Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 08, 1902, Sonntags-Blatt, Image 10

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07· Fortfetzung.)
Nur Rathanael hörte zu. Wieeiins
fand is einer Art Erstarrung. Das
Bild m ihm hddnotisirte ihn. Er sah
sehr Wein, als menschliche Sinne
wahrnehmen konnten. Aug dem leise
riefelnden Sand des improvisirien
Grabes aufsteigend, die niedere Decke
einftoßend mit dem chauen-Haupt, sah
er sich erheben was er oft geleugnet
hatte, die Vergeltung. Hoch hob sie
ihre Gefesestafel empor, entrollte fei
nem Auge das Muster-, das dem Ge
webe der Menschenfchiasale zu Grunde
lieqt, nach dem ibre scheinbar regel
lpien Figuren sich zusammenfiigem
Ringe, lauter Ringe, die sich schließen,
regelmäßig, lüclenios — für die Tod-te
in ihrer berleer Hoffart, iiir Jslap
Mich einer irinjzigjäbrigen Werbach-er
laufbabn, für die rothes Sumpfblume
Julr. — Auch fiir ihn selbst lriimmte
der Ring sich derbängnißdolL Linie
um Linie. Ein Zagen packte ihn unter
der feuchten, triefenden Wölbung, vor
dem verwunderten Todtengesicht, über
dessen Grün die Fackeln ihre düste:
rothen Reflere warfen, ein wildes Ver-—
langen, sich biniiberzuretten auf den
festen Boden, auf dem die braven Bür
ger wandeln, mit gutem Gewissen und
vollen Bist-few dem Boden, den die
Prillemanng traten.
« Sref sinken im Herzen vibrirte noch
ein Schmerz, wie er nicht geglaubt
hatte, ihn empfinden zu Meinst um
das eigensinnige, kleine Mädchen, das
sich ihm versagte. Aber schon öffnete
das «Gewöbnliche, Alltiigliche ihm den
Rettnnosbafem und er war müd’, ba
xenbediirftiz Sein Wert vollenden,
eine Rache nehmen und dermaleinst
friedlich in seinem Bett sterben!
In diesem Augenblick faßte er den
Entschlafe. Lisbetb Vällemcmn m bei
rathen.
s- 19.
Frau von Rössing hatte die Nacht
schlecht geträumt. Sie träumte jetzt
oft schlecht. Der Verkauf der Fami
liengiiter, das HospitaL das sie plante,
rührte im Grund ihrer Seele all’ die
Erinnerungen aus, die im Laufe der
Jahre dort zur Ruh’ gekommen wa
ren. Ader die Seele verliert nichts,
und die Dinge werfen andere Schat
ten, wenn die Lebens-sonne, im Mit
ta« stehend, scheitelrecht darauf herab-:
brennt, andere, wenn die niedergehende
in schrägern Winkel sie beleuchtet. Was
rau oon Rössing von ihrer Mittags
"he als eine ärgerliche Unebenheit er
chienen war, wuchs vom Standpunkt
Ihrer Abendtiese gesehen mächtig em
por, gewann Form und tlagte ne an
rnit menschlichem Antlitz.
Umsonst, das sie in ihrer Gewis
sensangst das Sühnewert erdacht hat
te, das Krankenhaus, das ihres Soh
nes Namen durch die Jahrhunderte
tragen solltet —- »Und schafftest du
Leid und Krankheit aus der Welt« —
klagte der Todte —- »gieht das mir
eine Stunde des Glückes zurück, das
du mir genommen hast?«
hatte sie das Gespenst am Tage be
schwichtiai so tam es wieder irn Trau
me der Nacht, streckte die Steletthand
aus, zwischen deren Knochen alle
Schätze der Welt hindurchglitten, und
heischte: »Gieb mir die Jugend wieder-,
die Liebe! Gieb mir mein Weit-! das
Kind, das ich " te haben tönnens
Mein Leben gie mir wieder. Jch hin
le i n Narr gewesen — und du hast es
Ywußi. Lebendig hast du mich in’s
rah geschickt. Ich mußte mich tödten.
Jn’s Grab gehören nur Todte.«
Dann machte Frau vonNösstng auf,
in Schweiß gebadet, und hörte ihr
herz in der« Brust hämmern, so laut,
als per ein szsinaer an oag Holz
ihrer Beiilaor. Sie wagte nicht wie
der einzuschlafen aus- Furcht oor neuen
Träumen, saß aufrecht uns machte Den
Tag herbei.
Die Morgenpolf brachte Wicelius’
Brief« Frau von Rössina beschloß,
gleich selbst in die Zehoenicler Straße
zu fahren
Als sie durch den Garten karn, sah
sie hinter den Rosen Lisbeih Mille
mann stehen, so oerfonnen, oaß sie die
Schritte auf dem Kies überhörte. Frau
von Nössina rief ihr einen »Guten
Morgen« zu. Sie war wieder Welt
darnq sobalo ein Menschenauge sie sah.
»Nun, meine liebe Kleine, in Träu
men, so lieblich wie die Blumen um
Sie beri«
Lisbeih lief aus sie zu, küßte ihr die
nd.
»Es war lauter dummes Zeug,
gnäoiae Frau. Ich hätte lieber um
sich schauen sollen·«
»Sagen Sie das nicht. Unsere
Träume sind oft der bessere Theil un
s Lebens. Die Ihrigen erräth
e alte Freundin wohl. Sie haben
ne Armen und schwarze Zum-U
« .Uber gnädige Frau —!« lebeth
— Mde roth
«Betaebm Sie der indislreien al
M. Ich steif mich so sehr,
ein mete- hl anstoilchst- wo
site-do . oiisi wieviesiip
deutete auf das Schwian in ihrer
Hand. »Da hat mir Herr - oktor Wi
celius in seiner gewohnten Siebens
wiirdigleit einen jungen Mann em
pfohlen, ein Mittelding zwischen Die
ner und Setretiir. ganz das, was ich
in meinen Verhältnissen mir wiinschen
muß. Jch bin im Begriff, zu einer
Wirthin zu fahren und feine Bekannt
schaft zu machen. Halten Sie mir die
Daumen, daß wir einander zusagen
mögen.«
»O, wenn Herr Doktor Wicelius
ihn empfiehlt! — Ich meine, ich freue
mich sehr für Sie, Frau Baronin.
Papa sagt auch, Sie sind wirklich zu
sehr allein in Ihrem Hau5.«
Frau von Röfsina nickte dem jun
aen Mädchen Du und ging aus der -
Pforte. »Zu seht allein,« klang es in
ihr nach. »Ja wohl, allein! —- und
nicht blos in meinem Haus!' Aber sie
richtete sich gewaltsam auf. Mit ge
radem Rücken, mit dochgehodenem
Kopf schritt sie vorwärts.
»Hab’ ich gefehlt, fo trag’ ich meine
Strafe. Es geht leinen was an. Wär’s
noch zu thun, ich thiit’s doch wieder!
Besser für einen edlen Stamm abster
ben, als in unedlen Pfropfreifern
weiterleben, besser allein sein« als um
aeden von unebenbiirtigen Enleln!«
Am nächsten Stand stieg sie in eine
Droichke und fuhr nach der Zehdes
nicker Straße
Sie mußte lange llingeln, und
dann war’5 ein kaum siebenjährigeö
Mädchen mit oerstiirtem Blick, das
öffnete. Sie fragte nach Frau Win
JIUUClcl UND Dclcllli lclllc AlllkllskL
Sie fragte nach Herrn Werner, und
das Kind murmelte etwas Unver
ständliches. Aber es hielt die Thür
offen und Frau von Rössing trat ein.
Sie hatte kaum fiinf Schritte in
dem dämmerigen Flur gemacht, als
eine offenstehende Stubenthiir sie, vom
hellen Tageslicht übergossen, eine
Gruppe sehen ließ, die ihr lebhaftes
Interesse erregte: eine ältere Frau in
den Armen eines jungen Märchens
Von der Alten sah sie nur die Umrisse
der Gestalt, die schwarze Tüllhauhe;
das Gesicht war wie im Paroxismug
des Schmerzes gegen die Schulter der
Jüngeren gedrückt. Die hielt sie sach:
und sorglich. Und die Augen in dem
kühnen, energischen Gesicht blickten voll
Theilnahme und doch mit einer ge
wissen Autorität auf sie nieder.
Frau von Rössing durch-guckte eine
seltsame Empfindung, Sympathie
und etroas wie Neid. Jhre stolze Hal
tung lösen, fassungslos, sormlos wie
jene Frau sich an ein treues herz wer
fen mit ihrem Gram — es wäreWohls
that. Reglos stand sie und sah, und
nimmer meinte sie ein Antlitz geschaut
zu haben, das ihr wohlgethan hätte,
wie dies junge, stolze, ehrliche Gesicht.
Endlich mußte sie vortreten.
»Ich bitte um Entschuldigung Ich
suche Frau Winterrneier.« .
Die Frau in den Armen des Mäd
chens zuckte zusammen. Sie machte
eine halbe Drehung »Was-? —- Wer?
—- Was soll ich?«
»Es ist wegen eines Zungen Man
nes, der hei Jhnen mhn , eines Herrn
Robert Werner.«
Hier griff das junge Mädchen ein·
»Weil-en Sie, Frau Wintermeier.
Bleiben Sie ganz still. SeLen Sie
fåchfda auf das Sofa. Jch mach’ das.
o.'«
Sie führte die Frau auf einen he
quemen Platz. .Wie eine Tochter',
dachte Frau von Röfsing. Und dann
kam sie auf sie zu. »
»Wenn es Ihnen gefällig ist« na
dige Frau, so gehen wir in mein Zim
nick
Aerolitba wartete die Einwilligung
der Dame nicht ab, öffnete eine Thiic
auf der anderen Seite des Ganges
und lud Frau von Rössing durch eine
Hanobeweguna ein« Platz zu nehmen.
»Sie müssen entschuldigen. Frau
Wintermeier bat einen großen Kum
mer. Jhre Schwester ist ihr aus schau
derhafte Weise ermorvet worden. Und
Herr Werner ist in diesem Au envlick
nicht zu Haus. Aber ich will sle gern
Jhren Auftrag annehmen.«
Frau von Rössinsg setzte sich. »Sind
Sie vielleicht die Schwester des Herrn
Werner?«
»O nein, ich bin gar nix verwandt
mit Herrn Werner. Nur ein’ serr
gute Freundin, und ich wobn’ auch bei
grau Wintetmeier, wie er. ch bin
iß Aerolitba, die bei das polle
theater war.«
Diese Vorstellung gab Frau von
Rsfsing’ö Stolz einen kleinen Stich.
»Ach, Sie sind Künstlerini«
»Ja, Trapeztiinstlerin.«
Sie sagte nichts weiter. Sie ließ»
die vornehme Dame ihren Schreckt
überwinden. wie sie m« ; see wartete
schweigend, was jene i r site Robert
Weener mittheilen wollte. ·
Und in der Art dieses schweige-wen
Warten- lag v viel Bornehmtbeit,
daß Frau von «ssing sich davon ents
ziiett fühlte· Guts tosen byann ste:
«Oclauben Sie al o, da ich mich
- allz pessima-Baron von Hi« -
ftsfsbork Here Mit-As -
Mein-Wer Ireunbwstt—«
Sie sah ein leises Zinsen in Aerolis
tha’i Gefecht und unterbrach sich:
aSie kennen den Herrn Doktori«
Za. Frau Baronin. ich M’ ihn-«
ieder in Stimme und dänltnng
jene ruhige Ehrlichkeit. vor Fra
von Rössing sich ihres aufsteigend-m
Berdachtes schämte.
»Als-) Herr Doktor Wicelino hat
mich an Herrn Werner gewiesen, als
einen zuverlässigen jungen Mann, den
ich zu meiner Stiihe uns Bequemlich
leit in's Haus nehmen könnte-«
Sie begann die Einzelheiten aus
einanderzusetzen
Aerolitha war jetzt oollEiser. »Dek
tor Wiceliusf —- Doktor Wireliug hat
ihn empfohlen? O. das sind’ ich lieh
und nett von dein herrn Doktor! serr
lieb! — Und gnädiae Frau werden
» sicher nicht enttäufcht sein, wenn Sie
«Robert Werner vertrauen. Sie wer
den einen treuen Menschen haben, auf
den Sie sich in allen Lagen verlassen
können. Jch sag’ das, eFrau Baronan
weil ich es erfahren hab’, nicht weil er
mein Freund ist. Ich hab« ihn kennen
gelernt in einer serr schlimmen Stun
De. Es ist nicht aus alle Menschen
lVerlaß. Aber aus ihn kann man zäh
en."
Frau von Rössing lächelte. »Mir
scheint, auf Sie können Jhre Freunde
auch zählen«
»Ja«, sagte Ilerolitha ernst, »ich
hoff das-« ,
Frau von Rössing reichte ihr die
Hono. »Bitte, schicken Sie mir also
den jungen Mann, wenn er heim
lornmt, Fräulein Aerolitha.«
Sie war im Voraus entschlossen,
Rob zu nehmen, allein utn des Mäd
chens willen.
Während sie in den Wagen stieg.
griibelte sie. was für-Beziehungen wohl
zwilchen den beiden jungen Leuten be
sisbon Ins-biss- Cpfno fes-nistet lief-i
scheuen,« sagte sie sich sofort. «Dies
Mädchen ist echt und ganz. Kein
Sprung. tein Riß, teine Lücke in ih
rem Wesen.«
Jn dieser ehrlichen hätte llang et-·
was ihr Verwandtes an. Und immer
hatte sie das Bild dor Augen: die in
Jammer ausgelöste Frau und das
Mädchen, das sie wortlos und doch
tröstlich in sesten Armen ausrecht hielH
Das wäre die starte und schweigsame
Theilnahme die sie ersehnte. Dies
Mädchen war wie tiihles Wasser aus
brennende Wunden,
ein Meisterstück »
Gottes —- wenn auch nur eine Trapez- »
tünstlerin.
Jhr verschlossenes Gemüth
miirbt und ausgewählt von der Qual
in reuloser Verzweislung durchwach
ter Nächte, war wie ein reiser Blumen
lelch, im Begriff, sich begierig dem
Samenstaub der Liebe zu össnen, oon
wo immer der Wind ihn herbeiwehen
mochte. Und sie zersann sich den Kons,
zer
aus welche Weise sie Aerolitha in ihn
einsames, tinderleeres Haus ziehen
tönnr.
Gleich nach Tisch tam Rob. Er
lam nicht gern. Es hatte der ganzen
Autorität Aerolitha’s und der Zu
sammenrassung all seiner Vernunft
bedurft, um ihn dazu zu bringen« sich
um einen Posten zu bewerhen, den
Doktor Wicelius ihm vorschlug, einen
Posten in einem Haus, aus dem er un
ter dem Verdacht des Raubes geschie
den war.
Scheu und hastig rannte er durch
die Pforte, den Gartenweg entlana,
wie gejagt, bis die Püllemann’sche
Villa ihn hinter Gesträuch verschwun
den war Doch als er von dem sau
beten Mädchen eingeführt in Frau von
Nössing’ö Wohnzimmer trat, überlarn
ihn vor der weiizhaarigen Dame zwi
schen den altersbraunen Möbeln, den
nachgeduntelten Oelbtldern, der gan
sen Häuslichleit mit ihrem Gepräge
langer, sicherer Wohlhabenheit ein Ge
siihl von Zuhausesein, von Behagen.
Deutlich· empsand ers-s» abermals:
seine yetmary lag rrn cost-us Der ge
sitteten Gesellschost, und lein Spiel
leine Arbeit, ieine Entbehrung sollte
ihm zu schwer sein, um darin wieder
festen Fuß zu sassen.
Frau von Rössing betrachtete der
weil durch ihre Loranetie ihren iiinstis
qen Hauzaenossem die hochausgeschoi
sene Gestalt in dem oertragenen An
zug, von dem unbarmherziges Bürsten
alle Wolle abgeiratzt hatte, das blasse
Gesicht mit den Auaen, die aus dunk- ;
len Rändern glühten, und sagte sichJ
daß sie ihn wahrscheinlich nicht ge
wählt haben würde ohne die gewichti
gen Empfehlungen des Doktor Wicei
lius und des iapseren jungen Mäd
chens, das ihr altes Herz im Sturm
erobert hatte.
Eine Neugier larn ihr, die Sonde zu
tauchen in das Gemiiih dieses Jüng
ling-Z, zu sehen, ob Gold oder Blei hin
ter seinem verschiossenen Wesen zu su
chen sei.
Ehre hausgenossin hat sehr warm
sur Sie aeredei, Herr Werner. Sie
haben an dieser, wie heißt sie-i — Miß
Aerolitha, wirklich eine Freundin« —
sie lächelte hedeuiunasvoll —- »eine
außerordenilich warme Freundin.«
Rob wurde sehr roth. Er zogerie
aber nur einen Augenblick, dann ant
wortete er ehelich
Mis-, Aetolitha würde meine Braut
sein, wenn ich ein Mann wäre, der an
heirathen denken töunte.«
»J re Braut? —- O aber das ist
inieee ani.«
Noli konnte einen Seuszer nicht un
terdrücken »Eigentlich ist es traurig.
’ Sie haben sie gdeseheiy rau Baronin,
Bund b Preise-, ß ein ensch wie ich
kein Recht hat, sie an sich zu Mien.«
»Wenn es Ihnen geweht seine u.Fis
ieW is erwerben-wer
diesem Recht jedenfalls um ein gute
Stiick näher getomgen sein.«
Sie reichte ihm IS dank-. Er was
ihr sympthi cher gDorven sur hiei
Ksrichtge etenntniß sei-er iebe
·Shrlich, wenn auch schross«« taxirti
ihre Menschenlennjniß. Jllicseich
nicht immer angenehm, aber ein Cha(
racter«. tlnd sie entschloß sich sogleich
»Jhre:i Lebenslauf haben mir ALB
reunde schon erzählt«, sagte sie. »Es
hre gute Schulhildung werden - "·
bei mir Verwendung finden, da ichSi
zu mancherlei schristlichen Arbeitei
heranziehen muß. Daß Sie sich spii
ter einem praktischen Beruf Fugen-and
haben. schadetJhnen jetensa s in meis
nen Augen nicht. Denn ich schätze
baß «ntelligente Menschen durch di
Beriihrurg mit dem wirklichen Leber
nur gewinnen können. Jch bin als.
geneigt, Sie zu enaagiren. Wanr
können Sie eintreten?«
«W:inn Frau Baronin beselilen.«
»Ach sagen wärt heut’ Abend. Jck
bin eine einsame Frau und sreue micl
aus männlichen Schw. Noch eins!
Sie werden vielleicht einige Auschas
sungen zu machen haben.«
Sie nahm ein Beutelchen aus ihrer-.
Schreibsecretär und zählte ihm hun
Dert Mart aus den Tisch. »Hier sind
zwei Monate Vorschuß, Herr Werner
Wenn ich mit Ihren Leistungen zu.
frieaen bin, werde ich Jhr Gehalt balc
erhöhen.«
Mit zitternden Händen strich Rot
dan Geld ein — endlich nach Mona
ten,G.-ld, das ihm gehörte.
Frau von Röising verabschiedete
ihn. »Stützen Sie mir Fräulein
Aeralitha Sagen Sie ihr, ich würde
mich immer freuen, sie in meinem
. Hause zu sehen.«
m-----k-IJ «-I«ssk«- Ihm mass Its-I
» .- ....... , ,.., .............. .,.....
IEr mußte sich tüchtig tummeln, um
mit seinen Vorbereitungen fertig zu
werden, einen anständigen Anzug und
Wäsche zu kaufen.
Gegen sechs Uhr erschien er bei Frau
von Rossing ein neuer und entschieden
ansehnlich-i Mensch.
Sie dittirte ihm sogleich eine Ueber
sicht über den Plan ihres Krantenhaw
fes, die der Magistrat von Berlin von
ihr gefordert hatte, ehe er seine Er
laubniß zur Erbauung erkheilte. Da
nach mußte er ihr den Thee serviren.
Dann waren seine Obliegenheiten bei
ihr für heute beendet. Die Kladde des
Planes bekam er mit, um ihn ink
Reine zu schreiben, aus seinem schma
len, langen Zimmerchen, dessen eines
Fenster neben der hausthiir tag, wäh
rend das andere aus die Heele ging,
die den Garten von dem Durchgang
zwischen den anderen Gärten schied.
Rob aß auch aus diesem Zimmer,
sehr zum Verdruß der Köchin. Aber
Frau von Rössing hielt aus Rang
unterschiede und wünschte, dem jungen
Mann von Anfang an eine bevorzugte
Stellung in ihrem Hause zu sichern.
Rob schrieb, so lang ver Junitag
ihm zu sehen gestatete. Dann vergaß
er sich, die Ellbogen auf seinen Papie
ren, in einer tiefen Träumerei. Gerade
ihm gegenüber iiber dern dunklen Wi
psel einer Platane flimmerte ein gro
ßer Stern. Er dachte daran, wie die
Sterne in der Shldesternacht aus ihn
herabgeglihert hatten, damals, als
Aerolitha ihn zu ihrer sterbenden
Großmutter ries und Seidelschwung
ihm sein Messer zwischen die Rippen
rannte. Was lag zwischen jenem
Abend und heut’? Aber Gott sei
Dankt Wenn auch irrend und schwan
tend, wenn auch am äußersten Rand
des Abgrunds strauchelnd, er war nicht
hinabgetaucht in die verschlingende
Hölle. Nur die lhaare hatte ihr Feuer
ihm versengt, die Hand trug kein
Brandmal verruchter That. Nichts
war geschehen. das ihm die Rückkehr
schloß. Es war nicht sein Verdienst
Gott hatte ihn behiitet und sein guter
Engel aus Erden, Aerolitha. Aber
nun wußte er seinen We . Es mochte
auch unter den «Gesesti n« Schwache
Q----L- --L-- U- —-II--I
Ists JCLSIIUS Subss, USE IUIIIJUUIOSSI
Theil der Menschheit blieben sie doch,
der einzige, um dessentwillen sie ein
Recht hatte, zu bestehen. Und er
wollte zu den Nützlichen, den Frucht
baren gehören, um Aerolitha’s willen,
die an ihn glaubte, seinen Verwandten
zum Trotz, die ihn mißhandelt hatten.
Plötzlich schrat er aus. Hatte er ge
träumt? Träumte er noch? —- Uni
schen den decken des Durchaangs chob
sich ein Schatten daher· ein dunkler
Schlapphut über weißschimrnerndem
haar. Rob’s Fenster gegenüber blieb
der Mensch stehen, sah sich um. Ein
schräger Strahl des eben ausgegange
nen Mondes beleuchtete ein würdiges
Patriarchengesicht, ein breites Band,
»das eine Drehorgel trug —- der höf
liche Greis aus Kusemann’s Keller!
—- Sonderbar, wie klein das große
Berlin ist! Rob suchte sie zu vergessen«
die Gestalten des Untergrundes; sie
kamen ihm nach, hierher in sein Asyl
driingten zu ihm auf der Schwelle
einesn euen Lebens. Wo hatte der
Mann wohl seine Orgel gedreht, daß
er diesen abgelegenen Durchgang zum
Deimrveg benuhtes
Rob versuchte zurückzusinten in seine
Träumerei, aber s on wieder nahm
ein Mensch seinen g zwischen den
Gärten hindurch, diesmal ein seiner
herr, und er blieb auch nicht stehen
Mit soldatischern Schritt ging er vor.
über. Aber auch er erinnerte Rob ar
Jemand.
Und noch ein Mensch! Den kannte
er nicht. Offenbar, der Durchgang
war beliebt. La er einsam im Ta
geslicht, in der acht fehlte ei ihm
nicht an Leben.
Ins kamen gar zwei. ei- Dicker
Kurzen und ein Langu, Uebel-schlan
ter. die lich stießen, lachten —
Rob ichiitteite sich, dann schleg er
Ich Wnd dor die Stirn·
«X glaube, mein Fieber kommt
ur· Es giebt doch mehr dicke und
nne Männe; in Berlin. als nur die
beiden Halunien!«
Er wollte das Fenster schließen. Da
suhr er zurück, und fast hätte er auf
geschrieen in abergläubischer Furcht.
Ein ichneetoeißer rauentopf. gespen
stisch leuchtend im ondstrahl, schwebte
langsam zwischen den schwarzen Bü
fchen heran.
Nod rieb sich die Augen, lniii sich in
den Arm. Die Erscheinung blied.
Jetzt wurden die Busche niedriger. —
Nein, nicht«-— Der Kopf chwebte
nicht frei in der Luft, etwas unlles
war unterhalb, das Weidengeflecht
eines großen Korbeg — und noch tie
fer unten eine ichmächtige Knabenge
statt. Er begriff: einer der tleinen
italienischen Gipsiigurenbändler, der
auf dem Kopf sein Waarenlager
schleppte. Sie hatten wohl alle hagere,
braune Gesichter und schwarze haarr.
Oder war dies der tleine Giuseppe.
den er bei Islap kennen gelern hatte?
Ein beinerlenstveriber Zug jeden
falls, ein Zug, der zu denken gab, in
einem abaelegenen Durchgang zwischen
Gärten. Rob schloß leise das Fenster.
Seiner Gespensterfurcht war dieFurcht
vor Menschen gefolgt. Mit einem
Blick durch das andere Fenster fidei
zeuate er sich, daii der Garten einsam
laa, so weit wenigstens, wie er ihn
überblicken tonnte. Die Piillemann’
fche Van am Eingang derschleierie
ihm Fliedergebiiieb
»Ein unheimlicher Winkel siir eine
einsame alte Dame « dachte er unwill
tiirlich. Er stand noch etwa eine halbe
Stunde hinter den Vorhängen verbor
gen, durch beide Fenster hinausspa
hend. Aber nichts rührte sich in dem
weiten Gartentomplex, in dem dies
Rosen und die weißen Lilien duftetenJ
über dem der tlare Sternenhimmel
seine leuchtende Kuppel wölbtr.
»Mot- en taui’ ich mir einen Revol
defchloß Rob, als er zu Bett
ging.
20.
Als Frau von Rössing sie verließ,
war Lisheth auf der Gartenbant hin
ter den Rosen in tiefen Gedanten zu
rückgeblieben. Die Baronin rieth aber
nur halb richtig: ihr wacher Traum
beschäftigte sich nicht lediglich mit ei
nem mit braunen Augen und schwar
zen Haaren. Zu ihrer eigenen, zorni
gen Verwunderung drängte sich ein
anderer, halb Vergessener, ihrem de
schäftigten Versen auf.
Wicelius war von Tag zu Tag wär
mer geworden. Die Andeutungen von
Papa und Mama wurden immer be
stimmter. Uebriaens wußte sie's auch
selbst. Ein Mädchen weiß immer,
wenn ein Mann um sie wirbt. Bald
würde sie die Braut des Mannes sein,
den all ihre Freundinnen dergötterten.
Da, als sie vorgeitern Mittag an sei
ner Seite die Friedrichstraße hinunter
schlenderte, lachend, mit Flügeln an
den Füßen, im Gefühl ihrer Sieghaf
tigleit, war der Andere ihr plötzlich
begegnet wie ein Gespenst aus eine-n
anderen Leben. Und ganz gespendet
haft hatten die Augen aus dem haaes
ren Gesicht sie angegtüht. Das Lachen
und das Wort waren ihr auf den Lip
pen stehen geblieben. Was wollte er
don ihr? Was ging er sie an? Er
grüßte, er ging vorüber.
Als sie sich an der Ecke umfah, siand
er mitten im Menschengewiihl, stierte
ihr nach, wie mit einein Entschluß rin- l
gend, und dann wandte er sich, ging»
nein floh! wie gejagt seines Weges inj
entneaenaesehter Richtung.
Was hieß das? Wollte er ihr ihr
lGlück wehren? sich einmiichen in
ihren Lebensplan mit alten, längst
oerganaenen Kindereieni Er sollte is .
wagen! Sie ließ sich nicht aus ihrer
Bahn drängen! Ader seitdem dachte»
sie an ihn. Ein Tag und eine Nacht
lagen dazwischen, und sie konnte den
wunderlichen Ausdruck seiner Augen
nicht vergessen. Jhre Unbefangenheit,
ihr Stolz iiber ihr Glück waren dahin·
Sie hätte iiber sich weinen mögen vor
Zorn.
Plötzlich machte ein Nascheln in der
Hecke sie den Kopf wenden. Ein Junge
in einer Schülermiitze stand vor den
noch zitternoen Zweigen, Max Agroth
»Wie bist du hereingetommen?« T
herrschte sie ihn an. »Weißt idu nicht, ;
daß durch die Heile tein Weg siihrt?" i
Der Junge sah sich nach allen Sei- !
ten um, trat auf sie zu und drückte ihr
hastig ein Billet in die hand.
»Den Bries soll ich Jhnen von Fritz
geben. St! Ei dars’s Niemand wis
sen.«
»Von —- Jch will teine Briese heim
lich! Sag’ thtn das.«
Der Junge hatte sich schon wieder
durch die hecke gezwungt
Jn Lisbeth tiunpsten Empörung
und Neugier, und die Neugier siegte.
Sie ging um das Rosenbeet herum,
dorthin, wo das dichte Fliedergebiisch
sie aller Augen verbarg und erbrach
das Billet. «
,.Gee rtes gnädigeö Fräulein!«
schrieb kitz. «
»Ich halte es siir meine Pflicht,
Jhnen eine wichtige Mittheilung zu
machen und bitte Sie deshalb, mich um
halb zwei Uhr Mittags im Thiergar
ten an dem Goldsischteich siinf Minu
ten lang anzuhören Verzeihen Sie
die Ungewithnlchteit des Vorschlags.
Die Nothwendigteit wingt mich dazu.
Was ich Ihnen zu folgen habe, darf
tein Dritter ·ren. nd o« kann ich
Ihnen meine ittheilung die, ich wie
—f——
—-:
derhele es, siir Sie wichtig ist« weder
im Hause Jhrer Eltern« noch in dem
meiner Mutter machen. « ·
Ihr Freund aus der Kinderzett und
unter allen Umständen
Iris Aswths
Lisbeth zerlnilllte den Bries in ihren
Händen. »Das hat man davon, wenn
man-so gutmüthig ist, sich um alte Be
kannte zu kümmern. Unverschath —
Db ich den Zettel Papa zeige?«
Aber sie besann sich. Sie war d
kein Balg, das bei jedem Neuen · au
seinem Lebensweg sich ängstlich hinter
Papa und Mamma verleochi · Sie
war eine erwachiene Dame, die Leeheth
Piillemann, eine Dame« die wußte,
was sie wollte. Der Brief klang ernst
hast. Wenn sie es ablehnte, die Mii
theilung anzuhören, die ihremspieli
genossen der estalt wichtig ich-en, so
würde er siå vielleicht eindiiden sie
fürchte sich oor ihm. Und sie iurchtete
sich nicht! Oandelte es sich um eine
Bagatelle, wohl gar um eine sentimens
tale Darlegung seiner Empfindungen
siir sie, dann wollte sie ihm ihre Mei
nung gründlich sagen! ihre IJleinnng
über seine Stellung in der Welt und
ihre und die Grenzen, die ihm im Ver
kehr mit einer jungen Dame wie Lis
heth Püllemann einzuhalten oblag,
auch wenn er hundertmal das Glück
nnd die Ehre gehabt hatte, dieser Lis
beth Piillemann Spiellamerad gewe
sen zu sein.
Sie nahm die Musiimappe, die bei
höheren Töchtern die Stelle der An
standstame vertritt, und machte sich
gemöchlich aus den Weg. Es war bei
nahe zwei Uhr, ais sie zum Gold-fisch
teich einbeg. Fritz Asroth, der um
drei Uhr wieder in der Bank sein
mußte, kostete die Berziigerung wahr
scheinlich sein Mittagessen.
.G:schieht ihm recht,« dachte sie.
»Und übrigens: hungriae Menschen
fassen sich turz.«
Fritz saß wartend aus einer Vani
Sein Gesicht, das in den glücklichen
Verhältnissen begonnen hatte, sich ein
wenig zu runden. schien wieder et
schreckend scharf.
Er qriiszte sast seierlich.
»Ich bante Ihnen, daß Sie gelern
men sind, gnädiges Fröulein.«
»Das tönnen Sie mir auch wirklich
hoch anrechnen, here Asroth,« sagte
Lisbetlx »Bei dieser Hitze! —- Und
nun sagen Sie-mir schnell, was Sie
mir saaerr wollten. Es wäre mir nicht
lieb, ins Gerede zu tommen.«
Er nicktr. »Also es ist wahr! Sie
stehen im Beariis, sich zu verloben?«
»Herr Asrotli.« versetzte Lisbetlz
stolz, »iiber diese Sache sprechen wir
nicht.«
»Um Gottes willen! Sind Sie
schon verloth'«
«Guten Tag.«
Er hielt sie zurück. »Bleiben Sie!
Was ich sagen muß, ist furchtbar
schwer. Machen Sie mir’"5 nicht
schwerer. Seit acht Tagen schlaf« ich
nicht mehr!«
»Was ist Ihnen denn?« fragte sie
stehen bleibend milder. Ein großarti
ger Einsall tam ibr. Waben Sie —
—— Haben Sie vielleicht SchuldenP —
Lieber Himmel! Das tomtnt vor. Uno
wenns nicht zu viel ist —--« Sie griff
in die Tasche.
Sie waren in einen menschenleeren
Weg eingeht-gen Er blieb stehen, er
griss mit ichmerzendem Druck ihre
QYIZ.—»Li-beth! heirathen Sie ihn
ni .«
Sie riß sich los.
»Das ist der Dani, daß ich gekom
rnen din. Sie sind toll! Wissen Ziel
Sie iind unverschämi!« Ihre Amen
blitzien ihn bochmiilhia an. »Wie diirs
fen Sie es mager-! Sie —'«
»Weil ich dich lieb hab’, Lisbeih.
Er sprach leise. leidenschaftlich. »Hör«
mich an. Jch will nich-s von dir! Jch
hoff nichts. Ich iverd’s dir nie wie
derholen. Und —- glaud’s oder nicht
—- ich bisse mir eher ein Stück Zunge
ab, ehe ich um Fräulein Püllemann
würde. Ader wissen mußtest du’5!
Sonst —- ohne dies Liebhaben —
wär-s unmenschlich, was ich —
heiraihe Wicelius nicht! Der Mann
ist nicht« was er scheini!«
Einen Augenblick stand sie starr.
Dann brach ihreEntriistung los. »Das
sagen Sie! Sie! der seine ganze Exi
stenz diesem Manne verdaniii der von
der Großmurh dieses Mannes lebt!
Sie verdächgigen diesen Mann vor
dem Mädchen, urn das er wirbii —
Aber das ist —- das ist gemein!·
-. Gottieduna folgt.)
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Mantis-.
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L Et: »Deine Ansprüche übersteigen
; nach und nach alle Grenzer soviel wirft
; meine Kunst nicht ab!« «
» Sie: »Is, liebster Max, wenn Du
» keine lebendige Frau ernähren tun-ist«
i dann hättest Du Dir doch lieber ein«
Lmalen soll-III ’ -