Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 18, 1902, Sonntags-Blatt, Image 9

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    Sonntags IV Utt
Beilage drgi ..!1kvraslka staats-Ameigkr und Herold«.
— « .- .- ....-..- .,.-«-.-- .—. - .- —.—..—.-— — »
J. P. Wirmolph, Herausgehen . Grund Island, Nebr» den is. April 1902. Jahrgang 22 No. :3:3
Die Geige
Stizze von Lu Volbehr
»Breitegaife 35, drei Irepptm Zim
mer No. 5.'«
Er faate fich’s ein Paar Mal vor,
als er die hauptftrasze entlang ging
an den vielen Schauliioen vorbei. Vor
der Musikalienhanoluna blieb er ste
hen und sah die vier Photographien
der Künstler des Quartetts an. die
diefen Abend concertiren würden. Er«
botte ein Bill-et in der Tasche; mit ei
ner guten Censur hatte er siclfs ver
dient. Er schob die Selundanermiitze
oon der Stirn zurück. Donnerwetter
ja. so ein Geiger sein! Das war doch
etwas Farnofes s- na ja, wirklich!
Jurift werden wie der Vater «- gräß
lich! Fritz Bebaim woll:e nicht im
Ateenftaub vertomrnen.
»Breitegasfe« — — sein Fuß stockte
bm « da das graue Haus mit den
grünen Fensterliioen und mit Dem
aroszen Schild: »Privatllinit Dr.
Schirmer'«. Da stand es groß und
deutlich
Ec- toar ihm eigen zu Mutbe. als
er--vor der Hausthüre stand. Er war
noch nie in einer Fitinil gervefenx hatte
überhaupt noch nie einen Kranken ne
iehetr Seine Leute zu Haus waren
alle so gesund wie er.
»Drei Treppen, Zimmer No. 5.'«
Er öffnete das Hausthor, ein mert
würdig süßlicher Geruch dran-a ihm
entgequ Rechts vom Flur war eine
(ttta5tlzüre. »Oberin« stand auf einem
Schild nnd weiter las er: »Befncher
haben sich bei der Oberin zu melden.«
Er ftand einen Moment nnfchtijsfig,
dann drückte er auf die elettrische
silingel --—-- nie Tbür mit den weißen
Vorbiinaen öffnete sich, und eine
Krantenfchwefter stand auf der
Schwelle. Er riß seine Miene herab.
»Sie wünschen?" fragte ihn die
Schwester mit einer mild-en Stimme
und mit lachenden Augen.
Erstaunt sah er sie an.
Wie die fröhlich aussah! Und ihm
toar’s ganz bang um’s Her·i,, seitdem
ir die drei Schritte in wes Haus ge
ttxan mit der schwiilen süßlichen Lust.
»He-us Stahl möchte ich besuchen·«
»So. so! Na, der wird sich sreuen.
Drei Treppen, Zimmer No. 5.«
Sie nickte ihm freundlich zu und
schloß die Thiire wieder-.
Drei Treppen. ---- Da war No. 1!
Er ging mit leisem Schritt an den
Thüren vorbei, bis er an No. 5 kam
er zögerte etwas-, dann tlopstc er
cIL
Es wurde da drinnen gelacht, er
hörte eine helle Frauenstimme, und
die ries auch ,.herein!«
Iris klinkte die Thüre aus. ·
»Ah, Besuch! Nun Hans, nun wird
es sein. Und vom Stuhl am Bett
stanv eine Kranienschwesker aus, und
Fritz want-Orte sich schon nicht mehr,
daßrzie auch stöhlich aussah. Das
thaten die Schwestern wohl immer ir-.
den Kiintien und Kraciienyiiuserm
nur aus der Straße sahen sie immer so
ernit und wärdig aus.
.- ,,Wer isk’s denn?« itanza eine schwa
che Stimme vom Beet her. ·
,.Treten Sie nur näher, junger
Herr,'« sprach die Schwester freundlich
zu Fritz, der mudernd an der Thüre
stand. Und Fritz ging zu dem eiser
nen Bett.
»Behaim.«
Fritz strecke feine junge, gesunde
Hand hin und Hans Stahl umktnm
meree dieselbe mit magerem tnochigen
Fingern.
»Grüs; GctL Stein« Wie Tir’5 gebt,
wollte ich fragen« «
»O, g .«
Iris setzte sich aus den Rotirftuhl
am Bett, unverwandt aus den Kame
rtzizen blickend, den er seit vier Wochen
iiicyi neu-rieth
inibfch wir der Sinlil niemle a
irseien, auch nie besonders gesund aus
sehend, aber To! ———- mein Gott, der
«rme Kerl! Nichts als Haut nnd
stnochcm Der Lanze Kopf war ver
tandem das Gesicht nur war frei, nnd
ganz llein ivir’5 geworden, jämmer
lich! -
»Ti- nndtren lassen Dich grüßen,«
lgiib nisn Witz mi.
»Wer ist denn Minute-V
»N-, des Hirn-, mit-nicht Bis Du
:viederlommst.«
»Der Kerl, der Well«
»Na ja, ein ichlapper Kerl so ein
rechter Biiifler.«
Der lrante Junge lachte vor sich
l)in.
»Du Stahl, wirst Du bald wieder
gest-abk«
»Na freilich. Es fehlt mir nichts
mehr. Nichts na ja doch --—- eins
fehlt mir —- sag mal, Behaim, bist
Du die hanptftraße heruntergelorw
inen?«
Auch am großen Miisitgeschäft
»Ja.«
»Ist noch die Geige im Ienfter?«
«-I q
»Du, Behainy die möcht ich haben.«
»Ich hab eine.«
»Ja, Du! Das weiß ich. Aber ich
hab immer noch meine halbe Geiqe,
und die quält so »s- ich --« ich möchte
so gern einmal eine qanze Geige in
der Hand liaben.«
»Du mußt’"g Deiner Mutter fa
gen.«
«Re Du —- dafiir ist bei uns kein
cellidak
Gchetite kamen den Korridor ent
lang, man hörte eine volle, frische
Stimme, dann tlappe eine Thüre.
Iris war vorn Stuhl ufgskanden
»Bleib nur sitzen. sder oktor geht
jetzt erst zu No. 6 und dann kommt er
zu mir.«
,,Magst Du den Doktor?«
»Ich —- den Doktor?« die gelben,
kranken Hände strichen zärtlich iiber
das Bett. »Ich möchte auch so’n Dot
tor werden, wie meiner ist."
»Ne, —-— ich nicht!« !
»Ja, so was giebt’s eben nicht wie
kirr, wie meinen Doktor.«
»Hast Du Schmerzen?«
»Ach nein L eigentlich nicht. ———
Jetzt kommt -er!«
Wieder der kurze, feste Tritt auf
dem Korridor. jetzt ganz nahe, dann
öffnete sich die Thür, und der Doktor
tornmr, begleitet- von der Schwester
Und Fritz fährt rom Stuhl auf.
»Er-, Besuch! Famos. Tag!«
Fritz verbeuat fich, und Hang Stahl
sagt ganz stolz:
»Mit-, Behaim.«
,,Frcut·mich. Na, wie geht’s«-, mein
Junge? Fidel?«
»Freilich, Herr Doktor.«
»Recht so. Fehlt’s nirgends«.’«
»Nein, Herr Dottor.« s
, »Siek)st Du, Junge, das ist brav
von Dir. Auch nicht zu viel gelesen,
Zchwefter?«
»Nein, Herr Doktor, Frau Stahl
war den ganzen Vormittag da.«
»Junae, spielst Du gar icn Bett
Geige? Da steht ja ein Kasten«
»Mutter hat ihn mitgebracht.«
»Na, hast Du denn gespielt?«
»Nein, Herr Doktor.«
--. t-....t'i
«Wululll Ucllll lltujh Our tun-Hi
Du ruhig thun.«
»Es ist es ist nur eine halbe
Geige.'«
»Hu-the Geian Was ist denn dag?«
»Na eben, die Lernaeiae. Aber die
lratzt und auiirrt sei-«
»Ach so, Du möchtest ein besseres
Instrument haben.«
»Ja.'«
Dr. Schirmer sah in die duntlen
Augen, die zu ihm ausblickten.
»Nun will ich Dir etwas sagen,
mein Junge, wenn Ding ein Bedürf
niß ist, dann spiel auf Deiner alten
halben Geige, das wird schon auch
ganz gut klingen. Du mußt eben
selbst nicht kratzen. lieberlea Dir den
Fall bis morgen, was-? Und heute
Nacht wird geschlafen, verstanden?«
Und zu Brhaini gewandl, sagte der
Doltorz ·
»So, junger Herr, und nun saaen
Sie Ihrem Kameraden adieu. Sie
können ihn bald wieder aussuchen.«
Fritz trat zu Hansens Bett.
»Leb wohl, Stahl, gute Besseruna.«
»Adieu, griiß auch die Andere »s
und sp» nnd »s-« «
»Und komm bald wieder,« half Dr.
Schirmer ein« i
Fritz Behaiin stand vor der Thüre
von Ro. 5, die Mütze noch in der
Hand.
Scheusilich doch, solch eine Krank
heit! Der ganze Kopf verbunden!
Dem armen Kerl war der Schädel
ausgemeiselt! Wie groß wohl die
Wunde war? wie siä aussehen mochte?
Es lroch Fritz Behaiin lalt über den
Rücken.
Langsam ging er «durch»den langen
Ftorridor, an der zredpe org-guckt «
einer zarten. dergrämt aussehenden
Frau.
Er grüßte, das war Frau Stahl.
Sie sah ihn erfreut an mit denselben
Augen, wie der Hang, nur derweint,
trübe waren sie.
»Sie kommen von meinem Hang?«
»Jawohl, Frau Stahl.«
»Wie « wie fanden Sie ihn?«
Ilenastlich forschend sah die Frau in
das blühende Gesicht Fritzeng.
»O sehr — sehr sidel. Und di:
Schwester nnd der Doktor ---«
»Ach ja, der Doktor!« Sie saate eH
in demselben TonfalL in dem Hanzi
»mein Tokt51« gesagt hatte.
. »Sagcn Eie, hat er nicht — « iic
stockte und leise setzte sie hinzu
»du-in armer Junar. Jch kann ihm
ia keine andere taufen«
Frih stieg eine heiße Röthe auf;
Frau Stahl sah ihn aber nicht mehr
an; ihre Lippen zuckten, sie ain an
Fritz vorbei um Zimmer ihres «un·
gen. Iris stieg wieder die Treppe
hinab, langsam Stufe siir Stufe. Als
er den Thürariss in die Hand nahm,
kamen schnelle S ritte die Treppe
herab. Fritz sah ich um Hausen-:
Doktor war es. Er schwand den Stock
ihn der Hand und psiss leise vor sich
m.
»Ei sieh, Behaim, Sie sind noch da.
Es war hübsch von Ihnen, daß Sie
den Sireund besuchten!«
»Dan- Stahl ist wohl recht schwer
krank?«
Dr. Schirmer sah seinen jungen
Begleiter prüfend an
»Jawahi. Sagen Sie einmal, Be-- l
baiin, wissen Sie Niemand, der so
; eine alte Geige hätte? Jch gönnte dem
Jungen die Freude —«'
j Fritz sah vor sich hin.
s »Wenn er so krank ift, darf er dann
I wirklich spielen?«
) »So viel als er bei seiner Schwäche
spielen kann, warum nicht? Oder
wenn er Jemand hätte, rer ihm bor
spieite, das wäre auch gnt.«
Fritz schwieg.
»Beste«-lieu Sie ihr nur bald wieder
das freut ihn; und überlegen Sie sich
lmal die Sache wegen einer Geige.
Adio!«
,,Jawohi, Herr Doktor.«
Und Fritz blieb stehen und sah dein
Doktor nach, Hansens Doktor!
Its li- st
Zwei Takte später stand Fritz Be
Ihaim wieder an der Thüre der Obe
I rin und zog wieder artig seine Mütze.
fBekiammen ivar’g ihm zu Muthe,
lganz merkwürdig beklommen. Er
trug einen Geigeniasten in der Hand,
er wollte dem Freund borspieien. Die
Oberschwester winkte wiederum ver
s gniigt
» »Geben Sie nur hinauf, junger
s Herr.«'
s Es war heute ganz still im Haus.
s auch aus No. 5 klang kein Lachen wie
sborgestsern. Fritz klopfte an » nein
die Schwester rief nicht herein, dac
war Frau Stahl’s müde Stimme-.
Sie saß an Hansens Bett. Nun stand
s sie aus.
l »Dein Freund, Fritz Behaim."
» »Dan ist sein« ADzie magere Hand
Htieaie sich wieder sfritz eniaeaen.
i »Was bringst Du verin?«
s Hansens Augen saheii staunen-«
iikach dem Geigenlasteii.
i »Ich aiirste Dir Vorspielen, sagte
i Der Herr Doktor neulich.
i Hansens Augen leiichteten.
I Frau Stahl setzte sich hinter das
ssiopsende des Bettes und stiitzte den
; Raps in iie Hand.
; »Willst Du, Behiiiin?«
s . ,,«Gerii ja. Was soll ich Dir den-i
li iii ielen?«
. Er hatte den Geiaesilasten aiis den
Tisch aestellt und packte sein iustiti
inent aus.
»Was immer Du willst,« und dann
i tanin leiser:
· ,.Brhaiin, Behaiin, Du bist ein sa
g inoser Kerls«
» Un dann wurde es still, ganz still
iiin Zimmer, nur ein paar Töne, ein
sZirpen der Saiten. ein paar Strick-e
; mit Dem Fidelbogen —- noch ein Dre
Ihen der Knebel und dann stanr
iFritz Behaiin da, versonnen den Kopf
gegen die Geige geneigt. Hans Stahi
sah iinverivanat ihn an. Und Fritz
Behaiin hob Den Bogen und spielte,
was all’ die Tage in ihin getlunaen
hatte, das vchiibett sehe Lied: »Vor
Liber, ach vorüber, geh wilder Knocheig
mann!«
Fritz Behaini hatte ziiiii ersten Ma
vor Hörern feine Phantasie gespieltf «
er hatte den lraiilen Freund vergessen .
und dessen Mutter, er hatte seinem
jungen, über-vollenden Empfindeii
Töne verliehen, seinem Mitleid iiiit
dein Freund, seinem Glücksgesiict
über die eigene Krasi und Gesundheit
Da schreckte ihn eine Beiveauna Frai
Stahle aus. Er legte rasch sein Jn
struinent weg, sast befanean fuhr er
sich iibcr sein lediqu Liaar Hans
seufzte tief aus Seine Augen sahe-i
noch nach der Geiae, vie ini Kasten
laa und init ,"seine: si» wachen Stiniinr
saate er:
- »Mutter, siehst Du Mit-Cer, dass Ist
« eine Geiae. zist das nicht schön?—«
i
Fritz stand am Tisch, er strich ein
xaarinai über den Kasten der Nei
und dann, inipulsio, erarifs er sein qe
tiebtes Instrument und legte eg Den-.
; Ist-nnd aufs Vett.
[ »Werft-»i) einmal selbst.«
l Hansesssz Hände assnrk hastig ;i:,
’ viann al«e. glitten sit tkmj
i »Ich -— Deine -- Teine Griaet«
»Z- Seine Augen konnten sich nicht vors
id eni Instrument trennen.
» »Nun ja, wolltest doch einmal eine
iaanze Geige in der Hand haben, Dir
tgeb’ ich sie schon «
. Nun packten die iranten Hände fast
gieria Geige und Bogen; einielne
langgezogene Töne spielte er, der Bo
gen glitt zitternd über die Saiten.
Einmal sahen die tiesliegenden dnni
len Augen zum Freund aus, dann
schlossen sich die Leder über denselben.
Er spielte und spielte nach und nach
aestaltete er die Töne zu Melodien, es
, waren einfache Volkslieden «Jn einein .
kühlen Gründe« und dann: »Ach Du -
lieber Augustin«.
Der Strich wurde müder, die Töne i
zitterten mehr und mehr, ermattet :
aber die Geige hielt er irampshast an
die Brust aepreszt Er öffnete die Au :
aenx mit einem ängstlichen Blick sali
er nach dem Freund
Fritz wandte sich ab; er griss nach
seiner Mütze .
»Wenn Du willst, kannst Du die
Geige hier behalten. Jch hole sie mir
i
isani der Arm des Kranken herab
I
i
moraen oder übermorgen wieder.« l
Ein ruhiges Leuchten ging iiber das I
gelbe, eingesallene Gesicht des Knaben. i
Er nickte ganz wenig mit dem verbun- !
denen Kopf. ;
»Morgen —- oder-««iibermorgen——«
»Ja, oder noch später, wenn Du
nicht mehr daraus spielen willst.«
Und dann trat Fritz Behaim hinter
das Bett zu Frau Stahl. Die griss
nach seiner Hand und beugte ihre
Stirn aus diese junge, gesunde Kna
benhand und Fritz fühlte die heißen
Thränrn daraustropfen. Eine große
Beschämung tam über ihn und als er
auf dem Korridor die Schritte des
Arztes hörte, ca niclte er noch einmal
hastig dem Freunde zu und eilte aus
Dem Zimmer mit schnellem Gruß an
dem Arzt Vorbei. Er eilte durch die
belebten Straßen nach Haufe nach sei
nem kleinen Zimmer oben im Thürin
ctxcn der elterlichen Ville.
Er preßt-e die Stirn gegen ras Fen
ster nnd sah iiber die endlosen Felder
auf eie der Nebel niedersank.
Il· Il- st
Alg tvenizre Tage daraus Fritz Be
haim von der Schule Mittags nach
Hause tam, fano er aus dem Tisch in
seinem Zins-mer seinen Geigenlasten
stehen.
Hatte Hang sich schon müde gespielt?
Beglückt öffnete er ten Kasten. Da
lag auf der Geige ein Zettel.
»Dein treuen Freund ein letzter
Gruß von Hang. Er schlief ein, die
Geige im Arm.«
Fritz trat erschrocken zurück, init
starren Augen sah er auf sein Jnstrn
ment.
Hang Stahl --— todt -- - gestorben
mir seiner Geiae im Arm, er sah im
Geist den Freund liegen, ein Grauen
tan: iiber ihn, ein furchtbare-Z Grauen.
Sein Bdaen hatie in der erlaitenden
Hand gelegen, feine Geiae hatte am
sterbenden Herzen geruht - scheu,
ängstlich griff er nach ihr. Da tlana
ihm des- Todes Troft im Herzen-,
»Sei guten Muth-z ich bin nicht mild,
sollst sanft in meinen Armen schla
ien.«
» Da nahnr er die Geige und den Bo
aen und spielte das Lied, das er im
TKranlenzimmer des Freundes- gegeial
hatt-e. Und er glaubte wieder den
dankbaren Blick aus den Augen des
Freundes zu fiihlen.... Als er den
letzten Ton gespielt hatte, legte er seine
Geige in den Kasten, und es war ihm,
als ob er ein thieureg Verrnächtnii3
empfanaen hätte von dein armen Kerl
Hang Stahl.
--—--—
Tröftlich.
Madame ldas Dienstbuch durchle
senle »Aus allen Stellen sind Sie
wegen Unehrlichteit entlassen worden«
Dienstmädchen lunierbr-echend):
,,Gnii’ Frau, ietzt haben Sie aber
wirklich nichts mehr zu besiirchten.·.
ich habe meine Aussteuer beifauimen!«
Mißverständnis-.
Eine Dame der tröehsten Aristotra
tie, welche besondere- viel aus ibr iu
gendlieheg Aussehen hält, trifft eines-!
Abend- in der Gefellschaft den Baron
von M. Jn der Hoffnung, einen neuen
Triumph der Jugendlichleit zu feiern,
fragt fie ihren gerade in Gedanken
versunlenen Verehrer: »Nun, Herr
Baron, fehe ich nicht heut sehr iuna
aug? Wie hoch schätzen Sie mich ei
gentlieh?« - -- »O. ich schätze Sie hoely
unendlich hochl«
Auf Umwegem
—- .-.,..- » b
»Ach, fcheenes Fräulein, sind wie so
aut und bargen Sie mir fünf Mart.
Ich gebe sie Ihnen bestimmt wieder zu
rück.« - -- »Aber Sie besitzen doch nichts
wie wollen Sie mir das Geld wic
der tetour neben?« -——- »Ach das
bettle ich Ihnen so ratenweife
wieder ab.«
--
Der Brandstifter.
Mit dem Eltern-Jakob war im
Bösen nicht gut Umzugehem und der
Weidenhofbauer hatte sich das nicht
recht überlegt, als er ihn —— da der
Knecht alleweil mehr nach den Mägden
als nach dem Vieh schaute —- eines
Abends zum Hof hinausjagtse nnd setn
Bündel ihm hinterherwarf. Es hätt
sich das besser im Guten gemacht, denn
der Gilterer war ein verbissener und
gewaltthätiger Mensch, und dein
Bauern wäre es wohl gleich schlecht
aeaangen, wenn der Weidenhoser nicht
als der stärkste Mann aus zehn Meilen
in der Runde bekannt gewesen wäre.
So ballte der Eistreter-Jakob blosz
Die Fäuste, tlaubte seine siehen Sachen
von der Landstraße und fluchte einen
furchtbaren Schwur in sich hinein.
Er aing bis zum benachbarten Dorf
und setzte sich dort im ,,.5trug« fest.
Einen Schuppen nach dem anderen
goß er in sich hinein. Beide Arm-e aus
den Tisch nestemmt, den wüsten Rods
in die Fäuste gestützt, starrte er finster
briiteiid vor sich hin. Er sprach m:i
Niemano, und es wagte auch Niemand,
ihn anzureden - — denn wie er so da
ins-« sah er aar zu schlimm aus, der
Gilterer.
Die Bauern waren nach und nach
längst heimgegangen Nur der Jakob
saß noch genau so da, Iwie vor ein
paar Stunden. Endlich —-- es war
schon nach Mitternacht —-- rappelte er
sich wie unter einem festen Entschluß
aus. Er ergriss sein Bündel und pol
terte davon, so voll schwarzer und gif
tiger Gedanken, das-, er auf die Zeche
Vereins-. Aber der Wirth war herzenis
froh, den unheimlichen Gesellen log zu
sein. Er lief; ihn ziehen.
Eine kleine Stunde später tlekter:s:
eine anntle Gestalt iiher den Etatete!::
zaun und die Stachelbeerheeie, welche
den Weidenhcs hinten nach dem Felse
zu aharenzten Mit ein paar rasch:n,
aber lautlosen Bewegungen hatte der-:
c
UlkLchJLllUU Ulc llctlc Ouzchllc cL
reicht und blieb hier, indem er sich hatt
an Die Wand oriickte, eine tleine Weite
oerschnauseno stehen. Aug dem Dunkel
funtelten nur seine tückischen Augen
wie Die einer Katze.
Da sich nicht«- regte, aina er um Die
Scheune herum bis-«- zur nächsten Late,
hob Die Leiter heran und klomm hin
aus« Die Scheuer war voll bis oben
an, so Das-, oer Segen rast aus den LI
ken quoll. Mit ein paak Gassen hem- «
Der Gilterer .i;oei, drei Garben so weit
herauf-, oaß sie wie Zunoer aufslan1- j
men und das- Feuer sofort auch Dass
Dach ergreifen mußte
Jetzt warUJ geschehen Noch einen
Moment -er brauchte-nur das ZiinD
holz hinzuhattem oanu «
Aber es flammte nicht aus. Der
GiltereriJatob suchte uno suchte in
seinen Taschen, dass ihm Der hesle
Schweiß aus den Poren brachSchließ
lich setzte er sich aus eine der obersten
Sprossen und traute sich unter der
Mütze.
»3atra, satra!« fluchte er in sich
hinein, ,,jetit wer gibt mir a Hölzl ’«
«--·OO--—
Die Sprache der Kerzen.
Als tiaiser Joseph Der Zweite im
Jahre 1776 seine Schwester Marie
Antniuette, oie Gemahlin Luowiag des
Vechwhn en in Versailles besuchte
schan dieser auch einen gemeinsamen
Besuch der königlichen Abtei Saiut
Denis vor, und zwar um so mehr, als
er sie selbst noch nie gesehen hatte. So
wurde aus Anregung veg Kaisers ein
Jneognito Besuch um Mitternacht
verabredet. Der Prior der Kirche
wurde aufgefordert, die Pforten der
Kirche offen Zu halten und diese zu
beleuchten, um Den Be such einer srem
den vornehmen Familie zu enipfan
gen. Nach Mit ernacht brach dag tö
nialicbe Paar mit dem Kaiser und der
Princh sin Lamdclle auf; Utarie An
toinctte war ent,iiclt iiiter oag geheim
iiißvolle Abenteuer oiig ihrer Haut-:
Die Fahrt ging, da man Paris um
gehen wollte riber Saint Cloud,
durch dass Bois de Boulogne und auf
Dein Chemin de la Revolte. Jn Saint
Denig war Alles in Beweiungx man
almte, das; Der Kaiser tommen, aber
nicht, daß er oom Könige und der Kö
nigin begleitet sein -Verde. Ein als
Jocley verlleideter Page meldete dem
Prior die Ankunft der fremden Gäste.
Dieser erkannte dieselben und geleitete
sie, nachdem sie in einem Saale eine
Erfrischung zu sich genommen hatten,
in die Kirche. Der Kaiser führte diel
Königin, der König die Priiizessins
Lamballe, und alle Vier die bisher in
iibermüthiger Stimmung gewesen,
wurden auf einmal ernst und schweig
sam Mönche gingen voran und er!
tliirten die zahllosen Denlmale nn ge
iveihter Statte Allenthalben Grab-»
male mit den Abzeichen der lönigli !
chen Würde Der Kaiser betrachtete;
mit stoischer Ruhe die Mausoleen der
Merovinger, der Knrnlinger und der
Abtömmlinge Hugo Capets, aber den
König und die Königin und die junge
Lamballe über-lief es lalt, «und sie
schlossen sich unwillkürlich enger an
einander an. Sie hörten vor Erre
gung die Erklärungen des Priors nur
halb; dieser bemerkte es und wollte
die bedeutsame Lettion abtiirzen. Da
fragte der Kaiser beim Anblick einer
offenen und erleuchteten Gruft:
,,Hochroiirden, wohin führt dieses Ge
wölbe?« und der Prior erwiderte:
,,Jn die unterirdischen Räume, wo die
Sprossen aus dem Hause der Bont
bonen ruhen« — ,,Also zu Heinrich
IV. und Ludwig XIY.«, rief der
Kaiser, und, zu seinem Schwager ge
gewendet, sagte er: »Mit Ihrer Er
laubniß, Sire, wollen wir hinabstei·
gen; anticipiren wir das künftigeErb
theil!« Der König machte ein sauer
siißes Gesicht zu diesem Witz, und die
Königin erschauerte. Auf der untersten
Stufe angekommen, versperrte ihnen
etwas den Weg: es tvar ein langer
und schmaler Gegenstand, bedeckt mit
einem weittvallenden Sammetteppich,
in dessen Mitte ein weißes Kreuz ein
gestickt war und in den Ecken das
sranzösische Wappen; das Lilien
Wappen, dar DoppelsL und die Kö
niagkrone oervollständigten den
Schmuck dieses Leichentuches. »Was
ist das?« fragte der König. Und der
Prior erwiderte mit leiser Stimme,
indetn er sich tief verneigte: »Der
Sarg des Vorgängers Eurer glorrei
chen Lthajestijt.« »Was?« rief erblei
chend die Königin, ,,ist dass ein für
unsere Ahnen würdiger Platz?« Die
drei Mönche zogen ihre Kapuzen über
den Kopf und warfen sich auf die
..8tniee.· Kurze-s Stillschweigen folgte,
dann hies; der König sie aufstehen
nnd der Prior- nntwortete auf die
Frage der Königin: ,,Majest«cit! nach
altem, geheiligtem Brauche erwartet
hier an der untersten Stufe derTreppe
der letzte neschiedene König seinen
Nachfolger, nnd erst wenn dieser
kommt, nimmt er den für ihn refer- ,
visit-n CJUAiJ pin Rief-»- Grind-Lyku
hier trägt so viele Kerzen, als der Kö
nig Jahre regiert hat; sie brennen
Tag und Nacht; denn sie dürfen nie
erlöschen. Würden sie eines Tages
nicht mehr brennen, so bedeutete dass
ein großes Unglück.« Das Königs
paar und die Prinzefsin warfen sich
auf die Kniee und beteten ein «De
prosundig«, in das die Uebrigen ein
stimmten. Da fuhr plötzlich ein
scharfer Lust ug durch die Gruft, hob
dreimal oaS Bahrluch empor, stieß an
den standelaber und löschte Viele Ker
zen ang. Es brannten nur noch 17
- man befand sich damals im Jahre
177l5. Alle schrieen entsetzt auf und
die Königin fiel ihrem Gemahl in die
Arme. »Fort, fort!« rief dieser und
zog die Königin nach, während der
thaiser die ohnmächtig gewordene
Lamballe stiitzre. Nun gings in aller
Eile nach Versailles zurück. Niemand
sprach, aber Jeder berechnete in Ge
danken: lTTti und 17 macht 1793 —
oaii derhänaniszvolle Datum!
Diese Sage klingt recht gräßlich,
aber schade, daß dergleichen Geschich
ten nicht vor, sondern immer erst nach
drin Eintritt einer Katastrophe erzählt
werden.
— ——·-.-——
lsin Thier-freund.
A.: »Wie, Sie wollen nach Marien
bad? Sie sind doch nicht zu dick?«
Coniinerzienrath: »Nein, ich nicht,
aber mein Dackl!«
Ausfchncivcrci.
»Als- wag hast Du Dich hier nieder
gelassen Z«
»Als praktischer 2lrzt.«'
»Renotnn1ist!«
Wenn die Herrschaft aus dem Hause ist.
Stubenmädchem »Sagens, Johann,
könnt i net ganz gut die Gnädige vor
stcll’n?« -—-Diener: »Na, Mali, Un
s«
verschämt genug sind Sie dazu.
Mißverständnis-.
Professor: »Nach Oeffnung der
Schädeldecke gelangt man in’g Gehirn;
lzu einem der Zuhörer): »Wohcn ge
lange ich nun, Herr Studiosus, wenn
ich einen Hammer nehme und damit
kräftig ans Ihren Kopf schlage, daß
die Schädeldecte svaltet?« —— Student:
»Den Unt ersnchnngsban
Besenme
Finnstnialer lbal einen Herrn its
ganz er Figur gemalt und fragt nun
dessen mitanmefc noen guten Freund):
»Na wie gefällt Ihn-In tag Bilo
ihres Freunkth Ich meine in Bezqu
ans Aehnlichkeit«
»Na, die Stiefel sind ja sehr ähn
lich geivor·.«den
tssr läßt sich überzeugen.
Nichter: »Wir haben Sie hier schon
so oft abnrtheilen müssen. Immer
haben Sie die Entschuldigung daf;
Sie trunken gewesen seien. Warum
trinlen Sie denn so viel?«
Angeklagter: »Ich habe immer so
großen Durst. «
Richter: »Dann trinken Sie doch
Wasser«.
Angellagter: ,,Daran habe ich noch
gar nicht gedacht!«
Der zerstreut-: Professor-.
Frau: »Aber lieber Mann, Du bist
jetzt ten ganzen Tag aus der Jagd
gewesen unb hast nichte- geschossen, ich
glaub’, Du hast nicht einmal einen
Hasen geschenkt«
·Mann: »O doch! So gegen Abend
hin eine ganze Masse, aber bent’ Dir
nur, wie ich schießen wollte, merk ich,
daß ich mein Gewehr vergessen babe.«
Frau: »Aber lieber Mann, Du hast
es ja doch noch umhängen!«