Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 25, 1902, Sonntags-Blatt, Image 13

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    Das seidene Kleid.
Erzählung von B. R i t t w e g c r.
hans Werber konnte heute kaum
die Heimkebr seiner jungen Frau er
warten. Er freute sich so innig auf
die strahlende Miene, mit der sie vie
Karte betrachten würde, die zierlich ge
stochenen Zeilen: »Den und Frau
Martin Stark geben sich die Ehre,
Herrn Buchbalter Werber und Frau
Gemahlin für den 20. b. M. Abends
acht Uhr zu Tbee und Tanz ergebenft
einzuladen.« Ja, so stand es auf dem
starken goldgeränderten Carton, und
ganz unten in der Ecke links: »U. A.
w. g.« Hans Werber lachte leise vor
sich hin. O, bie Antwort stand schon
fest, natiirlich eine Zusage. Seiten
hat sich der zweite Buchhalter der alten
angesehenen Firma Martin Stark
iiber etwas so gefreut wie über diese
Einladung. Denn noch niemals war
eine von den Frauen der Angestellten
zu diesen Festen zugezogen worden.
Seiner-Hans Werder’s, Lissy war es
vor-behalten, sich den Eintritt in diesen
so strenggeschlossenen Kreis zu ers
ringen.
Ach, wie begreiflich ba sHaus Wer
der fand! Lissy hatte feiner Meinung
nach an einem Fürstenhos glänzen
können, stolz unb schön, wie sie war,
eine Perle, freilich leider eine Perle,
der bie rechte Fassung fehlte Hang
Werber liebte Lissy, die, eine arme
Waise in abhängiger Stellung, aber
von sehr guter Hertunft, entzückt von
der Werbung des hübschen liebens
würdigem Kaufmanns, freudig einge
willigtshatte, die Seine zu werden.
Und so, ohne weiter lange zu überle
gen und zu rechnen, hatte das junge
Paar die Ehe geschlossen, eine Ehe aus
reiner Neigung. Das kleine Vermö
gen des Buchhalters hatte eben aus
gereicht zu einer eleganten Einrich
g.
Vanz verzichtete gern auf das nicht
unbedingt Nothwendige, nicht so seine
Frau. Jn Lissn, die immer, erst bei
der verwittwetsen Mutter, dann in
spärlich bezahlten Stellungen, in Enge
und Unsicherheit gelebt hatte, erwachte
nun, da um ersten Mal gesicherteVe
hältnisse sie umgaben, bald der Wunsch
nach mehr. Die anbetende Liebe ihres
Mannes, das Dasein des Kindes ge
niigten ihr nicht völlig zur Llueiiillung
ihres Daseins.
Im Stillen hatte er gehofft, mit der
Geburt des Kindes würde List zu
friedener werden« aber diese Hoffnung
hatte sich nicht erfüllt. Liser liebte wol-l
ihren Kleinen, aber sie ging doch nicht
völlig in Mann und Kind auf
Ganz glücklich machte darum heute
den ·ungen Mann dieEinladung seines
Ch S, und er lief in seiner freudiger-.
Erregung von einem Fenster zum an
deren, um zu sehen, ob Lissy nicht
käme. Es war Sonntag und sie war
sue Kirche gegangen. »Daß man doch
einmal unter Menschen lomint«, hatte
sie halb scherzend, halb bitter beim
Abschied gesagt. Er hatte sie, noth
wendiger Privatbriefe halber, heute
nicht qut begleiten tönnen.
Es ist so still um ihn her. Der tleinc
Zier-is schläft im Nebenzimmer, das
ädchen schafft in der Küche. Hut
endlich hbrt er ihren leichten S ritt
ini Flur, und schnell reißt er die Thü
auf und umfaßt mit einem heißenBlict
die geliebte Gestalt. Wie schön sie ist«
seine Lissht
»Der-rel, liebes — da hab’ ich aber
eine Ueberraschung siir dich· Sieh her!«
Gespannt beobachtete hans sein Weib.
Einen Augenbliet leuchteten ihre Au
gen in frohem Erstaunen auf, und mit
einein tiefen Athemzug tomint’s aue
ihrem Munde: »Ach. das ist doch end
lich einmal etwait'« Aber sofort über
schattet eine Wolle von Unmuth da
reizende Antlit. »Es tann mir nicht-:
niiiem sons, ich habe ja nichts anzus
reisen.a
«AberLissy, du hast doch deinBraut
tleid, es ist noch taum getragen. Und
es steht dir io entzückend-X
»MeinBeauttleid!« Sehr verächtlich
klingen die Worte. »Mein Brauttleisktt
Ein weiszes Wolllleid, unmöglich tu
dieser Gelegenheit Und es ist auch is
entsehiich tleinbiirgerlich, wenn eine
junge Frau nichts anzuziehen hat als
das i·.n er wieder chemisch nereinigtc,
aufgear eitete Brauttleiv· Nein.
Schac, davon verstehst du nichte.
Wenn ich nicht ein neues elegantes, tei
tenes Gesellschaftstleid haben kann,
miissen wir vie Einladung avlehnen.«
»Nein, ich sage nicht ab, Lisiy. Ekk
muß ermöglicht werden « ioie, weiß
ich selbst noch nicht. Absaaen nein,
has hieße hoch meinen Chef geradezu
beleidigen.« ,
»O, das sinke ich nicht· Sag’ ihm
doch einsach, deine Mittel erlaubten
dir nicht, solche Geselligteit mitzu
machen.«
»Das kann ich nicht. Es tönte un
bescheiden heraus, wenn ich sagen
wollte, ich hiitte nicht genug. Jch werde
vorläufig zusa en, vielleicht findet sie-,
ein Ausweg bsagen kann man im
mer noch. Sag’, Herzeh kannst du’ö
wirtlich nicht einrichten mit deinen:
Brauttleid?«
»Aus keinen Fall, hand. halte ei,
tote hu wiJit, sage zu over lehne gleich
ich-ich tann nur erklsery daß ich
ohne eine durchaus passende Totlette
nicht an einem solchen Feste theilnehme,
io ern, ach so gern ich ’s thäte!"
ne seuszte. Er hätte gern erwi
he , has das wahre Glück pon Aussen
dingen gänzlich unabhängig sei, aber
er fand nicht ten Muth dazu. Es ta
men ihm in folchen Augenblirten
Zweifel an ihrer Liebe, und ihre Liebe
war sein Leben, das Höchste, Beste in
» seinem ganzen Dafein.
ftimrni, ermüdet und über-reizt paelt
Hans Werber als letzter der Beamten
des hauses Statt seine Bücher nnd
Schriften gesammen Er hatte seTn
heutiges Pensum nicht eher erledigen
tönnen und ist deshalb länger als sonst
geblieben. Jmmer sieht er die unglück
liche Miene der geliebten Frau vor fich,
ihre vermeinten Augen, und er er
fcheini sich fast wie ein Verbrecher.
Warum ist er tein Genie, warum tvaat
er es nicht, zu spekuliren, soie so mart
cher College, warum versteht er eg nicht
zu Geld zu kommen? O, dieses Deu
ken, dieses Sinnen, ec- macht ihn ganz
wirr im Kopfe! (7r muß sich zur Ar
beit zwingen und am Abend nachholen,
wag er versäumt bat.
Doch endlich ist alles erledigt, nun
iann cr gehen. Er schließt fein Pult
»ab, greift nach Ileberzieher und Hut
dreht das elektrische Licht aus und ver:
läßt das Comptoir Aus der Neben
thiik tritt eben sein Chef. »Nun, mein
lieber Werber, so spät heute-' Gab-«
besonders vielZ«
»Ich konnte nicht eber fertig werdet-,
serr Statt, ich hatte Mittags Kopf
schmerzen und war unfähig zum ar
beiten.« Das war ja keine Lüge.
s- ,.O, dann hatten Sie besser nicht so
lange bleiben sollen; aber ich weis-,
schon, Sie lieben teine Reste, und das
ift ja nur lobengkverth Was ichnoch
sagen wollte, ich freue mich, daß Sie
unsere Einladung angenommen haben.
. Wsins Irr-n M nur« out-Hist von Tit-.
I - O I f
Es ist am Montag Abend. Tief vers
rein jungen Frau-dem und im Vorjahz
waren toir durch unsercFamilientrauer
verhindert, Sie beide bei uns zu sehen.
—- Na, nun bin ich auch bald fertig
hier unten. Muß nur noch eine Sen
dung siir meinen Jungen erledigen.
Meine Frau will dem Ertrazuschußf
den ich ihm zum Geburtstag zugedackx
habe, ihre mütterlichen Wünsche bei
legen, und da mus- ich eben noch mai
hinaus. So ’n Gardeitfinjähriaer
kostet ein schönes Geld, und Berlin is«
ein theueres Psiaster. Lassen Sie die
lkorridorthiir nur gleich offen, Herr
Werber, ich komme sofort zurück
Guten Abend!«
Damit wendete Ich der Eises nach tsc«
Treppe des alten, tvinteiigen, weitiiits
sig gebauten Patricierhauseg. Haue
Wetter hat schon die Hausthiir er
reicht, a s ihm einfällt, daß er einen
wichtig Brief, der zur Post muss»
bergess i hat. Rasch kehrt er nochmali
in das Comptoir zurück, ergreift im
Dunkeln den Brief, und dann - dann
findet er sich, von einem untvirersteh
lichen Antrieb beherrscht, in der Thür,
die zum Prioattomptsir des Chef-:
siihrt. Mit raschem Blick übersieht er
alles, den Fünfhundertmartschein dort
auf dem schwarzen Pult neben dem
Geldbriesumschiaa, das weit geöffnete
Fenster — Herr Stark liebt die frische
Lust — draußen webt heftiger Sturm
wind, und unterm Fenster fließt das
Wasser! »Ich bin eben dabei, meinem
Junan einenExtrazuschufz zd schicken.«
Diese Worte des Chess tlinaen in ihm
nach, und dann tht er sich selbst halb
laut sprechem »Ach was, er empfindsrt
’s nicht« —- rvas sind ihm fünfhundert
Mark? Ein Nichts, und ich ---- mir
bleibt dadurch die Liebe meines Weibes
erhalten!«
Setunden nur find vergangen, sei:
Hans Werder den Raum betreten hat«
und schon findet er sich auf derStraße,
und in seiner Brusttasche tnistert ein
Fünfhundertmarschein. hans Werber
ist seht ganz ruhig und kalt. Nun
kann Kissn das seiden- Kleid haben
auch was sie sonst noch braucht. Und
sie wird strahlen vor Freude und so
lieb zu ihm sein.
Nur ein Dieb bist du, Hans Werde-,
ein gemeiner Dieb, ein ganz gemeiner
Dieb! sWer ruft nur das immer?
Ach so, lein Mensch, nur da drinnen
llingt’s, in seinem Jnneren, und der
Wind braust’s, und unter seinen
Schritten lnarrt’ö immer, das eine
Wort: Dieb — Dieb -— Dieb!
hans Werber verlebte die folgenden
Tage wie im Fieber. Um leinen Arg
roohn in ihr auslommen zu lassen, ers
össnet er es erst am dritten Abend sei
ner Frau, daß er nunmehr in der Lade
sei, ihr eine passende Toilette zu dem
Feste zu beschaffen. Er habe sich vor
längerer Zeit an einer Spetulation be
iheiligt, oie Sache habe sich wider Er.
warten schnell zu seinen Gunsten ent
schieden und ihm einen Gewinn von
fünfhundert Mart gebracht. Sie möge
nun ihre Zurüstungen treffen.
Unter eifrigen Vorbereitungen ver
gehen der jungen Frau die Tage hig
zum Fest und sie sieht alles im rosigsten
Licht. Und dar-n iiihrt Hand Werber,
der in einem ganz seltsamen Zustand,
faszt wie im Traum, die letzte Zeit ver
bracht-hat, sein schöne-«- Weib in einer
dieser Schönheit wiirdigen Toilette in
das Haus seines Chef-« den er -- be
stohlen hat!
Und von diesem Augenblick an be
ginnt es. Die Reue, die quälende,
na nde Reue daelt ihn. Jn die Erde
yii te et sinlen mögen. als die ernst
« reundlichen Augen des bejahrten
» Mannes wohlgesiillig auf der Erschei
nung der jungen Frau seineo Buch-·
haltet-S ruhen, als Frau Stark Lissy
mit herzlichen Worten willkommen
heibt und ihr ein Compiiment über
ihre gesehmackvolle, tleldsame Toiletke
macht. Es ist ihm, als müsse er
wahnsinnig werden« Das Blut strömt
ihm zum herzem und er hätte laut!»
aufschreien mögen, seine Schuld hin-f
ausscheeiem um sich zu befreien. Lissy
almt nichts von dem Zustand ihres
Mannes. Sie schwimmt in Wonne-«
gefeiert, umschwärmt von jung und;
alt·
Die erhöhte Stiinmuna, in der
Frau Lissh sich vor dem Fest befunden
hat, und die sie so gern noch festhalten
möchte, muß aber bald ernstlicher
«Sorae weichen. Hans ist nicht aus«
gesprochen tranl, er geht täglich zur,
bestimmten Stunde ins Geschäft, er
spricht und lacht, aber so ganz anders;
als sriiher. Kaum ein paar Bissen
ißt er bei den Mahlzeitem und er sieht·
nach lurzer Zeit aanz verfallen aug· ·
Als der Zustand ihr immer bedenk
licher erscheint, bittct sie hinter des;
Gatten Rücken ihren Hausarzn ein
mal scheinbar zusällia zu lommen zn
einer Reit, da Ganz sicher zu Hause
ist. Aber der erfahrene Mann tanni
nichts feststellen als hocharadiae Neu-H
oosiiät. »Das Uebel unserer Z-eii«,
so meint er achselzuctend und räth tu,
reichlicher Beiveauna in der Lust-l
»Am besten ein Rad anschaffen, uml
dem Bereich der Großstadt so oft als;
möglich entfliehen zu tönnen.« .
»Ach Schatz, wie gut, daß du noch,
von dem aeioonnenen Geld hast!« SW
spricht Liser nachdem Der Zanitätsis
rati) geganaen ist. »Nicht wahr, nun
taufst du dir ein Ran, und Dann bist
du bald wieder aanz gesund«
»Ich mir ein Rad? Von dem Gele
Bist du von Sinnen -- s- siir mich ---—
von dem Geld?« So schreit Hang aus,
und seine Stirn röthet sich und die
Augen flackern in fieberischein Glanz.
»Aber Hang-, Liebster, wag hast du
nur? Wie tann dich der Vorschlag so
erreaen?«
»Ach, nichts, nichts —- ich m«:ine,
das Geld, hm, es könnten Fälle ein
treten --— das Geld, es ist für dich —
ich will nichts davon, ich —-- sa, und
nnn muß ich arben -—- unter Men-.
schen, ich brauche Zerstreuung, das ist
allpä «
mer, und qleich darauf hört Lissts, wie
er die Vorfaalthiir hinter sich schließtl i
Die junge Frau seufzt tief und
schmerzlich Jst das ihr Hans, ihrs
he iterer, aleichmäßiger Hans, der sonstI
mit so viel Liebe und Geduld ihre.
Launen und Schwächen getr« «an hit?
Nun ist s umgekehrt Aber in der
Sorae um ihn tvächst und erstartt ihre
Liebe, fällt die Selbstsucht von ihr
ah. Nur noch süt Mditu itt Kiudi
lebt sie ietzt-s Das- seidene Kleid hanatj
vergessen im Schrank. Frau Lissys
kentt nicht mehr an Feste. O
i
i
ffDamit verläßt er hastig da- Zim !
i
Dann kommt eine furchtbare Stun
de! Die Frau des Procuriften, die;
erst seit Werderg beim Chef eingsela
den waren, Frau Lissts ihrer Brach ;
tung für werth hält, macht ihr einen
Besuch. Von dem und jenem fchtvatzeus
die beiden Frauen, auch von dein
herrlichen Feste schwörmt der Besuchi
noch. und Lissy seufzt irn stillen beiI
dem Gedanken daran, daß dieses Fest
ihr lettter froher Tag aetoesen ist.
Seit dem Fest ist ihr Haus so traurii
verändert
NGott es ist sa schließlich keine
Kunst, so ’toas zu arrangiren«, so
vlaudert die lebhaste Frau, »wenn
man Geld aenua hat, wenn es auf ein
paar hundert Mark mehr oder weni
ger nicht ankommt. Denken Sie nur«
gerade einen Tag, nachdem Starts
die Einladungen erlassen hatten, war
ten Sie ’rnal —- ja, am Montag -— da
itt Herrn Stark aus seinem Privat
tornptoir ein Fünfhundertmarkschein
—
um Fenster hinaus ins Wasser ge
flogen. Es lann nicht andere sein.
Er toollte das Geld seinem Sohn zun
Geburtstag schicken und gin nur noch
einmal nach oben, um men Brief
seiner Frau zu holen. Als er herun
tertam, sroar der Schein verschwunden.
Herr Stark hat«-Z selbst meinem Mann
erzählt, aber ihm Den Mund verboten.
Er wollte sich wohl nicht auslachen
lassen, denn der Schein kann nur zum
Fenster hinausgeslogen sein. Es war
unten gar niemand mehr um den
Weg; Jhr Mann, Frau Werder, ging
eben als letzter nach Hause. Ja so,
eigentlich hatty ich ’S Ihnen auch nicht
erzählen sollen. Herr Statt meint,
es wiirde so leich: ein falscher Ver
dacht ausgesprochen und das wolle
er unt die Welt nich:.«
Damit schließt die Erzählerin ihren
Bericht, und nach einer Weile bricht
sie aus, denn sie glaubt zu bemerken,
daß sie stört.
Lissy weiß nun alles, sie sieht mit
einem Mal ganz klar. Ltlechzend bricht
sie am Betxchen ihres- Kindeg zusam
men. Qualen leidet sie bei Dem Ge
danken: du hast deinen Gatten zum
Dieb gemacht! Der arm-, arme
Mann! Reinen Vorwurf hat sie fiir
ihn, auch nicht in Gedanken. Sie
allein triiat die Schuld. O, könnte sie
sühnen, helfen, peu Geliebten befreien
von seiner Last! Aber wie? Jhr Hans
wird zu Grunde gehen an dieser
Schuld, sie siihlt es. Wie gern, o, wie
aern möchte sie sich mit ihm ausspre
chen, möchte ihm rathen: Geh hin zu
deinem Chef, gesteh ihm alles, ohne
Rücksicht aus mich und das Kind.
Nimm die Strafe auf dich, und laß
uns nachher drüben, jenseits dec- Mee
res ein neues Leben beginnen. Aber
sie ·tveiß, das toiirde ihn irr-den Tod
kclsclL RUO List-sc zu lyr Hi u zum
Dieb ge.vorden, aus Liebe zu ihr
würde er sterben. Also muß sie a ein
handeln. Sie muß es us sich neh
men dag llngeheuere, s«-. den Gat
ten der Schuld anzul XI Sie muß
die Last des Seh zi- » kvon ihm
nehmen, und dann, Eine ers
nichts mehr iu änxern ist«- ivrrb er die
Folaen tragen wie ein Mast-w
Und so Teht sie denn -«eines Tages
den schwersten Gang ihres Lebens,
tiachdsemtie am BettcfzePYpes Knaben
um Muth und Kraf gebetet hat.
.:,inreiszend in ihrer Jetzt durch Leid
und Schmerz vergeistinten Schönhei:,
:in riihrendeg Bild, so steht sie vor
dem alten Herrn, der sie gütig, wie
ii:i.ner, ausforrert, ihr ihr Llnliegen
vorzutragen
Sie berichtet ihm Alles-; sie schildert
die tiefe Liebe ihres Gatten zu ihr,
dem armen Mädchen, Ins er, ohne
nach äußeren Gütern zu fragen, in
der Seinen gemacht hat. Sie findec
für sein Bild die hellsten Farbentöne,
für ihr eiaLneS nur einen Schatten
Ihre Unzusriedenheit, ihre Sucht,
eine glänzende Rolle in der Welt zu
spielen, all das malt sie in ihrer Er
regung lebhaft aug, und zuletzt, kaum
noch verständlich bringt sie es herair5,
das Ungeheuere, die Schuld ihres
Gatten.
Martin Stark hat die Erregie aug
redeu lassen ohne ihr ein einziger
Mal ins Wort zu stillen, weiter fühlt,
daß er ihr damit die größte Wohltlert
erzeigt. Nun streicht er der jungen
Frau mild beruhiaend über die zit
ternden Hände. ,,Haben Sie Dank
siir Ihre Offenheit. Ich will mir
alles in Ruhe überlegen. Aber eins
saae ich Jhnen schon jetzt: Sie sind
eine brave Frau, in Ihrer früheren
Schwäche und in Ihrer jetzigen
Ter tslik Auf-»mit.
Pol-onekai
onus-·les
« fest-Mun
M
I « s s · l ;
Der liebedurstrge Freier wirft einen Ring hinein, ein hübsches Weibchen ·
tvzpmt hergyi Der Aufiomai funktionirt tadellos-. Wie oft hat sich aber
spater ftp-fein Freier gewunfchi, daß er sein Weibchen wieder automatisch los I
tret-den konnte! - I
(
i
Größe ein ganzes Weib. Und ich dente
nicht tleiner vom Weibe nach dieser
Stunde! So, nun gehen Sie, und
holen Sie morgen Mittag um ein Uhr
Ihren Gatten hier ab.'·
sb« st- sit
Am folgenden Mittag wandert ein
iliiettiches Menschenpaar Arm in Arm
die Promenade entlang; der Mann.
Hans Werber, noch mit etwas wan
tenden Schritten nnd milden Bewe
gungen, Frau Lissy strahlen-d in reiner
heiliger Freude. Jhr Opfer ist weit
iiber Ermarten gelohnt worden. Mar
tin Statt hat wie ein Vater mit seis
r.s-em jungen Buchhalter gesprochen
und ihm volle Verzeihung gewährt.
tlm nächsten Ersten soll er an die in
einer mitteldeutschen Stadt befindli
che Filiale des Geschäfts- übersiedetn,
um in anderer Umgebung den Nach
hall des Erlebten leichter zu iiberwin
den. Die fünfhundert Mart sollen
ihm, soweit sie nicht noch vorhanden
sind, auf seine dringende Bitte nach
nnd nach vom Gehalt abgezogen wer:
den. Herr Stark fühlt, daß er darein
cvilligen muß, beschließt aber im stil
len, Hans Werder’s Gehalt statt erst
in Zwei Jahren schon jetzt zu er
hohen.
»Geh-n Sie mit Gott, lieber Wer
der,« so lauteten des gütigen Mannes
Abschiedsmorte, »und genießen Sie
Jhr toiedergetoonneneg Glück. Sie
danten eg Ihrer Frau, in der weib
liche Schwäche und weibliche Liebes
traft so ausgeprägt sind, wie es viel
leicht set:en der Fall ist. Doch vie
Kraft hat gesiegt iiber die Schwäche,
nnd so prophezeie ich Ihnen beiden
eine glückliche Zutunft.«
Y- tid si·
Hans Werber bringt es durch
Fleiß, Eifer nnd glückliche Begabung
zu großen Erfolgen in seinem Beruf.
Frau Lissy, immer noch eine schöne,
stattliche Erscheinung, die glückliche
Mutter zweier tvoblgerathener Kin
der, steht dem Hause ihres eine ange
sehene Stellung in der Stadt einneh
menden Gatten in Passendster Weise
vor. Nur eine Schrulle hat sie, iiber
die ihre Bekannten manchmal die
Köpfe schütteln: sie trägt niemals
Seide
---—
Weiße Rosen-getbe Rosen.
tilotscllttti Von Tillfud von Ajudiz«s1siinn.
Links dein Eitnvcdisdien von Ha nd
It r ä f c.
Daß schöne Gretchen Schwerton
meinte nie schönere- Rosen gesehin ;u
haben, als diese dustigen Kelch-, Die sie
an ihr liiheths thräneniiderströmiecs
Gesicht en brüste.
Fähnrich Helmschild hatte gestern
Abend mit behenden Lippen gebet en,
möge heute in aller Elliorgenfriihe isi
den Garten kommen. Jhre Lippen hai
ten ein leises »Nein« gehancht, aber in
ihren ausslammenden Augen hatte er
gelesen, raf; sie zur bestimmten Stunde
dennoch dort sein würde. Und als oeii
nnaesiihr lisetdegetrappel an ihr Ohr
sching hätte teine Macht der Erde si
in ihrem Kämmerchen zttriickinholten
vermocht.
Ein tsnoestimmtes bange-z Ahnen er
stillt-: ihr Herz, sodaß eg stürmter
pochte. Sie wußte, daß ihr der Fähn
rieh etwas zu sag-en hatte,-—wenn nicht
heute so doch morgen, oder ein andere-.
MaL Sie mußte eg, denn das Bxken
seiner .,Stimn1e und die Gluth·sein:s.
Blickes hatten ihn verrathen und si-:
zitterte davor, daß, wenn er heute mie:
rser bittend zu ihr aufschauen würde,
ihre Lippen wohl ein kaum hörbarcg
»Nein« slitstern werden, indesz ihr Herz
leidenschaftlich tusen wird: »Ja.«
Jnteks die kleinen Fäßchen den Pakt
entlang trippelten, iibcrleate sie hun
dertmal ihre Lage. Jhr Oheim hanc
sie aus Mitleid zu sich in’s Haus ne
nFmtnern Der Vater bankerott, die
JAUUck lküllL Olc chsastvlslck schcn .·l"
ner trostlosen Zukunft entgegen - -—
--— » wenn —- --— — -— wenn --- —— —
Ach, und sie braucht ja nur die Hand
auszustrecken, so aehört ganz Strom
sund mit seinem Pachseinem Schwa
nenteich, seinen Reichthümern, mit
sammt dem Lämmer-er Sternenslug
ihr, ihr allein. Heute, morgen, wenn
sie will!
Ach und sie hatte doch den Föhnrich
so lieb, so lieb! Wie sie einander zu
letzt gegenüberstanden im strahlendeu
Moraenschein, beide so jung, und Ja
setiria . . . .
- ,,Gretchen!«
,,Gretchen!« wiederholte er mit
bedender Stimme-. Er prach« wenig
und sicherlich nicht in s,ongewäl1ltrn
Worten: er war ja noch so juna und sie
seine erste Liebe. Aber sie hörte nicht
mit dein Verstand, nur mit dem Her
ten; hatte sie ja doch all’ dies schon im
Traum gehört, ost, sehr oft auch
heute Nacht.
Ihr Herd vochte laut nnd sie bebte
In allen Gliedern. Sie wagte di: An
ren nicht aufzuschlaaem um seinem
Blick zu beqegnen, aber sie waate axtch
nicht« das vernichtende »Nein« hervor.
s,ubrinaen.
Fälinrich Helmschild wußte ivol)l,
Daß selbst die oerliebtiksten jungen
Vömchen nicht gleich »Ja« sagen, uno
vollte sie an sich ziehen, um die Ani
oort von dem purpuriibergossenen Ge
ichtchen zu lesen, da entwand fiel-Grei
hen so todtenblaß seiner Umarmnna,
Jan er erschract.
Sein-: Nechfe ließ den Strauß weis
irr Rosen sollen, den er ihr gebracht
tnd als er sie von der Erde aufhob nnd i
lst sie überaalx flüsterte er reumiithig:
»Verzeihen Sie mir, FräuleinGreii
heu, wenn ich Sie beleioiat habe, oder
osenn meine Frage aufdringlich geme
en. Aber wollen Sie mir einen Hoff- i
i nnngsschirnmer gewähren aus die Fra
ge, die ich heute zum ersten und lehten
s Mal an Sie richte, so stecken Sie heute
Ali-end eine dieser weißen Rosen in’s
; Haar. Leben Sie wohl, Fräulein
E Gretchen«
Und sporentlirrend eilte er davon.
Die Garienthüre lnarrte, dann war
alles still. Gretchen stand noch immer
regunaslog auf derselben Stelle und in
ihr-en Augen blitzten verrätheriiche
Tropfen. War’s Thau oder waren'ö
gar Thränen?
Gleich einer Niachiwandlerin kehrte
sie in ihr Zimmer zurück und starrte
tranmvcrloren vor sich hin, bisterdc
aetrappel und Räderrollen sie aus ih
rem Sinnen aufschenchten.
Der Kämmerer, Excellenz Sternen-«
flua. war mit seinem herrlichsten Vier
aespann vorgefahren und Gretchen
fühlte das Blut in den Adern starr
werden, als ihre Tante sce mit lächeln
der Miene in den Salon rief. Sie
wußte, was nun folgen würde.
Der Kämmerer war ein wohltonser
virter Fünfziger und ein viel routinir
terer Freier, als der arme Fähnrich
Helmschild. Auch wußte er seine Wor
te viel zierlicher zu setzen. Gretchen
aber war scheu nnd schüchtern und
lonnte kaum zwei Worte sprechen. Jn
ihrer Verlegenheit aber war sie sv rea
zend und anmuthig, daß sein Ents
ziicken sich zu heller Vsegeisterung stei
aekte nnd er der Tante, der Gretchens
Zurückhaltung arg mißfiel, gar begü
tigend zuflüsterte:
»Dir ma chere, machen Sie sich nichts-—
daraus. Gretchen ist ein Engel und
man darf sie nicht erschrecken. Quelle
apparationl Lassen wir ihr Zeit! Sie
ist zu charmante. Sehr charmante! —
Parole «d’honneur, tres charmante! —
leer ietzt muß ich mich empfehlen. —
Anf Wiedersehen heut Abend! Au re
vorn«
Und im Voll-gefühl seines Sieges
verabschiedete er sich von Gretchen auf
so··eigentt«riimlichverliebte Weise, »als
lvare ne Jason Ieme dram. »Ja Frost
ihr Onkel mußte darüber lächeln
Dann rollte seine clegante Equipage
mit ihm davon, nachdem er vorher die
Erlaubniß erbeten, Gretchen einen
Strauß der schönsten gelben Rosen zu
Füßen leaen zu dürfen.
Um sechs Uhr war Gretchen ballb.
reit. Auf ihrem Tisch dufteten die
schönsten gelben und die schimmernd
sten weißen Rosen. Gelbe oder weißt-?
Ihr war, alg bedenteten die gelben
Fielche ihr Todesurtheii.
Wenn nur der Andere nicht käme!
Wenn sein ganzes Herz, sein ganzes
Leben nicht an dieser Hoffnung hin
ge· —
Schon wollte sie mit bebender Hand
nach einer der aelben Rosen greifen,
da gis-He ihr plötzlich eine Jdee durchs
Köpfchen. .
»’.)lnnette!« J
Dass Stubenniädchen erschien.
»Ich kann die Arme nicht heben,
Llnnette, stecken Zie mir eine Rose in’-5
Haar aber schön, hörenSie, Annette?«
s ,,Eine weiße oder eine gelbe, z räu
lcill«ck«· o
.W;«s - lvas siir -s-s- — eine --— —
chie ivclltn.«
A:«.;·.:tt: warf einen Priisenden Blick
...," di: Reser, qiiss nach einer hat-ki
aeöffnetm qelbei1 Knospe nnd steclfe sie
in Gretchens Haar.
»Ach, verzeihen Sie-, Fräulein, hnb’"
ich Sie gestochen?« Gretchen war zu
sammendesuckh
,,’)tek:!, ich dank-, es ist gut so, ganz;
gut,'« stannnelte sie.
Kaltcr Sch« riß bedeckte ihre Stirn
Und ein Schüt:elfrolt durchsuhr ihre
schlcnte Gestoth als- fie die TUPPM
hinabssiczz »iti::t:.. ihre Kniee. «
Die Gäste waren schon Vollziihlig
versammelt nnd dersteimmerer strahlte
vor Bi:sriedignna, alg Gretchens an
mutbige Gestalt auf der Schwelle er
schien. Aber aus- dem Rahmen der ge
geniiberlieaenden Thitr starrten zwei
arosie braune Augen sie todttraurig an
nnd in diese-n Tilimen ine. sie kin- so im.
p
endlich-: Ber«,;ioeifliinn, so unerträgli
chen stummen dnß Armuth, Reich
tlnim, Furcht nnd Zwang niir zu win
ziaen Nichtintciten zufammen
ichrnmvften diesem troftloien qnaloois
ten Leib aeqeniiber
Halb bewußtlos kisbrte sie ans der
Schwelle tin-« rifi Die getbe Rose crust
Den Lock-en, oriidte einen heißen Kuß
auf die weis-ten Blii:hen!-etche unt-)
steckte mit fiekserisoi zitternoen Hiindzn
ice davon in ists Hat-r
Konin::, was on kommen inne-. Jhr
war. als schwebte sie hoch iioer alle-n
erischen Sie telirte in den Solon
zurück nnd den Kämnierer mit jo
gkeichqiltigem Blick streifen-, nlo ioäre
er eine Unrzellnnfiqnn ging sie schnur
t stracks ans den Fähnrich zu und reichte
I ihm die Hand:
! »Willko:nmen, Herr Helinscl)iio.'«
si: It- sk
! »Sag, Gretchen, warum betonnnit
" Du an dein Johregtag Eurer Hochzeit
Iinnner weiße Rosen, von D:inein
; Mann?« irae-te eines Tages die Ober
; itin Grnliö, sich nkugierin an die Mo
ijorin Helinschilo ivenden).
« »Weil die weiße Rose ten Znnibol
unseres Liebesglsiickes ist,« erwiderte
der Major, der die Frage gehört hatte-.
Und nach lanaen, langen Jahren,
als der Tod den Maior längst hinweg-s
aernfit hatte und Großmamn Helm
fchild um den aeliebten Gaben trauer
te, legte sie ihren Kindern und Enteln
ans herz:
,.Wenn’s mit mir zu Ende geht,
Kinder-, so mö;t ihr auf mein Grab
pflanzen, was Eure Liebe Euch ein
giebt, aber in die-band und aus«-L Herz,
now erkaltete stille Herz, legt mir nur
weiße Rosen, damit Papa im himrncl
oben fein einziges Gretchen ertenne.«