Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 16, 1902, Sonntags-Blatt, Image 13

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    vie Erd-am ------ f
Eine Pftnnftgrichichte von M a r i er
S t a hl iMiincheiU .
»O wandern. o wandern, Du freie
Burschenlust!« fchmetterte ein frischer
Tenor die Landstraße daher, und
Rönzel und Maltasten auf dem Nil-s
cken kam ein lustiger, fonnengebräun
ter Gesell die Chaufsee herunter, die
zwischen wogenden Kornfeldern das
flache Land durchschnitt
»heda, guter Freund,« redete er den
ersten, deften Fuhrmann auf seinem
Karten an, der ihm deaeg·nete, »haben
denn Eure Pappel-Chaufseen gar kein
Ende? Die siihren wohl direkt in die
Ewigkeit hinein? Könnt Jhr mir nicht
sagen, wie Ioeit es noch nach dem be
rühmten Dörfchen Hoppenrade ist? Jst
es möglich, es noch vor dem jüngsten
Ta e zu erreichen?«
er. Bauer reutete mit dem Peit
fchenftiel querfeldein auf einen Pfad,
der gerade in die Felder hinein
siihrte.
»Geiht man da tupp bis an de
Schonun·, un’ dann rechts aff di de
trumme Diede vorhi, iiber den Vog
genpuhl an’ durch de KodpeL da kiett
de Thurm von Happenrade all über
den Sandberg."
Damit fuhr er weiter-.
»Rechte Aff?« murmelte der jun e
Mann« ihm nachblirkend, »derstege
Einer das Kauderwelschl Jch weiß
zwar nicht, was er mit dem Affen
meint, aber der Fußioeg hier wird «
ja wohl sein.«
Und so ging er den schmalen Pfad
aerade in die grünen Roggenfelder
hinein.
»Wohlauf, die Luft geht frifch nnd
rein«, sann er lustig in den sinkenden
Abend hinaus, und schwenkte ab und
zu den Strohhut hoch in die Luft,
während er das dicke dlonde Kraus
haar aus der Stirn strich und sich den
Jchpeifr trocknete. Tiefe n,,’f«ei«eral)end: l
sue lag Uscl Ucu Olcscll ulls (
Aeckerm die im Maiensriin prangten
und die Luft war warm und windftill, i
voll Blüthe n- und Erdgeruch .
Qie Oerlenrofen an den Grabenrai "
nen hatten alle Knospen springen laf
sen und die kleinen Sumpfgriiben
waren ganz mit Bergißmeinnicht nnd
oldaelben Ranunleln angefüllt
eber einem blühenden-« Kleefelo
stimmten noch die Bienen von den fü«
ßen Honiadiiften berauscht, das llang
wie leife schwingender Harfenton, der
das Locken der Wachtel tief im Korn
felo begleitete.
Schließlich verstummte das schmet
ternde Lied des jungen Wanderers, er
athmete mit Wohlgefallen die halsa
mifche Abendluft und lauschte den
Stimmen der Natur.
Immer tiefer und tiefer ging er in
das Wogen und Wehen der grünen
Halme und silbernen Aehren hinein,
durch die haftenden Kräuter der blu
miaen Wiesen und zwischen bliithens
schimmernden Obftbäumen hindurch,
die wie Riefen-Bouqtes rosig und
schneeweiß auf den Triften standen.
Plötzlich ftand er ftill und fuhr frei
mit der band über die Fluren.
War das eine Vision? War er in
den Garten des Paradieses-v gerathen
und sah dort leibhasriq die Fee unter
dem Lebengbaum sitzen?
Wundern thiit es ihn eigentlich
nicht. Er war ja ein Künftler und ein
Sonntagstind, da war ihm das Leben
doch wohl etwasI Besonderes fchuldia.
Unter einem alten Holzbirnbaum,
ter wie eine Pyramide von Blüthen
fchnee neben einem oerwittertenGrenz
ftein im Grabenbord stand, fafz eine
junae Frau den ganzen cchoofz vou
Calmuö undVergißmeinnicht Es war
lieblich anzusehen, wie die Hände in
der Blumenfiille wühlten und da
Wirrsal zu grossen Sträußen orone
ten, und während sie den stop- tief auf
die Arbeit beugte, summte sie leicht ein
luitiaeg Liedchen vor sich hin
Ein leichtes Geräusch ließ sie aus
blicken, erstaunt wandte sie deni stem
den Touristen ihr frisches, rosigeg
Gesicht zu, das den Liebreiz der Ju
aend und Gesundheit zeigte.
Es mußte wohl ein Erschrecken in
ihren großen, braunen Augen gestan
den haben, denn init einein lächelnden
Blick aus sein derstauhteis Aeußere, das
die Spuren der Landstraße trug. sagte
der junge Mann, den Hut ziehend
,.Mit Verlaub, Piinzessiii Tausend
schön, ich hin tein Landstreicher oder
Strolch, der nach Börsen oder Ta
schenuhren trachtet, sondern ein ganz
rechtschafsener und braver Staat-bür
ger unt-»gut« Familiensohn, der von
weit her gepilgert ist, uni seine gute,
alte Tante zu besuchen. Aber wie das
so geht, hin ich von dein Wege zur
Tante abgeirrt und in das Märchen
land aerathen, ioo oerwunschene
Briniessinnen unter blühenden Le
benebäunien iin Garten des Paradie
ses sitzen.«
Der Ueberniuth des Fremden mach
te die Augen der jungen Frau lachen.
»Wer ist denn eihre gute, alte Tanze
und wo wollen Oie eigentlich hiii""."'
fragte sie ausstehend.
»Das sind zwei einfache Fragen,
Frau Märchenprinzessim aber die
Antwort ist iomplizirt,« erwiderte e:
näher tretend. »Sie würde Jhnen ei—
nen tiefen Einblick in das Dichten und
Trachten meines berzens gewähren,
das hetunntlich böse ist von Jugend
auf. Meine aute Tante ist die Frau
Amtsrath Leisebein aus Hoppeneade.
»Es kenne sie nicht, ich habe si- nie init
diesen meinen Augen erblickt, ich habe
sie sogar oerahscheut und ganz anstan
dla' nehasit —- und doch bin ich den
weiten Wen von München hergewi
geet, uni sie zu Psingsten zu besuchen «
s
und mich eensilich utn ihre Zuneigung
zu bete-erben.
Jn dem Gesicht der jungen Frau
malte sich eine große, lachende Ueber
ras ung. «
»« a, mein Gott, warum thun Sie
denn daä?'«
»Warum? o unschuldsvolle Frage!
Weil sie meine Erbtante ist oder
weniastens wünsche ich, sie dazu zu
machen.«
Der junge Mann hatte sich aus den
Grabenborv gesesh Hut und Ränzel
neben sich gelegt, die Arme auf die
Knie geltiitit und blickte aus dem son
nennebräunten Gesicht, mit dein gan
zen, schelmischen Uebermuth kraftvol
ler und lebengftober Jugend, zu sei
nein Gegenüber aus«
»Aber wie stellen Sie sich bentt
eiaentlich diese Erbtante vor!'« Rate
die Märchenptinzessim die über dem
Erstaunen ihre Blumen ganz ver
goß.
Der Maler fubr sich mit der Hand
durch die dichte, blonbe Mäbne.
»Ich sehe, schönste Prinzessim die
Weit tnit ihren Tücken ist Ihnen ein
noch unentdecktes Land. Natürlich-ist
diese Erbtante ein schauderhafter, al
ter Drache, tnauseriq, lnickerig, rup
pig, struppiq. Wahrscheiniich trägt
sie an Sonntag-In aitmodische Blu
ntenbauben , und baumwollene Hand
schuhe in der Kirche. Vielleicht lchnupft
sie auch und schnarcht im Schlaf wie
zwei Männer. Und doch liebe ich sie
ia so sehr, daß tnich Die Sehnsucht
nicht ruhen und rasten ließ, ich muß zu
ihr.« · .
Die iunae Frau lachte io laut und
berzlich aus« daß sie sich beide Hände
vor den Mund hielt.
»Wie kommt es denn, daß Sie
diese Prachttante bisher nicht gekannt
haben?«
»Die Antwort auf diese einfache
Its-II its s;n« Its-no- Xansilssnnssckiinh
»--..- . ..... ,....»- ,,-......-..--,-,.q
te. Mein Vater der Professor War
durg in München, svar mit feinem
Vetter, dem Atntsratit Leifebein auf
goppenraae, lebenslänglich todtfeind.
ie Familien fahen nnd hörten nie
et.vae von einander und der Weg iit
weit vom fernen Süden des Reichs bis
hier herauf an die Grenze Matten
burgs. Erst mit der Todesanzeiae
meines Onlels erfuhr meine Mutter,
daß der Vetter noch fpiit geheirathet
hatte und der derzditttoeten Frau fein
aanzes bedeutende-s Vermögen hinter
lief-» Nachdem auch mein Vater das
Zeittiche gefeanet, fiel meiner Mutter
ein, dafi die vertoitttvete statt Amts
rath Leifebein doch vielleicht eine
mächtige Erbtanie fiir mich abgeben
könnte, da mein guter Vater uns- von
allen Schätzen der Erde nur folche hin- !
terlaffen hatte, die nicht Motten noch
Roft fressen. Lange betätnpfte ich ihre
Erhtanten - Sehnfucht, bis fie mich
oor die Alternative stellte, mit meiner
Runft nach Brod gehen zu miiffeu.
Ch’ ich mich aber an meiner Kunst
und ihren Jdealen veriündige, will ich
lieber den alten Drachen zähmen tttid
die fchauerlichfte Tante der Welt um- -
armen. Als nun Pfingsten, das lieb· »
liche Fest, nahte und die Wanderluit’
erwachte. da sana ich tooegmuthig: ’
Jetzt reich mir Stab und Ordenstleid
Der fahrenden Scholaren,
Jch tvill zur guten Sommerzeit
Zur alten Tante fahren!
So weit toiite ich gekommen« nttti
hilf mir toeirer, holde Blumenfee,
toenn Du mich nicht gleich fiir immer
hier in Deinettt Märchen Garten de
halten tvillft."
Die junge Frau errothete lebhaft
unter den Blicken ihres Gegenüber, die
eine nur zu deutliche Sprache der Be
I
» der Baumblüthe, gefiel sie ihm io gut,
seiner Seele herauslocltenl
zMädchen so schlant nnd leicht im
-llaren benohimniel stieg
;sich gemacht, so ziemlich entspräche,
;,,lönnen Sie nicht mitkommen und
l mich einsiihren?«
wunderung sprachen.
»öiommen Zie,« sagte sie, »wir lön
nen ein Stiirt Wegs zusammengeheth
es wird Abend, Sie müssen sich beei
len, es ist nicht ra:hsain, alte Damen
so spät zu stören,« stigie sie hinle und
lachte so lustig, aug vollem Herzen da
zu, dasz der Maler initlachte. Sie fand «
natürlich die Geschichte mit der Erb- i
tante spaßig, so wie sie ihm im Grun- ’
de auch oortani.
Und wie sie lachend und plaudernd
nebeneinander durch den sinken-den
Abend schri:1en, ourch die schweren
Dustwogen des- reisenden Korns und
wie ihm bisher noch nie ein Weib ge
fallen· « Es war seltsam, wie ihre gro
ßen, fröhlichen Augen gleich Alles aus
Schade, daß sie schon Frau Ober
anetmann Schnörtel war, wie sie sich
vorstellte und sieben lebende Kinder
hatte! Sie sah dabei aus wie ein
Gang!
Endlich tauchte ein Kirchthurm an
eiiier Biegung des Weges aus und
ganz in Ujiaiengriin und Blüthen
schnee versteckt lag ein Dors vor ihnen,
dessen üttenrauch friedlich in den
»Wie schade!« sante der Maler aus
tiesstem Herzen, als Frau Schnörtel
ihm die Fand zum Abschied reichte,
nachdem te i rn noch erzählt, das-, sie
die Tante Leisebein gut tenne und das-,
diese allerdings der Vorstellung die er
»Aber bedenten Sie doch meine sie
ben Kinderl« rief Frau Schnörkel,
machte ihm lichetnd einen allerliebsten
Knie und verschwand eilig hinter ei
ner Decke, um den Pfad nach dein
Nachbardori einzuschlagem wo sie zu
Haufe war.
Eine halbe Stunde spiiier befand
lich Franz War-barg in dein großen
Landbauie der Laute. Dieselbe war
nicht mehr zu sprechen, liess ihn aber,
nachdem er sich bei der Haushalterin
legitimirt hatte, in ein gro es, behag
tiches Fremdenzimmer s«hren und
ihm ein gutes Mahl von laltem Bra
ten, Schinlen, Wurst und einer
Flasche Wein auftischen.
Der Empfang war so übel nicht
und nach seinem anstrengenden Tages
marsch schlief er bald tief und fest in
dem blüthenweißen, lavendeldustenden
Linnen des großen Gastbettes.
Arn folg-enden Morgen merkte ihn
eine goldene Pfingstfonne und zu dem
offenen Fenster strömte Alazien- und
Flieverduft herein. Die Vögel schmet
terten Festtagslieder und die Hähne
auf dem großen Oetonoiuiehos näh
ten lustig. «
Alles, was Franz Marburg von
dem Haufe und seiner Umgebung sah,
war so stattlich, reich nnd behaglich
schön, so voll Ruh-» Ordnung sund
jfriedern als schwebe ein guter Geist
iiber vom aanien Besitz und etwas wie
geitriathbgefiihl schlich sich in seine
- eele.
Schade, schade, da die Tante solch’
ein alter Drache war. Er dachte an die
holdselige Frau unter dem alten
Birnbaum und seufzte tief. Richtig!
er hatte die Nacht von ihr geträumt, so
unruhig und sehnsüchtig! daher noch
das wehe Gefühl in seiner Seele.
Kaum war er angelleidet, da schickte
die Tante und ließ sagen, sie erwarte
ihn im Garten zum Frühstück
Er nahm allen Muth zusammen
und gina hinunter.
Jm Garten, im tiefen Lindenschat
ten stand der Kasseetisch, dessen siiße
Kuchendüste mit Rosen, Flieder und
Jagmin wetteiferten. Da im großen
KorbsesseL in einen großen, grauen
hawl gehüllt, mit dem Rücken nach
dem stieg-weg, den er daherlani, saß
die geiiirchtete Taute, deren Gunst er
erwerben sollte.
Als er dicht hinter ihr stand,
wandte sie sich langsam um, liess den
Shawl fallen und ein Schrei der
Ueberraschuna entschlüpfte ihm ——
seine Blumenfee stand vor ihm und
auf den. Tisch pranqte ein großer
Straan Lalmus und Vergißmein
nicht.
Das ganze Gesicht der schönen Frau
strahlte vor Bergniiaen und lachendem
liebermuth.
»Wie gefalle Ahnen nun Jbre Erb
lante, der alte Drach:?" fragte sie und
lnixte schelmisch.
,,, rau -— Frau Schnörkel?« fragte
er verwirrt, verduni.
»Bitte Frau Anitgrath Leifebein
» es ist nichts mit der Echnörtel nnd
den sieben Kindern - — es war nur eine
lleine Rache dafür, daß Sie mich fo
schnell-brechen wollen, eh’ ich arme,
alte Dame mal unter rer Erde bin!«
Und wiedr tnirte sie ticl:-ernd.
»Sie ——— Sie sind Onkel Leisebein’s
Wittwe?«
»Ja, die bin ich. Er war solch’ ein
lieber, mächtiger alter Herr und ich
eine beimatblose Waise, als er mich
schon auf dem Krankenbett heirathete-,
um mich zu versorgen, aus Dank für
die Krankenpfleae.«
»O. ich unieliger Esel, was habe ich
mir anaetban!« stöhnte Franz War
bura und faßte mit beiden banden an
den Kopf.
»Mir haben Sie’s angerban mit
Jbrem riihrenden Selbstbetenntniß!«
lachte die reizende Taute, die heut’ in
ihrem weißen Morgentleide noch viel
iiinger aussah. »wir Strafe sollen
Sie bei mir bleiben, mir die Schnupf
tabatsdose und den Strickbeutel nach,
tragen-stimmen Sie! idi werde Ihnen
zeigen, was eine Erbrante ist!«
«Hurrab!« rief Franz Warbnrg mit
ausbrechendem thbel, ,,Tnntchen, fii
ßes Tantchstiti«
Er blieb bei ilsr nicht nur diese-z eine
Pfingftfest, sondern alle Pfingstfeste
keines ganzen Lebens.
- ———-SO
Illusion
Richtek: »Sie jollen iz Wochen iin
Freien iampirt haben3«
Ettolcht »Ja, . err Präsidan us
geht nichts über ein — Hiinnrelbetts«
Kritik der Sprache-.
J. Bauer: »Sägg’ mool, workiini
der Kuckuck ümmer Kuckuck röpt.'«
2. Bauer: »Weil hce nich Eiperliiu
seggen kann-«
leazikte Reden-zart
A.: »Wer sind die sechs Damen
va, die sich so lange und so eifrig un
iethalten?'·
B.: »Das sind alleinftehende Ia
mens«
Sein Ideal.
Onkel: »Alle neuen Häuser in
Eurer Stadt sind ja im siafcmenstil
gebaui.«
Lieuteiiantt »Nicht wahr, haben
Geschmac, Die Leute hiet?!«
VIII-bitt
l »Was idenn, muß i denn...«
Novelle-m- von F- r i d a Z cl) an z.
Vom Kummer eines kleinen Jungen
will ich erzählen, von einer winzigen
wehen Kummerstelle in einem frischen
fröhlichen Jungenherzen. Denn diese
kleine Wunde hat manchmal ganz toll
gebrannt
Es war aber auch eine fortgesetzte
Kränkung. ---
Alle vier Geschwister Egbertsswaren
musitbegabt. Das beseelte, schon echt
künstlerische Geigenspiel des laum drei
zehnjährigen Aeltesten, Fritz und Elses
gutes, exaktes Klavierspiel, —- eine
Freude mass-, es anzuhören.
Nun sing das fünfjährige erchen
auch schon an, sich mit dem schlanten
Zeigefinger die Son·ateninelodien der
Großen merkwürdig richtig auf dein
Flügel zusammenzusuchen
Zwischen Else und dies-er Kleinen
aber hatte die Natur für den neuen
» Kraftansatz auf musikalisch-ein Gebiet
. auch absolut aesvart. Und diese Lücke.
i » das war eben ber lleine Egbert.
L Dieser liebe Junge mit dem offenen
Gesicht und den dunkelbraunen Zwin
leraugen war so unmuftlalisch wie ein
Reibeisen oder ein Tischbei .
Egbert aber spielte.
Jm Schweiße seines Angesichts, bald
» dicht-aus die Tasten, bald dicht auf die ’
Noten starrend, hatte er im Laufe
eines Jahres mit seinem geduldig-en
Lehrer, den er nur selbst an Geduld
übertraf, den ersten Theil einer »Kla
vierschule« durchgepault; dann glaubte
sich der Meister aus Rücksicht aus sich
und den Geldbeutel der Eltern zu einer
) osseuen Ertlärung verpflichtet.
Hopsen und Malz sei an Egbert ver
loren. Hier liege eine absolute Unbe
gabung vor, und bei dseg Jungen rüh
renreni Fleiß toste die vergebliche An
strengung auch noch lolossale Kräfte-.
Das- einzig Ver-künftige sei, Egberi
hörte mit den Stunden und mit der
Musik überhaupt endgültig aus«
Alles das hatten sich die Eltern
längst gesagt. Sie ahnten nur leise,
wag bei der Freisprechung ihres Soh
nes von dem Martnrium kommen
wiirte.
Das tiefste Gelränttsein nämlich.
Egbert fand wohl, er lerne etwas
schwer. Aber er fand sich absolut nicht
unbegabt. Er fand von allein Klavier
«pi-:l der Welt nur seines schön; das
übrige im Haus ertönend-e ließ ihn
völlig kalt.
Die zweite herbe Kränkung seines
jungen Lebens-! Denn aus der Ge
sangstunde im Ghinnasium war der
kleine Egbert auch höflich hinaus-som
plimentirt word-en, weil er jeden Chor
verriirbe durch sein gänzlich falsche-«
Singen. Und dabei war eg auch hier
wie beim Klavier-. Von allem Gesang
gefiel Egbert nur sein eigener. Mit
leidenschaftlicher Begeisterung stimmte
er seine Dissonanzen an.
Gut! Wenrss die Klavierstunden
auch nicht länger siir ihn geben soll, er
muckst nicht. Das liegt nicht in seiner
Art. Er nimmt sich nur eins mit sei
ner ganzen Jungenfestigteit vor; dass
Klavierspiel giebt er nicht aus, er lernt
sich’s selber, ohne die dummen Tonlei
tern und- so Kinterlitzchen Die ande
ren werden schon noch sehen, —- ihr
blaues Wunder.
Mehr höre n mußten sie das.
Egbert, der wie ein Zioßdogel aufs
Klavier zuschoß, wenn es srei war, be
reitete sich seine Ohr-enschmäuse aug
einem gewissen Stolz am liebsten bei
gseschlossener Thür. Aber ser spielte da
siir mit kräftiger Macht, die sie nicht
im Verborgenen ließ.
Die Flritil erhob sich dasiir im Ne
benzimmer entsprechend deutlich und
laut.
»Eggy, falsch! —-— An, ligan!— s- sei-z
,yis, Fig mein Junge! —-- Das ist ja
» ------------ DE -I.l- sc.
»ja-u »d, te Jst-( wir's-u · Vuyhs ein s
(5gbert! - Lieber guter Gaben, lannst
Du jetzt nicht mal ein einziqu bißchen
mit mir Domino spielen »
Die seinsiihlente Elje, der Domino
schrecklich war, kleidete den Ausdruck
ihrer Pein in die letztere zarte Bitte.
Und Egbert folgte ihr tiesgelriinlt.
Es waren Menschen« diese seine lie
den Verwandten! Nein, wirklich wahr!
Wo er die Lorelen jetzt so rasch spielen
konnte! Das nicht schön zu finden!
llngerecht einfach! Sein Leben hätte
ihm schon wirtlich verbitt-ern können,
wenn Tante Findetlee nicht gewesen
wäre! —- ’
Diese Tante —- llr Ur Tante hätte
sie wohl eigentlich heißen müssen --—- sie
war in eines trummen alten Branchen-J
dürftiger Gestalt der lichte Trostengel
fiir Egbertg junge Leiden.
Und Tante Find-eilte, die Zchiichs
lerne, Lintische, mit dem ewigen Ver
legenheitstaschentnch zwischen den alten
Fingern, war tssgtsertis dantbarees stau
nenteg Publitnn1·
Sie verstand von TUkusil nicht sehr
isicl. Sie hörte anclk nicht mehr sehr
ant, aber -- « ihr gefiel Egberttz Spiel!
»O, wie spielst Du Doch schön!«
pflegte sie mit einer gewissen Dinge-ris
srnheit zu sagen, wenn ter zweiselhaste
Künstler mit einem falschen Attord
eine seiner Musitleistungen schloß.
»Mein Junge, spiel lDu nun auch. ·«
flüstert-e sie ihm zu, wenn unter dein
Beifall der Eltern ein Trio der drei
Großen zu Ende gegangen war.
Unt Eabert war seiner Verehrer-in
gern gefällig
Stolz seht-: et sich aus seinem Lieb
lingsnlatz am Flügel zurecht zur Vor
führung seiner Stücke-. Zehn Volks
lieder, etliche Tänze und zwei Chorälc
waren jetzt sein Repertoikr.
Jegliche Melodie spielte er falsch.
Dafür nahm er sämmtliche Beglei
tungen im Sturmlaus, ungebunden
von all-en Behinderungen durch Takt
aesetzr.
Schneidend klan«a’s in die seinen
Musiiohren der Seinen.
Aber Tante Fincetlee lauschte ver
liebt und verzüctt. »Mi5chtsest Du das
wohl noch einmal spielen, Eabertchen?
Das war Prachtvollt Nein, wie spietst
Du doch schön,« ging ihr Lob.
Und das war Trost und Labsal sür
den vertannten Künstler-. Er gab aus
Tante Findeileeg Geschmack viel!
»Mutter, ich kann jetzt ,,Lied aus
Martha«. Tante Findetlee hat-?- er
kannt.« —
Das war mit so rührender Genug
thuung gesagt, daß die Frau Justiz
rath ihren Hauptmusikanten unbedingt
einmal abiüssen mußte, um ihr Loch-en
zu verbeißen.
»Die Freude läßt der sich nicht neh
men!« dachte sie.
si- yk si
Nein, vorläufig nicht!
Er hat Tante Findetlee bei deren
letztem Aufenthalt noch musikalische
Wohlthaten erzeigt, die ihr altes Herz
und sein junges sester als je zusam
mentetteten.
Er war aber auch am traurigsten,
als das Betrübende geschah.
Tante Findetlese, die Deutlichng
ward plötzlich im Hause zur Aufregung
verbreitenden Hauptperson.
Sie, die immer kränklich, nie tranl
Geweer mai-, erkrankte im Laufe einer
Nacht bei den Gastsreunden an einer
Lungenentziinkuna so hesitg, daß jedes
Transportiren ausgeschlossen war.
Sie lag vier Tage tm starken Fieber
und großen Schmerzen im tleinen
Fremdenzimn er.
Das ganze Hans diente der Schwer
leidenden unbewußt. Aus Respekt vor
ihr war alles still, die zartesten Rück
sichten herrschten, Flüstern, aus den
Fußspitzen gehen. Natürlich kein Kla
vierspiel im Haus! Alle Stunden wa
ren abgesagt.
, Das war das Allerungewöhnlichste,
das Feierliche·
Der Doktor war dreimal dagewesen.
Die Mutter hatte zu Mittag geweint.
Nun ist sie schon seit Stunden drin,
Vater auch. Stumm sitzen die Geschwi
ster am Eszstubentisch Nur- Feder
tritzelrh Biicherseitentnisiern ertönt.
Da, —- die Mutter kommt herein!
Sehr blaß, dabei so glanzend ihr
Gesicht, so eigen.
Alle Kinder springen aus.
,,Egbert,« saat die Mutter sanft
geht gerate auf ihn zu und legt die
Hand aus seinen Kopf. ,,Eabert, die
Tante läßt Dich um etwas bitten! Du
sollst ihr etwas vorspielen, sie sehnt
sich danach.«
Mit ungläubigem Entzücken sieht
Egbert seine Mutter an.
,,Jhren LieblinggchoraL Egai, L: l
siehl Du Deine .510ege.«l
Erstaunt ahnungsvoll sieht Bruder I
l
l
Hans Eise an. »Mutter, soll ich nicht.«
fragt er dann stockend
»Nein, Eggi soll!« sagt die Mutter
bestimmt » Sie wiinsclst ers. so«
Und Egbert ist hochbealiickt. I
Er stürzt nach dem Flügel. Seine I
Klavierschule mit den vom Blättern «
zermiirbten Seiten heraus! Und nun
log! Jeden Akkord probirt er erst ein
mal. Nein, so nicht! So geht’s! Jetzt
kommt Schwung Und leidlich richtia
hört man wirklich die Choralmelodie.
Er schließt mit einem Sechgtlang et
wag augeinanderlausender Töne.
Ihm gesiel’5!
Und o Freirke! Die Mutter kommt
ang Tante Findellees Schlaszimmer
jetzt lächelnd zurück, —--— die Augen da
bei voll Ihr-Einen »Gewi« fomt sie
»Und nun rasch noch eins. Es ivär’
herrlich gewesen, läßt die Tante Dir
sagen. Nun noch ein FröhlicheSI ,,«J."ltuss,
i denn, muß i denn zum Städtle hin-«
aus« sollst Tu ihr spielen!«
Das sreut ihn! Da sauste Meister
Egbert los!
,,Muß i denn«, —- bas war sein
Leibstiietl Das nimmt er immer im
Sturm. Kopsiiber, tovsunter purzeln
die Noten. Holteroipolteri Melodie
und Begleitung in argem Zwiespalt.
Aber immer fröhlich weiter, weiter —
Bio sich der Mutter sehr kühle
Hände auf einmal weich und zart von
rückwärts aus seine schmalen heissen
Bubennpanaen legen, bis ihre Stimme
flüstert: »Nun hör aus, lieber Junge,
nun ist’s genug!« so leise, so hauch
leise ———
e- sii si
So leise ist ein paar Tage alles im
Hause zugegangen.
Tante Findetlee ist gestorben.
Untier Eabertg: »Muß i denn, mus-,
si denn« ist sie eingeschlafen Nicht
- schmerzvoll Fröhlieh nnd leicht!
Die Mutter hat den stindern ce
sagt, einen so schonen Tod habe sie nie
gesehen. Es sei aeiviesen, alLs sijlisle sie
genau, nun ginge esJ in ein viel schö
neres Luft-.
Bei Diesen Wort-en sahen alle Kinder
ehrsiirehtia Egbert an. Beschämt unr
aehoben von ver Ehre stand er ra. Ihm
war’s bei ter Vertiinoiaung von Tan
t-e«"5 Tot-, ali- soll-: er mindert Kloster
tief, um dann tausend Meilen in Die
Höhe zu schweben.
Sein Spiel, das hatt-: alles so schön
gemacht· .
Etwas Sinniges, Unnahbares war
um den kindlichen Jungen in den
nächsten Tagen. Er wurde aussallenv
höflich, zart und steunclich von allen
behandelt.
Dann ist aber alles wieder gewor
den, wie’s friihet war. Alles im
Dante tam wieder ins aite Geist-.
Und doch — etwas hat gefehlt.
Er mochte nicht mehr. — Und er
konnte sich selbst nicht recht erklären,
varnm er nicht mehr mochte.
Vielleicht war’s ein zu feierlicher
Schauer im Genuß. Bielleicht die un
deutliche Ueberzeugung daß er es zu
höheren Ehren in feiner Karriere nicht
dringen konnte als er’s gebracht —
jsneraisch, wie er war, ohne viel Aus
Iebens, hat er Schluß gemacht.
Seine reiche Begabung lag auf ganz
Jnderem Feld. Die ist ihm bald da
nach ausgegangen, und ihr hat der
ciichtige Junge mit bestem Erfolg sei
ner Jugend angestrengte Kraft ge
vidmet.
---—-—-.I—-——
Ein lustiger Uebersetzunqsfchnttken
Es- mögen wohl schon an zwanz:g
Jahre vergangen fein, daß ich—fo er
zählt der ,,Tägl. Rundschau« ein Mit
arbeiter— -in einem französischen, aus
dem Deutschen iiberietzten Roman
schmöterte. Da stieß ich gänzlich un
vermittelt, gänzlich außer Zusammen
hang mit dem übrigen Text, auf den
Satz: »J! etait chef oXegeadron«. Wis
sollte eg heißen? Es war bis dahin von
inilitärischen Dingen gar nicht die
Rede gewesen und ein ,,Rittmeifter«
spielte erst recht n ebt hinein. Meine
Neugierde wurde in dem Maße ge
weckt, daß ich mir de ndeutschen Ori
ginalroman aus der Leihbibliothek
holen ließ. Und mag stand dort: »Er
ivar seine Schmadroneur « Schwadron
gleich egeadron, Schwadroneur also
gleich chef d’eseadron.
--.- ...-—-—o
Zum ehelichen Frieden.
Der wohlwseise Magistrat des
Schwarzburgischen Städtchens Blan
tenburg erließ im Jahre 1594 eine
Verordnung, in welcher ausschließlich
befohlen wurde, »daß die Frau, die
ihren Mann wirft ooer schlägt, nach
Befindsen mit Geld oder Gefängniß
bestraft werden und, wenn sie Ver
mögen hat, dem Ratligdiener ein wol
leneg Kleid geben soll Jst der Mann
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»Hm-, ,..... ».»» »....,.. »-,,.·.
die Frau, die ihn geschlagen oder ge
rauft hat« so soll er mit Gefängniß «
oder sonst willkürlich bestraft werden.
Auch soll ihm noch überdies das Dach
auf seinem Hause aufgehoben wer
den.« Durch letztere Strafe wollte man
unstreitig der ganzen Stadt kund
thun, welch ein »Schlappmichel« der
betreffende Ehemann, und daß er voll
tommen unt-er die Pantoffelherr
schast seiner Frau Eheliebsten gera
then sei,
Im Oberschwädischen war es frii
her gebräuchlich, daß streitsüchtige
Eheleute zusammen in den »Dum«
(Thurm) eingesperrt wurden. Sie
erhielten ein Messer, eine Gabel,
einen Stuhl und ein Lager. Das
stlua fast immer an! Man sah nicht
selten Beide aus«- dem Thurm in größ
ter Einigkeit Arm in Arm ins
Wirthshaus ziehen, um bei gut-m
Essen und Trinten das Friedenssest
«er feiern. In lJJicmminaen war das
Verfahren beliebt, zäniische Ehelenie
in Verwahrsam zu dringen und mit
einem Löffel essen zu lassen. Jus
Der Mennninger Chronik steht u. A.
zu i:s-en: »Anm) lt"524, den 13. Juli,
hat man zwei Eheleut, so übel mit
einander gelebt, in das Blockhaus aess
tlxan und mit einein Löffel essen
lassen.«
». ---—--—- -—--—
Auch ein Kmistfrennd.
Maler: . . . Wenn Sie den Hund
xnii auf dem Bitt-e haben wollen,
tostet’g mehr!«
««’F"hemaliaer Fleischermeisten »Den
tdnnten 3’ aber doch als- anaa97
malen.
Speinlqtitk
Maler: »Ja, wag wollen denn Sie
hier mit dem Schwein?«
Bauer: ,,Entfchnldi«aen Sie nur«
Herr Professor, mei Säu’che wird
heut’ geschlachtet und da möcht« ich
vorher noch davon a Linsichtspostkarte
hal·-:n!«
Nicht fo eintritt-!
Herr: »Warum macht Jhr immer
statt Eurer Unterschrift drei Kreuze?
Einer- wär’ doch auch aenijgend!«
Bauer: »Waar’ net ans!. . . Glau
ben ZU deeg ig so einfach, wenn ma’
net schreiben kann?!«
Modernes Genie.
»Seben Sie dort in der Ecke silii
der berühmte Dichter Zchl umbumsty
— ein hochdeaabter Menschl«
»So? Welchen Werken verdankt er
eigentlich seinen Ruh-ist«
»Werft-us Ja, mag alanben Sie
denn? Juni Arbeiten .ft der viel zu
nial!«
Wifieciiclpaftlimer Vortrag.
»Seht-n Zie, meine szerrschaften
Von den Dimensionen des Sirins
lann man sich qar keine Vorstellung
machen; der Mond wiederum ift als
Wertkörper ziemlich klein. Daraus
ertennen Sie-, daf; die Erde, die mir
bewohnen, gerade die richtige Größe
hats
Gut ausgedacht!
Frau eines durch Erbschaft plötz
lich reich gewordenen Bäckermeisters):
»Ich werde also, lieber Loisl, zwei
Bücher über den guten Ton und die
feine Sitte laufen! . .Das eine le
sen wir fleißig und das andere la en
wir nnanfaefchnitten auf unser m Oa
lonrilch liegen, daß es so aussieht als
ob irsir das Buch gar nicht nöthig hät
ten. «
Drei ver rächiedene Meinungen ma
chen einen tammtisch.