Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 22, 1902, Sonntags-Blatt, Image 12

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«Lriminal-Roman von Heinrich c,Hee.
I
(7. Joettesungd
»Nein, nein,« st· sie hervor —
Sie täuschen .« ie machte keine
beiden-U die "ye an sich zu neh
men, li- veeseineri war sie. Er hielt
des keine rothe Ding noch immer in
der hand.
»Ich glaube fogar," sprach er wei
ter ohne anscheinend auf den meet
rdisen Zustand, in den sie dieser
Fund verfeste, ein besonderes Gewicht
Be lesen, »daß ich mich fest genau des
agej, wo Sie das Mützchen verloren
haben, entsinne. Jch stand gerade am
Fenster, ich fah, wie Sie heimtamen,
nnd ei fiel mir dabei auf, daß Sie
ohne Kopfbedeckung waren. Es war
der traurige Tag, der Jhnen und uns
Allen für immer im G:diichtniß haften
wird, der Tag, an dem Sie Jhren
Vater verloren.«
Schritt für Schritt ging er vor —
mit einer Offenheit, die noch vorhin,
als er noch unterwegs sich auf diese
Unterredung vorbereitet, nicht in fei
nem Programm gestanden hatte. Erst
fest, angesichts des so unerwarteten
betäubenden Eindrucks, den fein wohl
dnrchdachter, von einer Steigerung
sur anderen angelegter Bericht auf sie
hervorrief, erkannte er die Taktit, der
er zu folgen hatte. Mochte er einen
Zipfel feiner Maske lüften, wenn sie
nur vor Allem inne wurde, daß er ihr
Geheimnis kannte, daß er damit ihr
here war.
Es wogte in ihr, ihre Gedanken
jagten sich. Aber plötlich richtete sie
sich auf. Was meinte, was wollte die
ser Mann? Blisartig tauchte in den:
Wirrwarr ihrer Empfindungen das
Bewußtsein auf, wie verändert er war.
Was hatte er sich in ihr Geheimniß zu
drängen?
· »Ich degreife nicht. was Sie damit
jagen wolkens ram et enonch von inren
Tritt-new aber die letzten Silben erstar
thr.
Sie verrieth sich selbst.
»Dort-, mein gnädiaes Fräulein, Sie
begreifen e5,« entgegnete er ruhig, »Sie
begreifem daß ich diesen Mann, mit
dein Sie an dem Weidenbusch zusam
men standen, kenne. Es war Rudolf
Hoffmann-«
Die Knie versagten ihr, schon streckte
sie die band nach einem Halt aus,
alt-her zum zweiten Male überwand sie
»Und wenn er es war! Was geht
ei Sie an? Wie? Bin ich Ihnen Re
rlxnschaft daiiiber schulbia?«
»Was es mich angeht?« Seine
Stimme nahm einen warmen, leise
schmerzlichen Klang an. »Was es
mich angeht, fragen Sie? Und seit
Wochen, seit jenem Tage bin ich Zeuge,
wie Sie ein innerlicher Kampf ver
zehrt.« Sie fuhr aus« aber fein Ton
entwasfnete sie soaleich wieder. »Den
Anderen konnten Sie es verbergen, mir
nicht. Ich war der Vertraute Jhres
Vaters, ja, ich darf sagen sein Freund.
Jch hatte ihm dankbar zu sein, uno so
hielt ich es nur fiir mein-e Pflicht, die
schwachen Dienste, die ich ihm geleistet,
auch auf sein Kind, aus Sie zu über
tragen. Sie standen allein, es war
Niemand um Sie, ver, wenn cine Noth
über Sie kam, Jhnen eine thatträftige
Hilfe hätte fein könne. Jch sah es nnd
ich schwur mir zu —- vergeben Sie
mir, wenn mich vie Erinnerung an
Ihren Vater zu weit dahin trieb —
daß ich selbst Ihn-en diese Hilfe sein
wollte. Ueber Sie wachen wollte ich,
X
Sie schützen. Jsbr Seelenzustand, Derk
Sie quälte, konnte mir nicht entgehen
Wie aber, ohne Ihnen über alleMaßen F
aufdringlich zu erscheinen. hätte ich
Sie bitten dürfen, sich mir answer
irauenZ Und hatten Sie nicht selbst
dazu schon das Bedürfniß empfunden?
Ich erinnere Sie an jene Abendftunde
nach dem Bezaräbniß. Nur verstumm
ten Sie wieder. Für mich aber waren
die wenigen Worte, vie Sie gesprochen
hatten, genug. Unauslöschlich blieben
sie in meinem Gedächtniß und ich
suchte sie mit Jhrem stillen Leiden in
einen Zusammenhang zu bringen,
vielleicht, daß ich auf Diese Weise, ohne
nei?n hnen aufdrängen zu müssen,
hil iir Sie fand. Aber ich sann ver
geblich. Wle kam zuweilen eine Ah
nuna des Zusammenhanges über mich,
aber sie war zu furchtbar, als daß ich
sie für wahrscheinlich halten konnte.
Mit dieser lesien Stunde aber — und
darinn, Fräulein Renate, darum wage
ich zu sprech-u —ift sie für mich Ge
wißheit geworden!«
Sein Ton war noch leiser geworden.
Durchson sah er sie fett an. Sie
koste etwas erwidern, aber sie wußte
nicht was Es war, all steckte et ihr
sit feinen Speien einen Knebel in die
seite, ne- dann ein Messer an ihee
M is und ihr mit langsamer
Mdu i heran-zuschneiden
III HIWannA sprach ee, nnd
seit ihses m vos Entsesen über
Unten jeden ng in
M tin-:- Mini
sITItIUt Um Mk
M usw«
Blisartig slog iiher sein Gesicht der
Ausdruck eines ilaciernden Triumphes,
einer auslooernden Bestiediguna. um
aher ebenso schnell wieder zu verschwin
den und seiner bisherigen ruhigen
Miene wieder Platz zu machen.
«Es ist wahr, denn Sie glauben.
Sie wissen es selbst. Deshalb haben
Sie gelitten, getämpst. Nicht nur
Jhre allgemeine menschliche, sondern
obendrein noch Jhre Kindespslicht
zwang Sie, den Thäter, der Ihnen be
tannt war, zu nennen, und Sie haben
gewissem-II
Jhrer Stimme nicht mächtig, schüt
telte sie nur den Kopf. »Nein, nicht
so!« stieß sie dann in ihren Qualen
ringend, hervor. »nicht so! Nicht ge
wußt habe ich’s!«
»Aber gefürchtet! Der Verdacht
drängte sich Jhnen aus.'·
Sie nickte. Noch immer sah sie nicht
zu ihm aus —- gleich einer Schulw
en, die zermalmt vor ihrem Richter
and. Sie fragte nicht mehr, welches
Recht er an sie hatte. Nicht wie ein
Mensch —- ein Mensch, der noch außer
dem eine untergebene Stellung gegen
sie einnahm —- ftand er vor ihr da,
sondern wie ihr leihhast gewordenec
Gewissen. Wie ein Beichtvater, vor
dem als dem Vertreter Gottes die he
lakne Seel-e niedersintt. ihre Last tei
nen erbarmeanden zu vertrauen.
daß er sie von ihr nehme.
»Wollen Sie jetzt Vertrauen zu mir
haben?« fragte er in sanftem Tone,
aus dein etwas Bäterliches zu ihr
klang.
»Ja,« hauchte sie.
Er führte sie, nachdem er vorsorglich
fes-on hoff-» has- Jonctus sub-Nacken
leise ihre Hand ergreifend, nach dein
Sosa. Starr sah sie eine Weile vor
sich hin. Dann, wenn auch manchmal
innehaltend oder von einem Schauder
ergriffen, begann sie. was sie wußte,
zu erzählen. Sie hatte also an jenem
Morgen eine Aussahrt gemacht. Der
großen Hitze wegen, die an dern Tage
herrschte, wollte sie sriiher als gewöhn
lich nach hause und so gelangte sie als
aus dein kürzesten Wege durch jenes
Dorf. Da — sie kam an dein Weiden
busch vorbei —- stiirzte ein Mann her
vor. Unwillkürlich, auch aus Furcht,
daß es irgend ein Vagabund sein
könnte, der aus Bosheit — wie es da
mals keine Selienbeit war — ihrem
Rade einen Schaden thun wollte,
sprang sie ab. Erst jeht erkannte sie
den Menschen, denn sein abgetragener
Anzug und sein sonstiges herunterge
komenes Aeußere hatten ihn wie der
wandelt —- und ein furchtbarer Schreck
übersiel sie. Es war Rudolf. Wie er
hierhergekominen und woher er larn —
sie fragte ihn nicht«
»Es wird Ihnan bekannt sein, in
welchem Verhältnisse Rudolf und ich
einst standen,« unterbrach sie sich leise
rnit adgewandtern Gesicht.
»Ja,« erwiderte bollseld
Sie setzte ihre Erzählung fort. »Re
nate!« ries er. Der Schreck hatte sie
leichsam gelähmt. Sie wäre wohl
Sonst aus der Stelle und wenn er sich
ihr nicht gewaltsam in den Weg ge
stellt hätte, weiter gefahren. So muß
ie sie ihn anhören, wenn auch nur mit
halber Besinnung, so da ihr, was er
sprach, wie derworrenes - ug vorkam.
Vielleicht wdr es das auch. So sah
sein ganzes Wesen aus —- verworren,
ausgereg halb wahnsinnig. Was sie
von seinen Worten verstand, war, daß
sc III III-tm NAOOI mone« aku- ·I-I i
Ver Mittaastunce wenn Der Vater
ganz allein war -— Niemano oon oen
Andern sollte ihn sehen, er schämte sich.
Er war vorhin mir oer Eisenbahn ges
tommen und hatte sich nun hig zur
Mittagsstunde dies Versteck gesucht.
,,- ch wollte Dir ja nicht mehr oor oie
uqen,« so hörte sie ihn, »Da sah ich
Dich kommen. Renate, ich bin ein
elenoer, gebrochenet Mensch ais
Erbarmen mit mir. Nur wende ein
Gesicht nicht so von mir, nur sprich zu
mir ein einziaeg Marti« Sie konnte
ihn nicht ansehen —- uno wag hätte sie
wohl sprechen sollen? ,,,Renate « fuhr
er heiser fort, »Du schweigst, Du wagst
m: ch nicht einmal anzusehen Jch weiß
warum. Weil Dir vor mir graut Jch
bin ein Mensch in Verzweiflung. Bald
werde ich vor Deinem Vater stehen.
«« brauche Gelo oon ihm. Gibt er g
mir nicht, dann, Renate, wenn Du
mich Zeit so von Dir läßt, ist mein
Entschi faßt. Bin ich oon Dir
verdammt, osoll auch Gott mich ver
dammen. note, ilt ein Men
schenleben! Ein Men chenleben —
verstehn Du mich! Aus Dich, wenn
ich ei vernichte, fällt die Schutt-. Re
note, zum ten Male bettle ich ds
rugm einen lich ein Wort!« Er hatte
Rock-h et graute ihr vor ihm. »So-s
krick-stärkste siå nåtr Ins«tamtnsel;n.«l; Oft
rei · ie’ n zie’ in.«
tasn ei gebrochen von seinem Munde.
sten Sei-ruhe flog sie, so
chnell siei re Fuße peroegen konnte,
von. cr lange später, als ihr die
Besinnung wiederum, als sie die aus
feerichteiru verwunderten Mitte der
III-»Es »Bi«
r a n
E insoweit-daß steil-re Mii e verlo
am
cost- sle dein aMavon erzähle-if
Die Tante war fortwährend iim ai
—iiein. nicht in deren Geaenioart fo te
es gefchehein Vielleicht später —- am
Abend. wenn sie allein mit ihm war.
Und würde dann der Unfelige nich!
fchon mit ihm zufammengietroffen Bin
und würde sie dann nicht von dein a
ter hören, was vorgegangen war? So
verfchoh sie es bis auf den Abend.
Gleich nach Tifch fuhr sie mit der
Tante nach der Stadt, gewaligam 'he
herrfchte sie sich, obwohl es i r nicht
immer gelang und die Tante sie mit
Fragen quälte, was mit ihr fei. Nach
einigen Stunden lehrten sie zurück und
sie vernahm das Schreckliche. Erft
aber bei dem Gedanken an den noch
unbekannten Mörder fiel ihr die Be
gegnuna mit dein Verlorenen wieder
ein. Jn der Mittagsstunde« ganz al
lein wollte er den Vater treffen. Geld
wollte er von dein Vater haben. Und
gedroht hatte er. Wenn ihm der Ba
ter nicht das Geld gäbe, daß es ein
Menschenleben qiilte —- ein Menschen
leoen, an das er Hand anlegen würde.
Wußte fie nun, wer der Mörder war?
So brach sie damals mit dem Schrei
zufammen.
Erschöpft hielt sie inne.
Schweigend hatte Hollfeld ihr zuge
höri. Was sie erzählte, schien alle feine
Erwartungen, die er etwa hatte, zu
übertreffen, und abermals trat der be
friedigte mephiltophelifche Ausdruck in
fein Gesicht. Noch immer ftand er ne
ben ihr, u ihren Häuptem und da sie
vor sich in in’ö Weite starrte, fo -
wahrte sie nichts von feinem Blick. 's
war ein Glück, daß die Tante nicht im
Haufe war, sie hatte in der Stadt eine
Befoigung, und fo waren sie unge
stört miteinander allein. Die Sonne
fchien fetit in's Zimmer, und einStrahl
fiel auf Renatens hrauneä haar, daß
goldene Zunten davonfvriihten. Nie
war sie ihm begehrenswerther erfchie
nen als ießt in ihrem Gram. Noch
aber war fein Spiel nicht an -
wonnen —- nicht nanz. Adsistli un
terbrach er sie nicht in ihrem dumpfen
Schweigen. Denn wußte er nicht ischon
ii.i Voraus, was sie ihm noch zu agen
hatte?
Endlich fuhr sie iori:
.Wie ich mit mir gekämpr das
brauche ich Jhnen nun nicht mehr zu
wiederholen. kntner wieder aber sa te
ich mir. und s lieh mein Gewi en
wieder zur Ru kommen: Er kann es
nicht ethan ha n,ez kann nicht sein!«
Sie tand auf und hob die hände fle
hend zu ihm empor: »Sei-en Sie mir
den Trost, baß er es nicht gethan hat.
Sie haben ihn gekannt. Seine Lei
denichaften, sein Leichtsinn haben ihn
in’s Unglück lcreirieben. Aber nicht zum
Mörder tann er geworden sein, zum
Mörder an seinem Wohlthöter. Sie
sind klug. Sie sehen in die Menschen
schärfer als Andere. Sagen auch Sie,
daß ;ch in meinem Gewissen ruhig fein
dar «
as war das? Mit welcher Jn
brunsi, welcher Verzweiflung rief sie
ihn an? So lebte dieser Bursche —
und ohne daß es ihr vielleicht bewußt
war —- also noch in ihrem Herzen.
Und sie berrieth sich und merkte es nicht
einmal. Gleichoiel! Wenn die e
Scrne zu Ende war, so sollte sie ni t
mehr zweifeln, baß er der Mörder
war. Auch die letzte Regung für ihn
mußte dann in ihr oerstetnern —- nun
war die Stunde da
Sie sah ihn schweigen —- unh er
schwieg noch immer.
Hollfeld!«
Sie war vor ihm zurückgebeht. Zum
ersten Male nannte sie ihn bei fernem
bloßen Namen.
»Sie halten ihn für ichuldig2«
»Ich habe die Beweise,' saate er.
«Sprechen Sies« entglitt es tonlos
ihren Lippen.
nNicht jetzt! Sie sind erregt!«
»Sie wußten es?«
»Ja.«
»Und Sie haben aeschwiegeni« .
»Ich schwiea um Jhretwillen.«
Sie verstand ihn nicht. Nur reden
sollte er. Wieder sank sie auf den
Sessel.
»Sie entsinnen sich —- io hörte sie
ihn —— der Waffe, der Pistole die
man auf dem Tisch qefunden hats Es
ist erwiesen, daß aus ihr der Schuß
gefallen ist --— auch hat man die be
treffende Kugel nachher bei der Sec
tion gefunden«
Sie niette.
»Man hat nach rem Eigenthümer
ver Pistole aeforicht, hat ihn aber nicht
entdecken können?«
Sie nickie abermals.
»Nun denn! Mir war diese Pistole
wohl hetannt und auch ihr Eiaenthiis
mer. Sie hat Rudolf Hoffmann ge
hört.«
Sie richtete sich hoch vor ihm auf.
Ietzt, jetzt erkannte, sie ihn —- er war
ein nichtswürdiaer Lügner. Oder er
sollte ihr einen Schwur darauf leisten.
»Sei-wären Sie hast« sprach sie.
«Jch fchwöre es!"
»Bei Gott!«
»Bei Goti!«
Und ej war die Wahrheit, die er
schwur — die nackte, lautete, vollkom
mene Wahrheit.
Sie hörte es.· Es war genug.
Seine Offenbarung warf sie nieder.,
Er sah. wie ihå Körper zuckte und
bebte. Das · ittel hatte gewirkt.
Endlich hob He wieder ihr haupt.
»Sie haben mie· es damals als
meine Pflicht besuchmt,« sprach sie,
und ihre Stimme klang, als wäre et
was in ihr zerbrochen «nichts von
Bezirks-Das arg-; bekränzt ganislgsiven
m un n te e ge
n dieie filtchtåehandelh Uns mei
netwillen, age Ie. Das verfiel-euch
u I
«sie hatten Ihren Vater verloren!
seiten Sie nun zu dein einen
MERMITHE-eck
ise par, an dein e nft Ihr Den
ki
aehanaen hat an dem es oieIeicht noch
immer hinu, »Ich Hentf Ja.« — und
feine Stimme san zu einem Iiiistern
berad —- vielleicht noch in diesem
Auaenhlick?«
Sie schauderte in lich zusammen.
Er beugte sich noch mehr zu ihr
herab.
»Sollte ich es gerade sein, dethnen
diesen Schneeer anthat, — Fraulein
Renate, gerade ich!«
Es tlang aus seinem Munde wie
ein Flehen. Von Neuem uckte es
Durch ihre ganze Gestalt, ii r ihr
Antlit.
.Was nun thuni« sragte sie nach
einer Pause.
Auch das hatt er schon überlegt.
Sehr genau iiherleat
Was thun. fraaen Sie. Und Sie
beben oor der Antwort zurück. CI ijt
wahr. es wäre nun unsere Pflicht die
Pflicht von uns Beiden ihn dem Nich
ier anzuzeiaen« —- wieder erzitterte te
——— »aber bedarf es, damit er seiner
Strafe verfällt, des menschlichen Rich
ters? Es giebt einen noch höheren
Dem sei er überlassen. Ihm wird er
nicht entgehen. Die Rache ift mein,
spricht der herrl«
War es ni t das Wort, das sie sich
zu ihrem Tro te so ost schon selbst ge
sagt hatte? Nun sprach auch er es
aus und es klang wie eine Erlösung zu
ihr nieder. Sie reichte ihm die hand.
»Wie treu Sie sind, wie gut. Nun
weiß ich es.«
Er führte ihre hand an seine Lip
pen zum ersten Male —- und sie ent
zoa sie ihm nicht auch nicht, als sie
spürte, wie heik diese Lippen waren
und daß sie die e hand nimmermehr
von sich lassen wollten.
Ein Nebel wallte vor ihr, aber deut
lich fah sie durch diesen Nebel fest eine
Seele die ganz ihr gehörte —- eine
Bruft, an der sie in dieser kalten Welt
aeborgen war, an der sie ruhen durfte.
Sie war so müde und es war so säh,
tu ruhen. War es nicht noch das ein
zige Glück was siir sie iibrig blieb?
«Nrnate!« wiederholte er noch ein
mal —- er kniete vor ihr. ·
Und sie«liichelt«e leise-— herzzerrep J
Zeno uno voch rote un Iraunn s
Vom hofe her tlang ein fchriller
oreller Ton. CI war die Fabrilglocte,
die zu Mittag läutete. Gleichzeitig
hörte man unten imhausflur die laute
Stimme der Taute, die eben von der
Stadt zurückkehrte und dem Mädchen
etwas zurief. Renate ekhod sich.
.Verlassen Sie mich jetzt, gehen
Sie,« sagte sie haftig in einer Verwir
rung, die ihre eben noch fo blossen
Wangen röthtete.
Auch er war verwirrt. Wenigstens
schien er fo vor ihr.
»Sie zürnen mir.«
Sie fchiitelte den Kopf.
»Nein, nein! Ader ich will allein
fein!'·
Er öffnete die Thür. lautlos ent
fernte er sich. Vorn hofe her läutete
noch immer die Glocke. Renate aber,
als sie nun allein war. fchlug die
Hände vor ihr Gesicht. Ein Schwin
del ergriff fie. Was war rnit ihr ge
schelten?
Vll.
»Und dann noch eines, Grabotosty!
Gehen Sie hiniiher nach dern Bureau,
ich lasse Herrn Hoffmann zu rnir bit
ten.«
»Jarvohl. Herr Hist-um« fagteGra
borvsttx ftramnr die Daten zufammen
genonunen —- er war erft unlängft
oomMilitiir entlassen worden-machet
Kehrt uno aing. ,
VFett Hühner fafz vor feinem
« reihtifch und las die ihm zur Un
terzeichnuna vorliegendenBriefe durch.
Vor dem Fenfter breitete fich der
fchneehedeckte große hof aus — es war
Winter geworden. Rings um den
Hof und das Wohnhaus herum über
hiickte man das große hübner’fche
Zetnentwert und die Fahritanlagen,
mo miii dem Qernent stobe. inwendial
hohle Bauiteine aesormt wurden, die
den Vorzug hatten, nicht nur gerade
so dauerhaft zu sein wie wirkliche
Steine, sondern obendrein noch den
des- leichten Gewichtes und daß sie
durch ihre Lustsiillung besser Hitze und
Kälte abhielten. Herr Hühner swar
mit diesem Artikel ein reicher Mann
geworden. Als er ihn in den Handel
brachte, schüttelten die Leute daer den
Kopf. Aber in seinem ganzen Leben
hatte er aus keine topfschiittelnden
Leute etwas aeaeben — wenn ihm nur
selber eine Sache praktisch und richtig
erschien. Jn seinen jungen Jahren
war er lange in Amerika gewesen und
dort hattä er Unbefangenheit und
Vorurtheil losigteit kennen gelernt.
Was andere Leute thaten und wie lie
sich in einer Sache benahmen, ging ihn
nichts an. Wenn ste ihn nur selbst
zurecht kommen ließen
Vor einem Vierteljahr hatte sieh der
Director des benachbarten Kranken
bauses, sein guter Bekannten an ihn
wandt, ob er nicht einen jungen
enschen brauchen konnte, der eine
schöne handschrist schrieb, rnit den
Kontorarbeiten vertraut war und auch
onst einen offenen Kopf zu haben
chieru Der junge Mensch war einer
der Schwerperwundeten von dein ro
Pen Eisenbahnungliich durch den n
all war er außer Stellung getan-nein
und here bitt-net thäte al o ein utei
Wert, wenn er sich des n dazu it
tellolen annähme
»Sei-isten Sie mir den Menschen
her, ich will mir ihn ansehen,« hatte
damals here hübner in feiner trocke
nen und raschen Urt, die aus dem
anieritantschen Grundla ftarnth
daß it Geld sei, erwidet . Der ju e
Wen eh — ee nannte sich Rudolf Hauss
Irann —- tain, war fah er in seinem
Ieuseeen etwas reduzirt aus, aber an
snlehen Kleinigkeiten stieß sich ein
Mann wie diihner nicht. Auch in
seinem ei enen Leben hatte es eine
Zeit Mk . wo er nicht viel pruni
doller ausgesehen hatte —- das war
damals, als er «driiben' in einer
Sinasdielhalle. da sich gerade nichts
Besseres fand, Tickets oertautfe. Er
stellte mit dem jungen Manne ein tur
ses Examen an —- er behielt ihn.
«Nun,« fragte ihn ein paar Monate
sdiiter der Kranienhausdirettor, »wie
sind Sie mit meinem Manne zufrie
dens«
«eShr.«
Das stimmte. Wenn Herr hübner
ein besonders schwieriges Schriftstiiok
oder eine tomplizirte Rechnungsaufs
siellung abfaisen zu lassen hatte, o
wurde diese Aufgabe unter allen sei
nen Kontoristen Niemand anderem
übertragen, als diesem jungen Hoff
mann« (
»Das freut mich. Anker-oh ist
Ihnen an dem jungen Menschen etwas
aufskfallenY
» ufgefallen? Er hat vielleicht ir
gend ein großes Unglück in seinem Le
ben gehabt., Was fiir eins, das geht
mich nichts im. Jch halte mich nur an
das, was ein Mensch für mich leistet.«
Der sgiitige, immer hilfsbereite
Mann klopfte dem Fabritanten auf
die Schulter.
»Recht so, recht so, lieber hübner.
Wir Zwei verstehen einander.« Seit
dem war also der Winter gekommen.
Auf das weite Schneeland, das vor
dem Fenster lag, hinter dem rr
Hühner an seinem Schreibtisch asz.
rieselten jent von dem grauen himmel
bedächtig die weissen locken herab.
Von einer arfrpreuen füge flog ein
Schwarm Kriihen aus. Um so behag
licher summte in dem Anthraritofen,
der in einer Ecke des Zimmers stand,
das Feuer. das Grabowsty eben erst
frisch aufgefchiittet hatte.
Entsetzung folgt.)
.
Das Ismene-.
Eine drollige Theateranecdote er
zählt Ernest Blum wieder in seinem
lehten Journal d’un Baader-Miste
Die Stechmiicken haben es ihm diesmal
angethan. Er tlagt darüber, daß sie
eine besondere Vorliebe siir ihn an den
Tag legten, und behauptet dann, daß
sie die haut aller Leute vom Theater
lichten.
»Der verstorbene Paulin:Menier,«
erzählt er weiter, »lagte mir eines Ta
ges, daß er im Beginn seiner Lauf
bahn wegen des in Rede stehenden cEn
sectes sast aui das Theater verzi tet
hätte. Er spielte im Ambigu eine tleine
Rolle in einem militiirischen Diama;
etwa in der Mitte des Stückes wurde
er getödtet, mußte umsallen und einen
großen Theil des Arles vorn aus der
Bühne leblos liegen bleiben. Paulin
Menier spielte den Tod so gewissen
hast wie möglich, so daß er die Aus
merlsamteit der Direction aus sich zog.
Eines Abends, als er gerade wieder
mit Leib und Seele bei leinee —- al
lerdings stummen — Rolle war, siihlte
er. dasi ihn etwas an her Wabe kitzelte.
Stoisch rührt-: er sich nicht, aber dieses
Etwas begnügte sich nicht ·mit dem
Kihelm sondern stach ihn auch trästig.
Menier hätte alles in der Welt darum
gegeben, wenn er sich hätte kratzen diirg
sen, aber wie tonnte er das thun? Ge
rade in diesem Augenblick sagte ein
Kamerad, der aus derBiihne einen phi
losophischen General spielte, indem er
aus ihn hinwies:
»Seht die traurig-en Folgen des
Krieges. Eben war dieser Mann nochf
voll Jugend und Leben, jetzt ist er ein
lebloset und siir immer unbeweglicher
Körperk« «Stell Dich vor mich,« sagte
PaulinkeMnikr ganzjeise zum.Gene
cal« »ich Muß mich lkclpclL MIO yOl
eben eine Etechmiicle gestochen.« Aber
der General, der schon auf den jungen
Schauspieler eisersiichtig zu werd-en
ansing und ihm gern einen Possen
spielte, that, als ob er ihn nicht ver
stehe, und siigte noch mit besonderer
Betonung hinzu: »Nichts-, es sei denn
ein Wunder, nsird diesem Jungen fort
an das Leben wiedergeben -— auch nicht
die Lorbern deo Sieges, den wir eben
davongetragen haben!'· Und im sel
ben Augenblick konnte Paulin-Menier
den Schmerz nicht mehr aushalten und
—- lrahte sich, so viel er konnte. »Da
ist das Wunder!« ries der General,
»seht doch!« Und ein tolles Gelächter
erfüllte den Zuschauerraum.
s——--·-.s--—--—
Die entstehe-. ;
Jn der Nähe des eisernen Thorest
an einer Straßenecle in Warschau
steht seit undentlichen Zeiten von mor
gens friih bis in die späte Nacht ein
altes, eijgraued Mütterchen und bietet
allerlei Waaren zum Kauf an. Sitzen
darf sie nicht, dazu ist die Straße zu
eng, nur dort zu stehen hat ihr seit ei
nem halben Jahrhundert die Polizei
stattet. Vor einem Jahre etwa ver
chwand das alte Weiblein'plöhlich.
Den Passanten der Straße fehlte et
wai, man konnte sich die-Gasse ohne
die gewohnte Figur gar nicht vorstel
len; man erkundigte sieh und so erfuhr
man denn, daß die Alte nach London
ausgewandert sei. Dort waren Kin
der und Entel zu einigem Wohlstand
gelangt und ließen nun die Großmut
ter hiniiberlommen. damit sie den Rest
ihrer Taae in Ruhe dort oerleben
sollte. Vor weniaen Tagen aber stand
zum gr« ten Erstaunen aller Passans
ten das iitterchen wieder auf feinem
altgetvohnten Plane. Sofort ging
man zu ihr und erkundigte sieh nach
ihrem Schicksal, ob sie es nicht gut ge
habt hätte in Londoni
-Ob N Sehr gut!« antwortete ste.
» ä- --,.. -.- ,
·Zii essen mir zii trinten hat-e ich H
iiiig getriegt und arbeiten habe ich ask
nicht müssen. ISogar ein Sooda hat
meine Tochter in ihrer Still-ek«
»Ja. um Gottesioillen warum ieid
Ihr da kenn zurückgekommen liebe
rau?« »
»Seht. Väterchen, das ist so eine
Sache,« antwortete die Alte. »Seit
länger als eineni halben Jahre wollte
ich zurücksahreii. aher meine Kinder
und Enkel wollten es nicht erlauben.
Ader schließlich habe ich Alles ver
kauft, was ich hatte und habe Keinem
was gesagt und bin wieder hierher.«
.Da habt Jhr wohl Deiniweh ge
hat-R
.Ach nein, Vöterchen, wie sollte ich
heiiiiweh haben?«
»Ja. wollt-Ihr mir denn nicht sa
gen., warum Jhr knickt-us zurücktoins
nieii mußteti«
»Das hat einen besonderen Grund,
Väterchent Seht Ihr, in London, da
ist der Plan sehr theiier Da ist ei
nicht so wie hier, daß man so viel
Plan hat. Und vor einein hale
Jahr, ca ist unser Nachbar gestorben,
er war auch eingewandert aus Polen.
und da hin ich aus den Friedhos rnit
gegaiigen und da habe ich gesehen· dass
sie die Todten stehend begraben, weil
sie nicht Platz genug haben, uni sie in
legen. ·Niiii, Vöterchem das muszt Du
doch einsehen. Mehr als siinszig
Jahre habe ich gestanden vorn sriiheii
Morgen bis zum späten Abend. Soll
ich da im Tode auch noch stehen? Nein,
Vöterchen, wenn man das ganze Le
hen gestanden hat. dann will inan ini
Tode liegen. Uno so bin ich zurückge
sahreri2«
—.----——
sisouttshe pochzetiosittem
Eine seht hübsche hochzeittsitte ist
von der verstorbenen Königin Victos
ria von England eingeslihrt worden.
Hin den Härten der königlichen Resi
t4.e.l -..- Näh-ahn
sichs »so-sus- Irups sus- -.-., ......
Myrthenbannr, der aus einem winzi
gen Zweig aus dem Brauthouanet der
Kaiserin Friedrich erwachsen ist, die
sich oor vierundoierzig Jahren verhei
rathete. Er wurde von der Konten-r
Viktoria eigenhändig gevslanzi, und
kleine Zweige dieses Baumes waren
in den Dochzeitsstriiußen der meisten
Bräute im englischen Konigshause
vertreten, die seitdem geheirathet ha
ben. .
Eine berühmte historische Feder
spielt jedesmal eine wichtige Rolle,
wenn in der Familie von Lord Ban
gor eine hochzeit gefeiert wird. Es ist
die Feder, mit der der Wiener Friede
nnterzeichnei wurde; jetzt wird sie nur
gebraucht, um die Eintragung der
heirath eines Familienmitglieds zu
unterzeichnen.
Ein merkwürdiger Ring spielt eine
Rolle hei heirathen einer wohlhaben
den amerikanischenIamilie, derenVors
saht nach vielen Wechselsällen und
Mithsalen, die seine Gesundheit unter
gruden. in den Tagen des- Goldsiehers
ein glänzendes Vermögen zusammen
brachte. Dieser Familien-Trauring ist
aus oern ersten Golvtlumven gemacht,
den sein ursprünglicher Eigenthümer
entdeckte, und er hat ichon bei-mehr
als einem Dutzend Hochzeiten seiner
Nachlommen seine Pflicht nethan. Er
wird auch als der Familien - Talis
man angesehen, und alle Mitglieder
der Familie sinv sest überzeugt, daß
sie. wenn er verloren geh-en sollte, vom
Mißaeichick getroffen unv ihren aans
zen Besitz verlieren würden. Di-: Foiae
tit. daß der Ring lehr eifekfiichtia be
wacht wird. und zu einer sahethit ho
hen Summe versichert sein soll.
Vvk sitzt-Im tam in Ten Besitz eines
Mk- Rlchards Von El Remo in ven
Vereininren Tini-» «".- .:...: ......
Hochzeitslleid, in dem niclit wen-set
als vierzia Bräute getraut worden
waren. Es list einen anne eigenen
Reiz: es ist nickzt nur srkr mehr als
1000 lflchzälmen verziert, sondern es
ist auch 127 Jahre im Besitz einer Fa
milie der Chenenneandiaxier aewesern
Alle Frauen der Familie sind wäh
rend dieser langen Zeit daan aetrant
worden, da das Kleid der Träaerin
Glück bringen sollte. Zelr viele Atm
tographien sind bereits Fu verschiede
nen Zeiten davon gemacht worden« und
da Elckmälnse sehr selten werden und
tu Preisen von 2 W Drllars ver
kauft werden, so nrusr das Filiria mehr
als Sitz-IN wertti sein. lsg ist non
der llrentelin der urspriin,rliclf.en Be
sitzerin verlaust worden«
-- «--·-.-——s —
sokha als ineienspleler.
Dir London Dailn Neids erzählen:
Die fest nach hause zurückkehrenden
Truppen berichten manche interessante
Einzelheiten aus ihr-ern täglichen Le
ben. Die nachstehende Erzähluna
wirst etwas Licht aus die Unterhal
tunaen unserer Ossiziere im Felde und
die Gewandtheit eines der Burensiih
ret. Während der Verhandlungen in
Middeldura lehrten einige englische
Ossiziere General Louis Both-r das
Kartenspiel Bridgr. Als nun in die
sem . ahre Botha nach Pretorla kam,
um de Verhandlungen wieder anzu
lnilpsen, erinnerten sie ihn an seine
voriiihriaen Studien und luden ihn
zum Spiel ein. Botha antwortete, dass
er seit Middeldura keine Karte in der
band gehabt, niemals an Kartenspiel
dachte und sich nur nmä dunkel ent
sinne» rote das Spiel gespielt werde.
Er set aber bereit, aus dern Wege m
Pretoria nach Uereentaina mitzuspie
len. Ehe man tn Uereeniaina ankam,
hatte aber General sotha seinen erra
lilehen Lehrern und Gegnern im
seiden-Spiel 150 Dollart ahaenorni
men.