Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 20, 1902, Sonntags-Blatt, Image 9

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    ----gss
—
« Hiinsflsferd und Weib.
Eine spanische Geschick-ke- vpn eg. Läusen
1
» Andres war eine jener Menschen,
in deren Seele das Gesiihl und die
Liebe überauillt. I
Noch jung. stiirzte er sich in die
Welt und es ist wahr, daß die Welt
siir die Armen weder ein Paradies
noch etwas dem entfernt Aehnlicheg
ist« Man kann sich also den Zustand
seiner Seele vorstellen, welche, ganz
Jdealismus, ganz Liebe, mit der
schwierigen ffund prosaischen Ausgabe
beschäftigt ist, das tägliche Brod zu
suchen.
Trotzdem rief er manchmal aus:
«Wenn ich nur Jemand hätte, den ich
mit ganzer Seele lieben könnte, ein
Weib, ein Pferd, oder auch nur einen
Hund!«« Da er keinen Pfennig besas-»
so tonnie er iseinen Gegenstand fiir
seinen Durst nach Liede erwerben.
Eines Tag-es jedoch gewann er ein
paar Geldstücke. Als er damit
Abends heimwärts lehrte, hörte er in
einer engen Gasse Klagelaute, wie das
Weinen eines neugeborenen Kindes.
Und er sites-, mit der Fußspitze an
ein weiches-« Ding, das sich bewegte
und wiererum zu klagen und zu wim
mern anfing. Es war ein Hündchen,
welches man, wie so manche seines
gleichen, auf den Kehrichthaufen ge
worfen hatte
,,Die Vorsehung hat Dich aus mei
nen Weg gelegt,« sagte Andre5, nahm
den Hund auf und trug ilm in sein
Stäbchen
»Was soll das sein«-« zantte die
Hausfrau, als sie ihn mit dem Hund« »
chen eintreten sah; ,,augenbliellich las- !
sen Sie ihn da, wo Sie ihn gesunden,
oder Sie ziehen morgen mit ihm;
aus.'« Andern Tan verließ Andresi
das Haus und im Laufe von zwei i
oder drei Monaten mehrere Dutzend
andere aus dem nämlichen Grimde
Aber siir alle diese und tausend an
dere Widerwärtigkeiten entschiidiate
ihn reichlich tier Verstand und die An
hänglichteit des Hundes-, mit welchem
er sich wie mit einem menschlichen We
sen in seinen unendlich langen, einsa
men Stunden unterhielt
2.
Es würde zu weit fiihren, zu er
klären, wie es kam, daß es Andre-;
allmiilia besser aina und daß er sagte:
»Wenn ich ein Weib hä:te! Aber nni
ein Weib zu haben, bedarf man vieler
Dinge. Das toftset Einem die Augen
aus dem Kopf-: Wenn ich nur wes
niaftsens ein Pferd taufen tönntel Ein
Pferrt Es aibt tein edleres und schö
neres Thier.«
Eines Abends kam er zum Stier
vlatz und wandte sich, bevor das Ge
fecht anaina, zu dem Stall, wo die
Pferde gesattelt warteten. Andres
konnt-: ein peinliches Gefühl nicht un
terdrüclm Die Einen warteten un
betrenlich bis die Reihe an sie kam,
wie wenn sie ten entsetzlichen Tod
ahnten. rer in wenigen Stunden
ihrem elenden Leben ein Ende machen
sollte, während die Anderen halb blind,
die Kripve durchschndbernd fraßen
oder wiedernd sich losreißen und der
Gefahr entfliehen wollten, die sie
angstvoll witterten. Und all’ diese
Thiere waren jung und schön gewesen.
Wie-viele vornehmehände hatten ihren
hats aestreicheltl Wie viel liebevolle
Stimmen mochten ihnen aus ihrer
Laufbahn aeschrneichelt haben; und
setzt nur noch Fliiche hier, Schläge dort
und zuletzt der Tod, der Tod mit einer
furchtbaren Aaonie unter dem Hohn
aelächter und Pfeifen der Menge.
Aus diesen Betrachtunaen ris-, An
dres die von Branntwein heitere
Stimme eines Picaror, der Fluche
und Verwünschungen ausstieß, wäh
rend er drobirte, ob eines der Pferde
noch seft auf den Beinen sei. —Dag
Pferd schien durchaus nicht so schlecht »
zu fein. Anders dachte daran. es zu ;
laufen. Kosten konnte es nicht viel;
—-«— k-— II-«--i«.le9 Oor Nskflhnk
uUU ou us«s»»-... -.- ,.,
ieyte dem Pferde die Sporen in die
Seiten und schickte sich an, hinaus zu
reiten. Andres zögerte noch einen
Augenblick und bielt ihn dann ,iuriia.
Wie er es zu Stand-e brachte, weiß ich
nicht; aber in weniger als einer Vier
telstunde überließ ihm der Reiter das
Pferd, Andreg zahlte und ging fort,
ohne dem Stieraefecht anzutvobnem
Er batte nun rag Pferd. Freilich
batte es feine Launen und Niemand
konnte es besteigen als Anders-.
Vom Hunde braucht nicht- gesagt
zu werden; er wurde io vertraut mit
seinem neuen Kameraden, daf; nicht
einmal zum Trinken eines ohne den
andern ging. Von da an hielt sich
Andres fiir den glücklichsten der Men
J»chen, wenn er in einer Staubtvotte
uber das Feld dabin flog und sein
Hund nebenher sprang.
s.
Es verging einige Zeit; Andres
war reich geworden. Eines Tages,
nachdem er einen langen Ritt ge
macht, bielt er miide bei einem Baume
an und legte sich in den Schatten deg
felben nieder. Es war ein Frühlings
tag, der Himmel klar und blau.
»Ich liebe sehr die beiden Wien,«
net Andres aus, indem er mit einer
band seinen Hund liebtotte. mit der
andern seinem Pferde Gras zum
Fressen reichte; »aber es ist doch eine
Leere in meinem Herzen, die doch
nicht ausgefüllt ist; noch bin icb einer
W ren, beiligeren, reiniaeren Liebe
sitt
ask-»Gewiß ist es ein Weib, das
e ."
diesem Augenblicke kam ein
M M einen Krug auf
Sonntagg Blattj
Beilage des ..Uebrasha staats-anN und Herold«.
J. P. Windowh, Herausgehen Ger Island-, Nebr» den Zu. Juni IM Jahrgang 22. No. 42
« ;
dem Kopfe. Andres dürstet-.- zwar
nicht, aber er bat doch um Wasser.
Das Mädchen stand still, um es ihm
zu reichen.
»Wie nennst Du Dieb«-« fragte er,
nachdem er getrunten.
,,Placida. Jch bin die Tochter ei
nes Kaufmann-IT der gestorben ist,
nachdem er sein Vermögen verloren.
Seit seinem Tode haben meine Mut-·
ter und ich uns auf ein Dorf zurück
gezogem wo es uns sehr schlecht er
giebt. Meine Mutter ist trank und so
muß ich Alles allein thun.«
»Und warum hast Du Dich nicht
verheirathet?«
»Ich weiß nicht; im Dorf sagen sie,
ich sei nicht zur Arbeit tüchtig, ich sei
zu zart, zu städtisch.«
Damit verabschiedete sich das Mäd
chen und ging weiter. Andres blieb
schweigend zurück und blickte ihr nach.
Als er sie aus dem Gesichte verloren,
sagte er mit der Befriedigung eines,
der ein Problem gelöst: »Diese ist das
Weib, das für mich paßt.«
Er bestieg sein Pferd und begab
sich, von seinem Hunde gefolgt, nach
dem Dorfe. Rasch hatte er Bekannt
schaft mit der Mutter gemacht, rasch
sich vollständig in die Tochter verliebt.
Als diese nach Verfluß einiger Mo
nate Waise geworden, verheirathete er
sich mit dem Weibe, das er liebte, was
ja dag höchste Glück auf dieser Welt
ist.
Heiratben und sich in einem Land
baufe in einer der schönsten Gegen
den einrichten, war das Wert weniger
Tage. Als er sich hier sah, reich, mit
seinem Weibe, feinmt Hunde und sei
nein Pferde, mußte er sich die Aug-en
reib-su: er glaubte zu träumen. So
glücklich, so vollständig gliicllich war
der arme Blume
4.
So lebte er einige Jahre dahin, als
er einmal bei Nacht wahrzunehmen
glaubte-, baß Jemann um sein Haus
schleiche; später iiberraschte er einen
Menschen, Ver einen Ahorn-ei vom
»Schlcß einer Gartenthiire nahm.
»Das miissen Räuber sein,« sagte er
und eilte, im benachobarten Dorfe dem
Landjiiaer Meldung zu machen.
,,Wohin gehst Du?« fragte ihn sein
»du s Dorf «
»Wozu?«
»,Tie Wache zu benachrichtiaen,
denn es scheint mir, baß man unser
Haus r:mschleiche·«
Als das Weib dies hörte, erbleichte
sie leicht. Er küßte sie und fuhr fort:
»Ich gehe zu Fuß; der Weg ist ja kurz.
Lebe wohl, bis heut’ Abend!«
Den Hof durchscheitenb, trat er
einen Augenblick in den Stall, sah
nach seinem Pferde und sagte ihm
schmeichenld: ,,Leb’ wohl, mein
Freund, heilte barsst Du ausruhen
von Dein-er aesirigen Anstrenguna.«
Das Pferd wieherte traurig, als es
a , baß er wegging.
Als Anbres zum Thor hinaus
wollte, tam sein Hund und sprang
freudig an ihm hinauf. »Nein, Du
darfst nicht mit,« saate er zn ihn wie
wenn Derselbe Verstand hätte. nn
Du in’s Dorf kommst, so bellst Du
alle Jung-en an, jagft den Hühnern
nach, uno fo werben sie Dich eines
schönen Tages so prüaeln, baß Du
nicht mehr heimlaufen kannst. Mache
die Thüre nicht wieder auf, bis ich
fort bin« wandte er sich zu einem
Diener unb verschloß dieselbe, damit
ver bund nicht hinaus konnte. Er
war benreits weit entfernt, und im
slkcc UUUI (1 Its-W uuv mus( wes-us
des Hundes.
Im Dorf erledigte er sein Ge
schäft, plauderte noch ein wenig mit
dem Schulzen von allem Möglichen
und tehrte dann nach seinem Land
sitze zurück Als er in die Nähe tam,
wunderte er sich sehr, dasz der Hund,
der sonst, wie wenn er sein Kommen
geahnt, ihm die Hälfte Weges entge
genlics, nicht heraus kam, ihn zu be
grüßen. Er tritt ein: tein Diener zu
senhen. »Zum Kutuh was ist hast«
ruft er unruhig aus. Es kommt zum
Hause, in den Hos: Das Erste, was
sich sein-tm Blicke bietet, ist der Hund.
ausgestreckt in einer Lache Bluts, bei
der Thüre des Stalles. Andres ruft
ihn bei seinem Namen, der sterbende
bund öffnet noch die Augen etwas,
macht einen viergeblichen Versuch, sich
zu erheben, wedelt schwach mit dem
Schtveise, lecki die Hand seines herrn
und oerenbei. .
»Mein Pferd, wo ist mein Pserd?«
rust er ietzt mit dumpser und von der
Aufregung erstickter Stimme, als er
den Stall leer und den Strick des
Pserdes abgerissen sah. Er stürzt
hinaus wie wahnsinnig, enr tust nach
seinem Weib, keine Antwort, nach sei
nem Diener, keine Antwort. Er rennt
an er sich durch die ganze Wohnung;
sie st einsam, verlassen. Er geht tote
der aus die Straße hinaus und er
kennt die Spuren vom Hase seines
Pchdrisi ist i er s t '
rnr ar,« a e er, die
Mitbes- tithren mein Wei fort, «um
von inir ein großes Lösegeld zu ber
langen. Gelo, mein Blut, meine Se
ligteit gäbe ich um sie! —- Dann eilt
er fort und rennt wie ein Verzweifel
ter in der Richtung der Huffpurem
So rannte er eine, zwei, drei Stun
den. »Habt Jhr,« fragte er Jeder
mann, »einen Mann mit einer Frau
auf einem Pferde gefeheii?« -— ,,Ja!«
antwortete man ihm. —- »Wohin gehen
sie?« —- »Dorthin.« — Und Andres
lief weiter.
Es begann Nacht zu werden. Und
er lief und lief, bis er endlich ein
Dorf fah und beim Eingang desselben
am Kreuzweg eine Gruppe Menschen,
Bauern, Alte und Junge, die neugie
rig etwas betrachteten. Er langt an,
fragt wieder das Nämliche, und Einer
von der Gruppe fagt ihm: »Ja, wir
haben so etwas gesehen; zum Beweife
feht hier das Pferd, das sie trug und
das hier der Anstrengung erlegen
ift.«
Andres fchaut in der bezeichneten
Richtung und sieht wirklich sein
Pferd-, fein liebes Pferd. Kaum
konnte er feine Rührung bemeiftern.
Aber er sammelte sich wieder und ge
dachte wieder feiner Frau. »Und fagt
niir,« rief er haftig aus« ,,warun1 feid
Ihr dein unglücklich-en Weibe nicht
z beigeftanden2« —- ,,Ob wir ihr beige
Iftanden find?« antwortete wieder Ei
3 ner aus der Gruppe. ,,.f,)abe ich ihnen
fdoch ein anderes Pferd verlauft, da
zinit sie so schnell, als fie wünschten,
s fortkommen lonnten.« —- »Aber,« fiel
Z Andre-J ein, »das Weib ift ja mit Ge
iwalt entführt; jener Mann ift ein
tRäuber, der, ohne auf ihre Thränen
kund Klagen jin-achten, sie wer weis-z
i wohin fchleppt.«
Die schlauen Bauern wechselten ei
nen Blick unter einander und lächelten
mitleidig. .,Oho, liebes HerrchenZ
O - , . , . ,
zWag wollen Sie uns aufbinden?«
i kmscks fcinzv Uns-(- qnsf NOIVAH
...,... »... -..-» . »-.., ,
Henisührtl War es doch sie, die am
Jungedulcigften rief: rasch, rasch flie
E hen wir aus der Gegend; ich bin nicht
l ruhig, big ich sie siir immer aus dem
! Gesichte verloren!«
Andreg begriff jetzt Alles; eine
blutige Wolke fiieci vor seinen Augen
z auf, denen eine Thriine entquoll. He
; stürzte zu Bot-en wie leblos. Er hatie
s den Verstand verloren.
l »— ——-·O-.
l
« Das große com-.
Erzählung von Heim-z Tovotc.
l Sein Vertheidiger wollte ihn ver
» anlassen, gegen das Urtheil Revision
jeinzulegem aber er hatte verneinend
i den Kon gefchüttelt.
Es hatte keinen Zweck; er spürte
I nicht die geringste Lust, seine fünfzehn
F Jahre im Zuchthause zuzubringen.
F Dann lieber gleich todt.
« Kaltlächelnd hatte er alles eingestan
F ten. Wie er die Frau seines Freun
f des in geradezu bestialischer Weise er
i schlagen hatte, mit allem was ihm zu
i fällig in die Hände gekommen war.
F Dann hatte er die ganze Wohnung
sdurchwiihlt, aber statt der fünf bis
. sechshundert Mart, mit denen er in’5
iAusland hatte fliehen wollen, am
· liebsten nach Afiila zu den Buren,
Iwaren ihm nur achtzig Mart in die
· Hände gefallen.
Mit seinem Freunde, der mit ihm
auf der Antlagebant saß, hatte er das
Geld in wenigen Stunden verjubelt»
und am anderen Abend schon war er:
in einem Tanzlotale, wo er halbe
trunken sich heriimtried, sestgenoms ;
men. i
Er leugnete nichts, suchet nicht imt
geringsten seine That zu beschöniaenl
Jn aller Ruhe erzählte er vor Gericht !
den Herganq, rnit einem Eynism115,I
der die Zuhörer schaudernd empörte. ,
. Die Sache lag ganz klar; aber es
. wäre dem Vertheidiger trotzdem nicht
schwer gewesen, die That als Tod
schlag zu charakterisiren, hätte der An
aellagte sich mit seiner brutalen Os
senherzigteit nicht jede Möglichkeit
aus mildernde Umstände bewußt Ver
scherzt
I Und so wurde er denn zum Tode
verurtheilt. -——
Er hatte den Spruch entgegengenow
inen ohne mit der Wimper zu zucken
Es stand nur noch die Entscheidung
des Königs aus, ob dem Recht sein
Laus gelassen werden sollte, -—— dann
war sein Lops verfallen.
Ruhi brachte er die Tage hin, die
ihm n blieben.
Von Begnadigung wollte er ntchts
wissen.
Wozu auch?. . .. Er war sechsund
zwanzig Jahre alt — und zu lebens
länglichem Zuchthaus begnadigt zu
werden, dasiir dankte er. Damit er
womöglich seine dreißig Jahre und
mehr hinter Mauern saß.
Dazu hatte er mit seiner Mordthat
nicht so geprahlt, um das zu erreichen.
Nein, nur bald den Kops ab.
Er würde schon zu sterben wissen.
Wenn es nur nicht so lange dauerte.
Bis jetzt’l)atte er die Nächte gut geschla
fen; nur einmal war er aufgewacht,
und in der dunklen Zelle war es ihm
doch gruselig geworden. -
Da hatte alles solch elliges Aussehen
gekriegt, nein, das wollte er nicht öfters
durchmachen. —
Er saß, die Hände zwischen den
Knieen, und starrte zu Boden. Das
gefiel ihm, wie er nichts zu arbeiten
brauchte, während im Zuchthaus, —
na, davon hatte er einen einmal er
s zählen hören.
s Er dachte an seinen letzten Tag, wo
ier sich nach Herzenslust gütlich thun
! könnte. Ein paar gute Cigarren, ein
IFliischchen Wein —- nur war er noch
s im unllaren, ob er sich lieber ein
s Grillasch oder ein Beefsteat mit Ei und
recht viel Bratkartoffeln bestellen
sollte. —
I An der Thür ein Geräusch!. . ..
, Er hob den Kopf und sal) den
Staatsanwalt vor sich.
i Na endlich!. . . nun war es zu Ende.
l
l
Morgen konnte es los gehen.
Aber er hatte sich geirrt.
— Erschrecken Sie nicht, fing der
Staatsanwalt an, ich komme wegen
. einer ganz harmlosen Sache.
, — Nur los!
; — Unter Jhren Sachen hat sich ein
ILoos der Meißener Dombaulotterie
i gesunden, Nummer 173211.
I Stimm«
I s-— Woher haben Sie das Loo59 —
IJch habe Sie schon einmal gefragt,
iaber die Sache war damals ziemlich
! gicichginig und ich habe es fallen las
; sen.
i MHR cis-L Qui-Im Its-s mi-· imstsnss
I
l
«W-w-«,u
—- Eg ist nicht irgendwo gestoh
len?- ---
—- Aber das würde ich doch sagen.
—- Gut. Wo haben Sie es ge
kauft?
——- Gekaust eigentlich nicht, sondern
gewonnen.
— Wieso gewonnen?
—- Eines Abends haben wir bei
Tiibbete gesessen; damals hatte ich
noch Arbeit und es war Sonnabend,
und da kam ein Händter in die
Kneipe, und da haben wir jeder ein
Fünschgroschenstiick geopfert und nach
her das Loos ausgetnobelt.
—— Jst das wahr?
— Ja doch, wenn ich Jhnen doch
sage. Jch hab’s gewonnen mit zwei
Kirchen- und einem Bauernsenster, ach
so: also mit zwei sechsen und einer
vier.
—— Und es ist dieses 173211 der
Meißener Lotterie? Das wissen Sie
ganz bestimmt.
—— Ganz bestimmt· Mein Freund
Schütze hat die Nummer sich auch auf
s aeschriebenz denn wir haben abgemacht,
wer das Loos gewinnt, soll die anderen
srei halten, wenn der Gewinn dazu
reicht.
—- Nun das würde reichen, denn
das Loos ist mit dem Hauptgewinne
Von sechzigtausend Mart gezogen.
——— Was denn? -—— wie denn?
—-- Der Schütze hat mir gestern die
sen Brief hier geschrieben, sonst wüßte
ich wohl taum was davon; ich habe
mich selbst überzeugt, die Sache
stimmt.
—- Mein Loos? -«— un sechzigtaui
send Mart.
Mit starren Augen saß er da. und
begriff noch immer nicht
— Jch war im Zweifel, ob es an
gebracht sei, Jhnen noch davon Mit
theilung zu machen, denn nützen kann
Ihnen das nun leider nichts mehr; ----
aber Sie können ja irgend welche Ver
fügung treffen wollen; das steht Jhnen
frei· Wenn Sie in der Beziehung ir
gend etwas wünschen, wenden Sie
sich nur an den Herrn Direktor, der
Jhnen gewiß entgegen kommen wird.;
Jch muß Sie allerdings noch darauf:
aufmerksam machen, dass, die gesamm
ten Kosten des Verfahrens gegen Sie,
die dem Staate erwachsen sind, zuvor
ron dein Gewinne gedeckt werden, ein
schließlich der noch bevorstehenden
Kosten Jhrer -—— also der letzten Ko
sten, die. . . . Sie verstehen wohl. Der
Abzug ist übrigens nicht schlimm im
Verhältniß zu den fechzigtausendMark,
die Sie gewonnen haben. — Jedenfalls
erwächst damit auch dem Fislus ein
unerwarteter Bortheil. Ueber die ver
bleibende Summe natürlich stehtJhnen
die letztwillige Verfügung zu. —- Guten
Morgen!. . . .
Dann nahm et seine Akten zufam
men und verließ die Zelle wieder. —
its
Da saß er nun allein und begriff
noch immer nicht.
Er befühlte sich, ob er auch nicht
bloß geträumt hatte; er sah sich um«-—
ob der Mann da eben wirklich bei ihm
gewesen und mit ihm gesprochen hatte,
oder nicht.
Sechzigtausend Markt. . . .
! Und die jämmerlichen vier Gold
sstiicke fielen ihm ein, die er in der
; Kommodeschublade gefunden hatte,
i während die Frau röchelnd am Boden
lag, und das Kind im Nebenzimmer
wie am Spiesze schrie, sodaß er große
Lust verspürte, es gleichfalls still zu
machen.
Um lumpige achtzig Mark!. ..
Und in der Tasche hatte er einen
Fetzen bedruckten Papiers gehabt, fiir
sden man ihm heute sechzigtausend
Mark auszahlte. —
Und er sollte nichts davon haben!
nichts! .....
Noch zwei, drei Tage und es war
mit ihm vorbei.
Eine sinnlose Wuth überfiel ihn;
und langsam kroch ihn die bange Angst
an, vor dem was kommen sollte.
Nichts, garnichts sollte er von dem
Gelde haben. Nun war alles zu spät!
Jhn verlangte jetzt nach den fünfzehn
Jahren Ziichthaus, die er sich verscherzt
Watte. Ruhig hätte er sie abgesessen,
denn wenn er frei kam, war er ein rei
cher Mann.
Jetzt aber!....
Den ganzen Tag saß er und grü
l-elte.
Jn der Nacht fand er keinen Schlaf.
Mit offenen Augen lag er da; und di
Angst kroch über ihn, die Angst vor
dem Tode. Eine wilde Sehnsucht
nach Freiheit und Genuß hatte ihn er
faßt. Lockend stand da draußen das
Leben und die Freude, und er mußte
hier hinter den dunklen Mauern blei
swn Entn- BZI sen-)- Ptjnfnsf not-b
Plötzensee, und am andern Morgen
den einen Gang würde er noch thun
· den letzten, in jenen engen Hof, wo der «
Mann mit sdem Beile aus seinen Kopf
wartete....
Tie Nacht wollte lein Ende nehmen;
ein Streifen Mondlicht drang durch
das schmale Fenster von oben her in die s
Uelle; langsam ging es in das Tages
licht über, und es wurde lebendig dran
szen aus-den Gängen —
Aus seine Bitte brachte nmn ihm
Papier und Feder, und den ganzen
«Tag saß er und btiitete über seinen
. letzten Willen.
Endlich hatte er seine Entscheidung
getroffen
Jedem seiner teunde setzte er tau I
send Matt aus Seit Rest vermochte er
dem Kinde der von ihm erschlagenen
Frau, das er beinahe mit umgebracht
hatte
Ganz plötzlich war ihm der Ge
danke gekommen, für das Kind zu
sorgen·
Als der Anstaltsditettot das
Schriftstiict in Empfang nahm, sagte
er:
s« Na, das ist recht! da thun Sie
wenigstens zuletzt noch ein gutes Wert.
»Das ist anständig und brav von Jhnen
i Als der Wärter am Abend beim
Schlafengehen nach seinem Gesange
nen sah, fand er einen Zettel, ans dem
stand:
Daß Se mir den Kopf abhacken
wollen is mir Wutscht aber mit den
vielen Gelde wovon ich nu nischt haben
soll das überlebe ich nich.
It· st· Il
Mit einem abgerissenen Streifen
seiner Wolldecke hatte et sich erwiitgt,
— und alle Belebungsvetsuche blieben
vergebens.
—--——
Pfetlgifte aus Deiitfcirssftafrikm
Professor Rieqer veröffentlichte un
Eänast interessante Untersuchunan iiber
die von den Eingeborenen in Deutsch
Ostafrita benutzten Pfeiaifte. Die
Watamba, die von der Grenze des
deutschen Gebietes beim Kilimandschai
ro bis zum Kenia wohnen, benutzen ein
rsflanzliches Pfeilgist, das vermuthlich
von einer Acocanthera - Art herrührt
und ein außerordentlich start wirken
des Herzqift ist. Dieselbe chemische
Zusammensetzung zeigt ein bei den
Wagogo gebräuchliches Pseilgift, und
ähnlicher Art sind die Pfeilgifte meh
rerer anderer Stämme in -Ostafrika.
Die Acocanthera-Pflanze, von der die
ses Gift stammt, hat kleine, den
Pflaumen ähnliche Früchte, die völlig
ungiftig tin-d, während die Kerne das
sehr starke Gift umschließen. Jn den
Ueberziigen anderer Giftpfeile fand
Professor Rieger mehrfach ein Gift,
das von der Kandelaber - Euphorbie
stammt und dessen giftige Bestand
theile wahrscheinlich Toxalhunrine sind.
NO
Der Pest-.
»Ich war in dieser Woche dreimal
auf dem Berggipfel, habe aber niemals
Aussicht gehabt.«
»Was wollen Sie — ich hatte ja
nicht mal welche!«"
sus sama ver smimp
Es wird der »F. Ztg.« geschrieben:
Schon die Annales Suevict des Mar
tin Crusius (1596), welche die Quelle
zu Uhlansds volksthiirnlicher Ballade
von der Tapferkeit Eberhards des
Zweiten in der Döffinger Schlacht bil
den, nennen den Grafen »Eberhardmn
Wirtembergensem, illum Greinerum,
Rauschenbartum etiam appellatum«.
Als aber Uhland den ,,Rauschenbart«
mit den Versen erklärte: »Wie rauscht
fein Bart im Winde! Hei, wie der
Eber haut!«, hat er den Beinamen des
von ihm befangen Grafen mißverstan
denn. Jn den ,,Neuen Jahrbiichern
für das klassische Alterthum etc.« weist
Paul Scholz (Breslau) nach, dafz
Rauschebart nicht den langen im Wind
raufchenden Bart, sondern den Roth
bart bezeichnet, Eberhard ist ein ande
rer Barbarofsa. Das Wort ,,Rausch«
fehlt in den Lexica von Grimm, Wei
gand, Heyne, Fluge; Schmollers bade
rifches Jdiotikon findet es in den hoch
deutichen Raufchbeere und hier wie auch
in Rauschgelb (rothgelb) und Almen
rausch (Alpenrose) bedeutet ,,raufch«
die »rothe Farbe«, mittellatein rofsus,
italienisch rosso. Die Volksetymologie
von Alinenraufch, wonach die Alpen
rose eine Krankheit der Rinder, den
Rausch, vertreiben könne, ist natürlich
aus dem Wunsch, das dunkle Wort zu
erklären, entstanden. Zu der sicheren
Farbenbezeichnung in der Raufchbeere
(Rothbeere, Preifzklbeerch und dem Al
menraufch-Alpenruse tritt aber in einer
alten Aufzeichnung, die um 1480 er
schienen und in »Sattlers Geschichte
des Herzvgthums Wiirttemberg (Ulni
1764) wieder abgedruckt ift, folgende
Stelle: »Und Graf Eberhard, den man
hieß den Gryner oder Russenbart, der
saß zu Stuttgart etc.« So haben wir
auch hier den rufsus-rossns, Rothbart.
Endlich findet Scholz an dem zwischen
1574 und 1582 ausgehauenen und in
der Stiftskirche zu Stuttgart aufge
stellten Standbild Eberhards einen
Vollbart, der höchstens eine Handbreit
unter das Kinn fällt, aber keineswegs
einen Patriarchenbart, der lang her
abhängt und im Winde rauscht. So
tritt neben Kaiser Friedrich dem Ersten
Barbarossa ein zweiter Roihbart in der
deutschen Geschichte: Graf Eberhard
dcr Nothdart.
WO
Das »Wenn-« tu der Ehe.
Eheleutc könnten weit glücklicher
sein, als sie wirklich sind:
Wenn sie lernen wollten, sich nach
der Decke zu strecken.
Wenn sie ihre häuslichen Schwie
rigkeiten nie guten Freunden erzählten.
Wenn sie versuchten, sich einander sa
gefällig zu machen, wie in den Tagen
ihrer ersten Lice.
Wenn jeder Theil versuchte, den an
dern zu unterstützen und zu trötzen·
Wenn jeder Theil bedächte, daß der
andere ein Mensch und kein Engel ist.
Wenn jeder Theil versuchte, etwas
mehr zu thun und etwas weniger zu
fordern.
Wenn beide Theile gedachten, daß
sie sich zum Schlimmern sowohl als
zum Bessern geheitathet haben.
Wenn es weniger Straßenanziige
aus Seide und Sammt und mehr ein
fache, nette dauerhafte Haus-Kleider
gäbe.
Wenn man vor der Oeffentlichkeit
weniger zärtliche Worte und zu Hause
mehr anständige Sitten zur Schau
triige.
Wenn beide Theile mehr Unterhal
tung zu Hause schafften und weniger
augwärts suchten.
Wenn beide Theile bedächten, das-,
zur erfolgreichen Kinderzucht Vater
und Mutter eines Sinnes sein müssen.
w-.-—
Sein Name.
»Ein Name hat keine große Bedeu
tung«.
» r Jhrige sicherlich nicht.«
,,Wieso?«
»Nun es steht ja alles im Namen
Jhrer Frau!«
Schlan.
Vogelhändler: »Dieser Papaxiei hier
ist nachweiglich schon über 100 Jahre
alt.«
Frau: ,.·Hal7cn Sie denn während
der ganzen Zeit keine Gelegenheit ge
habt, ihn zu verkaufen?«
Ein sinnezvnener Schtinqci.
Kleiner Neffe: »Sage mal, Tante,
Du hast ja auf der Oberlippe eine
Warze, hindert denn das nicht beim
rasiren?«
Titlentitt.
A.: »Die Schivatzhaftigkeit des
Weinreisenden ist ja unerträglich. Man
möchte dem Kerl das Maul zubinden.«
B.: ,,Versehlte Mühe. Der Kunde ist
Bauchredner.«
Doppelsinnis.
Theaterdireltor (zum andern): »Wie
ist Jhr Sousleur? Er möchte gerne
zu mir.«
»Nun, man kann ihm nichts nach
sagen!«
Er weiß sich zu helfen.
A.: »Kommst Du jeßt mit zum
Frühschvppen?«
B.: »Zum Uhr, nein, das ist mir
noch etwas zu früh.«
A.: »Nun, stelle doch Deine Uhr ein
sach eine Stunde vor«