Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 24, 1902, Sonntagsblatt, Image 15

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Die fehlende Figur.
Erzählung von Jaeques Landen-.
»Ein liihner Zu « Monsieur Goe
den, aber derhiingni voll. Sehen Sie
her — i biete Jxen Schach, und
in vier «gen find ie matt.«
Es war thatsiichiich so, denn als ich
nahe daran war, zu winnen, wen
dente sich durch ein ge chiettes Man-ti
der meines freundlichen Gegner-i die
Situation und sicherte ihm dadurch
einen leichten Sieg.
Während meines Ausenthalteg in
Dinani vor einigen Jahren ver
brachte ich manche dergnu te Stunde
beim Schachdrett im eeundiichcn
Kamkfe mit Pierre Ba"ptiste, dem
Cone erge der alten Citadelle, deren
innen noch heute drohend auf das
iedliche Flüßchen Meuse nieder
blicken.
Es waren merkwürdige, um nicht
zu sagen, seltsame Figuren, mit de
nen Pierre und ich bei diesen Gelegen
heiten spielten.
Die weißen Figuren waren ans
echtem Elfenbein, herrlich geschnikt,
während die schwarzen Stücke wun
derlich geformt und anscheinend stil
,r oeraoldet waren.
,Diesen iehteren fehlte jedoch eine
igur, und zwar ein Läufer, den der
Feierge durch Blei ersetzt hatte.
ch wollte schon oft meinen Gesell
schafter hierüber befragen, und als
wir nun das Brett zu einer neuen
Partie ordneten, fragte ich ihn· an
getrieben durch eine plötzliche Neu
gierde, wegen des verlorenen Läusen-.
Erst zögerte er, dann, sich zu mir
wendend sagte er ernst:
Es find jetzt ungefähr vierzig
Jahre her, Monsieur, als ich mich in
das reizendste Mädchen verliebte, das
jemals in Frankreich lebte.
Gabrielle Joubert war ein herr
liche-Z, anziehendes Geschöpf von be
zauberndem Wesen, welches mein
Herz sofort eroderte, ais ich sie znm
ersten Male sah.
Ader acht Es war ein zu großer
i
Abstand in unseren sozialen Stellun
gen, denn ich war Korrespondent in
einein Handelt-hause in Orleans, def
sen Jnhaber Monsieur Joubeit —
Gabrielles Vater —- war.
Unsere Zusammentiinste jedoch ira
ren dem Letzteren völlig unbekannt,
und vielleicht war es gut, so hätte ich
doch meine sofortige Entlassung zu
Wärtigen gehabt, salls er um unser
heimni aeiouist hätte.
Eines orgens wurde mir eine
freudige Ueberraschun in Form einer
Einladung meines C ess, in welcher
er mich zu einer Partie Schach sxir
denselben Abend in seiner Wohnung
einlud. Bemerten möchte ich, daß ich
mir in meinen jüngeren Jahren einige
Routine im Schachspiel aneignete.
Davon datte ich zu Gabrielle in letzter
Zeit esprochen. Jch nahm daher an,
daci ch eigentlich ihr die Einladung
u verdanken hatte; weiche List sie je
sensalls ersann, um mich bei ihrem
Vater in Gunst zu sehen. Ach, wie ich
idr da "r im Stillen dankte, denn
nach d ser unerwarteten Einladung
wiederholten sich meine Besuche immer
.öster, so daß ich mich schließlich wie zu
Hause gehörig zählte.
Bis diese Weise vergingen zwei
Jahre. Für mich zwei Jahre angeneh
mer Arbeit, abwechselnd mit manchem
anregenden Kampf im Schachspiel mit
Monsieur Joiibert unv mancher bei-n
lichen Zusammentunst mit meiner ge
liebten Gabrielle.
Aber jetzt tain mir täglich und mit
immer größerer Angst die Erlenntnis2,.
daß ich über turz oder lana Joube«.i
werde sagen müssen, daß ich nach Der
Hand seiner Tochter strebe.
Ah, diese Unterredungk Wie ich se
fürchtete!
Eini e Dutzend Mal war ich schen
entschlo en, dieselbe herbeiziisiihien,
und immer wieder schob ich sie aus;
morgen sagte ich mir —- aber der
Morgen tam und in« wie zuvor.
Sie ljichelm « P on ieur, Natürlich
denken cre, das ourch meine yauiincrr
Besuche im Hause meines Chefg der
selbe mir neqeniiber immer wohl-mol
lender wurde und mir dadurch mein
Vorhaben erleichterte. Aber dem nur
nicht so. Zwar tvar er als Gesell:
schaster ron augaesuchter Höflichteit:
aber sein Interesse denn-i sich mehr aus
meine Fähigkeiten im Schachspiele, als
auf andere Eiaenichaften, welche ich
besessen haben könnte. Außerdem hatte
ich begründete Ursache, anzunehmen,
daß er betreffs der Hand seiner Trich
ist nach viel Höherem strebte. Auch
war sie sein einziges Kind, und i:
liebte sie abgöttisch.
« Doch zulent tani der Tag —- ah wie
ich mich dessen erinnere —- als ich mit
tiodsendeni Herzen rnich Monsieur
oubert näherte, der, diertiest in eine
chachpartie, ini Garten saß.
Was ich eigentlich sagte, weiß ich
nicht« da sich Alles um mich drehte;
aber lange ehe ich fertig war, lag ich
die Antwort in den Augen meines
Gegenüber-. —- Doch aus das, wag
nun folgte, war ich nicht vorbereitet.
Als ich sertia war, saate mir ou
bert mit einem Lachen« das mir ute
« noch in den Ohren tönt:
t? »in-nannt- tinv Sie bereit Ame
zu thun, um Jhre Liebe fiir Gabrielle
itt beweisenis
«M·Ies,« beiahte i eifrig.
»Es bien! Sie ollen es durch
Ists Geschicklichkeit ter« —- kk deu
tete aus das Schach rett —- »den-ei
: sen! Wenn Sie gewinnen, soll Ga
seielle die Einige sein. Wenn Sie
- Oerlieten —- r zuckte bezeichnend
mit den Ach eln.
»Sie ver Ihnen mich, Monsimr,«
chrie ich, aufgebracht durch die en
pbstswdenn nur in genau tou te
Resultat ein würde.
W
»Ich gebe Ihnen eine Minute Zeit,«
sagte er, seine Uhr ziehend.
Eine Minut:? Schrecklich! War eg
möglich, daß er so grausam sein
I konntet Jch streifte sein« Gesicht. aber
lach, nicht das schwächste Zeichen von
; Nachgiedigleit war da zu sehen.
s Dann tam mir dser Gedanle, daß
sich Gabrielle verlieren könnte, dies
« machte mich wahnsinnig
Jch slehte ihn an. Ich protestirtr.
Jch raste. Aber alles vergebens-.
Zuletzt setzte ich mich in Verzweif
lun nieder.
» ! So entschließen Sie sich also
um Gabrielle zu spielen?'« segite er.
..C’est bien. Elfenbein oder konze,
Pierre?'«
Die Clsenbeinsiguren waren mir
am nächsten —- und so wählte ich sie.
Jch wußte nur zu genau, daß ich nicht
gewinnen konnte. So singen wir
denn an.
Es war aus diesem Brett, Mon
sieur und mit diesen Steinen, mit
denen wir spielten. Ah! jenes Spiel.
Niemals veraesse ich es!
ch hatte mir vorgenommen, das
Spiel so lange wie möglich hinzuhal
ten und waren meine Eröffnungsziige
demgemäß so vorsichtig und überle
aend wie möglich. Mußte ich doch
genau. daß der geringste Fehler von
mir sosort die Partie zu meinen Un
gunsten beenden würde.
Mein Gegner, dies k-emertend,
wollte mich durch allerhand verlocken
de Stellungen aus meiner Reserve
gingen, doch war ich auf meiner
ut.
Endlich um meine Stellung zu
schwächen, Überließ er mir seine
Springer. Lauser und Thurme, aber
ich verweigerte sie alle, selbst als Ich
sie ohne Schaden sur mich hätte neh
men können.
Inzwischen wurde meine Position
immer starker, sodaß sie schließlich
uneinnehmbar schien, und ich meinem
Geaner überall Widerstand dot.
»Ja-»Ju- -..t chndsp - ----- - »Er-.
WIUIIUI UN. VO IOUS UUDAIOIOO Ins
es war immer noch lein Wechsel in
unseren Stellungen eingetreten. Die
Sonne verdunkeln sich immer mehr
und die Wolken hatten inzwischen eine
schivurx Färbung angenommen, un
seren ainpf im Freien bebtohend
Nichts destoweniqer hielten wir aus —
er der Belageru, ich der Belagerte.
Mon dien! rri e er mich bombaroirte.
Zeitmise dachte ich schon, es sei alles
verloren, aler meine Vertheidigung
war itari, und seine Angrisse so
schrecklich sie auch waren, lonnten mir
nichts- anhaben.
Ob nun meine beharrliche Ruhe
meinen Geaner sorglos machte oder
nicht, jedenfalls ließ er plötzlich seine
Königin unbeschuht Wie mein Herz
pochte. Das war tei ne List ich wußte
es. im nächsten Moment hatte ich siei
auch schon im Triumph genommen.
Das Unerwartete hatte sich zuge
tra en und ließ mich auf einen Sieg
hos en, iooran ich nie gedacht.
Schnell meine Position ausnimmt-,
nahm ich meinem Geaner einen
Thurm und zwei Springer, und er- ;
litt selbst nur neringen Verlust. i
Ma soi! Wie großartig er ab: rt
liimpstei Wie iulili und wie ein
Raubthier zum Sprunge bereit, nur
auf eine giinitige Gelegenheit war
tend.
Jetzt machte ich den Zua — den!
ersten einer Serie. weiche ihn voll-i
standici besiegen sollt-.
Gabrielle war nun mein.
Mit einem tiean Seufzer lehnte ich
mich zurück
Wie druckend tie Luft wur.
Der Sturm würde sicherlich bald
ausbrechen, noch leerer unsere Partie
zu Ende kom.
Wie lanaiam er jetzt zog.
Ich blickte ilm i,-eiml ich an.
Doch ploßtich iali ich ein unheil
volles Lacheln um se eine Lippen Ich
iulilte mein Her z iturm: sck pochen.
Eltochmnls ließ ich meine Augen über
tak- Brett nleiien, uin mich von meiner
Position zu ulseizeuaen Was hatte
·.4i »m«»- llinke lnila irb »Ob«-IT
Jn meiner anscheinend uneinehnk
baten Stellunq entdeckte ich plötzlich
einen Felkler —- esnsen Fehler, welcher,
wenn ten meinem Geaner entdeckt,
rnich unfehlbar die Partie Verlieren
lassen mußte.
Frir tausentie ven zufälligen Zu
schauern wäre lsieg unl«emert: geblie
ben. Aber fiir ihn — All-J
Wurde er itsn sehen? Hatte er ihn
schon gesehen? Warum zcia er nicht?
Als dieie Frauen mein Gehirn durch
zucktem hatte er bereits den Läusek,
mit dem er Isen verhängnißvollen Zug
machen wollte, ausgenommen
Ein Schreckensrus entsuhr mir.
Wahn-ni- eii.iuer Augenblicke, die
mir Jahrtausende dunsten, spielte er
mit der Figur jszch war einer Ohn
macht nat-e. Ich versuchte inich zu
erheben, aber umsonst
Endlich blickte er aus und lächelte
ingrimcnifk
»Sie tönnen Gabrielle Atsieu ja
aen.«
Dies waren seine letzten Worte.
Kaum waren dieselben seinen Lip
pen entstehen, alg ein blendenderl
Blitzstrahl herniedersuhr. Einen Au-;
genblick spiegelte er sich an der Spitzei
er Beonze - Figur und die and,i
welche sie hielt, guckte lramphast.’
Die Figur sloa durch die Lust wie
von einer Schleier-er getrieben und
Monsieur Joubert siel auf dass
Schachbrett, die Figuren nach allen
Seiten tausend Er war todt!. . .'«s
Der Coneierge telt inne und eine»
Zeu lang warm w k Deka tin. l
»Das ist die Geschichte r fehlen
dan ur,« sagte er.
« n Ochtiellef« fragte ich.
Mel-, Monsieur, es tvar ein furcht
—
barer Schlag sin das arme Mädchen.
aber sie überlebte ihn.
Ein Jahr später heiratheten wir
uns, und obgleich uns manche schwere
Unglückssiille tra en. sind wir doch
immer in unserer gegenseitigen Liebe
glücklich gewesen.'«
- T
,,cump«. »
Novellette von Gerhard Walten
Er hieß mit Namen ,.Lump«. Diese
anmuthige Benennung war ihm im Re
giment geworden. Er war nämlich stil
her Kompagniehund gewesen und spä
ter in den Besitz eines jungen Leut
nants übergegangen, der ihn von dem
Sergeanten, der sich die Herrenrechte
iiber das Thier zusprach, siir eine
Flasche Kognal und vier Seidel Klum
bacher erworben hatte. Dieser Leutnant
ging einstmals aus seiner früheren
Garnison aus Urlaub ins elterliche
Pfarrhaus, und wie er zwei Tage zu s
hause war, da kam eines Morgens auf l
einem Ackerwagen eine Lattenliste vor s
dasselbe gefahren, in der saß ein mit- s
telgroßer, schwarzer, unsörmlicher Kö- ;
ter, der plöhlich, als er des Leutnants I
ansichtig wurde, in ein gurgelndes Ge- .
heul ausbrach, und gegen die Wände.
seines engen Kerkers antohte, um, end- .
lich befreit, in den wahnsinnigsten
Freudenspriingen einen grotesken Jn
dianertanz um seinen Herrn herum
auszuführen. Sämmtliche Hunderten
ner des Dorfes, denen er im Laufe der
nächsten Tage vorgestellt wurde, erklär
ten sich siir unfähig, eine bestimmte
Rasse zu benennen, der »Lump« ange
hören lönnr. Am meisten Anerkennung
sand noch die Behauptung seines Herrn
in der Garnison sei er als Bastard von
Kanarienvogel und saurer Gurte be
zeichnet worden.
Schön war er nicht, der »Lump«.
Aber doch ein seltenes Thier. Abgesehen
von einigen ileinen Kunstsiiickchem die
ssin kon- ißm Roinobkmfii kmiip ne
wann er bald aller Herzen im Pfarr
haus durch seine maßlose Gutmüthig
teit, mit der er sich alles gefallen ließ,
und das tiese treue Hundegemiith, das
er allmälich offenbarte; und ,,Lump«
sing an, im Hause eine Rolle zu spielen.
Auch das nahm siir ihn ein, daß er,
als sein Herr wieder abgereist war, be
treten und traurig im Hause umher
ging, von keinem etwas wissen wollte
und zuletzt unter dem Bett des Leut
nants gesunden wurde. —- Mit seiner
militiirischen Vergangenheit war’s nun
vorbei. Er hatte eine Civilanstellung
gesunden, ,,mit dem Recht, seine alte
Unisorrn weiterzutragen.« Und er hielt
daraus. daß sie immer sauber war; be
sonders der weiße Lotz aus der breiten
Brust, der ihm einmal zu einer eigen
thiimlichen Vertennung seiner Stel
lung verhoben hatte in der allerersten
Zeit seiner Civilstellung im Pfarr
hause. Die alte lurzsichtige Garten
srau ging am Sonntoxiniorgeiu wie der
Postor schon in der Kirche war, vorbei
und erzählte nachher, sie hätte den im
Fenster mit den Vorderpfoten stehenden
bund mit seinem schwarzen Fell und
dem weißen Blisz seit den Herrn
Pfarrer in Talar mit Bässchen gehal
ten, und dann iiiisite sie tiinziu »J(
verfiert’ mit doch so gräsig, ai- hei ein
mal ansung tau ksellen!·«
Eine sehr innige Freundschast ent
spann sich besondere zwischen der alien
Mutter des Pfarrer-s- urid dein
»Lump«. Er wußte nerian die strit,
wenn die alte Frau nach itierm Mor:
qentafsee tlinaelie, uno siiir ite daiin
polternd die Treppe tiina if, iirii seinen
Antheil an ihrer Miich und itiiem
Bröichen zu requiriiren. Und darin lag
da ein schwar,ieg,:rseiitn23chasfell, dir-S
hielt er rissen siir sein nndeschräritteg
Eigenthum. Aber er war auch dank
bar. Als es mit der eilten Frau zum
Fterben ging, da trick er nicht von
.- L-- Ell- LA
Uscclll ACTU, tluus luusl tu me Jena-«
als sie gestorben star; unt- nachher noch
stand er lange Zelt an jedem Morgen
traurig vor der That und sah sie an.
Damals wurde irn Farnilienrath lus
schlossen: ,,Lump icsll der tszinziae lslei
den und nie einen Itacbiolaer lulotn
men, weil er gar most zu erst-Sen ist!«
Nach dern Tode der alten Frau hatt-;
er es verstanden, sich eine andere Spr
zialfreundin zu ern-erben: das war die
jüngste Tochter de- Hauses Fräulein
Dagmar. Das Verhaltniß zwischen
ihnen ließ an Jnnigleit bald gar nichts
zu wünschen übria, und es hieß ost:
Wenn Daqrnar heirathet, dann be
kommt sie den Lumd als Aussteuer mit.
—- Zunächst aber ging Fräulein Dag
rnar, ein sehr reizendeg Mädel, eines
Tages aus die Reise, auf Monate oder
für den ganzen Sommer. Und während
dieser Zeit geschah nun etwas über
aus Trauring ,,Lump« war eines
Tages verschwunden —- und kam nicht
wieder! Und die Erklärung dastir lag
leider sehr nah. Er galt dafür, aus
Grund seiner massiven Natur ein sehr
wohlgenährter Hund zu sein, und die
»kleinen Leute« selbiger Gegend hatten
die übte Gewohnheit, Hunde dieser Art
zu schlachten und zu verspeisen. Da
war es denn durchaus gegeben, daß
man dachte, der brave, treue wachsame
»Lum«p« sei auch diesen Weg eines ganz
unnatürlichen Todes gegangen, und
dem Mörder, wenn er entdeckt werden
sollte, furchtbare Rache geschworen.
Aber er wurde nicht entdeckt, und
Fräulein Da mar weinte in der
Fremde heiße hränen um das ,;liebe,
gute, einzige Thier.« Aber auch hier
weste die Klage den Todten ntcht
III —
Als Fräulein Dagmar zurückkam in
Oerbstansang da brach der Schmerz
um den Lump noch einmal hervor. —
Und er fehlte auch wirklich überall.
Und ein Nachfolger war ihm nicht ge
geben worden. Einige Kleinbtirger
des Dorfes, die besonders im Verrus
standen, Hundebraten zu schätzen, wag
ten sich schon gar nicht mehr in Fräu
lein Dagmars Nähe; fo blitzten die
blauen Augen des Mädchens sie zornig
an, wenn sie sie nur don serne sah,
diese muthmaßlichen lebendigen Grä
ber des geliebten »Lump«.
Und doch hattet er noch eine Mission
zu erfüllen, dieser selbige »Lump«.
Nicht weit entfernt von dem Pfarr
Dorfe lag die Kreis - Stadt, selten
und ungern von den Pfarrersleuten
besucht. Es wurde da viel gellatscht
und der Ton war nicht der beste. Da
fühlten sie sich schon wohler auf ihrem
idyllischen Dorfe und lauften nur ge
legentlich in der Großstadi ihren Be
darf ein. Aber eines Tages im Spät
herbst war Fräulein Dagmar doch die
anderthalb Stunden bis zum bewuß
ten Pfahlbiirger-Städtchen gefahren,
um eine belannte junge Dame zu be
suchen, die sie zu Mittag eingeladen
hatte. Es war ein naßtalter Novem
bertaa, als sie in Dinner-Toilette der
Wohnung des Fräuleins auf dem
schmalen Bürgersteige zuschritt An
einer besonders unbequemen Stelle
nahm sie das Kleid sorgsam zusam
men, um es nicht an den Rädern eines
dort haltenden Milchsuhrweries zu be
schmutzm Aber als sie daran vorbei
ging, sorgsam die Steine aussuchend,
auf die sie treten konnte, hörte sie plötz
lich neben sich einen sonderbaren, durch
Mart und Bein gehenden Ton, der die
Mitte zwischen Bellen, Brüllen und
Heulen hielt: sie schaute sich um. und
sah, wie der eine der vor den Wagen
gespannten Hunde, ein jämmerliches
abgetriebenes, von unten bis obenhin
schmutziges, schwarzes Thier, in den
Seilen umher-sprang und dabei die
jammervollsten Töne von sich gab
Und im selben Augenblick lag sie,
die sonst so ängstlich Eigene, auch schon
mitten in all’ dem unsauberen Wasser
aus den Knieen, ihr-.- neuen Kleides
lganz ungedent, und hatte die Arme
Ium den winselnden, vor Freude zit
sternden und wie toll sich geberdenden
IHund geschlungen und rief in tiefem
! Herzen-Zion: »Mein lieber, alter, guter
Lump! Da bist du ja! Aber wie
i kommst du denn blos hierher?«
Da trat der Milchmann aus der .
Hausthür.
WNandu wat sall denn tat bedü
den«-« sragte er, erstaunt auf die Grup
pe blickend·
Da sprang Fräulein Daamar aus;
ihre Wangen glühten vor Zorn und
ihre Augen blitzten ordentlickn »Wie
kommen Sie zu dem Hunde?« rief sie
dem Manne mit der Milchtanne zu.
»Geiht dat Sei wat an?« fragte er
und stieß mit dem Fuß nach dem aus
heulenden Lump. »Dai is min Hund,
un ick frag Sei, wat dat sall. dat Sei
sich hier so heben uu insmeren? Hüh,
oorwärtsl«
Der Hund aber saß da mit weit aus
dem Halse hängender Zunge und leuch
te, aber rührte sich nicht.
»Das ist mein Hund, und Sie haben
ihn mir gestohlen!« rief das Fräulein
laut. »Und Sie geben ihn mi: irieder
her! Oder es geht anen schlecktl«
Die Schule roar gerade aus und eine »
Sctiaar drin Schulkindern sammelte
sich um die Streitenden
Der Milchmann mochte tein iebr au
tee Gewissen baden mit Bezug auf ten
Erde-ib- iseg Hundes. Er ariif nach
iber Deine unt wollte die Hunde mit ei
Inem Fluel antreiben. bAer Teamar
wich nicht.
,Gcben Eie den Hund bei —- rder
!id,l laute zur ttolizeil Ich gebe Ihnen
einen Thaler zu — wollen -ie?«
EIN-u k- ’- ish- «dl«n ci. Ink« hnn Zeiss
Jste iitasse unt reiti ior tret « entan:
siii e der Milck nann: »Hu iillig.«
i »Ein iehr edler Hund nnd einste’
jktta" ike « saate Tagmar inter Thräiien
stack elnd und iirieh rag- straoriiae kyell
leis Thieres-; aber kann sah sie den
Räuber irsieier mit enischlrsssert l-euch
ste. ioen Augen an: »Er niri Ihalter —
soler die Polizeii"«
Da sie-nie der Thaler. Ter schmutzi
sae. hintenise, verpriiaeäte Lump wurde
aiisv den Zeilen gespannt Dann aber
tauchte vie Gestalt des Polizeisergeam
ten in einiger Nähe auf; und der be
sreite Lump sprang, so gut ers noch
konnte. johlend und heulend an seiner
pur-gen Herrin empor in maßloser
Freude. Er war gerettet! Aber auch
von ihm ionnte es heißen wie von dem
Räuber Rollen »Du hist theuer be
zahlt!« Das schöne neue Kleid erholte
sich nie wieder zu seinem vollen Glanz.
Atser Dagmar nahm die Schotte azn
Abend ruhig hin, als sie daheim war.
an dieser Nacht lag der gerettete, ge
ioaschene und satt gestitterte Hund wie
der vor ihrem Bett aus seinem ange
starnmteri schwarzen Schafer von der
tot-ten Großmutter und leette sich be
haglich die wunden Pfoten.
. Ein halbes Jahr später kam ein
s stattlicher Herr auf die Psarre gefah
ren. Der hatte an jenem Tage der
Errettung des Lunip neben ihr am
Tisch der Freundin gesessen. Einige
Zeit daraus hatte er seinen Besuch aus
der Vsarre gemacht, und im Winter
hatten sie einigeinale zusammen ge
tanzt. Es ioar der Amtsrichter der
guten Stadt. Heute kam er, um Dag
inar anzuhalten. Und das liebliche
Kind sagte ja.
Am Abend saßen sie allein unter
dem blühenden Flieder im Garten.
Lump saß zu ihren Füßen.
,,Sag’ mir, Franz,« fragte das
Mädchen, das seinen Arm umspannt
hielt, »dars der Lump mit?«
Er sah ihr in die Augen. »Ja,
Dagmart Er ist an allem schuld! Als
Du damals als junge Heldin um den
struppigen Köter strittest mit dem
Milchmann, da stand ich über Euch an
meinem Fenster; und Du gesiehlst mir:
tapfer, treu und innig, o hatte ich mir
meine Frau gedacht, und rücksichtslos
in ihrer Liebe! So sei mein! — Jch
sagte Dir nichts davon bei Tisch.«
Sie hing an seinem Halse. Lump
wedelte heftig mit dem Schwanz.
———·—..-———
Friedrich thhelm w. tu Neues-nich
Man schreibt aus Bern: Es war im
Jahre 1842, als sich Friedrich Wilhelm
der Vierte entschloß, den Besuch, den er
längst sseiner ,,treuen Provinz« Neuen
burg und Valangin versprochen, aus
zuführen. Jn Galatutschen durch
suhren der König und die Königin mit
Gefolge das Land und besuchten die
Ortschaften längs dem reizenden See.
Jn Neuenburg logirte der König in
dem großen Gebäude, das noch heute
unter dem Namen »Hotel dePourtales«
belannt ist. Nach Neuenburg bereitete
Valangin, der alte Marttslecken, den
königlichen Besuchern einen enthusia
stischen Empfang. Man drückte sich
beinahe in den Straßen und schrie sich
heiser mit immerwährenden Hochm
sen. Vom Augenblicke an, wo die
Gäste unter einem Triumphbogen beim
alten Schloß-den Boden Valangins be
traten, donnerten die Geschützsalven der
Artillerie ohne Unterbrechung zu Ehren
des ruhmreichen Tages. Und so war
es überall. Allenthalben herrschte ein
unbeschreiblicher Enthusiasmus. 6
Jahre später, am I. Mai 1848, war
das preußische Königthum in Neuen
burg durch die Republit ersetzt wor
htsv EI- FDIOFIZUHHUD fis-Ä hsm IRn;-s
lichen Besuch werden im Neuenburgi
schen heute noch eine Reihe von Aneki
doten erzählt. Eine davon wird jetzt
in der Neuenburger Zeitung »Suisse
liberale« mitgetheilt. »Das Königs
paar tarn auch in die am See gelegene
Gemeinde B. Junge, weißgekleidete
Mädchen überreichten der Königin
Blumen, während die Kirchenältesten
dem König Chrenwein tredenzten. Der
König trank, lächelte und sagte: »Vor
ziiglicher Wein!« Der Doyen der Kir
chenältesten, fühlte sich nun seinerseits
verpflichtet, dem Fürsten mit einen
Liebenswiirdigieit zu antworten, und
demgemäß sagte er gehobenen Tones:
»Ja, Majestät, aber wir haben noch
viel besseren!« Woraus der König, dem
wie man weiß, nicht an geistreichen
sEiniällen mangelte, mit verbindlichem
Lächeln erw: bette: «Wirilich? Das ist
recht, Herr Kirchenältester daß Sie sich
l den besseren Wein auch fin eine bessere
Gelegenheit aufbeben2«
Dei-et
Serenissimus: »Miserable Ge
schichte, wieder vorbei getroffen.«
Föriter: »Tare.n ist nur das- gute
Herz schult Holjseit können ja keinem
Thiere e wa- zn Seite thun-«
Abwnrtem
Kellner: »Die Gäit beschweren sich
über das Essen Es ist zu wenig Salz
dran."
Wirth: ,,Er-ll(ns’s halt warten, bis
die Rechnung irmmt.«
Ein Schwerfälliqu
A.: »Er e sind ein ganz trauriger
Lurnp.«
B.: »Ach wollen Sie nicht so gut
fein, mir zu innen, ob das eine Belei
digung sein soll-I«
Memiiiblickk
Gescköitsreisenkcrt »Brauchcn sich
die Hemdearntel nile aufzurollen,
»rein Lieber, heuxe lesinine ich nur kas
siren!«
Haiiåinecktt »Dann werden Sie erst
recht hinauggescbmissen.«
Höfliche (ftiu11diguna.
Leibarzt Mich kseirn Kaminerdiener
nach dem Ecklei deg etwas unpäleicben
Fürsten eilundiaend): »Können Sie
mir sagen-, ob Hohm ruhig zu ruhen
geruhien?«
Dann allerdings.
»Nun, Herr Bürgermeister, weshalb
so in Gedanken versunken?«
»Ach, missen Sie, mir geht fortwäh
rend der Central-Bahnhof im Kops
herum, der hierher verlegi werden soll.«
Ein chisletu
»Ich sage Dir, wie mich die Schöne
ansah, -mit schmelzendenr Blick, es lag
eine ganze Welt in ihren Augen«
»Du Ausschneiden wie ich Dich
kenne, -ist höchstens die Hälfte davon
wahr.«
Ueber-flüssige Aufregung.
Gast: »Das ist aber doch ganz un
erhört, Herr Wirth, Unter den vier
Eiern, die Sie mit hier vorsetzten, be
Tinden sich drei saule!«
Wirth: »Aber ist Jhnen das denn
so wag UngewohniesZ Jch denke, Sie
sind Schauspieler?«
Aus der Schule.
Lehrer: »Wie heißt also der gek
manis Kriegsgott, Ernst?«
Ernt: »Donnetl«
Lehrer: »Richti, und sein Weibf«
Ernst (rasch): tlal«
Dle sum kostet-.
Mutter: »Etnilie wasche mir doch
ein wenig die Kartoffeln ab.«
Tochter (aus der Pension zurückge
lehtts: »Soll ich ordinäre Seise dazu
nehmen oder unsere Toilettenseife2«
Mißverständniss.
Der Arzt ertappt einen seiner Pa
tienten dabei, wie derselbe den verord
neten Leberthran warm genie t. »Auf
die Frage, wer ihm diesen ath er
theilt, antwortete der Kranke: »Da
steht’s ja auf der Etitette der Flasche:
Von Aerzten warm empfohlen.«
Interessante Unterbrechung.
Der Selundärbahnzug hält in vol
ler Fahrt plötzlich an. »Schassner,
was ist denn passirt?«
»Rechts nausguckem meine Herr
schaften —- grad vorm »Rothen Och
sen« rauft der Hausknecht mit en Roß
händler — mer sein bloß gespannt,
wer fertig wird.«
Schlechter Handel.
»Ich hab' da a Kreuzotter Yesangeih
da giebts doch drei Mark sür.«
Amtmanm »Gewiß — wo hast
denn die gefangen?«
,,Auf’n Herrn Amtmann seine
Wiese!«
Amtmann: »Ja, da ist das Betre
ten bei fünf Mart Strafe verboten, da
mußt noch zwei Mart zuzahlen!«
Gelungene Ansredr.
Arzt: »Sie haben also immer noch
die Schmerzen in der linlen Seite —
machen Sie kalte Abreibungen.«
Patient: »Aber, Herr Doktor, Sie
haben mir doch neulich gesagt, ich solle
mich vor allem Kalten hüten?«
»Ja —- das war neulich —- hä —
hm, die Wissenschaft hat seitdem
enorme Fortschritte gemacht.«
Durch die Blume.
Vater (der einem Maler längere
Zeit zusieht): »Watt molen Se egent
lichmmit de Biget?«
..—l-..kt —-— «
IJtutcL. »Un- scuuuse uns-u us
Leute, die ihre Freude daran haben.'«
Bauer-: »Und wenn sich nu so een
nicht findt?«
Maler: »Dann hänge ich sie in
meine Stube!«
Bauer (nach einigem Nachdenken):
»Na, dann mögen Se aber de Stup
vull Billet hebben.«
Durst-schaut
Student tzu seiner Erbtante, die ein
sehr zähes Leben hat): »Liebe Taute,
Ich freue msich riesig, im Herbst mache
ich meinen Doktor!«
Tante: »Na, mein Haus-am wirst
Du nich«t!«
Frühreis.
i Lehrer: »Sag’ mal, Karl, hat der
Mensch einen freien Willen?«
Schüler: »Solange er nicht verhei
raihei is.« «
Unvctsrorerr.
Herr: »Ich denke, -Sie sind blinde
Bettler: »Ach, lieber Herr, die Zei
ten sind so schwer und die Konkurrenz
so groß, daß sogar die Blinden die
Augen ausmachen müssen, wenn sie sich
durchschslagen wollen«
Aha!
»Aber wie geht denn das zu, -Ellh,
daß Du Dich so plötzlich mit dem· As
sessor verlobt hast, Du sagtest kürzlich
noch zu mir, Du könntest ihn gar
nicht leiden.«
»Ja, ich wußte doch nicht, daß er
mich heirathen wollte.«
Familiär.
Frau (zum— Stuben-mädchen): »Wa
rum stauben Sie denn die Stühle nicht
ab?«
Tienstmadchcn: »Wozu, -es kommt
; doch ohnehin nie Jemand zu unkl«
i
! Aus der Kinderstubr.
isin »wes mit foinesm Hin-wenn Nen
der Kaufmann spielist «Du, Karl, ich
habe jetzt leine Zeit mehr zu spielen,
’weis-,t Du was — jetzt machen wir
lBanlerott.«
Tals genügt.
» A.: »Meine zukünftige Frau muß
zwar auch schon sein, vor allem aber
gescheidt.«
B.: »Reinesweas, meine Frau muß
sqaxnichtg,a12schduseiki; gescheirt bin
ich.«
Gut heran-gereuen
Gast: »Herr Ober, was haben Sie
; mir denn da siir Kassee gebracht, dcr
isi ja ganz schial?«
vLKellnen »Der Herr bestellten doch
eine Schale Kassce.«
» Aus der Justruktionsstundr.
! Unterossizier: »Soloat Fischer,
. sagen Sie mal, was ist Terrain?«
lFischer sieht sich im Kreise um und
ichweigt—)
» Unterossiziert »Sie Esel! Löust
der Kerl den ganzen Tag drin herum
und weiß nicht, was Terrain ist! Na,
jetzt werden Sie es wohl wissen?«
Soldat Fischer (iriumphirendi:
»Herr Unt·erossizier, a Paar Stiebell«
Aktion-eilst
»Du, der Meyer ist doch ein gemei
ner Kerl! Thut sich zuvor überall dick
damit, daß er seiner Frau zu Weih
nachten eine golden Uhr geschenkt, und
jetzt trä i er ge selbst.«
s »Na, eine rau erzählt dafür über
; all, da sie ihrem Manne eins paar Do
) ew chenlt, und dabei weis Jeder,
at te selbst die Dosen trägt.