Image provided by: University of Nebraska-Lincoln Libraries, Lincoln, NE
About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (April 25, 1902)
Das seidene Kleid. Erzählung von B. R i t t w e g c r. hans Werber konnte heute kaum die Heimkebr seiner jungen Frau er warten. Er freute sich so innig auf die strahlende Miene, mit der sie vie Karte betrachten würde, die zierlich ge stochenen Zeilen: »Den und Frau Martin Stark geben sich die Ehre, Herrn Buchbalter Werber und Frau Gemahlin für den 20. b. M. Abends acht Uhr zu Tbee und Tanz ergebenft einzuladen.« Ja, so stand es auf dem starken goldgeränderten Carton, und ganz unten in der Ecke links: »U. A. w. g.« Hans Werber lachte leise vor sich hin. O, bie Antwort stand schon fest, natiirlich eine Zusage. Seiten hat sich der zweite Buchhalter der alten angesehenen Firma Martin Stark iiber etwas so gefreut wie über diese Einladung. Denn noch niemals war eine von den Frauen der Angestellten zu diesen Festen zugezogen worden. Seiner-Hans Werder’s, Lissy war es vor-behalten, sich den Eintritt in diesen so strenggeschlossenen Kreis zu ers ringen. Ach, wie begreiflich ba sHaus Wer der fand! Lissy hatte feiner Meinung nach an einem Fürstenhos glänzen können, stolz unb schön, wie sie war, eine Perle, freilich leider eine Perle, der bie rechte Fassung fehlte Hang Werber liebte Lissy, die, eine arme Waise in abhängiger Stellung, aber von sehr guter Hertunft, entzückt von der Werbung des hübschen liebens würdigem Kaufmanns, freudig einge willigtshatte, die Seine zu werden. Und so, ohne weiter lange zu überle gen und zu rechnen, hatte das junge Paar die Ehe geschlossen, eine Ehe aus reiner Neigung. Das kleine Vermö gen des Buchhalters hatte eben aus gereicht zu einer eleganten Einrich g. Vanz verzichtete gern auf das nicht unbedingt Nothwendige, nicht so seine Frau. Jn Lissn, die immer, erst bei der verwittwetsen Mutter, dann in spärlich bezahlten Stellungen, in Enge und Unsicherheit gelebt hatte, erwachte nun, da um ersten Mal gesicherteVe hältnisse sie umgaben, bald der Wunsch nach mehr. Die anbetende Liebe ihres Mannes, das Dasein des Kindes ge niigten ihr nicht völlig zur Llueiiillung ihres Daseins. Im Stillen hatte er gehofft, mit der Geburt des Kindes würde List zu friedener werden« aber diese Hoffnung hatte sich nicht erfüllt. Liser liebte wol-l ihren Kleinen, aber sie ging doch nicht völlig in Mann und Kind auf Ganz glücklich machte darum heute den ·ungen Mann dieEinladung seines Ch S, und er lief in seiner freudiger-. Erregung von einem Fenster zum an deren, um zu sehen, ob Lissy nicht käme. Es war Sonntag und sie war sue Kirche gegangen. »Daß man doch einmal unter Menschen lomint«, hatte sie halb scherzend, halb bitter beim Abschied gesagt. Er hatte sie, noth wendiger Privatbriefe halber, heute nicht qut begleiten tönnen. Es ist so still um ihn her. Der tleinc Zier-is schläft im Nebenzimmer, das ädchen schafft in der Küche. Hut endlich hbrt er ihren leichten S ritt ini Flur, und schnell reißt er die Thü auf und umfaßt mit einem heißenBlict die geliebte Gestalt. Wie schön sie ist« seine Lissht »Der-rel, liebes — da hab’ ich aber eine Ueberraschung siir dich· Sieh her!« Gespannt beobachtete hans sein Weib. Einen Augenbliet leuchteten ihre Au gen in frohem Erstaunen auf, und mit einein tiefen Athemzug tomint’s aue ihrem Munde: »Ach. das ist doch end lich einmal etwait'« Aber sofort über schattet eine Wolle von Unmuth da reizende Antlit. »Es tann mir nicht-: niiiem sons, ich habe ja nichts anzus reisen.a «AberLissy, du hast doch deinBraut tleid, es ist noch taum getragen. Und es steht dir io entzückend-X »MeinBeauttleid!« Sehr verächtlich klingen die Worte. »Mein Brauttleisktt Ein weiszes Wolllleid, unmöglich tu dieser Gelegenheit Und es ist auch is entsehiich tleinbiirgerlich, wenn eine junge Frau nichts anzuziehen hat als das i·.n er wieder chemisch nereinigtc, aufgear eitete Brauttleiv· Nein. Schac, davon verstehst du nichte. Wenn ich nicht ein neues elegantes, tei tenes Gesellschaftstleid haben kann, miissen wir vie Einladung avlehnen.« »Nein, ich sage nicht ab, Lisiy. Ekk muß ermöglicht werden « ioie, weiß ich selbst noch nicht. Absaaen nein, has hieße hoch meinen Chef geradezu beleidigen.« , »O, das sinke ich nicht· Sag’ ihm doch einsach, deine Mittel erlaubten dir nicht, solche Geselligteit mitzu machen.« »Das kann ich nicht. Es tönte un bescheiden heraus, wenn ich sagen wollte, ich hiitte nicht genug. Jch werde vorläufig zusa en, vielleicht findet sie-, ein Ausweg bsagen kann man im mer noch. Sag’, Herzeh kannst du’ö wirtlich nicht einrichten mit deinen: Brauttleid?« »Aus keinen Fall, hand. halte ei, tote hu wiJit, sage zu over lehne gleich ich-ich tann nur erklsery daß ich ohne eine durchaus passende Totlette nicht an einem solchen Feste theilnehme, io ern, ach so gern ich ’s thäte!" ne seuszte. Er hätte gern erwi he , has das wahre Glück pon Aussen dingen gänzlich unabhängig sei, aber er fand nicht ten Muth dazu. Es ta men ihm in folchen Augenblirten Zweifel an ihrer Liebe, und ihre Liebe war sein Leben, das Höchste, Beste in » seinem ganzen Dafein. ftimrni, ermüdet und über-reizt paelt Hans Werber als letzter der Beamten des hauses Statt seine Bücher nnd Schriften gesammen Er hatte seTn heutiges Pensum nicht eher erledigen tönnen und ist deshalb länger als sonst geblieben. Jmmer sieht er die unglück liche Miene der geliebten Frau vor fich, ihre vermeinten Augen, und er er fcheini sich fast wie ein Verbrecher. Warum ist er tein Genie, warum tvaat er es nicht, zu spekuliren, soie so mart cher College, warum versteht er eg nicht zu Geld zu kommen? O, dieses Deu ken, dieses Sinnen, ec- macht ihn ganz wirr im Kopfe! (7r muß sich zur Ar beit zwingen und am Abend nachholen, wag er versäumt bat. Doch endlich ist alles erledigt, nun iann cr gehen. Er schließt fein Pult »ab, greift nach Ileberzieher und Hut dreht das elektrische Licht aus und ver: läßt das Comptoir Aus der Neben thiik tritt eben sein Chef. »Nun, mein lieber Werber, so spät heute-' Gab-« besonders vielZ« »Ich konnte nicht eber fertig werdet-, serr Statt, ich hatte Mittags Kopf schmerzen und war unfähig zum ar beiten.« Das war ja keine Lüge. s- ,.O, dann hatten Sie besser nicht so lange bleiben sollen; aber ich weis-, schon, Sie lieben teine Reste, und das ift ja nur lobengkverth Was ichnoch sagen wollte, ich freue mich, daß Sie unsere Einladung angenommen haben. . Wsins Irr-n M nur« out-Hist von Tit-. I - O I f Es ist am Montag Abend. Tief vers rein jungen Frau-dem und im Vorjahz waren toir durch unsercFamilientrauer verhindert, Sie beide bei uns zu sehen. —- Na, nun bin ich auch bald fertig hier unten. Muß nur noch eine Sen dung siir meinen Jungen erledigen. Meine Frau will dem Ertrazuschußf den ich ihm zum Geburtstag zugedackx habe, ihre mütterlichen Wünsche bei legen, und da mus- ich eben noch mai hinaus. So ’n Gardeitfinjähriaer kostet ein schönes Geld, und Berlin is« ein theueres Psiaster. Lassen Sie die lkorridorthiir nur gleich offen, Herr Werber, ich komme sofort zurück Guten Abend!« Damit wendete Ich der Eises nach tsc« Treppe des alten, tvinteiigen, weitiiits sig gebauten Patricierhauseg. Haue Wetter hat schon die Hausthiir er reicht, a s ihm einfällt, daß er einen wichtig Brief, der zur Post muss» bergess i hat. Rasch kehrt er nochmali in das Comptoir zurück, ergreift im Dunkeln den Brief, und dann - dann findet er sich, von einem untvirersteh lichen Antrieb beherrscht, in der Thür, die zum Prioattomptsir des Chef-: siihrt. Mit raschem Blick übersieht er alles, den Fünfhundertmartschein dort auf dem schwarzen Pult neben dem Geldbriesumschiaa, das weit geöffnete Fenster — Herr Stark liebt die frische Lust — draußen webt heftiger Sturm wind, und unterm Fenster fließt das Wasser! »Ich bin eben dabei, meinem Junan einenExtrazuschufz zd schicken.« Diese Worte des Chess tlinaen in ihm nach, und dann tht er sich selbst halb laut sprechem »Ach was, er empfindsrt ’s nicht« —- rvas sind ihm fünfhundert Mark? Ein Nichts, und ich ---- mir bleibt dadurch die Liebe meines Weibes erhalten!« Setunden nur find vergangen, sei: Hans Werder den Raum betreten hat« und schon findet er sich auf derStraße, und in seiner Brusttasche tnistert ein Fünfhundertmarschein. hans Werber ist seht ganz ruhig und kalt. Nun kann Kissn das seiden- Kleid haben auch was sie sonst noch braucht. Und sie wird strahlen vor Freude und so lieb zu ihm sein. Nur ein Dieb bist du, Hans Werde-, ein gemeiner Dieb, ein ganz gemeiner Dieb! sWer ruft nur das immer? Ach so, lein Mensch, nur da drinnen llingt’s, in seinem Jnneren, und der Wind braust’s, und unter seinen Schritten lnarrt’ö immer, das eine Wort: Dieb — Dieb -— Dieb! hans Werber verlebte die folgenden Tage wie im Fieber. Um leinen Arg roohn in ihr auslommen zu lassen, ers össnet er es erst am dritten Abend sei ner Frau, daß er nunmehr in der Lade sei, ihr eine passende Toilette zu dem Feste zu beschaffen. Er habe sich vor längerer Zeit an einer Spetulation be iheiligt, oie Sache habe sich wider Er. warten schnell zu seinen Gunsten ent schieden und ihm einen Gewinn von fünfhundert Mart gebracht. Sie möge nun ihre Zurüstungen treffen. Unter eifrigen Vorbereitungen ver gehen der jungen Frau die Tage hig zum Fest und sie sieht alles im rosigsten Licht. Und dar-n iiihrt Hand Werber, der in einem ganz seltsamen Zustand, faszt wie im Traum, die letzte Zeit ver bracht-hat, sein schöne-«- Weib in einer dieser Schönheit wiirdigen Toilette in das Haus seines Chef-« den er -- be stohlen hat! Und von diesem Augenblick an be ginnt es. Die Reue, die quälende, na nde Reue daelt ihn. Jn die Erde yii te et sinlen mögen. als die ernst « reundlichen Augen des bejahrten » Mannes wohlgesiillig auf der Erschei nung der jungen Frau seineo Buch-· haltet-S ruhen, als Frau Stark Lissy mit herzlichen Worten willkommen heibt und ihr ein Compiiment über ihre gesehmackvolle, tleldsame Toiletke macht. Es ist ihm, als müsse er wahnsinnig werden« Das Blut strömt ihm zum herzem und er hätte laut!» aufschreien mögen, seine Schuld hin-f ausscheeiem um sich zu befreien. Lissy almt nichts von dem Zustand ihres Mannes. Sie schwimmt in Wonne-« gefeiert, umschwärmt von jung und; alt· Die erhöhte Stiinmuna, in der Frau Lissh sich vor dem Fest befunden hat, und die sie so gern noch festhalten möchte, muß aber bald ernstlicher «Sorae weichen. Hans ist nicht aus« gesprochen tranl, er geht täglich zur, bestimmten Stunde ins Geschäft, er spricht und lacht, aber so ganz anders; als sriiher. Kaum ein paar Bissen ißt er bei den Mahlzeitem und er sieht· nach lurzer Zeit aanz verfallen aug· · Als der Zustand ihr immer bedenk licher erscheint, bittct sie hinter des; Gatten Rücken ihren Hausarzn ein mal scheinbar zusällia zu lommen zn einer Reit, da Ganz sicher zu Hause ist. Aber der erfahrene Mann tanni nichts feststellen als hocharadiae Neu-H oosiiät. »Das Uebel unserer Z-eii«, so meint er achselzuctend und räth tu, reichlicher Beiveauna in der Lust-l »Am besten ein Rad anschaffen, uml dem Bereich der Großstadt so oft als; möglich entfliehen zu tönnen.« . »Ach Schatz, wie gut, daß du noch, von dem aeioonnenen Geld hast!« SW spricht Liser nachdem Der Zanitätsis rati) geganaen ist. »Nicht wahr, nun taufst du dir ein Ran, und Dann bist du bald wieder aanz gesund« »Ich mir ein Rad? Von dem Gele Bist du von Sinnen -- s- siir mich ---— von dem Geld?« So schreit Hang aus, und seine Stirn röthet sich und die Augen flackern in fieberischein Glanz. »Aber Hang-, Liebster, wag hast du nur? Wie tann dich der Vorschlag so erreaen?« »Ach, nichts, nichts —- ich m«:ine, das Geld, hm, es könnten Fälle ein treten --— das Geld, es ist für dich — ich will nichts davon, ich —-- sa, und nnn muß ich arben -—- unter Men-. schen, ich brauche Zerstreuung, das ist allpä « mer, und qleich darauf hört Lissts, wie er die Vorfaalthiir hinter sich schließtl i Die junge Frau seufzt tief und schmerzlich Jst das ihr Hans, ihrs he iterer, aleichmäßiger Hans, der sonstI mit so viel Liebe und Geduld ihre. Launen und Schwächen getr« «an hit? Nun ist s umgekehrt Aber in der Sorae um ihn tvächst und erstartt ihre Liebe, fällt die Selbstsucht von ihr ah. Nur noch süt Mditu itt Kiudi lebt sie ietzt-s Das- seidene Kleid hanatj vergessen im Schrank. Frau Lissys kentt nicht mehr an Feste. O i i ffDamit verläßt er hastig da- Zim ! i Dann kommt eine furchtbare Stun de! Die Frau des Procuriften, die; erst seit Werderg beim Chef eingsela den waren, Frau Lissts ihrer Brach ; tung für werth hält, macht ihr einen Besuch. Von dem und jenem fchtvatzeus die beiden Frauen, auch von dein herrlichen Feste schwörmt der Besuchi noch. und Lissy seufzt irn stillen beiI dem Gedanken daran, daß dieses Fest ihr lettter froher Tag aetoesen ist. Seit dem Fest ist ihr Haus so traurii verändert NGott es ist sa schließlich keine Kunst, so ’toas zu arrangiren«, so vlaudert die lebhaste Frau, »wenn man Geld aenua hat, wenn es auf ein paar hundert Mark mehr oder weni ger nicht ankommt. Denken Sie nur« gerade einen Tag, nachdem Starts die Einladungen erlassen hatten, war ten Sie ’rnal —- ja, am Montag -— da itt Herrn Stark aus seinem Privat tornptoir ein Fünfhundertmarkschein — um Fenster hinaus ins Wasser ge flogen. Es lann nicht andere sein. Er toollte das Geld seinem Sohn zun Geburtstag schicken und gin nur noch einmal nach oben, um men Brief seiner Frau zu holen. Als er herun tertam, sroar der Schein verschwunden. Herr Stark hat«-Z selbst meinem Mann erzählt, aber ihm Den Mund verboten. Er wollte sich wohl nicht auslachen lassen, denn der Schein kann nur zum Fenster hinausgeslogen sein. Es war unten gar niemand mehr um den Weg; Jhr Mann, Frau Werder, ging eben als letzter nach Hause. Ja so, eigentlich hatty ich ’S Ihnen auch nicht erzählen sollen. Herr Statt meint, es wiirde so leich: ein falscher Ver dacht ausgesprochen und das wolle er unt die Welt nich:.« Damit schließt die Erzählerin ihren Bericht, und nach einer Weile bricht sie aus, denn sie glaubt zu bemerken, daß sie stört. Lissy weiß nun alles, sie sieht mit einem Mal ganz klar. Ltlechzend bricht sie am Betxchen ihres- Kindeg zusam men. Qualen leidet sie bei Dem Ge danken: du hast deinen Gatten zum Dieb gemacht! Der arm-, arme Mann! Reinen Vorwurf hat sie fiir ihn, auch nicht in Gedanken. Sie allein triiat die Schuld. O, könnte sie sühnen, helfen, peu Geliebten befreien von seiner Last! Aber wie? Jhr Hans wird zu Grunde gehen an dieser Schuld, sie siihlt es. Wie gern, o, wie aern möchte sie sich mit ihm ausspre chen, möchte ihm rathen: Geh hin zu deinem Chef, gesteh ihm alles, ohne Rücksicht aus mich und das Kind. Nimm die Strafe auf dich, und laß uns nachher drüben, jenseits dec- Mee res ein neues Leben beginnen. Aber sie ·tveiß, das toiirde ihn irr-den Tod kclsclL RUO List-sc zu lyr Hi u zum Dieb ge.vorden, aus Liebe zu ihr würde er sterben. Also muß sie a ein handeln. Sie muß es us sich neh men dag llngeheuere, s«-. den Gat ten der Schuld anzul XI Sie muß die Last des Seh zi- » kvon ihm nehmen, und dann, Eine ers nichts mehr iu änxern ist«- ivrrb er die Folaen tragen wie ein Mast-w Und so Teht sie denn -«eines Tages den schwersten Gang ihres Lebens, tiachdsemtie am BettcfzePYpes Knaben um Muth und Kraf gebetet hat. .:,inreiszend in ihrer Jetzt durch Leid und Schmerz vergeistinten Schönhei:, :in riihrendeg Bild, so steht sie vor dem alten Herrn, der sie gütig, wie ii:i.ner, ausforrert, ihr ihr Llnliegen vorzutragen Sie berichtet ihm Alles-; sie schildert die tiefe Liebe ihres Gatten zu ihr, dem armen Mädchen, Ins er, ohne nach äußeren Gütern zu fragen, in der Seinen gemacht hat. Sie findec für sein Bild die hellsten Farbentöne, für ihr eiaLneS nur einen Schatten Ihre Unzusriedenheit, ihre Sucht, eine glänzende Rolle in der Welt zu spielen, all das malt sie in ihrer Er regung lebhaft aug, und zuletzt, kaum noch verständlich bringt sie es herair5, das Ungeheuere, die Schuld ihres Gatten. Martin Stark hat die Erregie aug redeu lassen ohne ihr ein einziger Mal ins Wort zu stillen, weiter fühlt, daß er ihr damit die größte Wohltlert erzeigt. Nun streicht er der jungen Frau mild beruhiaend über die zit ternden Hände. ,,Haben Sie Dank siir Ihre Offenheit. Ich will mir alles in Ruhe überlegen. Aber eins saae ich Jhnen schon jetzt: Sie sind eine brave Frau, in Ihrer früheren Schwäche und in Ihrer jetzigen Ter tslik Auf-»mit. Pol-onekai onus-·les « fest-Mun M I « s s · l ; Der liebedurstrge Freier wirft einen Ring hinein, ein hübsches Weibchen · tvzpmt hergyi Der Aufiomai funktionirt tadellos-. Wie oft hat sich aber spater ftp-fein Freier gewunfchi, daß er sein Weibchen wieder automatisch los I tret-den konnte! - I ( i Größe ein ganzes Weib. Und ich dente nicht tleiner vom Weibe nach dieser Stunde! So, nun gehen Sie, und holen Sie morgen Mittag um ein Uhr Ihren Gatten hier ab.'· sb« st- sit Am folgenden Mittag wandert ein iliiettiches Menschenpaar Arm in Arm die Promenade entlang; der Mann. Hans Werber, noch mit etwas wan tenden Schritten nnd milden Bewe gungen, Frau Lissy strahlen-d in reiner heiliger Freude. Jhr Opfer ist weit iiber Ermarten gelohnt worden. Mar tin Statt hat wie ein Vater mit seis r.s-em jungen Buchhalter gesprochen und ihm volle Verzeihung gewährt. tlm nächsten Ersten soll er an die in einer mitteldeutschen Stadt befindli che Filiale des Geschäfts- übersiedetn, um in anderer Umgebung den Nach hall des Erlebten leichter zu iiberwin den. Die fünfhundert Mart sollen ihm, soweit sie nicht noch vorhanden sind, auf seine dringende Bitte nach nnd nach vom Gehalt abgezogen wer: den. Herr Stark fühlt, daß er darein cvilligen muß, beschließt aber im stil len, Hans Werder’s Gehalt statt erst in Zwei Jahren schon jetzt zu er hohen. »Geh-n Sie mit Gott, lieber Wer der,« so lauteten des gütigen Mannes Abschiedsmorte, »und genießen Sie Jhr toiedergetoonneneg Glück. Sie danten eg Ihrer Frau, in der weib liche Schwäche und weibliche Liebes traft so ausgeprägt sind, wie es viel leicht set:en der Fall ist. Doch vie Kraft hat gesiegt iiber die Schwäche, nnd so prophezeie ich Ihnen beiden eine glückliche Zutunft.« Y- tid si· Hans Werber bringt es durch Fleiß, Eifer nnd glückliche Begabung zu großen Erfolgen in seinem Beruf. Frau Lissy, immer noch eine schöne, stattliche Erscheinung, die glückliche Mutter zweier tvoblgerathener Kin der, steht dem Hause ihres eine ange sehene Stellung in der Stadt einneh menden Gatten in Passendster Weise vor. Nur eine Schrulle hat sie, iiber die ihre Bekannten manchmal die Köpfe schütteln: sie trägt niemals Seide ---— Weiße Rosen-getbe Rosen. tilotscllttti Von Tillfud von Ajudiz«s1siinn. Links dein Eitnvcdisdien von Ha nd It r ä f c. Daß schöne Gretchen Schwerton meinte nie schönere- Rosen gesehin ;u haben, als diese dustigen Kelch-, Die sie an ihr liiheths thräneniiderströmiecs Gesicht en brüste. Fähnrich Helmschild hatte gestern Abend mit behenden Lippen gebet en, möge heute in aller Elliorgenfriihe isi den Garten kommen. Jhre Lippen hai ten ein leises »Nein« gehancht, aber in ihren ausslammenden Augen hatte er gelesen, raf; sie zur bestimmten Stunde dennoch dort sein würde. Und als oeii nnaesiihr lisetdegetrappel an ihr Ohr sching hätte teine Macht der Erde si in ihrem Kämmerchen zttriickinholten vermocht. Ein tsnoestimmtes bange-z Ahnen er stillt-: ihr Herz, sodaß eg stürmter pochte. Sie wußte, daß ihr der Fähn rieh etwas zu sag-en hatte,-—wenn nicht heute so doch morgen, oder ein andere-. MaL Sie mußte eg, denn das Bxken seiner .,Stimn1e und die Gluth·sein:s. Blickes hatten ihn verrathen und si-: zitterte davor, daß, wenn er heute mie: rser bittend zu ihr aufschauen würde, ihre Lippen wohl ein kaum hörbarcg »Nein« slitstern werden, indesz ihr Herz leidenschaftlich tusen wird: »Ja.« Jnteks die kleinen Fäßchen den Pakt entlang trippelten, iibcrleate sie hun dertmal ihre Lage. Jhr Oheim hanc sie aus Mitleid zu sich in’s Haus ne nFmtnern Der Vater bankerott, die JAUUck lküllL Olc chsastvlslck schcn .·l" ner trostlosen Zukunft entgegen - -— --— » wenn —- --— — -— wenn --- —— — Ach, und sie braucht ja nur die Hand auszustrecken, so aehört ganz Strom sund mit seinem Pachseinem Schwa nenteich, seinen Reichthümern, mit sammt dem Lämmer-er Sternenslug ihr, ihr allein. Heute, morgen, wenn sie will! Ach und sie hatte doch den Föhnrich so lieb, so lieb! Wie sie einander zu letzt gegenüberstanden im strahlendeu Moraenschein, beide so jung, und Ja setiria . . . . - ,,Gretchen!« ,,Gretchen!« wiederholte er mit bedender Stimme-. Er prach« wenig und sicherlich nicht in s,ongewäl1ltrn Worten: er war ja noch so juna und sie seine erste Liebe. Aber sie hörte nicht mit dein Verstand, nur mit dem Her ten; hatte sie ja doch all’ dies schon im Traum gehört, ost, sehr oft auch heute Nacht. Ihr Herd vochte laut nnd sie bebte In allen Gliedern. Sie wagte di: An ren nicht aufzuschlaaem um seinem Blick zu beqegnen, aber sie waate axtch nicht« das vernichtende »Nein« hervor. s,ubrinaen. Fälinrich Helmschild wußte ivol)l, Daß selbst die oerliebtiksten jungen Vömchen nicht gleich »Ja« sagen, uno vollte sie an sich ziehen, um die Ani oort von dem purpuriibergossenen Ge ichtchen zu lesen, da entwand fiel-Grei hen so todtenblaß seiner Umarmnna, Jan er erschract. Sein-: Nechfe ließ den Strauß weis irr Rosen sollen, den er ihr gebracht tnd als er sie von der Erde aufhob nnd i lst sie überaalx flüsterte er reumiithig: »Verzeihen Sie mir, FräuleinGreii heu, wenn ich Sie beleioiat habe, oder osenn meine Frage aufdringlich geme en. Aber wollen Sie mir einen Hoff- i i nnngsschirnmer gewähren aus die Fra ge, die ich heute zum ersten und lehten s Mal an Sie richte, so stecken Sie heute Ali-end eine dieser weißen Rosen in’s ; Haar. Leben Sie wohl, Fräulein E Gretchen« Und sporentlirrend eilte er davon. Die Garienthüre lnarrte, dann war alles still. Gretchen stand noch immer regunaslog auf derselben Stelle und in ihr-en Augen blitzten verrätheriiche Tropfen. War’s Thau oder waren'ö gar Thränen? Gleich einer Niachiwandlerin kehrte sie in ihr Zimmer zurück und starrte tranmvcrloren vor sich hin, bisterdc aetrappel und Räderrollen sie aus ih rem Sinnen aufschenchten. Der Kämmerer, Excellenz Sternen-« flua. war mit seinem herrlichsten Vier aespann vorgefahren und Gretchen fühlte das Blut in den Adern starr werden, als ihre Tante sce mit lächeln der Miene in den Salon rief. Sie wußte, was nun folgen würde. Der Kämmerer war ein wohltonser virter Fünfziger und ein viel routinir terer Freier, als der arme Fähnrich Helmschild. Auch wußte er seine Wor te viel zierlicher zu setzen. Gretchen aber war scheu nnd schüchtern und lonnte kaum zwei Worte sprechen. Jn ihrer Verlegenheit aber war sie sv rea zend und anmuthig, daß sein Ents ziicken sich zu heller Vsegeisterung stei aekte nnd er der Tante, der Gretchens Zurückhaltung arg mißfiel, gar begü tigend zuflüsterte: »Dir ma chere, machen Sie sich nichts-— daraus. Gretchen ist ein Engel und man darf sie nicht erschrecken. Quelle apparationl Lassen wir ihr Zeit! Sie ist zu charmante. Sehr charmante! — Parole «d’honneur, tres charmante! — leer ietzt muß ich mich empfehlen. — Anf Wiedersehen heut Abend! Au re vorn« Und im Voll-gefühl seines Sieges verabschiedete er sich von Gretchen auf so··eigentt«riimlichverliebte Weise, »als lvare ne Jason Ieme dram. »Ja Frost ihr Onkel mußte darüber lächeln Dann rollte seine clegante Equipage mit ihm davon, nachdem er vorher die Erlaubniß erbeten, Gretchen einen Strauß der schönsten gelben Rosen zu Füßen leaen zu dürfen. Um sechs Uhr war Gretchen ballb. reit. Auf ihrem Tisch dufteten die schönsten gelben und die schimmernd sten weißen Rosen. Gelbe oder weißt-? Ihr war, alg bedenteten die gelben Fielche ihr Todesurtheii. Wenn nur der Andere nicht käme! Wenn sein ganzes Herz, sein ganzes Leben nicht an dieser Hoffnung hin ge· — Schon wollte sie mit bebender Hand nach einer der aelben Rosen greifen, da gis-He ihr plötzlich eine Jdee durchs Köpfchen. . »’.)lnnette!« J Dass Stubenniädchen erschien. »Ich kann die Arme nicht heben, Llnnette, stecken Zie mir eine Rose in’-5 Haar aber schön, hörenSie, Annette?« s ,,Eine weiße oder eine gelbe, z räu lcill«ck«· o .W;«s - lvas siir -s-s- — eine --— — chie ivclltn.« A:«.;·.:tt: warf einen Priisenden Blick ...," di: Reser, qiiss nach einer hat-ki aeöffnetm qelbei1 Knospe nnd steclfe sie in Gretchens Haar. »Ach, verzeihen Sie-, Fräulein, hnb’" ich Sie gestochen?« Gretchen war zu sammendesuckh ,,’)tek:!, ich dank-, es ist gut so, ganz; gut,'« stannnelte sie. Kaltcr Sch« riß bedeckte ihre Stirn Und ein Schüt:elfrolt durchsuhr ihre schlcnte Gestoth als- fie die TUPPM hinabssiczz »iti::t:.. ihre Kniee. « Die Gäste waren schon Vollziihlig versammelt nnd dersteimmerer strahlte vor Bi:sriedignna, alg Gretchens an mutbige Gestalt auf der Schwelle er schien. Aber aus- dem Rahmen der ge geniiberlieaenden Thitr starrten zwei arosie braune Augen sie todttraurig an nnd in diese-n Tilimen ine. sie kin- so im. p endlich-: Ber«,;ioeifliinn, so unerträgli chen stummen dnß Armuth, Reich tlnim, Furcht nnd Zwang niir zu win ziaen Nichtintciten zufammen ichrnmvften diesem troftloien qnaloois ten Leib aeqeniiber Halb bewußtlos kisbrte sie ans der Schwelle tin-« rifi Die getbe Rose crust Den Lock-en, oriidte einen heißen Kuß auf die weis-ten Blii:hen!-etche unt-) steckte mit fiekserisoi zitternoen Hiindzn ice davon in ists Hat-r Konin::, was on kommen inne-. Jhr war. als schwebte sie hoch iioer alle-n erischen Sie telirte in den Solon zurück nnd den Kämnierer mit jo gkeichqiltigem Blick streifen-, nlo ioäre er eine Unrzellnnfiqnn ging sie schnur t stracks ans den Fähnrich zu und reichte I ihm die Hand: ! »Willko:nmen, Herr Helinscl)iio.'« si: It- sk ! »Sag, Gretchen, warum betonnnit " Du an dein Johregtag Eurer Hochzeit Iinnner weiße Rosen, von D:inein ; Mann?« irae-te eines Tages die Ober ; itin Grnliö, sich nkugierin an die Mo ijorin Helinschilo ivenden). « »Weil die weiße Rose ten Znnibol unseres Liebesglsiickes ist,« erwiderte der Major, der die Frage gehört hatte-. Und nach lanaen, langen Jahren, als der Tod den Maior längst hinweg-s aernfit hatte und Großmamn Helm fchild um den aeliebten Gaben trauer te, legte sie ihren Kindern und Enteln ans herz: ,.Wenn’s mit mir zu Ende geht, Kinder-, so mö;t ihr auf mein Grab pflanzen, was Eure Liebe Euch ein giebt, aber in die-band und aus«-L Herz, now erkaltete stille Herz, legt mir nur weiße Rosen, damit Papa im himrncl oben fein einziges Gretchen ertenne.«