen!«
»ch»Guflav Pahlte, Herr Professor,
l —«
»Nun warten Sie doch ab. Uebri
«eng tommen Sie mir sehr bekannt
oo »s«
»Ja, Herr Professor, ich —- ——« «
»Ach weiß, ich weiß, Sie haben
meine Vorlesungen fleißig besucht, das
kann ich Jlmen attestiren. Nun werde
ich Sie also in der Geschichte prüfen.
Was missen Sie von Karl dem
Dicken?«
Der iunqe Mann blickte den Profes
sor verstört an. .
»Er iit offenbar nicht gut vorberei
tet,« sachte der Professor.
,,’;lt«.1n,« wiederholte er, »was wissen
Sie von Karl dem Dicken?«
»Ach, der dicke Karl —- ja, von dem
weiß icb so manches, aber ich weisz
nicht, ob ich es sagen darf —- er be
trank sich alle Tage, und feine Frau
Evollte sicb auch bon ihm scheiden las
en — —«
,.Vielleicht wissen Sie mehr von
Karl dem Einfältigen,« meinte der
Professor ironisch.
»Ja, ich weiß nicht,« stotterte der
Gefraate, »es giebt so viele Karls, die
man nicht recht unterscheiden kann. Da
war z. B. einer, der immer alle Glä
k ----- kAlsiks —« .
s-· ov
..,..««., .
»Mann,« unterbrach ihn der Pro
fessor entrüstet, »Sie wollen doch nicht
etwa dumme Scherze machen?«
»Bewahre, Herr Professor, ich
wollte Sie nur fragen ——«
»Das wäre ja noch schöner,« unter
brach ihn der Professor erzürnt, »Sie
haben hier gar nichts zu fragen, son
dern nur ich. Nun sagen Sie mir,
welchen Einfluß hatte der Tod Lud
wig des Kindes aus die Geschichte
Frankreichs?«
»Herr Professor, ich kenne gar kein
Kind, das Ludtvia heißt. aber . . «
»Sie können mir ja icine Frage
beanitvorten.« «
»O bitte, Herr Professor, fragen
Sie doch nur.«
»Was wissen Sie von Barba
rossa?«
»Barbarossa bat Pleite gemacht,
jetzt heißt es Cafe Miiller.«
Der Professor sprang empört auf.
»Das geht mir denn doch zu wcit —
oder« — den gefraaten jungen Mann
anblickend —- ,,sollte es dei Ihnen nicht
ganz richtia sein?«
»Den Professor, so etwas hat mir
noch nicht niemand gesagt.«
»Mensch Sie wollen ein Aandidat
von der Philoloaie sein?«
»Nein, Herr Professor, ich bin nur
der Kellner vorn Moser’schen Wein-erei
stauranL«
»Ach richtig, Sie sind sa der Gustav
—- drum kamen Sie Inir so bekannt
vor.·-Aber wie kommen Sie nur auf
die Idee, sich in der Geschichte prüfen
lassen zu wollen?« ·
»Ich wollte ja aar nicht, Herr Pro
fessor, ich wurde nur hinüberaeschickt,
um Sie zu fragen, ob Sie nicht mit
dem Herrn Path« und dem Herrn
MAIOI clllc Latollplllllc Iplclcll Wot
len.«
—«—-.-.--——
Das wachsende Glasaugh
Jn Ceylon erzählt man sich eine
luftige Geschichte von einem Ther
pflanzer mit einem Glasauge. Er
wollte eines Tages feine Pflanzung
verlassen, tvufzte aber, baß die Einge
borenen mit der Arbeit aufhören
würden, sobald er nur fort wäre. Da
kam ihm ein glücklicher Gedanke. Er
rief die Leute zusammen und sagte fol
gendes zu ihnen: »Ich selbst werde ab
wesend fein, aber ich lasse eines mei
ner Augen hier, das Euch bei der Ar
beit beaufsichtigen wird.« Dann nahm
er zum größten Staunen der Einge
borenen sein Glas-arme heraus und
stellte es auf einen Baumstumpf.
Einige Zeit arbeiteten die Eingebores
nen wie die Elephanten, da fie sich
von dem Auge bewacht glaubten. Dann
aber tatn einem der Eingeborenen ein
fehr glücklicher Einfall. Er stellte ein
fach fein Efzgefchirr über das Auge.
Als die Eingeborenen nun sahen, daß
sie nicht mehr beobachtet wurden, leg
ten sich alle hin und schliefen friedlich
-.-.——·-.-—
Punkt
W
GE- .-·
Dame (der ein lHerr eben einen Ruf-,
gernubt): »Herr Doktor, Sie vergessen
sich!« — Herr: »Aber Fräulein Verthei,
wie lann ich in Jhrer Gegenwart noch
ap mich denken?1«
sollst-O
»Wie ich meinen Mann kennen
lerntei O, uns hat ein Spiel des
Zufalls zusammengefüer Als ich
ernst an den Ufern deö Bodenseet ri
menirte, glitt ich an einer adschliiss gen
Stelle aus, fiel in B Wasser und.
». . . ah und da ist der Her-er
mahl auch reingefallenW
Wer hat recht?
Alter Student (zu feinem Leibfuch
sen): »Da schreibt mir mein Alter
,,Lieber Sohn, wenn Du so fortfiiljrsh
wirst Du nicht mehr lange Student
scin,« und letzhin beim Rigorosunt
sagte mir der Rektor: »Wenn Sie f
fortfahren, werden Sie ewig Student
bleiben.« Jetzt möcht’ ich nur wissen,
wer von beiden recht haben wird?«
Ein Geschäftsgenir.
Maler: »Möchlen Sie sich nicht
auch mal bei mir malen lassen?«
Dame: »Sie scherzen wohl? —- ich
mit meinen drei Centnern!«
Maler: »Das macht nichts-; ich
male Sie einfach in Pasiell, da werden
Sie leicht und duftig wie ne Syl
phide; zum Fortblasen sag ich
Jhnen!«
Ganz einfach.
»Wenn ich nur wüßte, wie ich es
anfangen soll, meinen Mann mehr zu
Hause zu halten!«
»Kaner Sie ibm ein Automc s 1!«
»Aber dann ist er ja noch mehr
draußen!«
,,Doch nicht! Mein Mann hat sich
neulich eines angeschafft, und der
Arzt meinte, er müßte mindestens drei
Monate zu Hause bleiben!«
Der liebe Durst
Arzt: Gaben Sie iiber Durst zu
ilagen?« H
Patient: »Nein, . rr Doktor, über s
den freu’ ich mich immer!«
Ein Wieder-sehen.
Gräsin: ,,Also Sie sind Baronesse
v. Prillwitz; wir waren nämlich vor
18 Jahren zu Jhrer Taufe aufSchloß
Hochburq. Nein, wie Sie sich verän
oert haben!«
Sichercrn
Er: ,,. . . Wirst Du mich auch
nicht vergessen während meiner Abwe
fenheit?«
Sie: »Gewiß nicht, Arthur!«
Er: »Pump’ mir doch lieber noch
100 Dollarg!«
Summarisch.
»Wer ist kenn der Herr da am Ne
bentisch?«
»Ach! Das ist der Komponist
Klirnperingly, der der Welt seit lange
eine Oper und mir fünf Dollars
schuldig ist!«
Einkntlsiinilichk Logik. ·
»Kellner, was ist mit dem Wem
p.1sfirt? Der schmeckt ja nach Pro
pfen!«
,,Bitt’ um Entschuldiaunq, ich hol«
qleich einen andern -— Propfen!«
Vornrtlicillogk
»Glaubt-n Sie wirklich, daß es ein
Ungliiet bedeutet. wenn Dreizehn bei
Tische sitz-en’«.’«
»Hm . . . wenn nur für Zwölf ge
kocht ist —allerbings!«
Rassinitt.
»Warum läufst Du denn immer
mit Deinem Momenlapparat unrein
ander?«
»Ganz einfach, weil dann alle schö
nen Möbel stehen bleiben und die wü
sten vor mir davon laufen!«
Due- Wichtigere.
A.: »Man-r Sie aus ·Behrend’s
Hochzeit?«
B.: »Nein, sie ist ja verschoben
worden. An dein dazu bestimmten
Tage fand ein großes Damen-Rennen
statt und das mußte die Braut doch
mitmachen.«
Eine koulontc Schwiegermutter-.
Freier: . . . Frau Meyer, Ihr
Mädel wär’ mir schon recht —- aber
100 Dollars sind halt doch zu wenig
Mitgift!«
Marttfraut »Nun, dann geb’ ich
Jhna halt noch a’ scheene Gansleber
d’raus!«
Erste Arbeit.
Student iim Bette sich umdrehend
und auf die Ubr blickend): »Was,
schon 11 Uhr und ich habe noch gar
nicht-Z gearbeitet Da muß ich doch
schnell einen Zchoppen Bier trinken.«
Er kennt sic
Fram »Na, Männchen, was soll
ich denn heute Mittag tochen?«
Mann (inijrrisch): »Ach, srage
doch nicht erst lanqe, wenn ich auch
was bestelle, das ich nern esse, wenn's
sertia iit’, ist«-J doch immer was, das
Du gern ißt.«
Beim stossecttuttch.
Frau A. (svit3ia, um ein mitan.oe
sendes ,,fpäteg Mädchen« zu tränken):
»Meine Töchter gehen weg wie warme
Semineln!«
Altes Mädchen: »Ja, aber wer sie
nimmt, bekommt sie bald satt.«
Im Zorn.
Mann: «. . . Der nichtsnutzige
Kerl soll sofort hereinkonimen!«
Frau: » Aber warum DennitDu
bitt ja ohnedies schon sehr aufgeregt!«
Mann: »Er soll nur hereinkoins
Erkennt-um« ich ihn hinausschmeißes
ann.« "