Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 24, 1902, Sonntagsblatt, Image 16

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    Ewgell OTTO MADE-ZWEIF
Roman von GENIUS-e TIERE-NO
Autorisirte deutsche Uebersetzung von E. Iszzjzzizä
LWQVKLLOQ · O « 00 o c« oo c GWXIAÄÆCSZJW Fig
FRA- - Las? dde KOCH dgl-ALLE -
du« us
IvvvffffffssffssfsfsIfffvfl
(13. Fortfeyung. ) l
»Ja! Du weißt doch, daß ich nicht
allein in London umherwandern
tannl« «
»Seht wahr! Aber, wenn Du den;
Andern nun begegneft!?« i
Francesta zuckte geringschätzig dies
Schultern. »Laß Das meine Sorge
fein madre mia! Schärfe nur Jofef
noch einmal ein, das nicht zu vergessen, »
was ich ihm aufgetragen. Du weißt,
es konnte Unheil daraus entsiehenl«t
Der Alten eine Kußhand zuwerfend,z
glitt sie aus dem Zimmer.
Etwa eine halbe Stunde später half ;
ihr auf dem Perron der Station Wa- ·
terloo Viktor, der ihrer bereits unge- i
duldig geharrt, beim Aussieigen aus;
rein Conpee. ;
,,Endlich, mein Engel!« flüfterte er. -
Endlich fünf und eine halbe Stunde; '
allein mit Dir!« j
Was ihrer, nach Ablan jener füan
und einer halben Stunde harrte, ahnte ;
Francesla nicht! —- — i
XIX.
Die Abendsonne fentte sich über
Revelsworth-Houfe. Auf ihren Lieb
lingsplatzq im Erkerfenster ihres Zim
mers, saß Frau Margareth und blickte
sinnend, einen geöffneten Brief vor sich ,
im Schooße, auf die, zu ihren Füßen
lich ausbreitende Landfchaft hinaus.
Zuweilen hob ein Seufzer ihre Brust;
ihr Gesicht verrieth Spuren kärglichen
heftiger Erregung.
Die Gestalt der alten Dame war
nicht mehr so straff wie üblich; sie saß
zusammengefunlen da, die Augen wa
ren- von Schatten umgehen und ver
riethen Müdigkeit sowie eine gewisse
Troftlofigteii. Wer sie vor ein paar
Monaten gesehen, würde sie jetzt kaum
wiederertannt haben, so auffällig war
III-s m0v30b0nIssf Nos- DIn ten-«- Wonn
us Us·--s--sw - w-· --·- -- ----».
ten noch hatten keine Spuren des hohen «
Alters sich an ihr bemerkbar gemacht, »
jeht war sie in der That eine Greisin! z
Es mußten eigene Dinge sein« die«
der Brief vor ihr enthielt! Hin und
wieder nahm sie denselben empor, und
jedesmal zitterten dabei ihre Hände
merklich. »Wenn ich es geahnt hätte!«
murmelte sie, »Wenn ich es geahnt
hätte!« —
Eine Weile noch starrte sie wie mit
einem Entschluß ringend, vor sich hin,
dann drückte sie auf den Knon der vor
ihr stehenden KlingeL
,,Betth«, sagte sie zu der Eintreten
den, »sieh’ zu, ob Franresta bereits aus
London zurückgekehrt ist! Wenn so, er
suche sie, sich sofort zu mir zu bemü
hen!« — Der Ton ihrer Stimme klang
scharf und bestimmt.
Betty verschwand. Etwa fünf Mi
nuten berftrichen, da klopfte es an die
Zimmerthiir. Franceska trat ein. Sie
hatte ihre Straßentoilette gegen ein
leichtes, lichtblaues Hauslleid ver
tauscht, ihr Haar in einen griechischen
Knoten am Hinterkopfe geschlungen
und sah verführerischer aus denn je.
Unbesangen trat sie auf ihre Tante zu. «
Der Ausdruck der forschend und streng
auf sie gerichteten Augen, mehr noch
als dieser des auf dem, vor der alten
Dame liegnden Couverte befindliche
italienische Postzeichen, ließen sie in
dessen zusammenschrecken. Franceska
schien zu wissen, was ihr bevorstand,
faßte sich aus diesem Grunde auch
chnell. »Sie haben mich zu sehen ge
viinscht, theuerste Tante?« fragte sie.
»Ich hoffe,- es ist nichts Unangenehmes
passirt!«
Frau Margareth richtete sich steif
empor. »Ich habe Dich rufen lassen,
um Aufklärung von Dir zu verlangen,
Aufklärung über die schmachbare Art
nnd Weise, in der Du Dich unter mein
Dach gzschlichFn-·ii·l)er die inigem mit
, 14IU
Uclccll UU IIUW III-»Es gcs UUIWL
Die Anklage kam unvorbereitet.
Frau Margareib fab es und gab Fran
eesta keine Gelegenheit, sich zum anbe
ren Male zu sammeln. »Die Frau,
die Du mir aufgehalst, der zu Liebe
Du angeblich Deinem Dir zukommen
ben Erbtheil entsagen wolltest, ist nicht
Deine Mutter!«
Jeder hauch von Farbe erstarb in
Franceskck s Antlit, doch ihre Lippen
zuckien nicht, auch ihre Stimme eni »
bebrte keineswegs der Festigkeii.
«Wirtlich nicht? Und wer isi sie
denn?«
»Das zu erklären, habe ich Dich ru
fen lassen! Jn diesem, mir von meinem
Korrespondenten in Rom zugegange
nen Briefe siebt, daß Deine Mutter,
die Komiesse Conti oder Frau Bebels
worib vor zwanzig Jahren in Rom
gestorben und dort auch begraben ist!«
Sof« höhnie Franceskm Was
MU«
.Bas medi« Frau Margareib warf
ihr einen ruhigen Blick zu. «Sonfi «
fleht noch darin, daß Du mit sechzehn -
Jahren bereits Zeit einein italienis
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rights Diebe Es Yäerfesevefg -
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Im gestorben, offen als Ma resse
"vvvavvvfffffffffffffffff’
eines jungen englischen Wüstlings und
Thunichtsauts in den Straßen Roms
umhertutschirtest. daß Du Männer in
Deine Netze locktest nnd sie plündertefi
Erkläre mir, was haft Du hieraus zu
antworten?"
In Francesla’s Augen lammte es
jäh und drohend auf. « ichts und
dennoch sehr viel! Jene Frau da oben
im Zimmer. jenes arme gelähmte Weib
ist meine Mutter, meine Pflegemutter,
meine Amme, die, als mein erster Gatte
gestorben, als ich hilflos, verlassen in
der Welt dastand, mir beisdrang, die,
während Du, meine einzige lebende
Verwandte in Reichthum schwelateft
und Dich nicht um das einzige Kind
Deines Schwagers kümmertest, siir
mit-h hungerte und darbie. Es ist wahr,
ich war verheirathet, zweimal verhei
rathet! Es isi unwahr, daß ich eine
Maitresses Jch heirathete nach dem
Tode meines ersten Gatten Herbert
Dedereu. Jene zweite Heirath war
mir der Strohhalm an den der Ver
zweifelnde sich antiammert; ich hatte
teine Existenz mehr, keine Zukunft!
Dir bin ich nicht Rechenschaft schuldig
für mein Thun, war es nie! Dir steht
es am Allerwenigften zu, über mich zu
Gerichte zu sitzen. Von vornherein war
Dein herz gegen mich. die Fremdge
borene eingenommen« von vornherein
suchtest Du, meinen Aufenthalt unter
Deinem Dache so unangenebm als
möglich zu machen, Du umgabst mich
mit Spinnen, Du schicktesi Spione aus,
mein Vor-leben zu erforschen, nun haft
Du wohl Deinen Zweck erreicht?!«
Sie stand hoch ausaerichtet, in her
aussordernder Haltung da. Frau Re
delsworth maß sie, noch immer eisigen
Blickes, von oben bis unten. »Deine
Sprache und Dein Benehmen ist das
einer Iheaterprmzemn wurma. Ja:
sehe. Du hast nicht umsonst jahrelang
als fahrende Künstlerin gelebt! Der-.
Namen Reoelsworth aber bist Du zu
führen nicht mehr berechtigt, sollst Du
hinfort nicht mehr führen! Es soll
tlar werden zwischen mir und Dir.
Des Antheils an dem Vermögen der
Revelswotth gehst Du selbstverständ
lich verlustig; es giebt fortan nur noch
zwei männliche Sprößlinge des Ge
fchlechteg. Umtommen sollst Du des
wegen nicht. Jch achte den Namen, den
ich trage, hierfür zu hoch. heute Abeno
noch werde ich meinem Sachwalter
schreiben, der Dir ein Jahresgehalt,
hoch genug, um damit anstänidg zu le
ben, auszahlen soll, jedoch nur unter
der Bedingung, daß Du binnen vier
undzwanzig Stunden mitsammt Dei
nem Anhang dies haus verläßt. Ver
stehst Du mich?«
Ein Blick unsagbaren Hasses looerie
aus Francestcks Augen auf. »Noch
Deinen Eröffnunaen hatte ich nichts
anders erwartet! Der Schlag biet ge
gen mich und eine hilflose Arme setzt
Deinem bisherigen Verhalten gegen «
mich die Krone aus. Jch mag in Dei
nen Auan verächtlich scheinen; Dui
bist indessen die Vesiichuichexe Es ist!
leicht, von warmen Pfuhl aus überi
Frierende zu richten. Nimm Deini
Geld, behalte es, thue damit was Dir
beliebt, mich soll es nicht rühren!«
Sie trat einen Schritt näher aufi
die, im Stuhl Sitzende zu. sodaß diese, i
von plötzlichem Angstgefithl erfaßt. eine
ausweichende Bewegung machte. Fran
resca sah es. »Für-hie Dich nicht; Du
hast keine Ursache hierzu« fuhr sie fort.
»Ich gehe, wie Du mich heißt. Eines
nur bitte ich nicht, ich verlange eB:
nämlich, daß Du den Namen Revelss
worth, an den Dir so ungemein viel ge
legen. noch aus vierundzwanzig Stun
den, hörst Du, Tante Margareth. noch
auf vierundzwanzig Stunden schonst!
Du wirst mein Richter-scheinen an der
Dingertafel den«Uebrige.n— gegeniiber
unschuldiqu uno Du wrrn nm reiner
Silbe dessen, was zwischen uns Beiden l
hier soeben verhandelt, erwähnen! Jch
habe einen Anspruch auf den Namen
Revelsworth, und in jenem Namen
sordere ist dies!«
Jhre Augen bohrten sich in die der
alten Dame, und diese siihlte ihre fas
rinirende Macht. Wie einem Vogel
unter dem Blicke einer Schlanae, ward
es Frau Revelworth Ein entsetliches
Anaiigefiihh wie von einem drohenden,
unabwendbaren Unheil, bemächtigte
sich ihrer; vergebens suchte sie, desselben
herr zu werden. »Ich verspreche!«
sagte sie scheu. »Jch«! fügte sie leiser
hinzu.
«Danle! Gute Nacht, Tante Mar
zuteil-F
..Gute Nachtt« -
Jhre hände berührten sich nicht
Francesla wandte sieh ab; hinter ihr
schloß sich die Tbiir.
Draußen, in der Halle, ließ sie die
Maske fallen. Wie eine Furie stürzte
iie die Treppe zu ihrem Zimmer empor.
Bieieh einer Furie stiirmte iie u Frau
darold. Email-en sind r, ver
kauft. verstoßen!« ieierte sie.
Mit fliegenden Worten theilte sie ihr
nit, was vorgesacem Deine Schuld
Esi ei, Deine! ries sie. Watte ich Dir
i
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i men. »Der Andere? —- Jch bin nicht
. sie wußte, was in ib: vorging. »Wie
siet auf-trugen Ist-di thesi-ist
fen. ein Weines Iuge auf den Post
boten zu halte-M Darum that-est Du
es nicht-i Warum liest Du den Teufel
der alten Dame einen Brief aus Rom
in die Hände spielen?«
Sie packte die Alte und schättelte sie.
»Sag', was thun wir nun? Zinnen
vierundzwanzig Stunden sollen wir
das Haus räumen! Hast Du wieder
Luft, Hunger zu leiden? Weißt Du ei
nen Ausweg? Weißt Du einen, so sagf
ian« «
»Täubchen! Täubchen!« flehte die
Atte, unter den Fingern Franceslas
sich kriimrnend. »Sei nicht so grob!
Hat-· ich Dich je im Stich gelassen?,
Habe ich nicht stets Alles gethan, was x
Du von mir oerlangtesti Sage mir,«
was Du willst, was ich thun soll, und ;
es geschieth Sag« es mir, cera mia!« l
Ein Unheimliches Feuer loderte in
den Blicken Franceslcks auf. Sie ließ
den Arm der Alten fahren uno trat zu
rück.
Der Knoten ihres Haares hatte sich
gelöst; wie ein Mantel unsluthete sie
dasselbe. Wie sie so dastand, den Blick
ftier in die Ferne gerichtet, die Finger
ihrer schlanlen hände noch immer in
Wurb und Erregung zucken-, ver
Mund leicht geöffnet, die Züge ver
zerrt, glich sie einer Medusa.
Die Alte sah es; sie hatte Franxesla
oft in solchem Zustande gesehen, und
siebt’s mit den Andern?« fragte sie
plötzlich und lauernd.
Als ob die Frage ibr neues Leben
eingehaucht, guckte Francesla zusam
umsonst fünf und eine halbe Stunde
allem rnit ibcn in London gewesen!«—
Hisseno und triumphirend kamen die
Worte über ihre Lippen. Dann, einem
olöhlichen Impulse nachgebend, beugte
sie tief zu der im Armstuhl hockenden
herab.
»Ich hatte andere Pläne mit ihnen
gebaer flüsterte sie, ,,andere! Mögen
die tbeure Tante es nun sich selbst zu
schreiben, wenn ich dieselben änderel"
XX.
Vittor Revelswortb hatte, oeeabre
oetermaßen, London eine Stunde spä
tee als Francesta verlassen, und wa:
ers: turz oot Anbaben ver Yinnertasel
III-US MUUIG HUIUUHILIULL Ollslcczs,«scc
sich :n allerhand· Vermuthungen itber
dag- ":1usbleiben seines Stiefbruders
während des Nachmittags ergangen
dat:e und der wohl auch ahnte, daß er
ein Stelldichein mit Francesta in der
Metrovole gehabt, beobachtete ihn
während des Essen-s unablässig. Daß
Francesta selbst der Tafel fernblieb,
fiel ihm nicht sonderlich auf. Frau
Margareth hatte das Nichterfcheinen
ihrer Nichte durch Kopfschmerzen ent
schuldigt und zeigte sich wenig gespeis
chig. Betty saß meist in Gedanten
versunken da und schien ihre frühere
Lebhaftigteit gänzlich verloren gu ha
ben: um so mehr Gelegenheit hatte
Duoley, seinem Bruder alle Aufmerk
samteit zu fchenten. Letzterer schien
neroöser und aufgeregter denn je.
Fo:twiihrend mit Messer oder Gabel
spielend — eine Angewohnheit, die ihn-.
früher nie eigen —, sprach und gestim
lirte er mit jener Haft, die gewöhnlich
Zeichen lebhafter Beunruhigung oder
eines krankhaften Zustandes ist. Sein
Aeuszeres ließ auf letzteren schließen·
Sein Gesicht, obwohl geröthet, war
eingefallen, seine Augen lagen ti. in
ihren Höhlen, der Glanz derselben war
ein fieberhafter, unnatürlicher.
Schweißtropfen sammelten hie und da
sich auf feiner Stirn, und beim Spre
chen tamen hin undwieder die Worte
nur stockend iiber feine Lippen
.Du solltest nicht so oft Dich der
Thauluft aussehen, Bittor!« sagte
Dud y, als gerade wieder eine jener
beängftigenden Pausen in der Kondu
sqtion eingetreten. »Dein Aussehen
gefällt mir in letter Zeit jeden Tag
weniger. Denken Sie nicht auch so,
Tante Margareth?«
Frau Redelsworth nickte zustim
mend. »Es wäre am Besten, Du kon
sultirteft einmal Doktor Vernon oder,
wenn dieser Dir nicht zusagt, Sir
Champenerey. eine Autorität auf dem
Gebiet donjiebertkantheitem Wenn
Du es wunsmem rane im kyn aus kno
gen hierher ersuchenlst
Viktor schüttelte ablehnend den
Kaps. »Nichts ba, ma chere! Jhr Beide,
Du und Dudley, beunruhigt Euch un
nöthig. Jch glaube, das Gespenster
sehen ist in Nebelsworth-House letzter
Zeit zur Manie geworden!«
Er sah Betty lachend an, die unter
seinem Blicke erröthen. Dudley kam ihr
zu Hilfe.
Es giebt Gespenster, die auch bei
helfem lichten Tage umgehen, und die
siir Jedermann, der sie nur sehen will,
sichtbar!« sagte er. »Daß Dein Zu
stand kein normaler und daß derselbe
lange nicht mehr, der er war, kann ein
Blinder mit dem Stocke fühlen Du
selbst gestand’st dies erst gestern ein.
Es ist Unrecht da Du uns jeht wieder
über ihn zu thus n suchst! Du thätest
besser daran, aus Tante Margareths
Rath zu hören!«
Nach ausgehebener Tasel folgte
Dubleh seinem Bruder aus die, ihnen
beiden eingeräumte-i Zimmer. Jn ei
ner Fensternische ihm gegenüber Platz
nehmend, legte er ihm vertraulich die
Hand aus das Knie.
»Bitte-r, laß mich mit Dir sprechen,
wie wir als Knabensgäsammen ge
than!« sagte er. nicht mehr
r iiherr. Ein unseliges Etwas
hat gepackt nnd get an Dir.
Was es ist, weiß ich: ine Liebe zu
Franeestai Du ertliirtesi gestern, sie zu
einer Entscheidung drängen zu wollen.
Hast Du es gethan nnd welche Ant
wort hat sie Dir gegeben?«
»Bist Du in solch-er Sorge um Dein
eigenes Schicksal?« —- Biitors Lippen
iräuselten sich spöttisch. Er versuchte,
sich der vertraulichen Berührung Dud
letfi zu entziehen, und langte nach der,
aus dem Fenstersims stehenden Cigar
tentisir.
»Nicht in Sorge um mein Schicksal
Viktori« Dudleh zog die Hand vom
Knie seines Bruders und legte sie ihm
auss den Arm »Laß mich Dir etwas
bekennen, Bruder! MeinsGesiihl siir
Irancesta hat seit gestern Nacht eine
Wendung erfahren. Es mag Dir
merkwürdig erscheinen, umso merkwür
diger vielleicht nach den Vorgängen
letztenNacht die mir wie auchDir jeden
falls mehr als besonders ausgesallen.
Jch selbst lann diese handlung mir
kaum erklären, dennoch ist dem so! Den
ganzen Tag lang bin ich heute mit mir
zu Rathe gegangen; ich habe die Sande
an mein eigenes Herz gesetzt, ich weiß,
daß dasselbe in Liebe schlägt, doch nicht
Liebe zu Francesta!« ;
»Nicht siir Francezia?" Vor Stau
nen ließ Bitior das Schweselhokz, das ’
er soeben entzündet aus der Hands
gleiten. »Für wen denn? Betty Man- i
nington?« i
Dudleh schaute zur Seite. »Lasse!
sie vorläufig aus dem Spiel, Bruder! l
Ich will mit Dir über Franxesia reden. l
Reiße Deine Liebe zu ihr aus dem Her
znk Sie ist Deiner nicht werth!'«
»Nicht werth? Warum? Woher
kommt Dir diese plöyliche Wand
lang?«
»Sie kam plötzlich, ich gestehe es ein,
aber — sie ist nichts desto weniger rich
tig! Viktor, höre aus mich. Francesta’s
Nähe wirkt aus Dich wie ans mich, wie
ein Rausch. Fern von ihr kommt die
Erniichterung. Ein Rausch war es,
der gestern Nacht noch, ali- sie aus Se
kunden in meinen Armen lag, mich
durchwogtr. Francesta treibt ein Spiel
mit uns Beiden. cie ist eine
Schlange!«
Viktor sprang aus. sähe, flam
mende Nötbe bedeckte sein Gesicht
»Schweig!« rief er. »Du lästerst2 Jch
verbiete Tir, in solchem Ton von
Francesia zu reden. Bist Du von
Sinnen? Redest Du irre? Jch bete
Francesia an. Sie ist ein Engelt«
»Ein Engelis Ja, ein Engel der
Finsternisz2« —
Auch Dudtey war ausgestanden. Mit
großen Schritten durchmaß er das
Zimmer. »Eine eigene Unruhe hat sich
seit gestern Nacht meiner bemächtigt.
Mir ist zu Muthe, als ständen wir
Alle hier aus einem Mater, der jeden
Augenblick sich össnen und uns ver
schlingen kann. Gott weiß, daß die
Revelsworth’sche Erbschaft mir wie ein
unseliges Berhiingniß vorzukommen
beginnt. Vom ersten Augenblicke an
mißtraute ich Franeestaz warum, will
ich Dir nicht jetzt grade erklären; ihre
Schönheit indessen berückte mich, ihre
Nähe strömte einen magnetischen Zau
ber aus; ich sagte es mir, suchte ihm zu
entfliehen, um dennoch immer wieder
von Neuem ihm zu unterliegn. Jeht
endlich ist der Bann gebrochen. Jch
beginni, gewisse Vorgänge zu verstehen,
sie in anderem Lichte zu betrachten.
Entziehe Dich eine Zeitlang France-J
ta·s Einfluß, Bitt-on ich beschwöre
Dich. Besuche aus ein paar Wochen
unsere Mutter! In der reinen Atmos
phäre, die sie umgiebt, wirst Du ge
nesen, glaube es mitt«
Dudley hatte mit Wärme gespro
chen. Bei den lehten Worten stieg es
feucht aus in seinen Augen.
Viktor sah es. »Ich begreise Dich
nicht, Dudley, ich verstehe Dich nicht!
Sage mir, woher bist Du aus einmal
so umgewandelt, was hat aus einmal
Dich derartig gegen Franceska einge
nommen?«
»Ich selbst weiß es nicht! hast Du
kon?21hnungen je etwas gehört, Vit
or «
»Ahnungen und Gespenster! Da ha
ben wir es wieder! Jch glaube, nicht
ich; Du bist es, dem Lustveränderung
aut thun würde! Revelswortb-bouse
brütet GespensterfurchtS Jch habe nicht "
gedacht, daß mein großer, verständiger
Bruder von ihr je angesteckt werden
könne. Indessen, verzeihe, wenn ich
nicht länger auf Deine Grillen einzu
gehen Lust spüre. Die Luft im Zim
mer hier droht mich zu ersticken. Der
hals ist rnir wieder wie zugeschniirt.
Ehe ich mich niederlege, möchte ich
draußen noch eine zeitlang Athem
schöpfen! Weiteres sonst hast Du doch
nicht auf Herzen?« —
»Sonst nichts! Gute Nacht, Viktori«
»Gute Nacht, Dudleht Und siehst
Du wieder Gespenster, grüße sie oon
mir!« —
Viltor griff hat und Stock, und
aufseufzend ließ Dudleh sich von
Neuem in den Armsessel gleiten.
Eine ähnliche Scene wie zwischen
den beiden spielte sich sast um dieselbe
Zeit in den Gemächern der Frau Re
velzworth zwischen dieser und Betty
Mannington ab.
Etwas frikher denn sonst hatte er
stere sich auf ihr Zimmer zurückgew
gen. Ihre Lebtage hatte sie auf die
Dienste einer Zofe verzichtet, aber
Vetty biirstete und otdnete ihr regel
mii ig das Haar, legte ihre Uhr, das
Ra tlicht, das Gerstenwasser sowie
einen Roman neben ihr Bett auf den
Tisch und gab ihr, ehe sie die »Gewi
nen zugeg, noch einen Ku.
Bei der Rachttoilette war die alte
Dame sehr schweigsatn und eufzte
mehr als einmal schwer auf. hrerni
Versprechen gemäß spielte sie jedoch
niit teiner Silbe auf die unliebsame
Unterredung. die sie rnit Francedta ge- J
habt, an.
Jch bin mein Lebtag eine zarte Frau »
gewesen, Betth," äußerte sie, schon im!
Bette liegend und das junge Mädchen «
mit rührendetn Ausdrucke ansehend.
»Bielleicht wäre ich milder geworden,
wenn ich Kinder gehabt hätte. Aber
» wir Redelsworth sind eben teine milde
TFamilir. Jch arbeite und warte, ist
unser Motiv, weißt Du, und unser
Wappen eine geballie Hand in einem
Fausthandschuh, dessen Bedeutung,
nach meiner Auslegung ist:,Schlag’
fest zu, wenns nöthig ist! Wir sind
eine harte, zähe Familie gewesen. Sehr
bald werden wir noch zwei von uns
übrig fein —- Viltar und Dudley."
»Und Francesla," sprach Frau Re
delgwortb nach einer Pause nach. »Ich
hätte die beiden Jungen gern verheira: l
thet gesehen und Kinderchen um sie
berumwachsen, die den Rainer-. weiter
führen.«'
»Da-S wean sie auch, liebe Frau
Redelswarth. werden sie auch!«
Die alte Dame schüttelte mit den-.
Kopf· »Sie sind beide behext" mur
melte sie. »Ich würde mich gefreut ha
ben, wenn Dudlen Neigung zu Dir
gefaßt hätte, und Dir würde es auch
gepaszt haben, Du bist ein gutes treues
felbstloses Mädchen! Jch fürchte, ich
bin in den fünf Jahren, seit denen Du
um mich gewesen,irsanch1nal hart ge
ten Dich gewesen!«
»Sie sind immer, immer gütig zu
mir gewesen!" rief Bettv. »Ich kann
Siedar nicht so sprechen hören!"
» ürdest Du meinen Neffen Dud
leh geheirathet haben. wenn e: um Dich
angehalten hättes« fragte die alte
Dame nach kurzer Pause.
»Ich würde glückselig gewesen sein!«
gestand Bettp WAber bitte, bitte, liebe
Frau Redelsworth äußern Sie ja zu
Riemandeny daß ich das gesagt habe.
Er macht sich in dern Sinne garnichtö
aus mir und ich möchte nicht« urn Alles
in der Welt, daß er je erführe, daß ich
ld albern gewesen« mich in ihn zu ver
c:-c-- «
»L-on mir soll er es niemals erfah
ren, meine Kleine,« versicherte die til-c
Dame, Betth die Hand ftreichelnd:
»Dort nun mußt Du mir »gute Nacht«
fagen, Lenn ich fühle mich ganz abge
spannt. Jch habe vorhin etwas Auf-·
regung gehabt, nnd wir, alte Leute,
löst-sen Aufregung nicht mehr vertra
sent«
»Gute Nacht, liebe Frau Bebels
woril). schlafen Sie sanft!« Betth
beugte sich iider sie und drückte ihre
Lippen auf die Stirn der alten Dame.
»Gute- Nacht, mein Kind, und —
Gott schätze Di !«
xXL
Ein paar Stunden später lag Re
relswotth - Hause wie ausgeftorden.
Die Nacht war schwül, Wollen deckten
den Himmel, kein Lüftchen regte sich.
Wie ein riesiges schwarzes Ungethiim
hob der langgeftreekte Bau sich vom
nächtigen himmel ab. Zwei einsame
Lichter warfen aus ihm ihren Schein
in die Dunkelheit hinaus. Das eine
im linken Flügel, jenem Theile des
Baues, den das Dienstperfonal hergte,
das andere im rechten Flügel und in
den Apartments, welche Frau harold
und« Franceska innehatten. Jm Park
ringsum herrschte tiefe Stille, nur hin
und wieder rafchelte es im Lauhe, nur
hin und wieder streifte ein Rachtvogel
die Kronen der alten Bäume in scheuem
Fluge. Jenseits des Angers, gleich
falls in tiefen Schlaf vers unken, ragten
die Gebäude der O'Meara’fchen Besitz
ung. Auf Meilen im Umkreise ließ
fonft nichts sich blicken, in mittsommer
lichem tiefem Schlafe lag die Land
schaft; die heimchen nur zirpten und
draußen, im Sumpflande jenseits des
Angers, quakten die Frösche.
Dudleh Nevelsworth wälzte unru
hig sich auf feinem Lager umher. Er
konnte den Schlaf nicht find-n Ihm
cegta’5 Bild, so, wie sie in seinen Ar
men gelegen, drängte sich, so oft er es
auch hemmte, vor feine Augen und
zwang ihn zum Wachen. Daneben stiea
ein anderes Bild vor ihm aus: das
Betthsi Seltsam, so oft er dasselbe
auch halten wollte, immer wieder zer
sloß es! —- Er dachte an Bettv, und er
scheuchte die immer wiederkehrenden
Gedanken an Francesta zurück. Selt
sam, daß ihm die zarte Schönheit
Fräulein Mannigton nie so aufgefal
len, ihm nie so voll zum Bewußtsein
gekommen, als in jenem Augenblicke,
da er sie, einem trauten Vögelchen
gleich, an seiner Brust gehalten. Ein
Schauer, wie oor etwas Etelhasteö,
einer Schlange oder sonst einem Rep
til, übertam ihn, wenn er fest Ver- .
gleiche zwischen diesen beiden Wesen,
Francesta und Bette anstellte und da
bei wieder des Momentes gedachte, da
erstere ihn, wie in hilfloser Angst, um
tlammerf. Wo er bisher nur seine »
Augen und seine Sinne gehabttt Noch .
einmal iiberdachte er die Ereignisse
der verflossenen Wochen und Monate.
Wie ein Nachtwandler, wie einer, der
unter hhpnotischem Cinflusse gelebt, s
tain er sich vor. Wie hatte er, nach
alledem, was er von Francesta wußte,
was er über sie -ersa ren und wag sie
ihm selbst eingestanden, je von ihr sich
dermaßen bestritten lassen tönneni
-----.——
Eine Gauklerin war sie. die nach thue !
und nach Viktor, wie vielleicht nach e
dem, der ihr in den Weg karn, i e
Rege auswarst Eine heuchlerin und
Lügnerin war sie, die sich selbst als
solche gebrandmarttl Wiederum ge
dachte er des Austrittes während der
verflossenen Nacht. Daß sie sich gegen
oie Thür seines Schlafzimmers ge
siemrnt, lag außer Frage, daß sie, die
sonst so Nervenstarte, dies in montens
taner Verwirrung gethan haben sollte,
ließ gleichfalls sich nicht denken! Was
sie mit dem zeitweiligen Bersperren der
Thitr wohl bezweckt haben mochtes Da
sie es aus Bettes abgesehen? Unmöglich!
Betty war über ein Nichts« über en
Sputbild ihrer ausgeregten Phantasie
erschrocken!- Jn welchem Zusammen
hange lonnte Francesta mir demselben
gestanden haben? War indessen Dai,
was Bettes gesehen, wirklich nur Ein
bildung gewesen? «
Dudlen richtete sich auf einmal stract
im Bette empor. War auch Dies, was
er jetzi, in diesem Augenblicke, zu hö
ren vermeinte, nur Einbildung, oder
Horte er es in Wirtlichleit?!« —
Kam über den Korridor vor feiner- ,
Zimmer jetzt wirklich das leise G
rEjusch behutsam ihren Weg fühlend-'
Schritte, oder täuschte er sich? —
Er hielt den Athem an und laischte
angestrengt Vom Nebenzimmer drang -
dasx Stohnen Vittor’2, der unruhig ,
im Schlafe sich hin und herwarf; der
Schrei eines Käuzchens klang, langge
zogen und schaurig, vom Parte, dami,
einen Augenblick Todes-stille und im
nächsten Momente abermals jenes
schleichende Geräusch!
Der Lauschende vernahm es deutlich
setzt, es war folglich teine Sinnestiiip
schung! Mit einem Sahe war Dudleh
an der Thiir seines Zimmers, öffnete
sie geräuschlos und spähte hinaus. Es
war duntel draußen im Korridor, am
Ausgang desselben aber schien die, nach
der Treppenhalle führende Thiir sich
zu bewegen. Entschlossen eilte Dudley
zu derselben, riß sie weit auf und
horchte. Nichts regte sich, vom Pakt
nur klang abermals, klagend und
schrill, der Schrei des Käuzchen3. Eine
Weile verbarrte Dudleh noch an der
Thür, dann, mit sich selbst unzufrieden
und ärgerlich, schlich er in sein Zim
mer zurück. tin-zweifelhaft hatte er sich
hinan-H EssianJaU
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Gedanken und Bilder zu bannen, warf
er sich auf sein Bett und war richtig
auch bald darauf fest eingefchligem »
Ein Gefühl eigenartiger etlem
mang, zugleich ein, aus den unteren
Gemächern des Hauses zu ihm herauf
dringenber gellender Schrei weckte ihn
turz darauf. Jn Schweiß gebadet,
sprang er empor. Abermals, gellender
angstvoller noch, klang der Schrei.
An allen Gliedern bebend, fchliipfte i
Dudley in seine Kleider.
»Feuer! Feuer! Zu hilsd Es
brennt!«
Jni Tbor klangen die Rufe. Dud
len war es, als hörte er die Stimme
Bettth aber auch die Francesta’s. ,
Er riß die Thür auf. Dichter, er
ftickender Rauch drang ihm entgegen.
Lärm auf und zuschlagender Thüren,
verworrener Rufe und eilender hin
und herjagender Schritte. Mit einem
Ruck, um der, von unten heraufwehen
den Zuglust nicht noch mehr Zutritt
zu schaffen, schleuderte er die Thiir
wieder in’s Schloß und stürmte in das
Zimmer feines Bruders.
»Es brennt im Haufe, Vittori Steh’
aufl« Er rüttelie den Festschlummerns
den bis dieser völlig ermuntert, half
ihm in die Kleider, schrie ihm zu, nach
unten zu eilen .und ftiirmte hinaus.
Als die in die Treppenhalle und zu
den Gemächern der Frau Redelstporth
und Betttfs führende Korridortreppe
öffnete schlug ihm feurige Lohe ent- -
gegen. Der gesammte untere Theil
des Gebäudes schien bereits ein Raub
der Flammen. Ein Hinabtommen
hier tvar unmöglich! —
Er besann sich. Jm hinteren Theile
des Stockiveries, dort, wo die immer
ktr Frau Harold und ihrer ochter,
führte eine schmale Wendeltreppe ab
viirt-. Dudiey hatte sie nur einmal
zuvor, damals, als er Francesia beim
Irnrichten takes altitalienifchen Zim
ners half, benutzt. Beim Vorbeifttir
men an seiner eigenen Zimmerthiir,
rief er Viktor bei Namen.
Es kam keine Antwort: Dudlen
varfeinen flüchtigen Blick in das
halbdunkle Gemach; es fchien leer!
Augenscheinlich hatte Viktor bereits,
Die Wendeltreppe binad, das Freie ge
wonnen! An der Thitr der Treppe
väre Dudley um ein haar gestürzt.
kluf den obenften Stufen lag, ihm den
Weg versperrend, eine leblofe Gechatt.
Es war Franceska, nur mit dem
Rachtgewande bekleidet!
Er hob sie auf. Jm Augenblicke, da
er sie in feine Arme nahm« schlug sie
Die Augen auf. Jn hyfterifchesSchluchs
sen ausbrechend, umklammerte sie fe«
ien hals. ,
»Dudley,Geliebter, inziggelielite.
Rette mich! Rette wicht« —
Ihrer Worte kaum achtend, flog
Dudley mit feiner Laft die Treppe hin
rb; die. in das Freie führende Thitr
var verschlossen. Mit einein ewalti
zen Fußtrttt brach Dndleh ce auf,
senkte stimmte-, die wie eine Wahn
innige ich geberdete, fortwährend nach
hrer Mutter rief und in sinnlofer Ver
iweiflung und Angft das Daar sich
kaufte, auf den Rasen und ftiirmte nach
see Vorder-leite des hause-.
Schluß folgt-)
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