Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 02, 1902, Sonntags-Blatt, Image 14

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    Die-tos- Knif.
— III Zwist-den von E. Vit
MAT
l.
Lilie einverstanden .mein Junge?
Das Mädchen gefällt Dir-EI«
«Ob fee mir gefällst Ich bin ge
radezu hingerissen."
Und Arnold Friese verschlang die
Photographie in seiner Hand mit Bli
cken des Entsückenå
«Welchcr Liebreiz! Unvergleichlich,
Intell«
»Das freut mich, mein Junge, das
freut mich. Du haft meine Heinrichs
tiporfchläge schon so oft von Dir gewie
en. . . .'«
Eber das war auch etwas Anderes-,
bester Onkel. Bei allen früheren Geh
senheiien war Deine Schiviirmerei tei
nestvegs gerechtfertigt Was Du für
Schönheit gehalten, war nur Blend
wert. hier war . . . . kann man hier
noch schwanken? Man müßte ja rni:
Blindheit geschlagen fein, wenn man
sich der Ertenntniß verschließen wollte,
daß man hier das ovlltonirnenste Jdeal
griechifcher Schönheit vor sich hat«
«Aber ihr Werth beruht nicht nur in
ihrer Schönheit. Sie ist auch gut, geist
voll, liebenswürdig unt- von sanfter
Gemüthsart. Als ich sie neulich im
hoteL wo sie während ihr-es kurzen
Berliner Aufenthaltes mit ihren El
tern abgestiegen, zu Gesicht bekam,
war ich sogleich entzückt von dem Mii
del und dachte sofort an Dich. Wenn
das zu Stande käme, sagte ich mir,
wenn das zu Stande tönt-ei Eine fol
che Nichte zu besitzen! . . . .«
»Nun, Du siehst, lieber Onkel, Du
mir-I K- Wir-n Nishi nur hakt ihre
Eltern mich auf Deine bloße Empfeh
lung hin acceptirt haben und auch das
Mädchen nicht abgeneigt scheint, mir
ihre band zu bewilligen, nein, auch ich
selbst, der bisher so wöhlerisch und
jeder Heirath abgeneigt gewesen. möch
te bei dem Gedanken an die Möglich
leit dieser Verbindung die ganze Welt
umarmen.«
Und in einem Ausbruch dankbaren
Entzückens fiel Arnald dem Oheim um
den Hals und küßte ihn auf beide
sangen
Der Ledtere rieb sich befriedigt die
bande. «Gui, mein Junge, gut. Und
nun wir in der Hauptsache einig sind,
will ich Dir noch einige Details geben.«
»Ich höre, bester Onkel.«
.Deine Braut —- denn so darf ich sie
wohl schon nennen, da Alles so ziem
lich im Reinen ist — wohnt, wie Du
weißt. in Leipzim und ich habe daher
mit Deinen zukünftigen Schwiegerel
tern verabredet, daß Du morgen hin
iiberkomrnen folln.«
«Schön.«
»Du kannst fahren, wannDu willst;
aber jedenfalls sollst Du Dich guts-klit
tagsftunde dort einfinden, und zwar
unter einem sehr natürlichen Vor
wande. Es soll nämlich heißen, Dst
hast mehrere Taoe in Leipzig zu :bun,
und ich bade diese Gelegenheit wahr
genommen, »Dir diese silberne Lorgi
netie für Frau Breitschneider mitzuar
ben. die sie neulich im Theater hier
vergessen und um deren Aufsuchung sie
mich gebeten bat. Und da Deine Rück
kehr nach Berlin keine Eile bat, bleibst
Du in Leipzig, so lange Du es zur
Sicheruna Deines Erfolges nöthig er
achtest. Ich vverlasse mich darauf, daß
Du mir nicht ohne das definitive »Ja«
in der Tasche zurückkebrst.'«
»Ich will mein Möglichftes thun,
Onkel.«
»Und nun Glück aus den Weg. mein
Junge Telearaohiee nur gleich, so
ald das gewünschte Resultat erzielt
sfl k—..-:4 tx- —.-!— m--l-f-..--:---«·-k---l
Ul, UUUIU LW tut-All Ost-LuuttJ-tklu,kus
voin Stapel lassen kann.
2.
Morgen erst?
Nein, so lange mochte Arnold Friese
nicht warten. Das Berliner Leben
lenkt zu sehr ab und gestattet nicht, ei
nein lieben Gedanken nachzuhängen
Arnald beschloß Daher, nach Im selben
Abend abzureifen.
Am Bahnhose angelangt, sicherte er
sich zunächst ein leeres Coupe und hielt
dann Ausschau.
Der Perron war ziemlich gefüllt
Sollten alle diese Leute, vie er da mit
handtofserm Hutschachteln etc beladen
sah, es etwa auf seinen Wagen abge
sehen haben? Er wollte doch so actn
allein sein und seinen Gedanten nach
hängen.
Wie sich vor Störung sichern? Ha,
eine Idee: Wenn er alle acht Plätze des
Abtheils belegte?
Offenbar ein großartiges,nur etwas
tostspieli es Mittel
Dem assner ein Geldstiick in die
Hand drücken? Nein, das bot leine
Garantie; denn falls Jemand einstieg,
hatte er tein Recht, es ihm zu wehren.
Pfötlich lblitzte ihm ein rettenver
Sei-ante, eine Crinnerun ans seiner
Studente-Seit durch den opf.
sietots Kniff! ·
Dass er auch nicht gleich daran ge
b t hattet Dieser anübertressliche
I , den Viktor stets in Szene gesetzt
. ite, m im Eisenbahncoupe allein zu
« , net-fehlte seine Wirkung nie.
" sesaater Viktor suchte sich nämlich ein
:»:-· Zwei com ant, Und sobald Jemand
37 ;M W, bei ihm einzusteigeiy
III-et Wi- Ue Ingen, streckte die
· II M alle l »
Ma- ske-n sie-H
« Gi- -W l« d
« M Miit F sie-tätlich,
Und dieses Mittel erwies sich prodat
nnd jagte nacheinander zwei dicke Da
men. ein Einerl, einen alten, keuchen
den Deren nnd zuietzt noch eine ganze.
ans Vater, Mutter und Tochter beste
hende Familie in die Flucht. So schien
es ihm wenigstens; denn in ihrer Be
stiiezung waren alle diese braven Leute
so hastig davonaeeilt, daß Arnald
laurn im Stande gewesen« ihre Phy
siognomieen zu erlennen.
Die Lotomotive psiss. der Zug setzte
sich in Bewegung.
Arnald war allein. »Ist-Ich Victors
Kniss!« dachte er triumphirend. Und
geniiichlich auf dem Diwan hingestreckt,
verlor er sich in endlose, süße Träume
reien.
s. ..
Leipzig!
Es war beinahe Mitternacht, als
Arnald in der Stadt anlangte. Das
Beste, was er um diese Zeit thun tonn:
te, war, sich zur Ruhe zu begeben.
Nach-dem er am nächsten Morgen
sorglich Toizette gemacht, wobei er nn
msentlich dem Raseur Haß-erste Gründ
lichteit anempsoblen. begab er sich in
die Stadt.
Wie sollte er nur die Zeit bis zum
Abend hinbringen? Die Sebengwiir
digieiten in Augenschein zu nehmen,
das war das Einsachste.
Allein zu sehr mit sich selbst beschäf
tigt, um in voller Geistesrnbe die wun
derbaren architektonischen Kunstwerke
der schönen Stadt zu genießen, be:
aniiate er sich mit einer Promenade
durch die Straßen. wobei er, in der
Hoffnung, derjenigen zu begegnen, de
ren Bild er seit dein gestrigen Abend in
und auf dem Herzen trug, jeder«·Pas
santin ausmertsam in’s Gesicht
schaute.
»Das ist sie!'« dachte er, sobald er an
einer Straßeneete eine elegante Gestalt
auftauchen sah. Und basiig stürzte er
daraus zu, um vor einer jugendlich
ausaeputtten Alten oder einer erröthen
den Jungen zu londen, die sich ge
ichmeichelt fühlte, weil Je aus diesen
siattlixben Flanrur so augenscheinlich
Eindruck gemacht.
Endlich, endlich nahte die sechste
Abendftunde. Seine Zeit war gekom
men.
Jn sein botel zurückeilend, unterzoa
Arnold feine Toilette einer eingehen
den Musterung und begab sich dann
nach ver Wohnung Herrn Dunkel-nei
ders.
Nachdem er gemeldet worden, führte
der Diener ihn in den Satan, wo Ae
nold sowohl Herrn und Frau Brett
ichneioer als auch ihre anbetungswiir
dige Tochter anwesend fand —- denn
anbetungswiirdia war sie unbedingt,
die Photographie war nicht im minde
sten arichrneichelt.
Alle drei traten dein Besucher rnit
dem freundlichsten Lächeln entgegen.
bereit, ihn aufs Liebenswiirdiafte will
tonnnen zu heißen, als plötzlich ein
dreiitimmiaer Schrei ertönte:
»O, mein Gott! Das ist ja ver
Verriiclte aus ter Eisenbahn!«
4
Jrn Moment war Ewalb der Zu
sammenhang tlar. Die aus Vater,
Mutter und Tochter bestehendezamilie »
fang-en die Brettschneiders gewesen;
ein. »
Er lächelte, obwohl ein wenig aus
Ver Fassung gebracht, und schickte sich
an, die nöthige Auftliirung zu geben
»Ich errathe, meine sehr verehrten
herrschaften . . .. Leider eine mißliche
Art, mich bei anrn einzuführen · . ..
aber wenn ich Ihnen den Grund dieser
Komödie mitgetheilt haben werde
«Sehr ernster Fall!" raunte Brett
fchneider feiner Frau ins Ohr. »Wenn
ein Geist-:Ltranker seine Wahnaebilde
zu erklären beginnt, ist dies ein Zeichen
seiner Unheildarteit.«
Das junge Mädchen hatte sich be
bend und wie Schutt suchend hinter den
Rücken des Vaters gestiichtet.
»O. ich dersichere Sie, ich bin nicht
acfährlich,« bemerkte Arnald mit leich
ter Ironie. »Ich habe noch teiner
Menschenseele etwas zu leide gethan,
und wenn Sie mir die Ehreserweisen
wollen, mich eine Minute lang anzuhö
ren, tönnen Sie sich davon überzeugen,
daß es sich sehr gut mit mir reden läßt.
Uebrigens merke ich wohl, daß lediglich
Victvrs Knisf die Ursache Jhres Irr
thums ist.«
»Victors Knifi?«
»Jawohl. ein alter Freund, dessen
Beispiel ich in bester Absicht gefolgt
hin. Doch ging er bei solchen Gele
genheiten noch weiter. Er zog sich die
Stiefel aus und stellte sie vor die Wa
genthiir.«
«Ah, wirllich?« fragte Brettschnei
der, als erregte diese Mittheilung sein
höchstes Interesse.
»Er ist zwar mornentan ruhig, doch
kann jeden Augenblick ein Umschlag er
solaen,« sliiiterte er dann hastig seiner
Frau zu. «S-chicke schleunigst zur Pa
izet."
»Mein herr,« wandte er sich dann
wieder an seinen Gast, »nach Ihren
Mittheilungen zu schließen, muß die
ser herr Viktor ja ein reisender, anrü
santer Mensch sein, und ich bedaure
nur, nicht das Beraniigen seiner Be
kanntschaft zu haben.«
«In der Thatk fragte Arnald, der
diese Bemerkung iiir baare Münze
nahm« »Mut! Sie gern seine Be
kanntschaft mache-ri« ·
»Aha-singt Ein so phantasiisch
iveranlagten Mensch! Ich mischte ihn
inir sur Freunde wünsche-if entgeg
nete Stettschnetder. «
»Man ist-; auf all feine Ideen ein
sieht-, das i m eineiae Mittel zur
see-rettun- einer Frist-X rannte et
dessen-nun- - ,
-M sie-sengt, das es ihm ge
langen. seine Wirthe betreffs seiner
geistigen Zurechnunng ’gkeit zu de
rudigen. konnte Arnold doch nicht
verhehlen, daß sein Entree ein verfehl
tes sei. Dem jungen Mädchen diirste
es vielleicht schwerer fallen, ihn ernit
zu nehmen. Er mußte daher um jeden
Preis diesen ersten üblen Eindruck zu
verwischen suchen.
»Mein Oheim hat mir viel von
Ihnen erzählt, mein Iriiulein,« be
gann er.
»So, mein herri«
»Und wenn Sie ahnten. in wie
schmeichelt-after Weise er von Ihnen
geredet!« -
»Ihr »Herr Olieim ist wirklich allzu
liebenswürdig.«
»Und Sie allin bescheiden, denn
wenn alle Eigenschaften . . . .«
Leider vermochte Arnold die
schwungdolle Tirade, die ihm aus den
Lippen schwebte, nicht zu äußern, da
in diesem Augenblick plötzlich drei
Männeraestalten geräuschddll den Sa
ldn betraten.
Erstaunt wandte er sich um. Viel
leicht ebenfalls Gelt-den« Verwandte
dermuthlich Allerdings etwas be
fremdlich im Hinblick aus den intimen
Charakter des heutigen Beisammen
seins.
Doch Arnald hatte keine Zeit, diesen
Gedanken weiterzuspinnem da die An
kömmlinae sich auf ein Zeichen der
Haugherrn auf ihn stürzten.
»Aber, mein-e Oerren.« protestirte er
in starrer Betroffenheit, in der An
nahme, es lieqe hier ein Jrrihum dot.
.Wa5 soll das-, meine Herrens«
Verlorene Müde. Er ward im
Handumkrelten gefesselt, geknebelt und
von sechs starten Armen hinan-Etwas
portirt.
»Gott sei Dank!u rief Brettschneider
ersreut, dieien unheimlichen Gast los
Izu sein. »Nun wären er und auch wir
i sean i» Sich-that
»Aber eo ist doch kaum zu fassen,«
meinte die Tochter. »Ein so reizender
jung r Mann mit so reifem, gediege
lnem Urtheil, siir den sein Onkel nach
jeder Richtung bin bürgt.
? »Was hilft das alle-, mein Kind?
Vermutblich ist der arme jungeMen ch
ganz plöylich auf der Reise davon
allen worden Dergleichen Fälle sind
schon häufiger dagewesenf
»Schade« dachte das junge Mäd
chen »Ja wirtlichschade! Jn seinen
lichten Momenten hatte er etwas so
überaus Sympatbiicheb!«
5.
Arnolds Ont:,l den Bretiichneider
telegrapbisch von dem traurigen Vor
fall benachrichtigt, langte mit dein
nächsten Eilzug in Leipzig an und ließ
sich sogleich zu seinem Nessen führen.
Mein armer Junge, ist s möglich?«
rief er unter Thriinen. »Ein so blos
» licher Ansall.
.,,Ah Onkel, willst Tu mir erklä
ren . .
Nach weniaen Minuten war dem
Onkel alles tlar. Ein dröhnendes Ge
lachter brach von seinen Lippen.
We lch ein MißverständnißS
Wahrlich, der ganze bergan war so
tragitomisch, daß Arnald s ließli ch
das Klügste that, was er thun tonnte
und sein Abenteuer selbst belachte·
»Und nun?« fragte derOnteL »sieb
ren wir nun zu den Brettschneiders
-uriick?«
«Nun natürlich. Jch schulde ihnen
Austlöruno . . . und überdies ist die
Tochter so schön so schön Sie
wird mir verzeihen, wenn sie erfährt,
daci ich die ganze Posse nur darum ins
Wert gefest, um im Geiste mit ihr al
lein zu sein.
Arnold ist beute der glückliche Gatte
t-:..-.. M---r-e.e-- ------- Us
stunk stetkzkvkisupn u« ---------- »u
beide reisen mehrmals im Jahre nach
Leipzig zu ihren Eltern. Doch so viel
Passagiere sich dann auch zu ihnen ge
sellen möaen, Arnald hütet sich wohl,
Virtorg Hinifs nochmals in Szene zu
setzen.
Der Spaß ist zu gefährlich.
--——--.—. —- -«
Eine Statistik der Kriege.
Seit Dem Regierungsantritte Zion
stantins haben 287 Kriege stattgefun
den, und der Krieg in Süd-Afrita ist
der 288. Die «Friedens-Gesellschast«
in Massachusetts hat das genau aug
gerechnet; sie zählte alle Kriege unse-v
rer Zeitrechnung sorgfältig auf, und
sucht außerdem die Ursachen aller die
ser Eonslitte festzustellen Wir finden
da:
Kriege, die auf Lands-Dachs ab
zielten, 44; Kriege, welche die Aufhe
bung drückender Trihuilasien herbei
siihren wollten, 22; Wiedervergel
tungs-Kriege, 245 Kriege. die durch
Fragen der Ehre motipirt wurden, B;
;Kriege. die durch Ohms-Streitigkei
Jten hervorgerufen wurden, s; Kriege,
x«die durch dhnastiiche Ansprüche veran
laßt worden sind, 41; Jnterventions
Kriege. BI; Kriege. die durch Wir-ali
tiit um politischen Einfluß herbeige
führt wurden, 23; Kriege wegen han
Als-Fragen s; Bürger-Kriege 55z
Religionsiskriege abgerechnet ind
lner die rKeuuiige gegen die llng "u
bigen), 28. Nicht mitgezähli sind die
surrceiionen und die Kriege gegen
wilde Völkerschaftem Der letzte Krieg,
der verseichnei wurde, ist der spanisch
anceritanifchex man findet ihn in der
Rubrik: Jnterheniioni - Kriege. Und
wie wird man den Krieg in Stip
Afriia ruhrieirenf
TM Welt-. .
»Warum wurde gestern der Gold
bamn aus tiern Theater hinausgewa
fenk —- «Man ab »Die weise Dame-«
nnd bei der Her igerung des Schlos
ses spenel hat er von der Stille-items
uitgehotenk
Ein Gruß von ihm.
Slisze von -O;.i l l i b a l l-OZZ
hente war ihr Geburtstag —- nnd
ihr Hochzeitslag zugleich. anbot-eg
lich saß sie am ossenen Fenster. Sie
bemerkte es nicht, daß die Frühlings
tust schmeichelnd um threSchläfi strich.
Sie hörte nicht das siiße Schlagen der
Nachtigall.
Jn ihrem Herzen blieb es lalt und
dunkel. Jhre thriinenlosen Augen, de
ren helles Blau von dem sast schwarzen
haar so seltsam abstach, blickten starr
in den sriihlingsgriinen Garten hin
aus. Sie lonnte nicht weinen, auch
heute nicht, an dem ersten Geburtstag
seit ihrer Hochzeit, den sie ohne ihn
oerlebte. Sie hatten sich so sehr ge
liebt —- ach, so sehr!
llnablässig schlug der Finl im
Kirschbaum. Nun hörte sie ihn doch.
Ihr verliindete er keine Lenzesbot
schaff. Ausstöhnend barg sie ihr
schtnales, blasses Gesicht in ihren mar
mortveiszen Händen. »Hörst Du den
Fint im Kirschbaum?« so hatte er
noch vor wenigen Wochen zu ihr ge
sprochen — oder waren es doch Jahre
—- lange, traurige, endlose Jahre, seit
sie seine Stimme zuleht gehört hatte-?
»Es mag ihm wohl gefallen zwischen
all" den Blüthenlnospen. Wenn lein
tückischer Nachtfrost mehr kommt, so
wird der Baum gerade Ostern im
schönsten Blüthenschmuck prangen.«
Und als die Osterglocken llangen, da
stand der Kirschbaum herrlich da im
weißen Blüthenlleid, vom goldenen
Sonnenschein überfluthet, von sum
menden Bienen umschwärmt, von bun
ten Schmetterlingen umgaulelt. Er
aber, der sich so sehr auf den Frühling
gesteut, er konnte seine Herrlichkeit
nicht mehr schauen. Weiß und still
lag er in dem oerdunlelten Garten
zimmer , slaclerndes Kerzenlicht husch
-
-k
rc uuu 1cutc »Ist-H music Tut-« auc
die eingefallenen Wangen, iiber die
bleichen Lippen, die nie wieder lächeln,
nie mehr ein gute, ernstes Wort spre
chen würden.
Mit einer miiden Bewegung erhob
sich die junge Wittwe von ihrem Sng
Vor dem Bilde des Dahingelchiedenen :
blieb sie einen Augenblick stehen. »Ach, i
Liebster.« sprach sie leile, ·sende miri
nur einen Gruß, auf daß ich nicht ver- .
zweifle.«
Einige Minuten später schritt sie
langsam, in schwarze Schleier gehüllt
hin zu dem stillen Garten. wo zwilchen i
buntlen Cypressen weihe Marmor- s
treuze schimmern.
heute war ihr Geburtstag —- und
ihr hochzeitstag zugleich!
- - O
Jn dem Gartenzirnmer, auf demsel
ben Platz am offenen Fenster, durch -
das jetzt in breitem Strom das goldene
Sonnenlicht hereiniluthete, saß etwa
eine halbe Stunde später die kleine
: Annemarie, beren langes-, blondes
Ihaar selbst eitel Sonnengold zu fein
T schien. Bebaglich, wie ein Kätzchen sich
F sonnt, schmiegte sie sich in den großen,
Jgeschnihten Lehnstuhl. baumelte mit
i den Beinchen und blinzelte woblig in
! die helle Luft.
J Die Augen des Kindes wandten sich
ijet«.: auch dem Bilde zu. Sie hatten
Itenselben warmen, llaren Ausxruch
I:rie bie Augen« die aus dem lebens
«:«r-llen Männerantäic ihren Blick zu
. erwidern schienen. »Vaterchen«, faate
L- Clsins JEAN-« biisft KI- dort
rlrn auch, tvit ossr Finl im Fischen
ilskiurn singt? Gsli heute t7:«r.i- Zu
i wohl schön zu uns herunterbliclen.
Der Wind hat all’ die garstigen Wol- i
ten weggeblasenA
Sie suchte etwas in ihrer Kleider
iafche und brachte ein blitzblantes,f
funkelnagelneues Martftiick Zum Vor
schein. »Siehst Du, das habe ich auch
noch. Ich habe mir doch nicht den
dicken Gummiball dafür-getauft Es
rft das Letzte, was- Du mir geschenkt
hast« Du weißt du«-, noch, wel« Ich
versetzt worden war. Deskhalfs ver
wahre ich es immer und immer und
irrt-merk
Auf dem Tischchen vor ihr lagen
mehrere uneröffnete Briefe, alle an die
Mutter gerichtet. Freilich, es war ja
ihr Geburtstag heute. Sie hatte sich
jeden Besuch, jeden Glückwunfch faft
heftig verbeten. Es war Annemarie
strengstens eingeschiirst worden, mit
keinem Wort den Geburtstag zu er
wähnen.
v Wie war das anders gewesen im
vorigen Jahr. Der Vater hatte sie
ein Gedicht gelehrt, das er selbst ver
faßt hatte, ein großer Geburtstag-is
luehen mit vielen Kerzen hatte mitten
auf dem Tisch gestanden, und Anne
marie hatte mitgeben dürfen, als der
Vater irn nächsten Blumenladen einen
grossen Strauß Maiglöckchen für die
Mama kaufte. Maiglsetchen waren
ihre Lieblingiblamern
Annemarie blickte von dem Bilde
der Mutter zu dem des Vaters· Sie
hatte das blante Martstiiet wieder ber
oorgeholt und drehte ei unfchliisiig
hin und her. »Gott ichs« fragte sie
leise. Daan buschte sie aus dem Zim
mer, lief aus dem Kieswea um das
harrt herum und schlüpft- ssint dur-;
das Gartenthok.
Es war saft Mittag, als die junge
Frau vom Kirchhof heimkehrte Wie
fte sieh mit laut-lautem Inde Schrit
tes dein Hause nZherte, hörte sie
Annemariec helle, lachende Stimme
irn Pserdestall »Sie dentt schon gar
nieht mehr an ihn,« dachte die Mutter
bitter
Als sie die Thiir des Gartenzimmers
öffnete. wehte ihr ein süßer Dust ent
gegen, der vorher nicht darinnen war.
Jn jähem Schreck suhr sie mit beiden
Händen nach dem Herzen. Ein großer
Maiglbetchenstrauß lag aus dem Tisch
chen am Fenster. Das war immer
seine Gabe zu ihrem Geburtstag ge
wesen.
Mit zitternden händen griss sie da
nach. Sie sant aus den Sessel nieder.
und barg ihr Antlitz in den weißen
Blüthen. Zum ersten Mal wurde es
ihr wieder warm ums Herz, zum er
sten Mal lonnte sie weinen um das,
was sie verloren. Unaushiirlich ran
nen die heißen Thriinen über ihre
Wangen und die dustenden Blüthen
nieder. Ein schmerzliches Schluchzen
erschüttern ihren Körper und doch! —
wie wohl thaten ihr diese Thriinen.
Jn der halbgeiissneten Thür stand
Annemarir. Erschrocken blickte sie aus
die Weinende, die sie gar nicht be
merlte. War es denn, so schlimm,
was sie gethan, das-, die Mutter to sehr
darüber weinteZ »Marna«« begann sie
zaghaft —
Die junge Frau blickte ans und
trockneie schnell ihre Thriinen. »Arme
marie.« rief sie und breitete ihre Arme
nach dem Kinde aus«
Aber die Kleine zögerte. »Ich habe
es gethan, Marna,« betannte sie klein
laut. »Ich wußte nicht, daß es Dich
weinen machen würde. Jch dachte nur,
Väterchen wiirde traurig sein, wenn er
aus dem Himmel sähe, daß Niemand
Dir Blumen zum Geburtstag ichkntt.«
Köpf sum-»O »i« hie Matt-I- Die-Z
wsss
Kind an ihr Herz« und küßte das liebe
Gesich chen. »Mein Liebling « war
alles, was sie sagen konnte.
«ther hattest Du das Geld denn,
Annemariechen?« fragte sie dann.
Die Kleine senlte den Blick. »Es
war die blanke M:.rl, die Papa rnir
zuletzt geschenkt hat,« sprach sie sto
elend.
Die blasse Frau zog das Kind auf
ihren Schoaß und hielt es fest in ihren
Armen. »Sie hat nicht nur des Va
ters Augen,« dachte sie, »sie hat auch
sein warmes Herz.« Nun fühlte si
doch, daß sie in ihren Kindern Trost
finden werde.
Aus dem Garten drang fröhlicher
Knabenlärm durch die sonnige Mit
tagsstillr.
»Romtn’, mein Kind,« sagte die
junge Wittwe »wir wallen den kleinen
Brüdern entgegen gehen.«
Annemarie an der Hand. stand sie
noch einen Augenblick vor dem Bilde
ihres Gatten. »Du bist nicht todt,
Geliebter,« tlang es in ihrem Herzen
»Du lebst noch in unsern Kindern.«
-C—-——
Nester Perris-«
«Wag macht denn Ihr Herr Sohn
in der Stadt, Frau Müller!« —-,.O
rein geht s gut A ganz a seins Pöstel
muß er hab n, er hat rnir g ’,schrieben
er is seht Neurastheniker!«
Vertheidiquns.
Feldwebek «Sind’s schon wieder
mit»Jhrer Pfeife im Mund an mir
varubergegangen?« — Jnfanterist:
»Bitt’, Herr Feldwebeh das war 'n
Hinterhuber sei Pfeifen, die ich im
Mund g’habt hab’.«
Die angebundene Scheere.
Es foll eine angebundene Scheere
von der Fessel befreit werden, ohne daß
die Schnur zeriffen oder zerfchnitten
werden darf.
Arn linten Griffe der Scheere ift die
Feelfelung mittels Schleife vorgenom
m n worden; man hat dann die dop
pelte Schnur durch den rechten Griff
gezogen und in einiger Entfernung an
einen Nagel gebunden. Sollten wir
hier etwa einein gordifchen Knoten ge
genüberstehen? Man muß dieSchlette
bei a ini linten Griffe ausziehen, in
der Richtung der Pfeile durch die an
dere Grifföffnung ftecken und, immer
weiter ziehend, den doppelten Faden To
um die Scheere sehen lassen, daß sie
sich dazwischen befindet.
Nun wird fich auch die Schnur aus
den Griffen löfen, ohne daß es nöthig
wäre, Gewalt anzuwenden.
Die Muse des armen Poeten ift
die Noth-— die des reichen —- die
Muße.
Ves Wissen is sie-am erst-. »
san Julius Loh-neben
Durch allen Kann-stören und Dader der
Zeit. ,
Durch der Parteien und Völker Streit l
Tönt eine köstliche Jeendenlunde. -
Bebt eine sestliche Veihestunde.
Die hoch über den stürmenden Wogen
Strahlt tpie eiln leuchtender Friedens
agen.
Ueber die See grüßt sieh deutsches Blut,
Ueber die weltweite Neuem-th
Vom Strome-seiden am Umaldsrand.
Von Salzsee und Steppe. dein Beide
land.
Aus der Riesenstädte Gewühl und Oe
braus, .
Pius Arbeitshalle nnd Farnierlsaus« ,
Wo deutscher Fleiß nur wirkt und schafft
Mit dem Beil, dem Pflug. mit des Gei
stes Kraft: - ·
Wo deutsch nur ein Herz schlägt heut«
seiert die Hand
Denn ein Grüße-i schwingt sich vonr
Vaterlands
Schon schwillt es herüber wie Glocken
stnrm,
Von des thinstroins Vordem voi
Münster-warm
Vom Neckar, vorn Main. von des
Schwarzwalds Höhn
Von Heimathsqlocken ein schwingend Ge
tön,
Aus Franken nnd Zelnvabem aus Zenits
sen nnd Mark
Eo selnisnchtdeiiickend, so wonnig und
Mitl
Wie Eichenwaldrauschem Jahrtausende
’ weit
Ertönt«s. wie Jedanlen der Welt-Ewig
cit
Taß schaueknd das Herz in der Brust sich
besinnt:
Die nralte Mutter grüßte wieder ihr
Mind.
Aus dem Lande der Väter-, der Jugend.
erschallr·s,
Aus dem Lande der Wartburg, des
Sachsenwalds,
Ins Ksm sites-Ist- Mssph nu- fhni Pinsde
land der That,
Dem Hüter des Friedens itn Völker-rath.
Ueber Meer, über Land. über Bergwald
und Fell-s —
Und der Kaiser sendet den Friedetisgrns3.
Der Kaiserl Der Kaiser ans Deutsch
land’s Thron
Er sendet den Bruder. den Kaisers-Ian
Des Siegers von Göttin des Tilgers der
Schmach.
Der dem Reich. der der Einheit die Gasse
eian brach;
Noch glänzt nnd sexidi Auge so lühn und so
nn ·
Noch griiszt eueli itzit·Sobne sein Helden
bil
Und grüßt Euch des Kaisers Maiestät.
Alldeutschland an seiner Seite steht,
Alldentschland geküßt feine Whne aufs
en ,
Unter«ni Sternesibanner der Oeiinath ge
tren.
Euch Alle, die Jbr uns deutsche Art.
Den Schatz unsrer Sbjache in Treuen
uns wahrt
Die der Lüge Jdr soebrt nnd ein Schutz-;
sür das Recht
Von Lande zu Land von Geschlecht zu
Geschlecht
Der heimath. der neuen. zu Rubin und
thellr
Für Deutschlands Thre: die Wacht am
Meer.
Gesegnet das Land. das Euch Schelle nnd
Brot,
Das Heimatb und Arbeit und Freiheit
Euch bot.
Dess« Wildniß dereinst Euer Blutschweiß
qetränlt«
Dess« Schlachtscld dereinst Euer Oerzblnt
besprengt «
Das Feltre-ich das Macht Eueb nnd
Größe nun schenltl
Und ein Brausen schwillt an, nnd ein
Minnen wird wach.
Und Millionen von Herzen entringt sichs
gemach
Und zurück übers Meer wogt das Frie:
dendgelantx
Allewig ein Voll und ein Herz so wie
beut'!
Berlin, Februar 1902
—«-—-—-—-—-—«
Ritters-riet
Nimmst du dem Kind sein Steckens
pietdchsm ,
So meinst darob;
Doch willst du ’s einem Großen neh
men,
So wird er grob!
,
Mantiss
Lieutenant v. Watte-:heim matt
gepolstert): »Ach —— Herr Doktor -——
innerliche Schmerzen bitte mich zu
untersuchen.« s-- Stab-Zaun »Jawohi,
herr Lieutenant... wollen Sie ’mal
Ihre Brust ausziehen?!'«
Weibliches Mißverständnis.
Mann (zu feiner Frau): »Der Miit
ler ist ein Mensch, der gar teine Seele
im Leibe zu haben scheint.'« —— Paul
chen: »Dann soll et sich doch eine tan
fen, es giebt doch Seelenoertäuser.«
Rsckflchtsvslh
Hausfrau: »Sie tragen ja dieschube
gar nicht, die ich Jhnen geschenkt
habet —- Bettlerx »Ree, die Leute et
tunbigen sich immer, von wem ich die
Sachen habe . . . unt da will ich Sie
nicht biamiren!«
Erst-thust
Schiichterner Freier: »Ich —- ich
hätte heute an Sie eine ernfte Frage
zu richten verehrtei Fräwuiein aber e
fehlt mir an Worten -—" —- .,,O I te
chen Sie nur« htrr Dotiorz ich age
zu allem ja!«
liebe-te Dienstboten-.
hausieam Mino, Sie wetten uns
wegen zu vieler Arbeit oerlatäem und
bemboch Ihre Arbeit eis zur
hätt tt—-tlyont« Ja, ja; aber
die andere lfte blieb mir doch immer
nochP