Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 15, 1902, Sonntags-Blatt, Image 12

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    Yiflokenschuk.
- I
Ein -
,. KrimiualsRoman von Heinrich c,Lee,
· 0000000000000000000L- "-0(«-P
; (8. FortsesungJ
It hob das Kissen hoch, wo einge
sickelt in Zeituntzipapier das Geld
und schob ei, da es nun in der.
an die Thiir klopfte, in die
Tasche s- eine Tasche, die von innen
zuiutnspfen war, so daß er es nicht
verlieren konnte, dann ging er, das
Saus oerlassend« nebenan in die »Kaf
feeslsppe«, ein schlechtes Lokal, wo
man fiir ein paar Pfennige eine Tasse
«Eichorienbriihe« und eine trockene
«Schrippe« bekam, und so gestärkt trat
er wieder auf die Straße.
Ei war no friider Vormittag, aber
das herrliche Sonnta Zweiter lockte Die
Leute schon zu Tau enden aus der
Stadt. Durch die Straßen fuhren;
rnit Musik buntaeschmiiclte oollbe- »
ladene «Krernser«; Straßenbahnen i
und Stadtbahn waren überfällt, unv»
selbst in den Stadtgegenden, wo sonst .
des Wochrntagei über nur der Lärm»
der Arbeit herrschte, stand heute in;
krischen Hemdjärmeln und Pantof-.
eln der biedere Meister im offenen»
Hausthor und freute sich, von einer
lauten, schon in den Sonntaggtleidern
prangenden Kinderschaar umspielt, «
des schönen, Ruhe und-Erholung ver
spreche-wen Tages. Nur er, wie ein
Ausgestoßener unter den Tausenden,
konnte sich des Tages nicht freuen.:
Für ihn leuchtete diese warme Sonne
nicht, fiir ihn hatte die Natur nicht
ihre Pracht entfaltet, und wenn er jetzt
durch die dicht belebte Allee schlenderte.
die vor dein Thore beaann, so geschah
es nicht, damit unter den Frohen auch
E ihn, den Verstoßenen, etwas von
Sonntagsherrlichteit absiel, fon
dern weil er tein Heini hatte, worin
er der Lust der Anderen, die ihn mit
seinem Elend ja nur oerspotteten, hätte
entgehen können
Ismhnh III IZIOII Jst-n Its-Os- Ps
va v -,- ·- v- --,
wen Er drehte sich um es war ein
alter Bekannter von ihm derselbe, der
ihn damals im Asyl hilfreich unter
seine Fittiche genommen hatte. Ru
dolf erkannte ihn zuerst nicht wieder,
er war aufs Eleaanteste gekleidet,
trua eine schwere goldene Uhrteite und
tauchte eine Cigarre die nach ihrem
Aroma zu urtheilen, von seinster Sorte
war. Jm Asdl wurde dieser Mensch
damals «Streichhvlz- Gustav« genannt.
Auch Rudolf kannte keinen anderen
Namen von i m. Gutmüthig, ohne
uuk die Bean runq, die mit ihm vor
aegangen war, stolz zu sein« oder sich
des f lechten Aeußeren des einstmali
sen saheten zu schämen, redete
Streichholz-Gusiao ihn an. Er hatte
Glück gehabt, und zwar stammte sein
Glück don der Rennbahn. Er hatte
dort, in hoppegarten, kleine Bleiitifte
verkauft und dabei die Bekanntschaft
eines Stallbedienten, eines sogenann
ten ,,"Kutschers gemacht. Dieser fei n
neuer Freund war wieder gut mit ei
nein Jocked bekannt, der jedesmal die
besten .Tids« hatte. Darauf hatte
Streichholz-Gustav, erst in ganz klei
nen Beträgen, beim Bnchmacher, dann
s- na dem er damit Gliick hatte —
tu gr· en beim Totalisator mehr
fach geseht und in der lesten Woche
hatte er einen roßen »Schlager«, ge
macht. Ein P e,rd an das sonst Nie
mand gedacht, hatte ihm iider fünf
hundert Mark gebracht. Schade bloß
sdaß das Meiste von dem Gelde schon
wieder weg war — denn natürlich
hatte Streichholz- Gustav gleich davon,
wie er si ausdrückte, »Feitlede ge
macht«. chade besonders deshalb,
weil auch heute wieder Rennen war
(die Sonnta stennen waren damals
von dee Be de noch nicht verboten)
und weil er gerade dazu einen Tip
wieder bekommen hatte, mit dem sich,
wenn man-ein paar hundert Märk
akt- suzu Wu- —- P uns-« »Hu- »w«
set —- ein Vermögen verdienen ließ.
Jammetichadel
Und Rudolf hörte seinem Freunde
Streichhth Gustav, der ihm während
seiner «Rede eine seiner feinen »sich
jarren« prätentirt hatte, zu Jn fei
nen besseren Taqen war auch er ein
häufiger Gast bei den Rennen gewesen
und mit eigenen Augen hatte er ge
sehen, wie die Leute dabei in wenigen
Minuten sehr beträchtliche Summen
aewannen Auch was ein guter Tip
bedeutete — die Kenntniß von den Ge
winnchancen eines bestimmten Pferdes
— war ihm wohlbekannt, und daß
Streichholz-Gustad damit nicht flun
kerte, das bewies sein neuer nobler
Anzug, seine goldene Uhrtette und die
Cigarre, die er ihm gegeben hatte. Es
überlief ihn. Ein einziger von den
blauen Scheinen die er bei sich trug,
geniigte vielleicht, um den Traum der
dergangenen Nacht zur Wirklichkeit zu
machet-. War ej nicht, als hätte das
Schicksal selber, indem es ihm die
Sand litetenHa indem es ndch einmal
tätig-Er bannen haben wollte die
Bs famenentreffen rheigefuhrtii
den sehn blauen S inen nur ein
einst-est
Hinweis-Gustav merkte, daß et
Icl sit b- dorsrng. Er drang in
is- s lasse, th er sites erfuhr. Ru
I Reue da et sich verrathen
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heit tain nie
M siedet-. Sntwedethe er blieb der
bunaerleider, der er war, Zeit seines "
Lebens, oder er konnte schon morgen
seinem werthen Brodhrrrn den Bettel
» auf den Tisch werfen sammt den un
dersehrten tausend Matt. Er hatte
die Wahl!
Fast « waltsam zog ihn Streich
olz-Gu tao mit sich fort. Ein paar
tunden später waren sie Beide aus
der Bahn.
Streichholz-Gustad gchien mit ei
nem Tip Recht zu ha en. Beim i
nish, drei Meter vor dem Fiel, war
sein Pferd dem ihm nachfolgenden
Felde um mehr als wei Länaen dor
aus. Es war kein weifel mehr, der
unbekannte Außer-fester wurde Sie
ger. Nur ein paar Leute in der gan
zen oieltausendlöpfigen Menge hatten
seine Chancen »etannt und auf ihn
gesetzt, die Gewinnquote mußte also
ganz ungeheuer werden. Ueberall sah
man enttäuschte Gesichter, nur hier
und dort stieg ein oereinzelter « adel
laut in die oon unzufriedenem ur
meln erfüllte Luft. Da! Jn der letz
ten Setunde vor dem Ziel! Man sah
statt des Pserdes nur noch eine zusam
menbrechende Masse. Nachher erfuhr
man, es habe dort ein Mauseloch ge
geben, in welches das Pferd mit seiner
rechten Vorderhand gerathen war. Es
war gestürzt.
»Streichholz-Guftad wußte Trost.
Fur das verlorene Geld mußte natür
lich Ersatz geschafft werden und er
hatte für die nachfolaenden Rennen ja
noch verschiedene andere gute Tips.
Das mit dem Mauseloch war eben nur
«derdammtes Pech« gewesen. Auch
die anderen blauen Scheine wanderten
in seinehand, einer nach dem-anderen,
einer immer, um den anderen zurückzu
holen, denn nun mit einem Male
stimmte es mit seinen Tips nicht
mehr. Das Rennen war aus, das
Geld war hin.
t—-!1.C--t- m.-s-- --- h--7«I«—-ss«
.
Ortscswqurzswusrus ums- uns-»i»-·
den und Rudolf war wieder allein. »
Eine Weile lang —- es war schon
später Abend geworden —- stand er auf
einer einsamen Brücke und starrte hin
unter in died untle Flutb. Aber wenn
er ein Ende mit sich machen wollte. so
brauchte er dazu nicht dieses Wasser
Dafür war er schon in anderer Weise
vorbereitet —- in seinem Koffer zu
Hause verbarg er das Nöthige dazu.
Außerdem würden sie ihn finden, die
Leiche agnosziren und es würde an
den Tag kommen, warum er in den
Tod gegangen war. Weil er zum
Dieb« zum Betrüger geworden. Auch
»sie« würde es hören, und ihre Ver
achtung folgte ihm nach in’s Grab.
Auch die Flucht nähte ihm nichts. Sie
würden glauben, er hätte das Geld
noch bei sich, ihn steckbrieflich verfol
aen, und auch so würde sein Name der
öffentlichen Schande preisgegeben
Auf der ganzen Welt gab es nur einen
einzigen Menschen, der ihm helfen
konnte, das war Herr Rosenau — der
Name »Vater« wollte ihm nicht mehr
in den Sinn. Die Entfernung nach
Herrnstadt war nicht groß und das
wenige Geld, was die Reise kostete,
hatte er in der Tasche, denn gestern
am Samstag hatte er seinen Wochen
lohn bekommen. Er rang mit sich die
balde Nacht hindurch —- aber der alte
Mann war seine einzige Rettung· Wie
nun aber, wenn auch diese letztes-Isi
nung ihn betrog, wenn der alte ann
kein Erbarmen mehr mit ihm hatte?
.. .. Er brütete vor sich hin, dann
kehrte er in seine Dachkammer zu
rück, öffnete dort beim Schein eines
Lichtsiunrpfes seinen Koffer, nahm
Las diesem»etwas heraus, tzetrlieszL Ldie
H
Kllmlldct chllcl llllv sciuc,swqt(sw ou 4
Morgen graute, nach dem Bahnhof.s
Jn aller Frühe, wie ihm bekannt war, I
ging ein Zug nach herrnftasdt ab, am
Vormittag konnte er dort angelangt
und am Nachmittage mit dem Gelde
wieder zurück fein. Mochte sein Aus
bleiben im Bureau bis dahin auch
schon Verdacht erregt haben — eine
Ausrede dafiir würde sich für ihn spä- »
tek schon finden i
Er ftieg in den Zug. Seine Gedan- »
ken aber flogen den rollenden Rädern
voraus . . . .
Die Saalthiir wurde geöffnet. Es
war der Professor — er bekleidete zu
gleich das Amt des Krankenhaugdireb
tors —- der mit den Afsiftenziirzten
feinen oormittäglichen Rundgang
machte. Das Bett,s in welchem Ru
dolf lag, befand sich nahe der Thür.
Er fchrak aus feinem Sinnen und
Brüten unid der Erinnerung an das
Geschehene auf, und dem Professor-,
einem Mann von hoher, kräftiger Ge
stalt und oon freundlich-jooialem We
sen, das auf die Kranken oft eine bef
fere Wirkung ausübte als alle Medi
zinflafchem war feine Bewegung nicht
entgangen.
«Na,« sprach er, zu «Unbekannt«
herantretend, »sind wir heute bei We
ges Wie geht’s?« Ohne auf eine Ant
wort zu warten, fühlte er feinem in
teressanten Patienten den Puls, unter
fuchte ihn nnd sprach dann: »Gut
nehkti Melden Sie,« fo wandte er
sich an den ihn begleitenden Meter.
melden Sie im Binan daß von dem
Patienten die Personalren aufgenom
men werden können-'
Vl
Ueber selben Strome, der nicht
mit denke-der Rosenaklchen Fabrik
drerch die Ebene floß. stiegen an jedem
Morgen fett schon die ersten gransen
grauen derbstnebel ans; ans den Lar
tosfeläetern sah man alte Frauen die
leiten Knollen auf der Erde holen,
and von der Bohnenlanbe. die sich
Portier Schiedecke kunstveich vor sei
ner Lage im Frühjahr urechtgezinis
mert hatte. flogen, obroo l die rothen
Blüthen immer noch von Neuem aus
den Ranken schaffen. die ersten welken
Blätter davon. Wieder wie damals
vor Wochen strahlte die Sonne vom
blauen Himmel, aber nicht mehr in
unbarmherzig-er Gluthx über die Pel
der und die Chaussee wehte ein iihs
let Lusthauch, und er wehte auch in
das halhossene, mit einem bunten
Asternstrauß geschmückte Fenster —
ein Fenster in dem zu der Rosenau’
schen Fabrik gehörigen Wohngebiiude,
—- hinter dem ins-en einen iiber eine
dandarbeit gebeugten schönen stillen
blassen Mädchenkops sah. Die Hand
arbeit bestand aus einer seinen Sei
denstickerei. Wie Tante Pinchen erkun
det, hatte hollseld demnächst seinen
Geburtstag Es war also eine Gele
genheit da, sich ihm sür die großen
Dienste, die er der Waise geleistet. er
kenntlich zu zeigen. Allein mit Geld
war diese Erkenntlichleit nicht abge
than. Auch würde ihn eine persönliche
Arbeit von ibr — so viel gestand sich
Renate —- oielleicht mehr erfreuen als
irgend eine kalte Kostbarkeit.
Eine Handstickerei ist eine Sache,
bei der die Gedanken müßig spazieren
geben, und wobin hätten sich diejenigen
Renarens wohl anders wenden sollen
als in die Veraangenheit. Die Gegen
wart sloß ruhig ohne irgendwelche al
terirende Zwischeniälle siir sie hin —
was innerlich an ihr fraß und nagt-,
das wußte ja Niemand —, die Sorge
um das Haus-riefen nahm die Tante
auf sich, nur die Bücher, die der Buch
händler in der Stadt jede Woche ein
mal heraukfchickte, und die Musik
brachten in ihr jegiges Leben eine ge
ringe Abwechslung —- und sie ents
behrte bei diesem Leben nicht-. wenn
es nicht die Ruhe ihrer Seele war.
Wohl hatten sich einiae von den alten
Bekannten in der Stadt in wohlge
meinter Absicht die Milbe aeaeben, sie
ihrer nunmehrigen Einiamieit zu ent
reißen und wieder zu dem früheren
Verkehr mit ihnen zu veranlassen, aber
alle Versuche waren von ihr dankend,
jedoch entschieden abgewiesen worden.
Sie aalt jetzt oder vielleicht schon lange
— das wußte sie wohl —- fiir eine Art
von weiblichem Zanderlina. Ein jun
ges Mädchen, nun die Herrin eines
großen Vermögens das nach allen
Reizen des Lebens blos vie Hand aus
zustrecken brauchte und das sich in
sreudloser Einsamkeit begrub Sie
stand jetzt in der Welt allein.
Gab es wirklich. seit der Vater todt
war, keinen Menschen mehr. der mit
ihr fühlte, der sie verstand. dem sie in
Allem hättr vertrauen dürfen?
Die Nadel in ihrer Band ruhte.
Was in ihrer Seele nagte — sie ver
gaß es für einen Augenblick. Sie
dachte an Den, für den diese Arbeit be
stimmt war. hollfeldl Etwas Un
ausgesprachenes lag zwischen ihm und
ihr — etwas, als schwebte von ihm
zu ihr ein Theil ihres eigenen Wesens
zurück. Es war zwischen ihm und ihr
ein geheimnisrvvlles hand; ein Band,
das sie manchmal fast wie eine zwin
gende Fessel empfand,« an der er sie
festhielt, aus der sie sich, selbst wenn
sie den Willen dazu gehabt hätte. nicht
mehr befreien konnte .. . . Schon wie
der, wie schon so manchmal in ihren
stillen Stunden, ertappte sie sich aus
diesem merkwürdigen Gefühl, diesem
Spiele ihrer Phantasie. Es fehlte nicht
viel urid er erschien ihr noch am Ende
in dem Lichte einer jener diimoni chen
Persönlichkeiten, die durch eine i en
innewohnende übernatürliche Kraft
andere Wesen, auf die sie es abgesehen
haben, in einen Bann zu zwingen ver
mögen —- einer menschlichen Spinne«
die um ihre Opfer, bevor sie diese ver
schlingt, unmerklich erst die feinsten
Faden strickt, -—- Fäden, viel feiner
noch als disse Seidenflidetn Rein —
es war nur ein Ueberbleibsel jenes al
tenVorurtheilH. das sie einst gegen ihn
gehabt. Er war nur eben anders als
alle anderen Menschen, die sie bisher
in ihrem Leben kennen gelernt hatte.
Er war klüger, er war scharssichtiaer
—- und eben deshalb, und da von
Kindheit an ihr Leben ossen vor sei
nen Augen gelegen hatte, warum sollte
er sie nicht auch besser als die Anderen
verstehen, ganz verstehen?
Jn ihrem Leben war einmal die
Knospe ausgegangen, die Liebe, die
Liebe eines jungen, noch tinderhasten
—- eines dummen Dinas, das noch
nicht einmal lange Kleider trug. Aber
eben darum war diese Liebe, wenn
auch trohig versteckt, so wild, so lei
denschaftlich gewesen. Ein Frühreis
karn, die Knospe wurde zerstört und
tzine Blüthe entsaltete sich mehr aus
t r.
Was konnte sie dasiir, dasz sie nicht
wie andere Mädchen war? Leut-, die
ihre Mutter aetannt, sagten, sie hätte
nicht nur das Aettßere der Mutter,
sondern auch ihr aanzes Wesen rbt
— und das warTreue ge n sieh elbst,
Pslichtstrenge und ein A sehen vor al
lem Niedrigen gewesen. Ja, sie fühlte
» sieh als ihr Kind. Un was ste ihre
Liebe gehängt, das war etwas Rie
s deines gewesen. Darum durste sie mit
? ihn-, der ihre Liebe in den Schlamm
Z ogen, darum durste fie mit sieh
; elbst seine Ratt-sieht, kein Mitleid ha
ben. Uerabschenen, verachten mußte
sie ihn —- ihn und sieh.
Damals, als sie so dachte, war sie
i ein unreiseh von romanti
Iiam gesehen-u einian March-u
ge.wesen Jahre gingen dahin und
jFoch änderte sich nichts in thr. Etwas
in ihrem Herzen die Stelle, ans der
einst die Knospe hervorgewachsen war.
erstarrte nach und nach. Die Männer
waren etwas Gleichailtiges fiir sie ge
» worden.
.Er« galt als verschollew
Manchmal stellte sie sich vor, daß
er vielleicht gestorben wäre — schon
längst fern in weitem unbelanntern
Land, wo er nun auch begraben lag.
Es war ein Gedanke, ver sie mit einer
merkwürdigen Beruhigung erfiillte.
Wenn er todt war. dann hatte er ge
büan Dann wiirde sie ihm auch ver
geben haben.
Auf dem Hügel der begrabenen Ju
gendliebe wuchs Gras, hohes Kirch
bvfsgrae. Wenn die Freundinnen von
ihren Tanzftundenabenteuern und
später von ihren Verlobten schwärm
ten, fo fühlte sie, daß sie nicht zu ih
nen gehörte. Vielleicht, ibr selber unbe
wußt. beneidete sie diese Glücklichen.
Arn ärgsten von Allem waren vie lä
stigen Fragen, mit denen sie wegen ih
rer Veränderung viel bestürmt wurde.
So war sie einsam geworden und nur
der Vater wußte, warum —- vielleicht
auch noch einer .....
Ob »er« gestorben war. ob nicht —
er war für sie todt.
Todt! Sie dachte wieder an die
Stunde, an den Augenblick zurück, wo
sie erfahren sollte, daß er nicht todt
war. An ihren Schreck, an ibr Ent
segen dachte sie, an seine wahnsinnigen
Worte, seine Drohung, an das, wag
an demselben Tage wenige Stunden
später geschah —- an ihres Vaters
Tod.
Kein Wort von vern, was sie allein
nur wußte, war gegen den Richter oder
sonst einen Menschen iiber ihre Lip
pen getommen. Sie hatte mit ihrem
Gewissen gerungen, nach einer mensch
lichen Seele geschrien, der sie sich hätte
anvertrauen tiinnen, vie ihr den rech
ten Weg, den iie ja selbst nun nicht
mehr kannte, wies. Schon —- es war
bei der Rückkehr von dem frischen
. Grabe gewesen —- hatte sie einen Ent
schluß gefaßt, aber im letzten Augen
blicke verschloki ihr die Furcht wieder
die Lippen. Er, ldollfeld, hatte auch
wohl von ihrer Absicht nichts gemerkt,
unv sie blieb ihren solternren Zwei
feln überlassen nach wie vor. Sie
hatte sich getrostet mit dem Wort der
Schrift: »Die Rache ist mein, spricht
der Herr« —- unv weil Rache und
Strafe den Todten ja doch nicht das
Leben wiedergeben
Warum aber ihr Zweifel? Wes
halb hatte sie nicht rückhaltlos dem
Richter Alles, was sie wußte, betannti
Warum die Furcht, vie ihr den Mund
versiegeltr.
Sie schloß die Augen wie vor einem
Abgrund —- dem Abgrund ihrer eige
nen Seele. Aber eine Stimme scholl
aus seiner Tiefe zu ihr empor wie die
Posaune des Gerichts: »Er iit der
Mörder drian Vater-. Du weißt es,
aber du aibst ihn nicht preis. Weil du
ihn geliebt haft. Weil der Funke, den
du mit deiner Verachtung schon längst
erstickt zu haben aloubtest, noch
glimmt.« — »Nein,« schrie sie auf, so
laut, als wollte sie die Stimme aus
dem Abgrund übertönen — nein, die
Stimme loo. Warum sie ihn nicht
preisgabi Sollte sie es denn selbst
sein, die ihn an’s Messer lieferte?
Selbst vie Marien des Gemordeten
konnten das nicht von ihr fordern.
Und dann —- das war ja ihre legte
Zuflucht —: Blieb ed nicht denkbar,
daß sie sich täuschte, due er, so sehr
auch der Schein gegen i n war, den
noch schuldlos war? Daß ihr Verdacht
sich nur auf ein verhängnisvolleg zu-·
fälliges Zusammentreffen von allerlei
Umständen gründetei So tief er auch
gesunken — war ej zu denken, daß er
zum Mörder geworden, zum Mörder
an seinem Wohlthäteii Sie konnte,
sie konnte es nicht glauben —- und
sprach der Schein auch immer wieder
noch so til-erzeugend gegen ihn. Die
III-sie's »fo- nusns ci- ifmov III-I
waii sie wußte, sagte — sie wiirden
nur nach den bloßen, gegen ihn spre
chenden Jndizien urtheilen, und dann
war sein Schicksal gesoisz. Sie selber
würde es dann also gewesen sein, die
ihn dem senterbeile überantwortet —
und schuldlos! Schuldlos — ja! Im
mer von Neuem tlamrnerte sie sich wie
der daran fest, wie der von den Gei
stern der hölle Versolgte an’s rettende
Kreuz. Sie starrte vor sich hin.
Sie dachte an etwas, woran sie
noch niemals gedacht.
Wenn nun ihr-halt zusammenbrach,
wenn sie nun die Gewißheit erhielte,
daß er der Mörder war? Was dann?
Von der Chaussee war das Heran
nahen eines Wagens vernehmbar, das
sie in ihren Gedanken unterbrach.
Gleich darauf hörte man den Wagen
poltern über das Pslaster der Thor
einsahrt rollen. Der heraussteigende
war lk)ollseld. Er tam von einer län
geren in einen benachbarten Marti
slecken unternommenen Aussahrt zu
rück. Es hatte sich dabei um eine ge
wisse seinerzeit vsn Deren Rosenau
siir Renate als deren einstige Mitgist
sestgelegte hypothet Mhandelh holl
seld hatte ihr heute orgen von der
Ungelegenheit schon Mittheilung ge
macht, und so war es nun ganz na
türlich, daß bald daraus Anna zu ihr
tn’s . immer trat und meldete, here
hollse d wäre da nnd wünsche sie zu
WIN- . .
S that die Steckerer in ein Schub
sach und wars, bevor er est-gen
schnell noch einen Blia in den v gel
—- vermuthlrch nur, um zu prüfen, ob
ihre Miene wieder die gewöhnliche
war. Und doch slog dabei unw mür
lich dieser Blick auch iider ihr Kleid
itder i Haar. aus dem« ein unors
dent’ Löetchen zuritck rich.
sollseId trat ein. Fu rgewohnte-r
geschaftsmä iger Weise bei te er ihr
mit, wie er ch der Angelegenheit ent
ledigt hatte, sie dankte thin« und damit
hielt sie die kurze Unterredung fitr bes
endet. bollfrld blieb aber flehen.
«Bergeil)en Sie,« sagte er leicht lä
lnd — »aber ich ha noch etwas
fur Sie. Allerdinas ist ei gerade
nichts Geschäftliches.«
Etwas verwundert sah sie ihn an.
Ausgenommen die musikalis en
Abende, war es sonst nicht seine rt,
andere Dinge als rein geschäftliche
zwischen ihnen zur Sprache zu brin
gen.
Er griff in seine Nocktasche und zog
daraus ein etwas oerwahrlost» aus
sehener rothes, gesticktes Muschen
hervor, an dem eine schwarze Troddel
ding. so daß es fast an einen tiirtischen
Fez erinnerte.
»Wenn ich mich recht erinnere.« fuh
er in dern gleichen harmlosen Ton fort,
Jst das Ihr Eigenthum«
Sie hatte die Mütze sofort ertannt.
»Wo hat-en Sie das gesunden?"
fragte sie betroffen.
Er war mit dem Wagen durch das
nächste Dorf gekommen. Dort auf der
Landstraße hatte er ein paar spielend-:
Kinder bemerkt, das Eine davon, ern
kleines Mädchen, hatte die Mütze aus
dem Kopie gehabt. An der rothens
Farbe und der auffallenden schwarzen «
roddet hatte er sie sofort wieder er
kannt, odwahl er sie —- wie er hinzu
sente — an dem anädigen Fräulein
nur ganz zufällig vorder einmal gese
hen hatte. Auf die Frage, wo ed die
Mütze denn der hätte, erwiderte das
kleine Mädchen, es hätte sie gefunden
und zwar schon iängst, vor ein paar
Wochen —- draußrn vor dem Dorfe
an dem Weidendusch, der am Bach-e
IODHIS IS' Mctt ones III-sites WY fis
rerloren hätte. Eine Dame, die Rad
fuhr, hätte sie verloren. Die Dame
hatte mit einem Manns zusammenge
tanoen, einern »hiißlichen« Mann.
denn er zantte mit der schönen Dame,
dann wollte er ihr mit einem Male et
was Böses thun, denn r ftreelte beide
Arme nach ihr aus. Da sprang vie
Dame auf ihr Rai-, von vern sie abge
stiegen war und da fiel ihr die Muse
vom Kopi, sie sah sich aber darnach
nicht urn und iuhr ganz schnell davon.
Der häßliche Mann sah ihr nach, dann
rannte auch er davon. Wohin, has
hatte die Kleine nicht sehen können,
denn aus einmal war er verschwunden
Da hob sie die Mütze auf.
»Ich dachte mir, Fräulein Renate,«
so schloß er —- ,,es wurde Jhnen Spaß
machen. wenn ich sie Jhnen wieder
hrinae. Aber nun sehe ich wohl, daß
mir ein »iaur pas« passirr ist. Es
sittzeinn mein Fund erfreut Sie nicht
e r.«
Renate war in der That sehr blas-,
geworden.
Entsetzung folgt.) « ·
cchönhettsssaetmmm
Eine französische Schauspielerin,
die sich Dank der Schminte ihren
Teint gründlich ruinirt hatte, begab
sich nach London, wo sie sich in einer
Reihe von Operationen ihre ganze
Gesichishaui erneuern ließ. Die neue-·
sten Fortschritte der Verschönerungs
tunft sind in Bezug auf die erreich
baren Resultate sicherlich bewunde
rungswiirdigz aber sie verurtheilen
die Märtyrer-innen der Kotetterie zu
Tvrturen, denen sie sich urn einer hö
heren Sache willen taurn unterwerfen
würden. Die Kunst der Schönheitip
erzeugung verwendet heute alle ante
ren Künste und Wissenschaften: Die
. Mineralogie und hie Chemie, hie Me
» dizin und die Chirurgie, hie Malerei
« und hie Bildhauertunst müssen sich in
Iihren Dienst ftellen. Es erfordert
selbstverständlich minder fchrnerzliche
Operationen, seine natürliche Schön
heit zu bewahren, als sein Aussehen
indess-II rrmssswfesnss IIDPIZIAI
----------------
Schönheit über alle jene zarten Em
psindungen, die nach einem ziemlich
allgemein verbreiteten Vorurtheile ge
rade den Frauen eigen sein sollen,
hinwegsetzen. Denn es gilt, nicht nur
in Milch und Champagner, in Erd
beeren und Trauben, sondern auch in
Dünger und Blut zu baden; ebenso
wie Trinthallen sind in manchen
Schlachthiiusern auch Bäder installirt
worden.
Man dars auch davor nicht zurück
schrecken, sich des Nachts Max-ten aus
zulegen, die mit allerlei klebrigen
Stoffen bestrichen sind oder rohe
Beassteais iiber das Gesicht zu bin
den. Die Massage und Eleltrisirung
der Gesichtsmusieln gehört bei syste
matischer Anwendung auch nicht zu
den Genüssen des Lebens: um eine
einzige Runzel zu beseitigen, muß
man sich drei Monate lang je wei
Stunden täglich behandeln la en.
Eines der qualoollsten Kapitel der
Geschichte der weiblichen Schönheit ist
das Entfernen des Gesichtsslaums,
der manchmal zu einem ordent
lichen Schnur-hart auswiichst. Das
herausreißen der Daare mit der
Wurzel ist so schmerzlich, da man
sich zumeist in einer Sisung h· siens
siins haate entsernen lassen kann.
Aber was sind Vese Leiden im Ver
gleich mit den Martern, die eine voll
ständige Erneuerung der Gesichtshaut
auserlegtt Die heldenmiithige Schau
spielerin, die diese Operation durch
machte, ließ sich die Epidermis che
misch verbrennen und stückweise ab
iehen. Am Schlusse dieser Marsyas
rocedur bekam sie allerdings eine
neue, rosige hautz dieser aber war so
————
lzarh daß sie Ioie ein neugeborenes
Kind aussah und sich von Hier-m aus
vier Monate einschiithen muste. Aber
man gebt heute noch- weiter: man mo
bellirt Knochen. Knorneln unb »Mus
teln als wären sie Täsm hnßltche
Ohren werben in lzsormen ge
preßt, weiche die Zeichnung der MU
schelwindungen und bei Käppchen
langsam aber , sicher umgeftaltemv
Selbst die Nase toird «oer·beisert«: hie
gewünschte Form —- grreihrsih oder
römisch —- wird in Ohno gegossen
und appliciri; gleichzeitig wies durch
subtuiane Einsprihung von Baseline
die Nasenhaui emporgetrieben, bis sie
sich der Form anpaßt. So theuer be
zahlen Frauen den Namen bez JA
neren Geschlechte8«.
-——-...-—--—
I
Der see-« der dont.
lkzk haben nicht nur die Pflanku
: und Biumen einen bestimmten »Ge
; ruch, sondern auch vie Thiere itromen
»eine» foichen aus, der zu verschied-UTer
) Zeit verschieden start ist und auch seis
iweise verschwindet Ebenso besitzt die
I Haut des Menschen einen Geruch, der
; eine Folge der Hautsecretion ist, eines
Ver wichtigsten Organe für den Men
i schmi. In der Kindheit hat vie haut
keinen bestimmten Geruch, vorausge
- sent natürlich, daß sie gut gepflegt ist.
I Beim heranwachsean Menschen ent
wickelt sich ein ganz marianter Ge
ruch, der sich im reisen Alter noch stei
gert, urn Dann wieder im Alter, wenn
bie Haut trocken wird, abzunehmen
oder aanz zu verschwinden. Die
Haut Farbe hat einen beitimmenden
Einfluß, Briinette und besonders
Rathe fallen besonders Durch vie Jn
tensität ihres Geruches auf, während
er bei Blonoen sehr zurücktritt. Der
Franzose Fere behauptet, daß dasEms
rsonpoint einen Einfluß aus die Art
des Geruches hat, er soll ölia sein.
t.sl. ----- -I. ---k--- most-Ins- Issn II
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ftinrmend auf den Geruch wirken. Es
tft bekannt, daß tleine Kinder, beson
ders solche, die mit der Flasche genährt
werden«- leicht nach Buttersiiure riechen.
Erwachsene tönnen nach Knoblauch,
Alte-hol, Ierdentin, Karn, Phosphor
oder Schwefel riechen. Besonders rn
teressant ist es aber, daß Gemüthshes
wegungen dem Geruch einen ausge
trriigten Character gehen tönnen. So
berichtet der berühmte Nervenarzt
Hainrrwnd von einer Frau, welche im
Wuthaisiall nach Tannenzapfen roch.
Este-e endete Frau roch nach Veilchen.
TUax unter den Geistestranten kann
man diefe Geruch-veränderten
wckrnebmem fo riechen manche trag
Moschee« Veilchen oder Nofen, andere
est-er strömen einen fehr unangenehmen
Geruch aus. Frere macht nun
darauf aufmertfam, dafz auch die Ei
aenart des Geruches erblich ist. Er be
richtet über verschiedene Personen,
icesche einen Geruch, der nue ihrer Fa
rnitie eigen war, entwickelten. Eigent
lich lönnen roir hier aus dem Verhal
ten der Hunde verfchiedenen Mitglie
der-: ein und derselben Familie gegen
iiber, die sie noch nie gesehen, schließen.
Sie ertxnnen sie fofort am Geruch und
hinan-dein fte nicht als Fremde. Es ift
aber doch interessant, daß wir, deren
Geruchkmpiindung viel adgestumpftee
als die der hunde ist, auch hin und
wieder die Wahrnehmung einer Fami
lienähnlichleit im Geruch eonstatiren
sinnen. « »
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Reitee spat ts tote-.
Jn den vornehmen Kreisen der
Seinestadt giebt man sich gegenwärtig
der Ausübung allerlei excentrifchet
Sport-, hin. Man geht dabei etwas
heimlich zu Werte, doch ab und zu
wird von den Betheiligten eine kleine
Jndisrretion be angen, und bald is
es ein offenes beimniß, daß der
junge Graf Soundio täglich Unter
richt im Seiltan n nimmt, daß die
elegante Eomtefc h. am Trapeg
schwingt und die Baronin R· ihren
fis-Z ssisondsn VII-Iehr- nsklestlae XII
der Circusrnanege zu reiten oder gar
Ballet zu tanzen. Zeit turzern ift das
sogenannte «Fuszboxen« wieder in
Mode getornmen Weiblein und
Männlein des .Grand Monde« üben
sich mit wahrer Leidenschaft im Boxen
mit den unteren Ertremitäten. Man
hätte glauben sollen, daß die Pari er
Polizei nach dem unglücklich verlau e
nen »Feet-Boxing-Match« zwischen
dein Enaliinder Drigcvll und denr
Franzosen Charlemont, bei welchem
der erstere durch einen unerlaubten
Stoß des Gegners befinnungsloi zu
Boden gestreckt wurde, und dern blu
tigen Renrontre zwischen sen weibli
chen Champions Mariette Angagneur
und Jenny Pintham derartige Schau
siellunaen überhaupt nicht rnebr erlau
ben würde. Die letztgenannte Lon
doner Fußtämpferin wurde durch ihre
Pariser Rivalin lebenslänglich ent
Xllt und erlitt durch einen gegen die
geln derstoßenden Fußtritt gegen
den Leib eine schwere innereVerleyunz
Ungea tet dieser unersreulichen Vor
totnrnn sie fanden lästbin in Paris
wrederniebree Fuß- erttärnpse statt.
Un einigen betbeiligten sich auch
rauen. Eine talienerin, Marietta
amvellota, rna te drei Männer bin
teeeinander tamplunsähig. Bei vieler
fuskewandten Signora meldeten lich
als ald biete ariltolratiiche Damen,
urn sich un Fußboren untern-eilen zu
lasen. Die gluthiiuaiae Lehrmeiste
rin soll ganz brillante Einnahmen er
fielen und bereits verbliissende Er
olge zu verzeichnen haben.
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Tanada will Montana Schiffs
trust belämvsern Eanatckö l
dürfte in’i Wasser fallen. Zu um