Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 26, 1902, Sonntags-Blatt, Image 11

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    Eine perle von Köchin.
hin s si d D
o n n et. eilt von
J Karte Schuld. sch
In der t, nachdem Barbara und
ich unser b bsches Haus am Flusse —
es hieß Rinerside Lodge —- bezogen
hatten, wurde die Glückseligkeit unserer
junsen Ehe durch den Mangel eines
geto ssen Etwas getrübt. welches in gut
ausgezogenen jungen hausständen von
gar keiner Wichtigkeit sein sollte —
nämlich einer guten Küche.
Wir gaben Beide mit einem Seufzer
zu, daß schlecht gelochte Mahlzeiten
niederdrückend seien, und daß kaltes
hamrnelsleisch und ewig nichts als
kaltes Hammelfleisch —- auch den
blauesten himmel verdunkeln könne.
Barbara selbst — das herzige Geschöpf
—- war eine miserable Köchin; das
stellte sie nie in Abrede, aber ich hatte
auch nie beabsichtigt, daß sie kochen
sollte, als ich sie heirathete.
Jch habe manche Witze über das
Thema gelesen, daf- junge Ehemänner
sich auf die vorzüqtichen Mittagessen
beriesen, die ihre Mutter bereitet hatte,
aber ich konnte mich nicht erinnern, daß
meine Mutter überhaupt je etwas ge
lochi hätte, und konnte diesen Trumps
daher gegen Barbara nicht ausspielen,
selbst wenn ich das gewollt.
Nein, die Sache ist die, daß Köchin
nen, ioie Dichter, geboren und nicht
herangebildet werden, und bis zu der
Zeit, von der ich schreibe, war es uns
nur gelungen, berangedildete·Exem
plare unser eigen zu nennen.
Aber das war vor der Ankunft von
Frau Miser
Rie werde ich das erste Mittagsmahl
in Rinersrde Lodge vergessen, das diese
Perle ihres Geschlechtes uns bereitete.
Als ich nach einem arbeitsvollen Tage
in der City —- einem Tage, an dem
ein schneidender Ostwind wehte, der
Hagelschlossen vor sich hertrieb —
rniide und abqespannt nach Hause kam,
fand ich Barbara in einem neuen
Kleide, das ihr vorzüglich stand, mit
einem Lächeln, wie es selten ihre Lip
pen umspielt hatte, seitdem Dienstbo
tensorgen angefangen, ihr junges Le
ben zu trüben.
Jch will gar nicht erst versuchen,das
Essen zu beschreiben -— es war eine
Reihenfolge freudiger Ueberraschun
ge·n. Als es vorüber war, beglück
wunschte ich mich selbst und Bari-arm
und lii te diese.
»Bi- «, sagte ich, »wenn dieses epi
lurische Bantett in unserer Küche ge
tocht worden ist, so sind wir gemachte
Leute.'
»Nun, das ist es,« erwiderte sie,
»aber, ach, Robert, Du solltest sie nur
sehen l«
»LiebesKind,« sagte ich, »ich vergebe
ihr ihre Fehler, ohne sie zu lennen.«
»Oh, was das anbetrisst,« meinte
Bab, so scheint sie eine anständige,
durchaus refpettable Person zu sein-—
ganz surchlbar resveltabeL Jhr Muße
res aber ist so merkwürdig Jch habe
sie nicht durch ein Vermiethungsbureau
bekommen. Sie bewarb sich persönlich
um die Stelle und hatte ein so gutes
Zeugnis-» von ihrer letzten Herrschaft,
daß ich wirklich nicht umhin konnte«
es mit ihr zu versuchen.«
»Wo hat sie zuletzt gedient?« fragte
ich.
»Sie war Haushalterin und Köchin
in einer erson bei einer alten Dame
in Shrop hire. die ihren Haushalt aus
gelöst hat und zu Verwandten gezogen
ist. Robert, sie ist ein Anblick siir Göt
ter! Ebenso groß wie Du und sicherlich
viel schwerer. Jch weiß wirklich nicht,
wie ich sie nennen soll. Sie heißt Betst)
Usher, aber Betsy klingt so vertraulich,
daß ich sie gar nicht so zu rusen wage.
Jch werde mich wohl entschließen müs
sen, Frau Usher zu sagen.«
«Nun, so thue das« in Gottes Ra
men. Ein Frauenzimmer, das so
kochen kann, ist ver grotzten Achtung
werth.«
Als ich diege berühmte Acquisition
unseres hau standes sah, war ich
allerdings betroffen von ihrem Aeußes
ren. Sie war ein Gemisch von Frau
äarley und einer Herzoginwittwe.
ehr groß und stark, mit einer Fülle
grauer Locken, die ihr in Büscheln über
die Ohren hingen, trug sie eine Mütze
aus dem Kopfe, die im vorigen Jahr
hundert sicherlich bewundert worden
wäre. Sie trug immer ein dunkelvio
lettes Kleid, das in vollen majestiiti
schen Falten an ibr niederwallte· Jhre
Sprechweise war vie Sittsamleit selbst
und ihre Stimme war tief und nicht
unangenehm.
»Eine Sache können wir jetzt endlich
thun," sagte meine Frau eines Tages,
als wir Frau Usbesz Vorzüge erör
terten, und ich wußte, was kommen
würde.
»Und das wäret«
»Beavourb zu Tische einladen.«
»Ich wußte, daß Du das sagen
würdest,« bemerkte ich; »ich kabe mich
schon davor gefürchtet, se tdenr die
Usher bei uns ist.«
»Ich weiß gar nicht, warum Du sie
eigentlich nicht leiden magst, es sind so
nette Leute.«
»Oh, sehr nett. Ich bin ein sol ’
"hartgesottener Sünder, daß ich te
dasse, gerade weil sie so nett sind —
sie sind der Typus der Auserwählten.«
»Wie geiltreich Du Dich ausdrückstt
Aus alle Fälle sollen sie mir meinen
Erfolg als Wirtbin bestätigen helfen.
Wenn Frau Beavour hier nichts aus
susetzen findet, so brauche ich niemals
- wieder roth zu werden, wenn von Mit
tagsgesellschaften die Rede tst.« -
»Ich weiß nicht, wes alb Du über
qupt ie rotls geworden ist —- bei Kei
nenr sieht die Tafel je biibscher aus«
ol- bei uns.«
lbscher!« wiederboite Bab mit
trag scher Geberde, »ich weis-. nicht, wie
die Früchte des todten Meeres, die
Einem im Munde zu Staub und Asche
zerfallen sollen, eigentlich beschaffen
sind, aber bei den meisten Diners, die
wir gegeben haben, ist mir so zu Muthe
gewesen« als ob die Schüsseln nichts
anketeö enthalten hötten."
Jch hatte Bravours von jeher nicht
ausstehen können. Herr Bevour ist
ein wohlhabender Mann, der, wäh
rend er dic Leut- von oben herab be
handelt, den Meisten von ihnen die
Ueberzeugung hinteriiißt, daß er nicht
viel mehr als ein alberne-: Narr ist.
Seine Frau macht das indessen wieder
gut, denn eine iliigere Jntriguantin,
die es versteht, ih:-n Salon mit vor
nehmen Persönlichkeiten zu stillen, hat
es wohl nie gegeben. Barbara wird
zweifelsohne glauben, daß ich das
sage-, weil Beavour ein großer, schsnee
Mann ist, und ich das nicht bin, und
auch weil Frau Beanour mich gelegent
lich ablaufen läßt. Laß sie — ich sehe
nicht ein, weshalb ich vor ihr schar
wenzeln soll, um ein Lächeln von ihr
zu erhaschen. Jch weis; sehe wohl, oafz
ihr Lächeln mir unter keinen anderen
Bedingung zu theil werden wird, —
ich habe nicht Geld genug, um ihre
Huld zu erringen.
Bab setzte natürZich ihren Willen
durch. Beavours wurden eingeladen,
und zwar Beavours ganz allein. Wir
wollten den Effekt dadurch nicht ver
derben, daß wir eine Herde Leute zu
sainmentromrnelten, die ein gutes Di
ner nicht von einem schlechten Hätten
unterscheiden können
Verlaß Dich darauf —- Du han«
Will Ullcqcl, Ulksk JJskllIWTu Gilboa
laden,« sagte ich.
»Ganz und gar nicht,« lautete Bab’s
Antwort, ,,iiberlafz das nur mir.
Wenn es nach Deinem Willen ginge,
fo würdest Du nichts als Junggesellen
einladen und bald unter die Füße
kommen. Ihr sollt Euer blaues
Wunder erleben über das Essen, was
Frau Usher und ich Euch vorsetzen
werden«
Jhre Aufregung wirkte förmlich an
steckenb.
»Laß Frau Usher freie hand und
sieh nicht auf die Kosten,« sprach ich.
»Laß es so sein, daß Beavour sagen
wird: red. Gray’s Dinners essen und
sterben!«
Worauf Barbara lachte —- sie sieht
die Dinge immer im verkehrten Lichte.
Nun, die Mittagsgefellschaft fiel
glänzend aus. Jch habe mich niemals
an eine elegantere Tafel gesetzt, und
wäre ich Gast gewesen« so hätte ich nich
mehr Vergnügen daran haben können.
Beavour war sichtlich überrascht nnd
strahlte förmlich vorBefrieoigung. lJtch
hatte auf den ersten Blick gesehen, daß
er gegen seinen Willen gekommen war.)
Frau Bravour war entschieden auch
überrascht, aber sie lächelte nicht viel.
Nein, sie überlegte, wie sie uns die
Uslier absvenftig machen könnte.
Alles ging ganz vorzüglich von stat
ten. Bab war im siebenten Himmel
vor Entzücken, und ich hatte das Ge
fühl, ich möchte unserer Perle von Kö
chin wohl ein Geschenk machen. Es
thut mir leid. sagen zu müssen, daß,
obwohl ich ein ungewöhnltch hübsches
Frauchen besitze, ein ebenso anständi
ges Haus, wie die meisten meiner
Nachbarn, und eine ziemlich geachtete
Stellung in der Gesellschaft inne habe,
dies —- glaube ich —- die erste Gelegen
heit war, wo ich wirklich Neid in der
Brust meiner Mitmenschen erregte
Was sind wir doch eigentlich für arm
selige Gefchiipfet
Als ich in heiterster Stimmung an
sjenem Abend zu Bett ging, glaubte rel
»einen brenzlichen Geruch wahrzuneh
smen. Jch ging»wieder hinunter und
lUlllclstlwllt Mc Jllulllct — uueruu luuc
Yes dunkel uni- alles schien in bester
Ordnung zu sein. Jch begab mich
wieder nach oben: der Geruch war
stärker denn je. Ich sagte es Bab,
und sie kam aus den Vorplasz hinaus
iund schnüfselte umher. Aus einmal
Ischlich sie aus den Zehen an Frau
’Usher’s Schlafstubentbiir und blieb
seiner- Augcnbiick stehen«
»Es but seine Nichtigkeit,« meinte
sie lachend, »Susanne sagt, Die Usher
raucht eine Æt Ciqarretten, ehe sie
in’s Bett geht, weaen ihres Asthmas.
Sonst kann sie nicht schlafen«
,,6iaarretten?« fragte ich. Jch hatte
den Geruch jetzt erkannt-Rolltabak.
Jch setzte Bab auseinander, daß Ei
garretten aus Rolltabak ungewöhnlich
sein und daß die Usher, aller Wahr
scheinlichkeit nach, eine Pseise tauchte.
Sie war entsetzt, aber meinerseits
habe ich nichts dagegen, daß Damen
rauchen, wenn sie es mögen, besonders
alte Damen. Nur hielt ich es besser,
Frau Usher mitzutheilen, daß sie sehr
gern in der Küche tauchen könne, wenn
sie Lust habe, aber das-, ich es verzöge,
wenn die Schlaszimmer von Tabaks
qualm sreiblieben.
»Gewiß,« stimmte Barbara mir bei,
»willst Du es ihr sagen-»
»Nein, liebes Kind,« erwiderte ich,
»das könnte sie iibel nehmen. Du
weißt, es ist Deines Amtes, mit den
Dienstboten zu reden.«
»Oh, dann wird Frau Usher das
Rauchen in ihrem Schlaszimmer sicher
lich nicht ausgeben. Sie hat Susnne
die Geschichte mit ihrem Asthkna na
türlich nur ausgebunden, um mich von
der wirklichen Fährte abzubringen.«
»Na, den Tabak würde man auch
It tdem hefti Befchsåtgschthken rig
n " murme . ro n no
beim Einschlend
Die nächste Ueberraschung, welche
Frau Ufher uns bereitete, war die, daß
Briags, der rotlzbackige und wohl
beleibte Sicherheitswächter unserer
Vorstadt, ein Opfer ihrer Reize wurde.
Briags —- der schwerfällige, langsame
Briags, der für äufzere Eindrücke nicht
leicht empfänglich zu sein schien —
tvurde von den Düften unserer Küche
bezwungen und im Triumph du ;ch fei
dene Bande und kaltes Geflügel; zu den
Füßen der alorreiclen Usher gesübrt
Jch selbst entdeckte diese Liebesidylle.
Eines Tages brachte ich einen jungen
Hund mit beim und-als ich sah, daß
er uns im Hause allzu lästig fiel, be
schloß ich, ihn auf dem Hofe unterzu
brinaen. Da ich teine Lust hatte, vor
den Fenstern meiner Nachbarn eine to
mifcbe Figur abzugeben indem ich das
widerspenstige kleine Vieh nach der
äußeren Hoftbür zerrte, wagte ich es,
in Frau Usher’s Reich einzudringen,
in der Absicht, Tomier durch die Küche
an die Luft zu befördern.
Jch fand die holde Wittwe auf einem
Lehnstuhl am Herde thronend, ange
tban mit dein gewohnten bioletten
Kleide und Manschetten und Halstu
aen aus feinem Leinen, ein Stricxzeug
in der Hand. Jbr geaenüber, einen
Teller auf den Knien, saß der tapfere
Briags. Beide erhoben sich, als ich
eintrat, Briggs in einiqer Verlegenheit,
und Frau Uslser völlig gelassen und
gefaßt.
»Guten Abend, Briqu « sagte ich
leutselia, »ich wußte nicht, daß Sie
auf Besuchsfuß bei uns stünden. «
»Gnäd iaer Herr,« antwortete die
Dame, ebe Briggs etwas sagen konnte,
»nur Mißverständnissen über Persön
lichkeiten, die mich in meiner Küche be
siichem zu vermeiden, möchte ich Jhnen
mirtheilen, dasz Herr Briggs mein
Konsin is .«
. CAin Ida-Cz III-Init? Miit-H- orn-I- sts-U ’
sucht haben, erfreuten Antheil übers
diese verwandtschastlichen Beziehungen l
zu bekunden, hätte nicht Towser jedet
weitere Unterhaltung unmöglich ge-I
J macht. l
" Briggs half mir, ihn auf den Hof
szu bringen, und ich überließ das ro
mantische Paar wieder einem unge
störten ,,tete a tete«. Barbara konnte
sich mii dem Gedanken, daß Briggs in
der Küche wie zu Hause sei, nicht recht
begeunden —- sie meinte, es schicke sich
ni t.
»Es schickt sich nicht!« sagte ich, »in
Frau llsher’s Alter schickt sich Alles.
Außerdem ist Briaas in äußerst respek
tabler Wittwer. Laß uns eine roman
tische Liebesafsiire nicht dadurch im
Keime ersticken, daß wir zu prüde sind.
Schließlich ist er ihr ,,Kousin«.
»Unsinn«, sprach Bab, »Kousins«'
sind sie alle. Jch mag nicht, daß Su
sanne etwas Derartiaes sieht.«
»Verlaß Dich darauf, Susanne sieht
es nicht, dafür wird die Ufher schon
sorgen. Heute hat Susanne ihren
Ausaehabend, nicht wahr?«
Das gab Barbara zu, wollte mir
aber durchaus kein Lob wegen meines
Scharfsinnes ertheilem Jch fing an zu
fürchten, , daß die gute Meinung, die
sie von unserer Köchin hatte, erschüt
tert zu werden begann und ich sah die
unseliqen Folgen solcher Zweifel vor
aus. Etwas so Unheilvolles wie eine
Rückkehr zu unseren Tagen des kalten
Hammelfleisches mußte um jedenPreis
verm ieden werden, falls das ohne einen
wirklichen Skandal möglich war. Jch
war entschlossen, Brigas —- ja, mehr
als einen Briggs, wenn es daraus an
kam — zu dulden. Wenn ein Ueber
fluß an Briagsen unserer erhabenen
Köchin das Leben anaenehmer machte,
so sollte sie sie haben.
Barbara war geradezu entsetzt über
mich.
»Ich hätte nie qeglaubt, daß Du
Dir so viel aus Essen und Trinken
machen könntest, « bemerkte sie verächt
lich »und wenn ich mehr als den ae
wöhnten Briggs in der Küche abfajfe, '
so fliegt Frau Usher hinaus —- mit
oder ohne Vettern. Ja, und wenn
auch kaltes Hammelfleisch unsere ein
zige Nahrung ist, bis der Tod uns
fcheidet.«
Aber zu Frau Ufhers Ehre sei es
hier berichtet, wir fanden in der Küche
niemals irgend einen Anderen, als
den einen und einzigen Briggs.
Dies Beavour’sche Dinner toar
Barbaras häuslicber Triumph geme
sen, nun aber wollte ich auch meinen
haben. Dobbs sollte einen Abend bei
uns speisen.
Dobbs ist ein ganz famoser Kerl.
Seine Gesellschaft ist überall gesucht.
Er ist gereist; er kann sich unterhalten;
er kann Gedichte lesen, er kann Banjo
spielen, und er kann essen.
Das klingt nun vielleicht so, als sei
Dobbs ein gemeiner Schlemmer. Aber
Dobbs hat nichts Gemeines an sich.
Für ihn ist das Essen eine vornehme
Kunst, und wenn er bei einem Dinner
sitzt, das ihm mundet, so kann Nie
mand umhin, ihn zu bewundern. Jn
der That, ich habe Jemand von seinem
Gefühl, der ihn bei einem auserlesenen
Mahle gesehen hat« das von einem
Millioan gegeben wurde, der Lucul
lus leicht hätte beschämen können, die
Aenßerung thun hören, er sei ein
,,lebendeö Gedicht«.
Jch gab Frau Usher einen Wink,
den besten Fuß vorzusehen, und ohne
Zagen lud ich Dobe ganz beiläufig
ein, en samille mit mir zu speisen und
mich durch seinen Beifall unfterblich zu
machen. ,
Zu meiner Verwunderung nahm
Dobbö die Einladung ohne Ausflii te
an. Anfangs konnte ich seine bete t
willige Zusage nicht recht begreifen,
aber hinterher fiel mir ein, daß er
,, --
ziemlich häufig mit Beavour zu ver
kehren pflegte.
Wahr ist es, daß ich mehr Geld für
den Wein ausgab, als ich hätte thun
sollen, aber ich wollte einen Eindruck
.an Dobbs machen und schlug alle
Vorsicht in den Wind. Dobbö em
pfing einen tiefen Eindruck.
»Grah, alter Junge« sagte er mit
Thränen in den Augen, als wir bei
unseren Cigarren saßen, »ich gratulire
Dir. Wie hast Du das fertig ge
brachi?«»
Mit wenigen Worten erzählte ich
ihm die Geschichte unseres Schatzes
von Köchin.
»Sie ist eine Kochkiinstlerin, eine
wahre Künstlerin," sagte er. »Halte
sie warm. Jch kenne nur noch einen
Menschen, der solche tulinarifchen Ge
niisse zu bereiten versteht, und der war
Chef de Cuisine bei Gaster. Du haft
doch natürlich von Gaster gehört? Ich
habe einmal in einem Palaste in New
) York bei ihm gespeist, und obgleich die
«Speisefolge reichhaltiger war, so wa
ren die Gerichte tein Bischen raffinir
ter, als die Deinen. Unaliicklicher
itveise verschwand der Küchenchef kurz
darauf mit einem beträchtlichen Ber
miigen, in Gestalt von Frau Gaster’s
Juwelen und hat seitdem nichts wie
der von sich hören lassen. Eure Frau
Ufher könnte jedes beliebige Gehalt be
kommen, das sie fordern würde, wenn
sie sich um solchen Platz bemühte.«
;,Wohl snöglich,« erwiderte ich, »aber
Frau Usher sagt, daß sie»eine ruhige
»aus-nassen umziehe- Oic ist uuus keine
von der alten Schule, und sie und
Barbara kommen sehr gut miteinander
aus.«
·»Nun,« sagte Dobbs, »wenn sie je
eine andere Stelle suchen sollte, so ver
weise sie nur an mich, willst DU?«
»Danke,« lautete meine Antwort
»aber hoffentlich werd-en wir uns
fiir’s Erste nicht von ihr zu trennen
braitkben.«
Aber die Stunde der Trennung war
näher, als ich dacht-e.
Jn derselben Nacht erwachte ich ge
gen Zwölf und konnte nicht wieder
einschlafen. Als ich mit weit offenen
Augen dalag un) die schwachen Um
risse des Schlafstubenfensters an
starrte, gewahrte ich, daß das Rou
leaux sich blähte.
»Das Fenster ist zu weit offen,«
dachte ich, »deshalb sann ich nicht
schlafen. Ve-·wiinscht! Jch werde
aufstehen und es zumachen müssen?«
Jch erhob mich sehr sachte, um Bar
«bara nicht zu stören, und gerade als
ich im Begriffe war, das Rouleaux in
die Höhe zu ziehen, hörte ich einen
leisen, anhaltenden Pfiff unter dem
Fenster. Jch hielt inne und horchte.
Dann vernahm ich, wie das Fenster
im Nebenzimnier, das Frau Usher inne
hatte, behutsam geöffnet wurde. .
»Aha!« dachte ich, ,,wieder mal
Briggs.
Auf einmal hörte ich eine heisere
Stimme in leisem Tone fragen: »Bist
Du da, Slosher!« in der That, ein
hübscher Kosename für eine Daniel
»; a,« erklang die Antwort von
Frau Ushers Fenster, ,und bin dieser
ganzen Komödie verdammt müde.
Kannst Du es noch immer nicht be
werkstelligen?«
»Oh! Frau Ufher!«
»Ja, wirf sie ’runter. Jch bin in der ’
»Weizengarbe« und da sollst Du mor
gen zu mir stoßen.«
»Was, in diesem Aiifzuge?«
»Ja, da kannst Du etwas von mei
nem Zeug anziehen. Mach' schnell —
schmeiß’ sie ’raus, aber sei vorsichtig!«
,,Unbesorgt. Ich werd’ sie morgen
früh mitbringen.«
»Gebt nicht. Der Alte will sie jetzt
haben, und das Geld fiir Dich liegt
schon bereit. Sei kein Narr.«
»Bist selbst ’n Narr. Jch rücke mii
nichts heraus, ehe ich Baargeld sehe.
Jch kenne Euch zu gut.'·
Dann folgte eine Fluth von geflü
sterten Kraftausdriicken, die ich nicht
hierher setzen werde. Frau Ufhers
Fenster schlos-, sich wieder, und ich this
verstohlene Schritte, als ginge Jemand
schnell den wartenweg mnunrer. sur-J
ich mich vom Fenster abwandte, sah ich
Barbara aufrecht im Bett sitzen.
«Sch!« machte ich, »gieb leinen Laut
von Dir!«
»Was ist los?« flüsterte sie.
»Es ist Frau Usher,« erwiderte ich.
»Sie ist ein Mann!«'
»Oh—h-h!«« »
Ich begann mich so leise wie möglich
anzutleiden.
»Jetzt gehe ich nach der Polizei
station, und während ich fort bin,
mußt Du die Thüre dieses Zimmers
abfchließen und nicht aufmachen, bis
ich wiederkomme.«
»Gut,« «sliisterte Bab, »ich ängstige«
mich nicht.·'
Jch fchmeichle mir, daß ich fn
sachte und mit so viel Geschicklichkeit
wie ein geübter Einbrecher aus dem
Hause kam. Jch ging durch die Hin
terthiir und freute mich, daß der
Hund nicht auf dem Hofe war. Das
arme Vieh war vor zwei Tagen ver
giftet worden und ich hatte damals
einen boöhaften Nachbar im Verdacht
gehabt. Jetzt richtete sich mein Arg
wohn auf Jemand im Hause.
Zum Glück konnte ich, wenn ich lies,
die Polizeistation in etwa zehn Minu
ten erreichen, und ich langte oort teu- J
chend und außer Athem an.
Jch fand zwei Konstabler vor einem J
großen Feuer sitzen. Der eine war
Briggs. ch erzählte ihnen hastig, um
was es si handelte, und ich muß
sagen, daß Brig s mehr Bereitwillig
keit zeigte, als tits-s unter solch’ erschwe
renden Umständen erwartet hätte.
,,Wer wiirde das gedacht habeni«
fragte er, als wir meinem hause zu
strebten. »Ich dachte allerdings immer,
daß das Frauenzimmer etwas Son
derbates an sich hatte. Deshalb be
hielt iciy sie- isism Auge.«
Jch sagte nichts vors dem anderen
Auge, das er aus die Speisetammer
geworfen hatte, aber ich fühlte sogar
in dem Augenblicke, daß meine Ansich
ten über die menschliche Natur sich er
weitert-en. Alles war still, als wir
das haus erreichten. Jch ließ die bei
den Schutzleute ein, und wir schlichen
leise die Treppe hinaus. Barbara öff
nete aus mein Pochen die Schlafstuben
thiir nnd kam in ihrem Schlafrock,
Pantosseln an den Füßen, heraus-! Jn
der Hand hielt sie einer- alten Revol
ver — ungeladen natürlich. Sie legte
den Finger aus die Lippen, ging sachte
an Frau Usher’s Thür und klopfte.
»Sind Sie wach, Frau Usher?«
fragte sie. »Bitte, machen Sie die
Thiir ’mal aus —- es riecht, als brennte
etwas.«
»Einen Augenblick, gnädige Frau,«
antwortete die wohlbekannte Stimme«
und in außerordentlich kurzer Zeit
stand Frau Usher, mit Mütze und
Locken, vor uns. Briggs und sein Ge
sährte hatten sie in einer Sekunde bei
den Armen gepackt, und ein erstaunte
res Frauenzimmer habe ich selten ge
sehen.
Sie setzte sich Anfangs heftig zur
Wehr, und ihre Kopfbedeckung fiel ab,
worauf vieles, kurz geschorenes schwar
zes Haar sichtbar wurde, aber sobald
sie ihr die Handschellen angelegt hat
ten, stand sie gelassen da und lehnie
sich an die Wand.
Bring-Z betrachtete sie ein paar Au
genblicke schweigend, dann sagte er:
»Nun, ich laß mich hängen, wenn wir
nicht endlich den Yankee Pelikan ge
fangen hoben. Nun, mein Herr, —
oder Madame-, was Sie nun sein mö
gen —- kommen Sie mit. Je mehr
Lärm Sie machen, je mehr werden Sie
malträtirt werden und vergessen Sie
nicht, daß jedes WortÅwas Sie sagen,
vor Gericht wiederholt wird.«
»Lassen Sie’s gut sein,« sagte Frau
Usher, »ich komme mit."
Die meisten der abhanden gekomme
nen Gaster’schen« Juwelen wurden in
Frau Usher’s Koffer gesunden, und
einige trug sie bei sich, und eine Zeit
lang hatte ich die Ehre, daß man mit
Fingern auf» mich deutete, als auf den
Mann, der nicht nur eine kurze Zeit
lang sich des Besitzes eines der besten
Köche des Weltalls erfreut hatte. son
dern der auch, ohne selbst etwas davon
zzu ahnen, einen der berühmtesten Diebe
beherbergt hatte. Der Mann, der be
hauptet hatte, in der »Weizengarbe«
zu sein« wurde niemals aufgefunden,
obwohl überall nach ihm gesucht
wurde.
Kurz nach dieser aufregenden Zeit
! kam Barbara eines Nachmittags strah
lend nach Hause und forderte mich aus,
zu errathen, wo sie gewesen sei. Na
tiitlich rieth ich jedesmal verkehrt.
,»,Nun«, sagte sie, »ich bin im Koch
tursus gewesen.« ,
————(--.s-———«
Rother Mohn.
Eine Erntegeschirhic von V a l e n t in
T r a u dt (Rau1chenbcrg) .
Ein herrlicher Sommertag!
Jn weiten wogenden Wellen wiegt
sich das Korn. Von den Hecken und
Rainen herüber dringt ein Duftmeer
von süßem Labkraut und nickendem
Honigilee. Und über aller der Pracht
die lachende Sonne des Hochsom
mers.
Durch die große Stille des Sonn
tagsmorgens schreitet die junge Witt
we aus dem Hallerhof mit dem Niko
laus Bergler, dem armen Taglöhner,
nach den drei Linden auf der Höhe vor
dem Dorfe. Ueberall ein heimliches»
Zirpen und Knistern zwischen den Hal-(
men, überall Lerchenilang. Sie gehen
stumm durch den Morgen, jedes seinen
eigenen Gedanken na-chhängend. Unter
den mächtigen Linden bleibt die Bäue
rin endlich stehen, schaut nach den säu
selnden Kronen und zieht den Dust der
letzten Blätter ein. Dann blickt sie
den schlankem kraftvollen Burschen an
und zeigt mit der Hand nach einem
Acker.
,,Niklsas, meinst Du, das mer das
schneide kann? —- Das da, wo der
Mohnsleck drin is?«
Der Taglöhner räusperte sich verle
gen und antwortete mit einem kurzen:
»Ich denl’!«
»Du hast mer im Klee so gut gehol
se’, ich deni’, Du hilfst mer auch jetzt
wieder? — Was?«
Die warmen Worte machten ihn
ganz zum Kinde.
,,Ei ja, gewiß!«
Und er nahm seinen breiten Stroh
hut ab.
Aus dem Thal tam der Klang einer
Morgenglocle. Er riß die Augen aus
und das ganze Kornfeld kam ihm ver
ändert vor, es hatte eine neue, glän
zende Farbe.
»Wie schön doch!« Dies sie. —- »Es
steht gut! — Aber so ein Hof ist siir
ein Weibsmensch doch zu viel,« setzte sie
dann noch mit Nachdruck hinzu.
Und ihr vielsagender Blick streifte
ihn.
»Ihr mißt Euch ’n Knecht nehme’.
Der Mohnsleck da dürst’ nett sein.«
»O mei, gewiß nett; aber die frem
de’ LeuM Sie seufzte tief.
»Ich mein, Niklas, mein Seliger
wär’ Dir nett gut geartet —- M
nati«
Er rieb sich mit dein rauhen W
die kleinen Schweißtropfen-von der
Stirn und erwiderte dann tleinlaute
»Ach, das war also!«
»Wie dann?«
Ein, zwei Schritte tam die Bäuerin
mit dieser Frage näher an ihn zu und
stand nun dicht vor ihm, von strahlen
dem Golde übergossen.
»Laßi das doch!« sagte er barsch.
,,Niklas!«
»No, es war a so! — Heuk iß
Sonntag!«
Da wandte sich die Bäuerin mit ihm
dem Dorfe zu und besprach noch dieses
und jenes unterwegs.
Der Himmel wölbte sich am nächsten
Morgen in mildem Blau. Das ganze
Feld war lebendig und zwischen den
goldenen Aehren stachen die rothen
Röcke der Weiber und die weißen
Hemdärmel der Männer malerifch
hervor. Ueberall tauchten arbeitende
Gruppen auf und nieder, die Sensen
klangen und die Sicheln blinlten.
Mit wuchtigem Aus-holen mähtc
Niklas schon von dem ersten Lerchen
triller an. Er achteie nicht auf die
Sonnengluth. Mit einer wahren Wuth
l schritt er vorwärts, der rothe Mohn,
»der ihm so grell in die Augen stach,
Äsollte vor dem Mittagessen, das die
Bäuerin nun bald bringen würde, noch
weg. Dabei dachte er immer an die
Worte von gestern. Ja, was harre er,
der arme Bursche, bloß mit den
Hallerbauer vorhaben können? Beide
hatten sie ein Mädchen geliebt und der
Reiche hatte gesiegt wie überall. Er
dachte schon lange nicht mehr daran.
Nun schnauste er und ließ die Sense
ruhen und seine Augen starrten thal
eintvärts. Er überlegte, ob er die
Magd nicht erst noch einmal an den
Born schicken sollte, Wasser zu holen. .
Daß ihnen die Bäuerin nichts heraus
gebracht hatte, kalten Kaffee, Milch
oder so etwas? Sonst geschah das
doch? Er verschmachtete bald, trotz des
Grashalmes, den er beständig kaute»
»Anngert, hol’ Wasser. «
Die Magd ließ sich das nicht noch
einmal sagen, zudem sie schon lange
zum Umfallen müde war.
Nitlas sah ihr nach bis sie zwischen
den nächsten Feldhecken verschwand
und ließ sich dabei den Wind über die
breite braune Brust blasen.
»Ei, ei!«
Er erschrak. Die Bäuerin sind hin
ter ihm, ohne daß er gehört hätte, wie
sie iiber das Kleeseld gekommen war.
Niklas verzog sein Gesicht zum Lö
cheln, daß sein weißes Gebiß blitzte.
Die Hallerhöferin stellte den Korb hin.
»Sei weit schon?«
Er nickte.
Ueberall lag es wie schimmerndes
Gold über dem Gefilde.
»Man könnte auch bei die Linden
gehe’,« sagte sie trocken. »Hier brennt
’s ja schrecklich«
Und der stramme Bursche in seinem
groben Hemde wandte ihr sein gutmü
thiges Gesicht zu und ging dann neben
ihr durch die Stoppeln.
Ueberall die große Stille.
Da sdurchschauerte es ihn, er ließ sich
nieder.
«Mer wird so schlecht!«
,,Nitlas, Nitlas!« rief die Bäuerin
angstvoll. Der Arbeiter fuhr sich über
die Stirn und stöhnte:
»Wasser, Wasser!«
Sie setzte sich zu ihm und fächelte
ihm Lust zu und als dann Anngert ge
kommen war, kühlte sie ihm Stirn und
Schläfe mit Wasser.
Plötzlich fuhr die Hallerhöferin aus
ihrer Bersunienheit auf; denn Niklaz
öffnete die Augen und sah tief, tief in
die ihren
»Wie iß?« fragte sie jauchzend.
»O, besser«. —— Er trank nun MDer
Mohn aber, der rothe Mohn· —- Er
ärqert mich! — Jch wollte ihn fort
haben bis Ihr kamt. —
»Und da hast Du Dich überschafft.«
Sie strich ihm iiber die Stirn. Dann
sah sie in ihren Schoof; und stammt
te: »Weißt, mit dem Mohnfleck das
dürft« nett sei, nett? —-— D thätest ’s
nett leide, nett? — Niklas, wenn Du
auf den Hallerhof kämst?«
Sie war feuerroth geworden?«
»Ich vermieth’ mich nett!« stieß er
muli hervor.
»So auch nett, Niklas — —«
Da hatte er sie Verftanden und
drückte einen langen Kuß auf ihre Lip
pen. Ringum fluthender Glanz und
vor ihm der rothe, flammende Mohn.
Wo ist Rothkäppchens Großmutterf