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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Dec. 27, 1901)
.- «---», H, - Unter der Iroprulouur. —--.-— ( i Eine Siizze aus dem Süden von Her: - mann Summe-. Jn allen Sprachen schwirrte es durcheinander, Männlein und Weib lein beugte sich nieder, um das Wunder des Abends, eine prachtvoll präparirte sieben Meter lange Schlangenhaut zu betrachten, die ein Diener soeben läu ferartig durch den Saal rollte. Der nordameritanische Gefandte aber, dem die Herrlichteit gehörte, bes nutzte den Augenblick allgemeinster Aufmerksamkeit, um die tleine deutsche szellenz, die Frau des deutschen Ge sandten, auf die Seite zu ziehen. Jch nahm mir die Freiheit« der Ein ladung für Ero. Excellenz eine fiir Fräulein von Ursorn beizufügen, und würde untröstlich sein, wenn dies der gnädigen Frau nicht paßte ! Die kleine fröhliche Frau schaut zu dem eleganten Riesen aus. Jm Gegen tbeil, ich möchte Jhnen, auch im Namen meines Mannes, herzlich danken. Es ist unser dringlichster Wunsch, Fräu lein von Ursom vollkommen als Fa milienmitglied behandelt zu sehen. Jbr Vater war ein Freund meines Manne-J, und für widrige Verhältnisse taan tein Mensch was ! Die also Besprochene lehnte nn dein Berandageländer in ruhigem Gespräch mit einem deutschen Marineoffizier Sie war seine Tifchdeune gewesen, und in einer Gruppe von vier Kndettem die sich schon den ganzen Abend wunder voll amiisirt breiten, machte einer die Bemerkung : Kinder, ivayrl aftig, stu pitanleutnant Wessel flrrtet; dies muß ich erleben, fo was noch nie Dageioefes nes ! Als die vier sich aber den beiden ganz unauffällig näherten, hörten fie --.l- !!(--— L:-k«— -.—.« IIIWII us- kcll SUCH-usw Its-et uns-unun lungen der Villa Doria iti Rom. Die Kadetten suchten hieraus ein interessan: teres Beobachtunggseld aus, und die beiden blieben ungestört. Während es um sie her sluthete von glänzenden, meist schreiend ausfauenden Toiletten, während abgebrochene Sätze in den Sprachen aller Nationen an ihr Ohr -klangen, wurden sie sich einig darüber, daß von allen Tondichtern Schubert vielleicht am meisten zum Herzen spre che, dusz sie beide seltsamerweise der er sten Ausführung der Versuntenen Glocke beigewollnt hatten, und sie wa ren gerade dabei, sich in die Unver wüstlichleit einiger Boltolieter zu ver tiesen, als das Zeichen zum Ausbruch gegeben wurde. Da beugte der Offi zier sich iiber die Hand seiner Dame, und bat um den ersten Walzer des morgigen Balles im deutschen Klub. - — Schneeweiß lag die Cobra in der Bai von Rio de Janeiro. Ueber den Toppen war geslaggt und vom Bord ertönten lockende Walzerllängr. Das Decl hatte ein gänzlich veränderte Aussehen erhalten. Gruppen von aller hand Kriegshandivertzeug gruppirten sich unter Palmen, Flaggentiicher aus aller Herren Ländern dienten als Schutz gegen die Sonne, die Treppe zur Lausbriicle lag unter einein leuchtend rothen Läuser und ivar eingesaßt mit einer Fülle schneeioeißer Lilien. - Um vier Uhr hat der Ball begonnen, bei einer schier unerträglichen Hitze, die nur durch die vom offenen Meer toin- ; mende Brise gemildert wird. Kapitänleutnant Wessel steht aus der Kornniandobriicke und schaut in dao Gewühl der Tanzenden hinab. Dies inal leine entbldszten Schultern und lange Schleppen; nur dustige leichte Gewänder, aber die meisten, ioetiia- » stens bei den Brasilierinnen von gro » ßer Kostbarkeit des Materials und der z stkasboihsna Und Imifcknsn nss dem i farbensrohen Erscheinungen eine ’ schlanke, weiße Gestalt, loniglich in der ltung und die üppigen Figuren der üdländerinnen wohl um einen ston überragend· Aus dem Haupt eine Krone rothblonder Flechlem die Schmucknadeln haben alle die Form von großlöpsigen goldenen Nägeln. Weist-l hat jedesmal das Gefahr« ais müsse er die Nägel herangzieliem weil sie dem Kopf weh thun könnten. Ueberhaupt, Ernst Wessel war seit einigen Tagen sehr nilt sich und seinem Gefühl iin Klaren. Das-, er lllla von Ursoni liebt, wußte er ungefähr seit dein ersten tugendlich ivo er sie bei dein amerikanische-n Gesandten gesehen halle. An ihm tächte eS sich wieder einmal, Vas; alle Jngendthorlieit seiner , Kameraden spurlos an ihm vorübergi qngen waren, dass er ein ernsthafter arm geworden, ohne das; ein loeibli ches Wesen je etwas über ihn vermocht hatte. Und egen diese Sturniaewalt den«-Liedern uchte er gar nicht erst an zusamt-fern trohdein sie niit seinen Grund fis-en blitzwenig Umstände ge macht tte. Bei der Aussprache mit Herrn von Heydem in dessen hause Ulla von Ur xonr Erzieherin war, hatte er alles er ahren, was zu wissen nöthi war; es war ein hhmnus aus ihren åhawttey ihren Stolz und ihre Pflichttreue-, ein etwas trauriger Bericht -.«oer die äu sern Verhältnisse --—-- eltern- und ver mögensloth aus sich angewiesen. Herr Ion Heyden hatte dann hoch ausge h echt, als Wessel ihm seine Verhält- ; u eauseinandersehta und um die Ek- ; laudntß bat, um die Hand er jungen s Dante werben zu dürfen. , Donner-wetten selbstredend steht Ih- « neu un er haus jederzeit offen, aber lieber r Kapittinleutnant, Sie sa- « » ppch »unt, Sie smv rast gänzlich «-« J i aus Ihr Gehalt angewiesen, wie den len Sie sich das eigentlich? · Aber Wessel befand sich in einem Zustand, in dem alles aussiihrbar nnd - Rosa mit Gold verbrämt erschien. Sei ne und Fräulein von Ursoms geringe Ansprüche ans Leben. die zusammen gleich Null seien, sein bevorstehende-s Avancement, sogar eine bis jetzt nie be rücksichtigte hoffnungsvolle Erbtante, « traten plöhlich in den bliihenden, grü nen Hoffnungstranz seiner Illusion. Die Glut eines Zwanzigjiihrigen schien · über ihn gekommen zn sein. Herr von Heyden hatte zwar bedentlich den Kopf z geschiittelt, als er seiner Ehr-liebsten - von all dem Miitheilung gemacht hatte, - aber Niemand hatte den Offizier ge hindert, daß er Fräulein llrsom iideri all da traf, wo in diesen «n-iegneten - vierzehn Tagen eine Geige feil 'te. und dieser Gelegenheiten gab es ung« zähl te. Rio stand unter dem Zeichen der · nationalen Feste; Campo Salleg hatte . den Neigen eröffnet, sämmtliche Bot- ; schasten und die in der Bai anlernden , Kriegsschisse folgten. Frau von Hen- : den war überall zu sehen; ihr zur Sei- . te die blonde tönigliche Erscheinung. in ; deren fast lranlhaft weißen, durch die « Tropensonne noch nicht gebräunten Zü- L gen jedoch nicht zu lesen stand, ob ihr diese Feste ein Genuß oder eine Qual waren. Ernst Wessel wirst noch einen Blick von der Kommendobriiele iiber die ; Tanzenden. und als er Fräulein von Ursom im Gespräch mit einem Seeta- ; detten sieht, geht er rasch die rothbeleg te Treppe hinunter. Die Dunkelheit tam mit dem in den Tropen iiblichen raschen liebergang von Tag zu Nacht. Mit seltener Schnel- J ligleit tanchte der sitlnthball der Son « L.:« R Its Mllrcx Ucll Iusutsru See-ist« »u- Ur gelgebirges unter. Die ganze, auf Oli geln erbaute Stadt schien in ein Licht meere getaucht, die wundervolle Linie der Bucht von Botafogo zeichnete sich scharf und glänzend ab und plötzlich übergoß ein magisch grüner Schein die seltsam bizarre Form des Zuckerhnte5, das Wahr-Zeichen Ries. Es war ein wundersame-Z Bild ringgunn ein unfäglicher Zauber in dieser Märchenpracht. Um den weißen Bug des Schiffes spielten die wie blau silberne Funlen fpriihenden Wellen, am Himmel griiskten ver-streut die Bils der der südlichen HalbtngeL Vom Ufer tlang ein weiche-Z, fast fchwermiitliigeszs poråugiesifches Volke-lied. Ort und Stunde waren wie geschaf fen zum Austausch geheimster Gedan ten und Wünsche. Und da hub Wes sel an zu reden. Seine Stimme zitterte leicht, als er davon sprach, daß das Leben in den Tropen und namentlich in der Giftnie derung von Nio doch siir den Europäer auf die Dauer unerträglich fei, daß die « Sehnsucht nach der deutschen Heimath doch in jedem früher oder später über ftark werden müsse, und wie es dann trostdoll fei, dort ein warmes Herz zu ; wissen, und zwei offene Arme. Aber : ehe er noch weiter sprechen konnte, un- ? terbrach ihn das Mädchen. lind wem das nicht blüht, was-« Sie da zuleft schildern, der lebt in den Tropen o gut wie anderswo, und sein einziges Glück ist, daß ihm das Ster-: ben ebenso leicht in Deutschland ist, wie hier oben auf dem weißen Kirchhof von Sau Franzesco da Paolo Sie wies mit der Hand in der Richtung der Bo tafogo-Bai. Wessel scharrte fie völlig erschrocken an. Eine so hoffnungslose Trauer hatte in der Stimme gelegen. Und dann ging sein Herz mit ibrn durch. . Er sagte ihr alles, was seit zwei Wochen seine Seele fühlte und hoffte; sein ganzes Jnnrres lag vor ihr offen. Sie aber schaute über ihn hinweg zu der großen »Jowa« der Vereinigten Staaten, deren Talelage soeben in bunter Beleuchtung zu glühen begann, « »Ist gis --! su- dsk Imsfs teil-keh- »Habt ---« s- s- --·· --- --,--- --—-,-s F, ----- ! essanteres gäbe. Nein. sagte sie dann sest. Aber den Grund, gnädigeg Frau lein? Es tlang beinahe fasse-uneins Da wandte sie ihm« dag lslasse Gesicht ganz zu. Sie fragen mich, ob ich Jlrre Frau werden will, und daraus hat«-e ich ein Rein; hätte die Frage meiner Lie be geaolten, ich hätte mit »Ja« ant-« warten müssen. Bitte unterbrechen Sie mich nicht, einer von uns beiden muß in diesem Fall den Kopf oben bal ten, und da Sie ilm wohl ein bischen verloren haben . . .. Aber sellen Zie, ; ich habe trotz meiner Jugend sast nur E Schatten durchwandelt nnd glaube l nicht mehr an Glück; ich fiirchte mich auch vor nichts mehr, am allerwenig- ! sten vor dem Sav Franzegeo da oben. I Nur ein-.- ist geblieben, davor fürchte ich , mich entsetzlich, einen über alles gelieb- Z ten Menschen mit in mein Unglück-s l ziehen, und das wäre bei uns der Fall, zwei arme stirchenmänse wie wir, nein : ---—bise nicht unterbrechen -—, ich tann mir denken, daß Sie sich Jllusionen mache-i» aber ich bin schrecklich reali stisch veranlagt, ich sehe die gan e Mi sksre einer gemeinsamen Zukunft tlar und deutlich vor mir, und ich sage noch ; einmal, ich tann nicht, ich tann nicht l um Jliretlvillem Sie werden mir vor- s werfen, ich hätte unter solchen Umstän- - den die Gel enhetten, mit Jhnen zu- s samtnen zu ommen, vermeiden müs- i en, und ich könnte Ihnen antworten, j daß nnr das in Beg ettung Frau von z Hendenv nicht möglich gewesen wäre. ; Aber es wäre ja eine Lüge, denn ich s tam ja nur um Ihrem-flink ich woll ! te ja vierzehn Tage an Glück glauben, ich lam ja, weil ich Sie liebte, gren zenlos . . « Ulla! Es war wie ein erstickter Aufschrei, einen Herzschlag lang ruhten seine Lippen auf den ihren. Wenige Augenblicke später stand Fräulein von Ursom neben Frau v. Hetsdem Stern um Stern erblaßte am Him mel. Ueber Rio legte sich der Morgen tau, das Gift, das die leuchtenden Blu men- so verführerisch glänzen läßt« und demEuropäer, namentlich dem Neuling Tod und Verderben bringt. Ein Hauch von Erquickung lag über Land und Pai, eine Erquickung, die der erste Sonnenstrahl wieder zu Schanden ma chen wird. Ulla stand noch immer, an gelleidet wie sie von der Cobra gekom men war, ans dem Fenster ihres Haid zimnier5. Nach Petropolis hinauf, wo sich die Gesandtschasten befinden, hatte man in der späten Nachtstunde nicht mehr gelonnt ; so wohnte man im Ho tel des Orangen-, nahe der Prata. lilla toute von ihrem Fenster die matt schinunernde Fläche der Bai erkennen. Sie starrte darauf mit todtblassem Ge sicht, aber die blauen Augen leuchteten in einer Leidenschaft, in der nur der eine Gedanke Raum hatte: Vierzehn Tage lang glücklich gewesen ! Was war all das Leid vergangener Tage gegen die Seligteit dieses Bewußtseins ! Und draußen fiel der Tau, Dana nen, Mangroven uni- Sarsaparilha biische athmeten erquickt aus. Von der Matrice da Gloria kam der müde Klang der Thurmuhr, sie schlug siins Mal. Dann wird die Stadt lebendig. Jin Hotel des Etrangers herrschte wahnsinnige Aufregung, gegen neun war es ruchbar geworden, daß die blonde Senhora des deutschen Mini sters von der Amarella befallen sei ; u i zehn llhr war lein einziges Zimmer mehr besetzt. Alles was aus ändisch war, flüchtete Hals über Kopf hinauf nach Petrcpvlis oder zu den Hügeln der Santa Cereza Auch der Gesandte brachte, nachdem er siir Fräulein von Ursein gesorgt hatte, feine Frau in Sicherheit, fand aber, als er gegen Mittag von Petropolis zurückkehrte, den behandelnden Arzt ohne Hoffnung für das junge Leben. Das Fieber, das mit einer ganz befremdlichen Wuth aufgetreten war, zeigte schon in seinen tzlnfangsstadiem in den Phantasien die unheimlichen, die Umgebung so er schreckendenAeufzerungen über schwarze Mannchen ; spater tam ein Herztrampf dazu und dann kam das Ende. — Die Cobra lag seit zwei Stunden unter Dampf. Man erwartete den deutschen Gesandten, den Konsul und die Vertreter der großen deutschen Handelsfirmen mit ihren Damen zu einem letzten fröhlichen Beisammen ,sein, ehe es hinausging in die See. Lancha auf Lancha hatte schon am Fallreep angelegt, da meldete der Aus gucl die Pinasse des Gesandten. Aber sie brachte als einzigen Gast den Lega tionsselretiir, der mit ziemlich ernstem Gesicht seinen Chef zu entschuldigen vat, da in seiner vkzsamilie ein Krani heitsfall vorgetoi-nien sei. Man nahm herzlichen Antheil daran, aber einestheils schien Herr von Mueller selbst von dem traurigen Fall nichts Genaues zu wissen, anderseits war auch zu viel Jugend vorhanden, als dass die Stimmung nicht trotzdem bald sehr animirt geworden wiirr. Man liess den staiser und die deutsche Heiuiath in Seit l)ochleben. Nach einigen lu stigen Stunden spielte die Musik »Mus; i denn vzum Städtle hinauo«, der Fia pitiin gab das Kommando zum Aus. entern, und dann brauste über die Bat von Rio ein gewaltiges Hurrah für die deutsche Kolonie im Süden. Tücher flatterten, ein letzter Gruß hinüber und herüber, die getheilten Weilen ranfchten stärker und stärker um den weißen Brig, dann gings ins Meer hinaus. Auf der leuchtenden, iveisnsnStraßi-, die sich zwischen schlanlen Königs-pat men und rothschimmernden Blüthen bäumen, wie ein Märchentrautn liingH der Botafogobai zum stillen Gestade von Sao Franzegco da Paolo hinzieht, jagte ein verspänniger schwarz verhan gener Wagen, um dieselbe Zeit in ra sendent Tempo hin. Die ihm Begen nenden wichen in weitem Bogen aus« Die Amarella, flüsterten sie schen. Rein Ftron,5, keine Blume. Der Ge: sandte hatte nichts vermocht den Unn deogesetzen gegenüber. Drei Stunden nach dem Tode wird der Körper der Erde übergeben, ntancinnnl noch ehe er ganz erkaltet, so wurde ihm mitgetheilt. Kränze-, Blumen, der ganze Pomp der Trauerseierlichteit, das toinini erst acht Tage später. — Blausilvern dehnt sich das-; schöne mende Meer. Aus der Lanfbriide steht Kapiteln leutnant Wessei. Er hat die sogenannte Zundewache und Zeit genug zum räumen. An den Krankheitsfall in der Gesandtsgbast glaubt er nicht; er lächelt da nur wissend und nachsichtig. Und vor ihm steigt Ulla von Ursom aus, wie er sie am liebsten in der Er innerung hält. Als die Mannschaft durch Petropolis geführt wurde, stand unter dem von Glycinen und Kletter tosen übertvucherten Gitterthor ein blondes Mädchen; sie hatte einen klei nen Buben, damit er besser sehen kön ne, aus den Arm genommen, und das Kerlchen legte sein Köpfchen an ihre Wange und schwenkte vergnügt eine deutsche Kriegöslagge. Als Wessel soweit in seinem Gedan- J kengang gekommen, ist alles verschwun den, was von Schmerz und Angst etwa » noch in seinem Herzen war, und es ist i nichts darin geblieben, ais eine große ; gläubige Zuversicht. Sie liebt mich, z und sie wird mein werden. Von Ba s hia aus schreibe ich. j Auf deni weißen Hügel von Sao s Franzesco va Paolo küßt der Mond ; ein frisches Grab. Die Branvung ! rauscht an den starren Felsen von Co - pocabassa und singt ihr uraltegSchlunp ! merlied. w- —- «s.—-«- - Unter der Klink. W Novelle von J. Madeline. Eine Wohnung im zweiten Stock der Schirmen ein trauliches grünes Licht auf das Kabinet. Ein kleines Veilchen bouquet, das man nicht bemerkt, das gessen worden, verleiht mit dem verwir renden Rausche gut riechenver Dinge, dieses geschlossenen Ziminers vie Zart heit seines undefinirbaken Duites. ; ihre Tapisserie gerichtet. Die Flamme , » .·LAl-.1 Ec« m—-c:s -—-- Ist-«- spie-III sicherlich aus irgend einein Tische ver- ’ die man nicht sicht, ver laulichen Wärme « Rue de Londres, und zehn Uhr Abends. E Die verschleierten Lampen werfen unter ! der. breiten, mit Spitzen garnirten , Am Kamine sitzt Madame auf der « Chaiselongue und stickt, die Augen auf ; blond. an seinem Schreibtisch und hat die Füße zes getreuzt. Er entfaltet den »Soir«', den man eben gebracht, und zieht den Duft des noch feuchten, frischen Pa piers ein, um sich sogleich in die Renn resultate zu vertiefen. Er lehnt sich, die Ellenbogen auflehnend, die Hände erhe bend, in seinen Sessel zurück, und dreht und wendet die Zeitung der Lampe zu, Indem er mit dem Kopfe niclt und ab fund zu ein : »Gut . .. gut . . . . t« aus stößt. Unten läßt sich das Geräusch vor-: isberrollender Wagen vernehmen. Fen wären alle diese finsteren FensterAugen, die sich schliefzen..·. Und in der Re gungslosigteit, die sich ebenso wie ans die beiden Gatten auf alles andere mit derselben Gleichgiltigteit erstreckt, ver sucht das lleine Veilchenbouquet, das nsan nicht bemerkt, seinen so unbe stimmten, verwirrenden Duft zu ver störlen : wie eine unbemertte weiblian Koletterie will es daran erinnern, das; es auch noch da ist. Man möchte glau ben, ein ganz leises, ganz schüchternes Trettock an einer ishiir zu hören ..... si- OI Isl . . . So lebten sie bald zwanzig Jah re, in der Eintönigleit dieser stets sich gleich bleibenden Hi.iuslichleit; ihr Le ben fließt neben einander, Seite an Seite, dahin; ihre Hände berühren sieh bei jedem Gegenstand in jeder Minute-, ohne sich zu vereinigen Eines Tages hat man sie verheirathet. Als dann die Gäste fort und die Hochzeitslerzen er loschen waren, sind sic: zusammen allein geblieben. Zusammen und doch allein! Das ist ietzt zwanzig Jahre her . Ach, das dislrete Glück der ersten Tage! Damals hatte sie zu allem »ja« gesagt. Eines Abend haben sie in die fein nämlichen Zimmer beide Weils nachten gefeiert . . . ein fröhliches Weihnachtsfest alle beide allein, ohne Dienerfchaft Sie hatte es so gewollt, und er hatte nicht Nein ge sagt. Er sagte damals nie Nein, wenn I feine kleine Frau etwas lächelnd wollte. IUILPI II,L psUslss VII- IUID I--0,vs . Ek ist im Hausjacrce Funszig Jahre, ungenirt, delorirt, tahltöpfig. Er sitzt E auf dem Fell eines schwarzen Bärenpel- » s.erla«den werden zugezogen, die Straße ! versinkt in tiefe, trübe Dunkelheit, als » i i i i i l I Und das war so drollig gewesen, so rei leend drollig, dies I lustige Studenten-s sonper, bei dem sich ihre Lippen in dem — selben Glase begegneten. Sie blieben so, zärtlich an einander geschniiegt, und wiirzten ihre Liebe mit kleinen iiiissen. Sie lebten ein Jahr doch lein Feind wurde ihnen bescheert. Madame war entzückt. Sie konnte auf den Ball ge hen nnd eleganie Rohen tragen. Doch es vergingen fiins, sechs Jahre, und das Kind wollte noch immer nicht kommen· Vielleicht hatte es von oben herabge blickt und unsere Decken zu niedrig, unsere Horizonte zu regnerisch aefuni den. Und nun wiederholte sich die all « tägliche und traurige Geschichte aller alternden Eheleute, deren Gesichter sich nie iiber dem lachenden oder weinenden Köpfchen eines Kind-Z nähern. Da ersr an einer Wiege das wahre Heim geschaffen wird so lernten sie nie die wende und die straft kennen, sich in einein dritten Wesen augzulebeii. Der Firnisz der Liebe, unter dem ihre Ju gend leuchtete, zerbröctelte ebenfalls. schwand nach und nach in der Berüh rnng mit dem Leben und machte sie zu zwei guten Wirthshauslameradem die auf demselben Flur schlafen. Sie machte Besuche nnd empfing s solche Er ging in den Klub. Zu den « s Stunden der Mahlzeiten trafen sie sich I an den beiden Enden des viel zu gro- z ßen Tisches7 waren dann die Serviet- f ten zusainmengesaltet, so ging jeder sei- ; neg Weges und beschäftigte sich mit I seinen Angelegenheiten, von denen auch nicht eine gemeinsam war. Sie nah men die Manieren lediger, alter Leute . an· Er machte die Rennen zu seiner i Spezialitkh kannte die Stalle, sprach » geläufig usi- von alten Freunden von - den Chancen ,,Coccinelles« und den Leistungen »Vasistas«; auch mischte er seltsame Worte in alle seine Reden, wie Handicaper, Wall-over, Canter, Rust, die er in jedem Augenblick benutzte. Jn seltsamen Kübeln zog sie seltene Pflan zen aus Doch die zarten Pflanzen verwelkten in der kalten Atmosphäre dieser lieblosen Häuslichkeit. »Sieh, sieh « sagte er erstaunt. Vor dem geöffneten Schubfach seines Schreibtisches stehend, durchflog er die Papiere, die dort seit langer Zeit ver gessen lagen. Sie erhob den Kopf. »Was ist denn?« Er hielt esn altes, vergilbtes Papier in den Fingern die ein wenig zitterten. Sieh doch nur. Sie erhob sich, trat hinter ihn und las: .. .Habe die Ehre, Jhnen Mit-. theilung zu machen von der Hoch zeit» Sogleich erkannte sie dieses Papier und diese zusammengewiclelten Brief schasten. Die Heirath, die man da an zeigie, war ihre eigene. Wie merkwür dig es doch war, daß man das jetzt, nach Jahren,wiedersand...1lnd wie merkwürdig war auch diese Erregung, die sie beide ergriff, die unter der Asche ihrer erloschenen Herzen einen ganz kleinen fernliegenden, vergessenenFuin ten ausriihrte. Jn einer Sekunde durchlebten sie noch einmal die ganze Vergangenheit ihrer Liebe; sie rein und unschuldig, er von Zärtlichkeit über-z fu«-· s«J-(- «.-:- s- Lin-- --«-- Ins-man i IPSUUIIUSU IUIH »s- I·,OI- lutes-so ask-.0-s zum schönen Bunde vereinten. Und das Glaeespapien das in leuchtendem Glan ze die Glocken ihrer Hochzeit verkündet, ries, obwohl jeyt vergilbt, die neue Hochzeit« ihrer-, wiedergesundenen Zu neigung wieder hervor. Sie lasen es zusammen durch, und als sie es aus-— gelesen, bemerkte sie, daß sie ihren Arm um den Hals des Mannes geschlungen, der sie mit zärtlichern Blicke betrachtete. -«-O. Die Lehre einer- Grabmal-j. Von Dagobert von Ger hardt-Amyntor. -».. Es war ein wahrhaft italienischer Herbsttag. Vom wolkenlosen, blauen Himmel goß die Sonne ganze Licht kastaden über die Havel nnd ihre ent zückenden Uferlandschaften nahe der Hohenzollernschen Somnierresidenz. . Das Fährbvok setzte uns bei Sacrow E über den malerischen Strom, und wir verfolgten nun den Weg beim königli chen Jagdschlosse vorbei nach demForft hause Zedlitz. Wer diesen Weg längs « des Saerower Sees noch nicht kennt, dein hat die Havellandschaft ihre iu timsten Reize noch nicht entschleiert. Jch war hinter meinen Weaaenoisen ein wenig zurückgeblieben, um einen Leichenstein näher zu betrachten, der · nicht fern vom Schlöszchen hinter einem Drahtzaun dicht am Wege aus dem verwilderten Grün emporraate. Das Pförtchen im Zaun war nur angelehnt, und etwa ein Dutzend Waldspazier gänger stand schon jenseit des Zaunes var dem Leichenfteine. Jch gesellte mich zu ihnen und erkannte ein Verwitterteg marmornes Denkmal, das in Gestalt einer aufrecht stehenden Tafel auf bei den Seiten eingemeißelte, noch gut er- , haltene Jnschriften aus dem Ende des 18. Jahrhunderts trug. Es wurde in ihnen gemeldet, daß hier der Träger eines, wie ich glaube, längst aus-gestor « benen Awelggeschlechteg ruhe, ein Gras » v. Hordt, der seiner Zeit Kommandant von Spandau gewesen war. Auch der Name der Gattin war aus dieser Seite des Steines verzeichnet Auf der an deren Seite standen folgende Worte: »die-nim, Sterblicher, betrachte mich; Du lebst - ich lebte auch aus Erden; Was Du noch bist, das war auch ich, Und wag ich bin, das wirst Du wer den.« Ueberrascht las ich die Verse noch einmal; sie gefielen mir· Sie enthiel ten ja aerade keinen neuen Gedanken, auch keinen biblischen Trost noch«irgend welche Hindeutung auf ein Wiedersehen nach dem Tode; aber sie regten dennoch zum Nachdenken an, sie waren hübsch pointirt und zwangen durch ihre anti thesenreicheZuspitznng und glatte Form den Leser zum Beifall. »Ach, da5 ist l)iibsch!« entfuhr es mir unwillkürlich. »Nicht wal)r?« stimmte mir eine jun ge Dame bei, die sich neben mich gestellt hatte und schon Notizbiichlein und Bleistist hervorlangte, um dieVerse ab: zuschreiben. »Und daß ein alter General die Sprache so trefflich zu meistern ver stand!« tönte hinter mir die Stimme eines älteren Herrn. »So, meinen Sie-, er habe sich bei Lebzeiten diese Grabschrift selbst ge dichtet?« erwiderte eine andere Baß stimme in lehrhastem Tone. »Ich bitte Sie, ein Kriegsmann von damals und solche Verse! Er ist sicher nicht der Verfasser gewesen; sie schmecken mir stark nach Gellert oder Gleim oder sonst einem steifleinenen Dichter damaliger Zeiten« »Es lohnt sich gar nicht, von sol chem rationalisiischen Zeuge länger zu sprechen,« versetzte eine dritte, sehr hohe Stimme in oerächtlichem Tone. Die Baßstimme lachte gemiithlicht »Da hört man den Kandidaten der Theologie; er läßt aus einem Leichen steine nichts anderes gelten als eine Psalmstelle.« »Was meinen Sie zu diesem Streite, mein Fräulein?« fragte ich leise meine Nachbarin, die mit ihrer Abschrift ser- « tig geworden war. J »Daß es wenig Menschen giebt, die unbefangen zu genießen verstehen,« antwortete sie einfach mit einem Zeich ten Erröthen ihres fein modellirten Gr sichtchens. »Brado, gnädiges Fräulein. Gott er halte uns beiden die Fähigkeit des un- " befangenen Genusses-t« Jch grüßte die junge Dame und eilte meinen vorangegangenen Gefährten nach, denen ich mein kleines Erlebnis mittheilte. Und nun entspaan sich eine eHidiskussion über Grabschristen und uber die Frage, ob man berechtigt sei, sie auch humoristisch zu gestalten, da der Humor doch einer der träftigseen Erlöser aus der Mist-re desLebens und auch des Sterbens sei. Ein Spaßvws gel in unserem Kreise meinte, ihm habe iene Grabschrist immer am besten as sallen, von der der selige Demokrit de richte: »Hier ruhen meine Gebeine; Jch wünscht« es wären Deine.« Der fast volle Mond stand schon am Himmel, als wir den Rückweg vorn Forsthause antraten, um wieder bei dem Grabmal vorbei die Sacrower Fähre oder das Dampischiff zu errei en. Es war siir einen Herbstabend noch merkwürdig warm; kaum ein Lüftchen regte sich; nur ganz oben durch dir höchsten Wipfel der Bäume ging das geheimnißvolle Rauschen und Flüstern, mit dem sich der Wald in den Schlum mer singt. Als ich den Blick vom Wege seit-i wärts nach dem Grabstein richtete, konnte ich im Dämmer des Abends ge rade noch die Umrisse eines Pärchens erkennen, das sich dort in seliger Welt vergessenheit heimlich niedergelassen hatte. Sie saßen im Grase und lehn ten mit den Riicken gegen die Bergseite Des Malllwtllell Umirr O du göttliche Macht der Liebes Un bekiimmert um alle Mahnungen an den Tod und die Vergänglichkeit der irdi schen Dinge lässest Du die. über die Du Gewalt hast, neues Leben träumen ans Grabhügeln und Luftschlösser bauen iiber dem Moder und der Verwesung. Dem Burschen und dem Mägdlein, die hier selig Lippe auf Lippe drückten, war es höchst gleichgiltig, ob die Jn schrist dieses Leichensteines positiv oder rationalistisch gefärbt war, ob Seine Excellenz der Herr Kommandant von Spandau sie gedrechselr hatte oder der Herr Professor Fürchtegott Gellert. Lächelnd schritt ich vorüber, und wie eine große Versöhnung wie eine heit-: bringendeBesreiung ging es durch mein Herz. Heute wie immer, wie vor Arr nen der Zukunft, hat und wird nur m Lebende recht haben; heute wie immer wird nur die Liebe Eiegerin blcirserk iiber Tod wie Leben. Wohl dem, der dies begriffen hat und der lieben-sin dend seiner Auflösung entgegengktst, denn durch Liebe gewinnt er die Ewig leit und vernichtet den Zeitbegrifs. Und wohl dem, der an den Tod zu denken est-g und dabei Verse, wie jene, zu dichten . vermag: . »Komm, Sterblicher, betrachte mir-. Du lebst -- ich lebte auch aus Erdm; Was Du noch visi, das war auch «.n,-, Und wag ich bin, das wirst Du :r-.: lspp « Denn auch ein sollt-er nat den Tit-d überwunden, nnd dnsz Dunkel des Gm beg hat keine Schrecken mehr sijr :t,-.s«. Jhm ist der Tod die allen bevorstehende große Verwandlung eine natiirliahe Nothwendigleit, etwai- «31Lgemeingifs; ges, ein Uebergang, an den man »Hei besondere Erreguiia. ja snit rollten-: meneni Gleichimitn »s« Unten vermam Ein solcher versetzt sicjis !er-k:«.d ist die Rolle dei- Gestorbenenz mir ungeteilt-. ter Freude an der Aehnlichkeit du scheinbar nnversöbnlietiiten Gegensatz-, mit souverän«eni, todiirrrwindendinj Witze dichtet er: »Und was Du noch bisn dar- wnr a ich . tm, Und wag ich bin, der-:- roirst Dzi ietz den« Er will damit sagen: Wir sind kir ander völlig gleich, ich. der Begrabene, und Du. der Du noch der Sonne Licht trintsi. Lerne diese Gleichheit alles Ei schafsenen verstehen, und Du irägsi ije große Religion im Herzen. vor der die lleinlichen Unterscheidungen der Reli-: gionen und Sekten nnd Parteien zu einem Nichts zusammensdnoinden Und ich meine, mer sich solch eine Gradsdkrisi gefaßt zu setzen vermag sei es mit ds: Festigkeit deH Glauben-.- oder mit dem Ernste des Philosorslien oder mir dun Lächeln des ioelterlösenden Hnmotk ich meine, auch ein solches Menschen kind wird Gnade finden vor dem Thr ne des allmachtigen Vaters, der hie Gaben wunderbar vertheilt hat unt- Fia seiner irrenden Kreatur allzeit Zieh-toll erbarmt. Das Wasser Unser-te ans: das Danipfschifs trug nng l)ei1niv"cirtg. Ich ließ mir am Bug den Abendwind um die Schläfen wehen und genoß den Frieden und die Siißigleit der nächtli chen Fahrt. Mein Geist kehrte aber immer zu dem einsamen Grabmal im Königstoalde zurück, Und ich music immer wieder des Wortes jenes klu gen jungen Mädchens gedenken, »daß es so wenig Menschen giebt, die unbe fangen zu genießen verstehen«. Gott sei Dank, ich hatte diesen Tag und die Stimmen des Waldes und auch die Stimmen der Todten unbefangen ge nossen —- ich war glücklich, und dank bar und mein Herz war voller Zuver sicht— , stn . — kliwec