Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 23, 1902, Sonntags-Blatt, Image 9

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    b- «HWH-WJ-.v,-H;»» »k-- -
Irren-kam Fedekstkich
Nov-nen- ocu VIII-sich There-a
Der Baron von Kahr-Rligdors zer
lnitterte zornig einen Brief und sehte
sich dann an den Schreidtlsch, um die
Antwort zu schreiben. «
»Mein herr Sobal« malte er in
großen energischen Schriftzilgess din:
,«Dn hast Deine Dofsnungen aus Sand
-gebaut, und rnit einem Federstrich
roersr ich das leichtsinnig ausgesährte
Lustschloß nm: Nein! sage ich Dir und
dieses Rein wird Dir entgegentönen,
so ost Du es durch ellenlange Schrei
keeeien oder durch den in Aussicht ge
stellten geehrten Besuch herauszufop
dern belieben wirst. Aus Schloß Rüg
dorf soll eine Herrin Einzug halten,
die durch edle Herlunst dem dereinsti
gen Schloßherrn ebenbürtig ist; leine
aus einem Stande und mit einem ple
bejischen Namen. die mir Beide gleich
zuwider sind. »Hanni Müller, einzige
Tochter des hochgeachteten Ranfherren
Theobald Müller« - Laß Dr die
Luft vergeben, mich mit dem Unsinn
auch« nach persönlich zu belästigen!
Führe rnir Hedtoig von Raden als
Deine Auserwählte zu, und Du hast
meinen Segen. - - Fräulein Johanna
Müller, oder wie sie sonst heißt, soll
die Güte haben, zu bleiben, wo es ihr
beliebt! Rügdcrf ist und bleibt ihr
verschlossen
Ich hoffe, das genügt Dir. Adieu!
Dein Vater.«
lkr touvertirte den Brief nnd drückte
auf eine Klingei.
ifin Diener erschien.
,,lsbtistian, dieser Brief an den Leut:
nant ist sogleich zur Bahn zu bringen«
»Ich will Dir, mein Filiug, die Ma
rotten schon austreiben!« mnknrelte
der Baron in den dicken, weißen
Schnur-Wart »Und prompt wirst Du
bedient — ich glaube, der verdammte
Wiscd wird Dir morgen sriih doch in
die Glieder fahren. Jst das aber auch
ein Blödsinn - - Müller! Müller! Lie
ber noch Griitter, wie unser alter Vieh
doltor, oder Maafz oder Meier dder
Lehmann. Aber Müller —--- Müller
brrr!«
I Ue Ue
Er schloß den Schreibtisch ab und
tlinaeltr.
»Der Förster soll lominen!« beschied
der Baron.
Ungeduldig wartete er aus den be
sohlenen Beamten, der seine rechte
Hand war und mit dein er selbst iiber
intinie Vorgänge in der Familie zu
sprechen vslegtr.
»Na,« knurrte er den Förster an.
»Ern: Wohlgeboren gestört —- ? Bes
daure. Aber ich muß mir den Aetaer
vom Halse schaffen, den rnir der Mus
iöh von Leulnont wieder mal einge
broett hat. Haben Sie eine Ahnung,
was dem Bengel in den Raps gefahren
ist? Heirathen will er!«
Er schrie förmlich nnd machte eine
Pause.
»Herr Leutnant sind batd an die
Dreißig-- - « bemerkte der Förster be
dächtig.
»Jatvohl. nnd sind dabei noch so
unvernünftig!« trunipste der Baron
»Herrgott, Schütte, qegen das Hei ra
then selbst habe ich ja nichts, aber aus
die Person kommt es an! Hedtvig von
lltaden -—« wass- Das tvär’ ein Staats
toeibchen! Aber der Windhund hat sich
wo anders vergasst, in ein Fräulein
M-- m--—rn— - nee, Zchiitte, ’H ist ein
fach verrückt. Machen Sie übrigens
nicht so’n« Gesicht, verstehen Sie?«
Schütte hatte seine eigenen Gedan
len, und da sie sich mit denen des Ba
rons nicht in Einklang bringen ließen,
mochte dieser ihm eine Art Opposition
ront Gesichte lesen.
Fräulein von Raben? dachte der
Iiirster. Die junge Gutonachharin ver
lebte mit ihrem Vater einen großen
Theil des Jahres in Berlin und sollte
dort —«Idas wußte Schütte von· der
-—-——. ... swt - SA-! -5 ------- .
nullslllclsllllkust Muts-Isl- - ffsan-II Spuk-n
reichen Kausmanngsohn ernstlich um
schwärmt weerden. Hm« reslettirte er,
da käme der Herr Hufarenleutnant
vielleicht ohnehin zu spät.
»Eie.« redete der Gutsherr ungnäs
dig, ,.passen auch nicht mehr in den
hesen Tag, wenn Sie etwa noch siir
den Bengel Partei nehmen wollen, in
Stillen natürlich, was ich Ihnen auch
erathen haben möchte . · .. Miillert«
Zst das nicht zum Davonlausens Han
ni—hanni -—- can heißt Hanni! Paßt
das nun zusammen. hanni und Mül
ler? Ra, der Bengel soll mir kommen!
Der Schloßherr drehte sich mit einem
Ruck uni, lramte in einem Gewehr
schranl und ärgerte sich, daß der För
ster sich seelenruhig empfahl.
e- i- s
Arn zweiten Tage wartete-der Ba
ron aus Antwort von dem Sohne und
war enttiiutcht, daß sie ausblielx Sie
kam auch am dritten Morgen nicht,
dagegen urn die Mittaqueit der Oerr
Leutnant von den Rathenower Hufei
ren in eigener Person.
»Oui« minJung, Di will selt« zischte
der Baron vor sich hin. Er schüttelte
den roth gewordenen Kopf und wars
sich in den Sessel, daß die Lehne
trachte.
Der Filius hatte eine eigene, feste
und ernste Manier —-- er mußte sich
wuppIML
»herein!« schrie er auf ein lautes
n.
Sporenllirrem Säbetgerassel vpr
M Thsr.
«Iuten Tag, lieber Vaterl«
Sanntngg IV ntt
Beilage des ,.Ueb1asl1a staats- Äneeiger und Berath
— FU-»
J. P Witwalph, Herausgeber
Grund Jslanv, Nebr» den Zts Mai l902. Jahrgang ZZ. Na. JR
Der liebe Vater wandte den Kopf
langsam nach der Richtung, aus der
der Gruß lam.
»Sieh da, Morgenl« stieß er hervor.
»Sonderlich erbaut scheinst Du nicht l
zu sein, lieber Boten-« bemerkte der
Offizier.
»Der Teufel ist Dein lieber Va
ter!« fuhr ihn der Alte an. »Was
soll’S? War ich in meinem Briefe noch T
nicht handgreiflich genug?'« »
»Mit einem Federftrich schafft knan
lseinen Herzens-bund aus der Welt,
Vater --—"
»Richt? Und da willst Du Dir den
Korb auch noch persönlich holen?«
»Ich wollte eine tlare Aussprache
mi tTir.«
Der Husar legte die Pelzcniihe ans
eizie Stuhl uns schnallte den Säbel
a .
»Lieber Vater, Dein letztes Most
tnnn noch nicht gefallen sein. Wenn
Du meine Braut kenn würdest —-«
»Ich verbitte mir, vie Dame so zn
nennen!«
Der Leutnant ließ sich nicht ab-"
lenken.
,,-—- so würden zunächst alle Be
denken wegfallen müssen, die sich ne
aen Ihre Person richten. Die junge
Dame besitzt seltene Vorzüge ——«
»— - des Geistes und der Larve —
baft Du mir bereits schwarz auf weis
Luni-gegeben Weiter. Warte, ich will
Dir zu Hilfe tommen.·Sie ist gebil
s-(l, stc lUlclllll Illufl UUL lcclcll CJUHE
den, sie liebt Dich, Du liebst sie —« das
ist die ganze Litanei. Uebrigens im
mer dieselbe. Das Ungewöhnliche
hintt nach: sie heißt Müller, bannt
obendrein, stammt aus einer Krämer
familie, versteigt sich zu einem Baron,
reißt diesen, der zufällig Ossizier ist«
aus seiner Aarriere, entzweit ihn m«.t
seinem Vater und stiftet Unheil, wr
hin,man sieht! Jch habe dafür teän
Verftandnifz und ersucht Dich, meine
Entscheidung zu respektiren.« «
»Ich bedanke, mich mit Deinem
Nein nicht zufrieden geben zu tönnen,··
erklärte der Leutnant.
Der Baron erhob sich miirdevoll.
»Dars ich fragen,« forschte er, »mi:
weit die Auflehnung gehen soll?«
»Genau so weit, als das persönliche
Recht und ---— das Gesetz es mir ge
statten.'«
»Und ich will hinter Deiner Of
fenheit nicht zurückbleiben Also, bitse
zu vermertem Das persönliche Recht
und das Gesetz gestatten mir, Deinen
Gehorsam zu er·;tviitaen!"
»Nicht ganz. Ich bin majorenn
und Herr meiner selbst.«
»Ich ltapieres Das ist aber auch
Alles-. Nicht mein Herr, das wirst Du
Dir qefäliigst rnerten.«
»Ich handle, wie die Ehre und die
Neigung meines Herzens es mir vor
schreiben, und davon weiche ich nicht.
Auch petuniäre Nachtheile werden
ohne Einfluß auf mich bleiben. Selbst
den Ehrenroct des Soldaten würde
ich mit dem des Bürgers zu vertauschen
im Zwangsfall bereit sein. Und, Va
ter, hätte ich hier iein Heim mehr: an
der Seite meines Weibes würde ich mir
ein anderes schaffen, aus eigener
Kraft«
»Mit dem Gelde des Kränters!« fiel
der Baron höhnend ein.
Der Leutnant schüttelte abwehrend
den Kopf. »Des Krämers?« wieder
holte er beherrscht. »Die Iainrlie mei
ner Braut ist mit der meines Obersten
eng besceundet und verkehrt in den er
sten Kreisen der Gesellschaft Der Va:
ter ist durch und durch ein Ehrenmann,
aus dessen Wohlwollen ich stolz bin wie
uus das Deine. Die Mutter in ihrer
edlen Bescheidenheit ist reizend schlicht
und gerade
— simpel!« spaltete der Gutsherr.
Der Leutnant preßte die Lippen aus
einander.
»Vater, von Deiner Gerechtigkeit als
I Edelrnann fordere ich, das; Du Deine
Worte ioiigst·«
»Es steht Dir nicht zu, mich zurecht
: zutoeiseii!«
Der Baron stieß es lurzathmig her
vor, schien aber nicht mehr ganz sicher
nud suchte eine Abwehr, indem er den
Spieß der Llnschuldignng gegen den
Sohn tehrte.
»Es ist übrigens sabelhast,« polterte
er mehr wortreich als überzeugend,
,,mit welcher Meisterschast Du mich
ins Unrecht zu seken suchst und dabei
tlug überstehst, wie Du selbst ein ekla
tantes Unrecht zu begehen im Begriss
bist. Mein Gedächtniß ist nicht so
turz, mein Werther, und ich srage
Dich: War es blos mein Wunsch oder
nicht lange auch der Deine, die Freun
din Deiner Kindertagr. hedtvig von
Raden, zum Altar zu führen? Und
ist es nicht ein srevelhaster Treubruch,
den Du an diesem Mädchen jetzt be
gehen willst? behi« ·
Der Ossizier drehte sich um« schritt
zur Thilr und rief von dieser her:
»Du wirst sie arn besten selbst be
sragenl«
« Er verschwand einen Augenblick und
lehrte mit hedwig von Raden zurück.
Das blühende Mädchen slog auf den
Baron zu, hielt ihm beide Händeihin
und lachte hell aus.
»Das hat lange gedauert hier drin
nen, und ich hab’ eine so große Neuig
leit, Onkel Kahrt Jch hab’ darußen
aezappelt wie«n Fisch, aber sent muß
ich heransolatzen damit: verlobt bin
ich, Onkel Baron, veolbt---ist das nicht
eine himmlische Ueberraschung?«
Der Gutsherr stand papier
»Verlobt? Nanu --— Du?« brachte
er stotternd hervor. »J wo --— hin —
mit -—- mit wem denn?«
»Mit Herrn Hans Müller, Kaus
mann, Berlin ——- Frau Hedwia Mül
ler in Zukunft, Onlel Kahn i— ach,
und ich bin so glücklich!« sprudelte sie. :
»Seit —--- seit wann denn, Kind?«
forschte der Alte betreten. i
»Seit gestern. Die Freude «--— was?« i
»Ja, ja. Hans Müller hm -»-« .
»Bruder von Hanni, Onkel Baron.« ;
Sie wies auf den Leutnant. ,,Durr1; I
mich hat er sie ja erst kennen gelernt.
Von Rathenotv nach Berlin Katzen
sprung, Onkel Kahn Da hat er uns«
besucht, Hang und Hanni gesehen —« «
Sie stürmte zur Thür. I
»ha11ni, Hanni, komm mal schnell
T let-eint« I
E Ein schönes, jugendfchlantes Mäd-!
Egen trat zaghaft iiber die Schwelle. I
ie g,roßen blauen Augen hafteten auf i
E dem Ueliebten und flogen dann bittend
E und fragend zu dem alten Herrn hin
über der bei ihrem Anblick sichtbar be- E
E stürzt war Hedwig von Raden schlang I
ihren Arm in den der Freundin undE
zog sie langsam mit sich. Eine rüh
E rende Scheu und Bangigkeit bebte in.
Even Iiediichen Zügen des Mädchen-U
, und Thriinen stahlen sich hervor, alsE
! der Baron wie gebannt an seinean
Platze verharrte. Wie mutblos senkteE
sich der eingeformte Kon mit dem
aschblonden Haar auf die Brust, und
s wie hilsesuchend tasteten die schlanten
E Finger nach der Hand der Freundin. E
Der Leutnant beobachtete den Vater? ·
E gespannt und mit plötzlich aufsteigen-E
E ter Erbitterung. Er trat fest an Hans-E
E niiJ Seite nahm ihren Arm aus dem- I
E senigen Hedwigs und schob ihn in den
E seinen. E
»Vater meine Braut!« erlliirte er E
Setunden tiefer Spannung folgten i
Aber die im Grunde ritterliche Natan
des Barons war von der Huldgestalt ’
des jungen Kindes im Fluge gewonnen
E worden. Er schritt auf das Brautpaar
in
i
i
o
E
»Mein gnädiges Fräuleins-« «
Die Sprache stockte ibm doch
,,Mein liebes Fräulein »i«
Er streckte ihr die Rechte hin
» »Mein liebes Kind,'« wiederholte er E
,,mein Jung —« Er umschloß auch die
Hand des Sohnes.
»Na, ja. Gottes Segen mit Euch!«
Der Sohn dankte ihm mit freudiger
Umarmung, und in Hannis Blauaui
gen strahlte ein Glück aus, so hell und
glänzend, dafz der alte Herr sich nicht
los-reißen konnte von ihrem Anblick.
»Und Deine Eltern, meine Toch
ter s -- ?—«
Der Vater war mitgetomrnen und
wartete in Gesellschaft des Herrn von
Raben draußen.
- ------ fl- l-- -- ält- .« L-- L-:h
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Cato-I »Hu onus-. sur-« ou vsn »san«
»Ist-tm nnd Vcr dank-start mit kesn !
er den Hausherrn begrüßte, war um
so fester und ehrlicher, als der statt
liche, selbitbewußte Mann mit ihm auf
den ersten Blick gefiel und das Trun
bild, das er sich voraemalt h;itte, rasch
zerstörte.
Die Verlobungsfeier begann mit ei
nem Telgramm an Hannis Mutter
»und endete mit einem Festmahl, bei
; dem die Freude -·-- oder der Seit? — —
;den alten Baron um ein Jahrzehnt
; verjüngt erscheinen ließ.«
Etwas verlegen vermied der Guts
zherr am nächsten Tage allein seinen
i Vertrauten, den Förster. Aber um die
, Mittaaszeit begegnete er ihm doch.
i Schatte grüßte wie immer durc
’ Anlegen der Hand an den grünen Ja
gerhuL
»Gestern ist doch ein Fuchs in die
Falle gegangen,« berichtete er dann
harmles.
I
i
I
I »So! --— Was s» tvie --—?«
Der Baron stuste und musterte
Schütte mißtrauisch.
»So, so. —— Hm ---— Sagen Sie
mal. Schütte, tvie —— wie meinen Sie
das?«
»Ja meine Fanaeisen natiirlich ---«
»Wirtlich, Schütte, wirklich?«
I Der Förster versicherte, ohne eine
Miene zu verziehen:
»Ich würde mir doch nicht erlauben,
Herr Baron —
»Na nee! Wollte ist auch nur wis
sen. Na, Schütte, das heißt, ’n Fuchs
bin ich ja auch nicht und in die Falle
gegangen auch nicht. Aber anders ist
es doch freilich getommen, als ich die
Tage her vor hatte. Mit einem Feder
itrich, Schütte, ist es nicht immer ge
than, nnd die richtige Liebe, Schütte,
stellt die Welt noch immer auf den
Kopf. Na, und was einleuchtet,
Schütte: mit der Miillerei hört’s ja
auch auf, fobald sie Frau Lentnant
und Frau Baronin geworden ift, und
weiter hatte ich ja im Grunde nichts
einzuwenden, ganz abgesehen davon,
daß der Junge doch auch maiorenn ist
-—- bin ——- nnd fo was wie feinen eige
ten Kon hat und haben muß. Haben
Sie sie gesehen? Passen Sie auf,
Schütte, nachher fahren wir zu Radens
biniiber. Hiibfch ift sie. mein Wer
ther der Bengel hat ganz meinen
Gefchmack!«
-—-—-—--—
Der zwei ed baß
Stizie von M thielert
»Es gibt nur noch eine Möglichkeit «
sagte der e-"’forftreferendar Winller arn
Stammtifch als die anderen älteren
Herren ihre verschiedenen Meinungen
geäußert hatten. Seine tiefliegenden
scharfen Jägeraugen blitzten dabei auf.
»Ja der nämlichen Selunde, in welcher
der Amte-richtet den Fehlfchuß auf den
Bock abgab, der den jungen Majorats
berrn getödtet haben foll, ift ein zweiter
aus einer anderen Richtung gefallen
Gewiß eine gewagte Annahme, aber Ie
der der Herren wird mir zugeben, daß
ne nicht uusögeicyconen rn. gsn bequ
tssen Setunde, nein in demselben Bruch
theil einer Setunde, denn man hat an
jenem Abend nur diesen einzigen Büch
senschuß aus der Waldwiese, überhaupt
in dieser Gegend, gehört; wie von allen
Zeiten übereinstimmend erklärt wird,
ist dieser zweite Schuß abgeseuett wor
-en.«
»Bitte, Herr Referendar,« sagte der
Staatsanwalt Meyerheim gespannt,
»beleuchten Sie den Fall und Jhre An
nahmen näher. Wir haben ja Alle das
größte Interesse an diesem höchst trau
rigen Vortommniß das einem geschätz
ten Freund von uns die Anklage der
«sahrliissigen Tödtung zugezogen hat.
Jeder Fingerzeig einer anderen Den
tung ist willkonuuen.«
»Der Herr Amisrichter,« fuhr der
Forstreserendar fort, ,,iiihrte an jenem
tlnaliiagtaae eine Piirschbiichse, die aus
einem Militärgewehr «Mödell 88" um
gearbeitet ist, mit einem Stahlmanteli
geschoß, aus das eine Bleispitze angesetzt
ist. Derartige Gewehre sind teine Sel
tenheit. Die Durchschlagslraft der Ku
gel ist auf eine Entfernung bis drei
hundert Meter immerhin noch sehr be
deutend, und es ist erklärlich, daß das
tödtliche Geschoß nicht gesunden wurde.
»Nun ist die Rinde des Baumes,
unter dem der Gras gesunden wurde,
etwa in Oerzhöhe getratzt, die Schuß
riehtuug stimmt mit dem Standort
des Amtsrichters beim Feuer, ergo ist
er der Ungliickselige, der den Majoratg
herrn zum Tode brachte, zumal eben
an dem fraglichen Abend auf der
Waldwiese überhaupt tein lzweiter
Schuß fiel.
Dagegen spricht zweierlei Der
Waldarbeiier, der den Grafen etwa um
sieben Uhr Abends san, und der sofort
untersuchte, ob noch Leben in ihm war-,
saate aus, es hätte aus-gesehen, als
wäre der Körper von dem Zitzstock nach
vorn gefallen. Der feine Regen, der
aeaen acht Uhr einsetzte, hatte leider
schon die Spuren zu sehr vermischt, als
dass, Die Gerichtslommission einen be-:
stimmten Anhalt hätte gewinnen tän:
nen.
Wäre der Tod des Grafen durch die
Kugel des Aintorichters erfolgt, so
hätte er in dem Augenblick, wo er das
Blei empfing, stehen müssen uno zwar
zwei Schritte vor rer Eiche, tvo der
Boten etwas tiefer ist; sonst würden
sich Wunde und Anrisz ain Baum nicht
decken.
Was aber könnte einen Jäger ver
anlassen, ohne Grund, und wenn er
den erwarteten Bock im Hol ze her-—
umzieheii hörte, »aus seiner Deckung
herauszulreten?
Ferner --— der Herr Dottor wird es
mir bestätigen, wie kann ein Mann
init einem absolut tädtlichien Herzschuß
noch drei Schritte zur Seite treten,
um dort in getrümmtser Stellung zu
sammenzubrechcns Jn einem solchen
Falle fällt der Körper doch glatt nach
vorn, oder der Vertoundete springt
springt vielleicht noch einmal in die
Höhe, niemals aber könnte er sich in
einer solchen Lag-e befunden haben,
tot-: sie der Wald-arbeitet beschreibt unis
noch schwach aus den Knieabdrücken
zu erkennen war.
Nein, meine Herren, der Todesschuß
ist aus einer anderen Richtung entom
men, und zwar von jener spitzenWald
erte,t die schräg in die Wiese hinein
rag .«
hier hielt der Forstreserendar einen
Augenblick inne. Aber die Herren
drängten: «,Weiter, weiter, Wintler,
ie sehen doch!« So führte er schneller
aus: »An jenem Abend befan ich
mich um vier Uhr aus der Krähenh tte,
die, eine halbe Stunde von dieser
Waldecke entfernt, ihr geaeniiberliegt.
Jch hatte meinen Uhu mit und hoffte
endlich auf den Wandersallen (falco
peregrinus), der trotz der späten Zeit
in dieser Gegend herumstrich, zuSchufz
zu kommen. Ein Viertel nach vier war
er da und« stieß herunter. Hatte er
aber den Flintenlauf, den ich oorschob,
eräugt, Sie wissen, meine Herren,
miie unglaublich rasch nnd weit ein
Fallenauge sieht, —- genug, er riittelte
hoch über den Uhu und strich ab auf
jene Waldecte zu. Dicht davor nun,
als ob er im letzten Augenblick noch
eine drohende Gefahr bemerkte,
er jäh rechts herum und stürmte mit
rasend-ein Flügelschlna davon.
An jener Waldsecke, behaupte ich, hat
zu jener Zeit schon der Mann gelauert,
der den tödtlichen Schuß aus den Gra
sen abgab. Dieser selbst ist etwa erst
um fiinf Uhr am Rand der Wiese nn
ter der Eiche eingetroffen, und etwa
eine Viertelstunde später ist drüben im
königlichen Forst der Amtsricht-er, dem
der Herr Obersörster zwei Böcke zum
Schuß freigegeben hatte, auf dem An
der kleinen Wiese erschienen. Zweiu
lei ist sicher: Der Mann, der den Gra
sn erschofj, muß ein unbedingte-J Ver
trauen zu seiner Treffsicherheit gehabt
haben, ein Todesschiitze, meine Herren,
dem ich nicht aus zweihundert Schritt
iiber den Büchsenlauf sehen möchte,
mit den fchärseftn Augen, denn von der
Waldecte kann vor den herunterbrin
genden Zweigen der Eiche und den Bü
schen nur ein Stück der linken Schulter
von demjenigen erspäht werden, der
wie der junge Majoratsherr an jenem
Abend, dort auf seinem Stock sitzt.
Und zweitens-: dieser Mann man
sehr groß gewesen fein und- gelegen ha
ben. Ich fand am nächsten Tage noch,
undeutlich, aber doch erkennbar, die
Spuren des- rechten Knies und des
Stiefels. Die Entfernung beider von
· einader ist so weit, daft meine Annah
i me, von 1,85 bis LJO Meter Höhe
kaum irria sein wird. Zwei beerenfu
chende Frauen sagten aus, fie hätten
am Abend eine halbe Stunde vom
Thatort entfernt einen sehr großen
Mann, den sie aber nicht erkannt ha
ben, iiber den Weidenbach sehen seh-en.«
»Heut« raunte der Staatsanwalt «
dem Erzählenden zu, »das sagen Sie?
jetzt erst? Und so offen?«
,,Nur Vermutbungen, keine Bewei
fe,« erwiderte dszorstresserendar eben
so leise, »das Weitere ist wohl Jhre
Sache, Herr Staatsanwalt Aber ich
sage gleich, der Mann, der einen so sa
tanischen Plan ausführen konnte, wird
nicht leicht zu fassen sein. Glauben
Sie an einen Zufall mit den beiden
Schüssen? In dem Augenblick. als der
Mörder den Bock zur Flucht ansetzen
fah das lonnte er von de r Waldecte
! nur — und der Amtsrichter, der zu
I lange gewartet hatte, weil er das Wild
nicht frei genug vor der Biichse hatte,
s losdriielen mußte, wenn es nicht über
s hauvt zu spät fein sollt-e, in diesentAn
genblict zog auch er den Hahn ab. Im
merhin ein teuflisch-er Zufall, es hätte
ja auch anders sein können. Ich habe
.
absichtlich ossen erzählt. Vielleicht wird ;
rer Mörder unsicher, wenn er von der I
neu-en Spur hört und verräth sich.
Glauben Sie, Herr Staatsanwalt,
das .,Alibi« ist schon längst bereit."
»Ich musz unverzüglich handeln,«
sagte dieser. »Sie stellen wohl noch
weitere Nachforschungcn an und be
halt-en die Sache im Auge, Herr Forst
reserendar. Weiomänner sind gute
Spuren und an Jhnen ist ein hervor
ragender »Deteltiv« verloren gegan:
gen. Freilich im Walde, das ist ja
auch Ihr Revier.«
Und er schüttelte dem junacn Forst
Inanne nachdriicklich die Hand
Eins aber hatte der Resendar nicht
mitgetheilt. Vorgestern Abend wollten
die beiden Frauen wieder einen großen
Mann, der nach ein paar Selunden
des Erblickens wie vorn Erdboden ver
schlungen war, in der Nähe des Un
glücksortes gesehen haben.
»Wer weiß,« murmelte der junge
Mann, als er vorsichtig mit seinem
Hunde der Waldwiese zuschlich, »was
ihn bewegt, dort uinherzuirreru -
wöhnliche Verbrechersurcht oder Neue
sicher nicht, darüber ist der Mann hin
aus-« —-- « —- ---— s
Unter der Eiche ließ er den Jagd
hund zurück und lroch bis ungefähr
zur Mitte zwischen dieser und der
Waldecte. Und von dort sah er in dem
blassen Mondlicht den, welchen er
sucht-e·
Der Mensch, der dort an der Wald
secle kniete und den Boden mit den Au
gen und Fingern abtastete, mußte wohl .
etwas verloren haben. «
«Det Forstreserendar lächelte grim
mig.
»Dort liegt nichts, mein Freund.
dnraus kannst Du Dich verlassen. Das
habe ich am WTage schon Alles abge
spürt Vielleicht haft Du den Gegen
stand, von dem Du glaubst, daß er an
Dir zum Verräther werden könnt-, in
einem Fach zu Haufe liegen? Oder er
hängt im Futter Deines Rades oder
sonstwo? Aber nun heran.«
Da tnackte ein Aft.
,,Teufel! Stets-en oder ——«
Aber der Andere war schon ver
schwanden.
,,Greif, hierher! Such’! Such’!«
Geräuschlos wand sich der Hund
durch den Wald und eilig, mit ge
svannter Büchse, folgte der Referen
dar.
Da —— ein kurzer, tnurrender Laut
und dann ein rollender Schuß durch
Den fchweigenden Forst.
»Satan!« knirschte der jungeMann,
als er feinen treuen Hund den Todes
laut ausstoßen hörte. Ganz ferne fehon
hörte er dag Geräusch der brechenden
Aeste und Zweige
Aber er schon nicht.
Als nach einer Stunde fich der
Qberförfter und zwei Förfter mit dem
Referendar zur Verfolgung des Flüch
tiaen aufmachten, war es zu spät. Der
war längst iiber die nahe Grenze-. Er
mußte eine große Strecke im Weiden-«
bach aufwärts gegangen fein, denn die
Sdur war auf mehrere Hundert Me
tse r unterbrochen
»Es ift schon ein richtiger, juristi
scher Grundsat3,« sagte der Staats-I
anmalt an einem der fpäterenStamnI
tifchabend:, ,,bei einer That zunächst
die Frage zu stellen: »Wen! zum
Vortheil?«
Der Einziqe, der unmittelbar einen
solchen aus dem Tode des wagener
fen hatte, war eben dieser, fein Hilfs
förfter. der firb bei dem energischen
Regitnent dor der Entdeckung feiner
llnterschleife fah. Freilich, wer konn
te das ahnen und dann überhaupt mit
diesem zweiten Schuß? Eines der
niertmürdiaften Dinge, die ich über
haudt je erlebt habe. Na, ich glaube,
unser Acntsrichter rührt keine Büchfe
mehr an.«
- —-.-—
In jedem Falle.
Dienstmagd: »Aber ich stehe ja schon
des Morgens um 5 Uhr auf.«
Frau: »Das thun Sie nur, um noch
länger faullenzen zu tönnen.«
e Glosse.
Wer hohe Stellung sich erheischt,
Des Ehrenschild sei blanl und glatt:
Denn wenn die Wetterfahne kreischt,
Vernimmt es gleich die ganze Stadt.
Hübsch gesagt.
Vater ldes begehrten Mädchens):
»Ich sage Jhnen vorläufig die Hand
meiner Tochter nicht zu, schlage Jhnen
aber die Hand auch nicht gänzlich ab.«
Empfehlung.
Jch bestätige hiermit, daß das von
oon der Firma Neuhuber durch mich
bezogene Viehpulver sich bei mir außer
ordentlich bewährt hat.
Boslmst.
M ann: »Ach, Rosalie, in dieser
Nacht hatte ich einen schönen Traum.«
Fran: »Und welchen?«
Mann: »Ich träumte, Dis wärst mir
angaeriickt.«
Plaufiblc Aus-rede.
Gast: »Hier finde ich eine Nadel in
der Suppe. Keller, was ist Denn da:'—.'«
.itellner . »Wohl nur ein Druckfehlez
mein Herr, eg soll eigentlich Ntidel
heißen«
Vor Gericht.
Reliter Cum Gesangenemt »Jetzt
trerden wir die Liste Ihrer früheren
Verbrechen vorlesen«
Gefangenen »Da erlauben Euer
Gnaden mir wohl, so lanae Platz zu
nehmen«
Tristigcr Grund.
»Man-ten Sie auch einen Grund an
siihren, weshalb Sie zur Abänderung
Ihres Namens schreiten wollen?«
»Ja, weil mir auf meinen alten Na
men kein Mensch mehr etwas puntpen
will.«
Die Zichertieitpvorrichtniik1.
L UN
»Jetzt können mir gleich an den
Bauersleute-u dort uns’re neue Sicher
heitsvorrichtung probiken! . . .«