Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 27, 1901, Sonntags-Blatt, Image 14

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s)
Hchkagende Zsettcri s«
Erzählung aus Mainer alten Tagen von A. Not-dan.
(A. HinniuSJ
(22. Fortsetzung und Schluß.)
Und sie sieht vor sich eine weite, öde
Gegend, unabsehbar weit; graue,
schwere Wolken bedecken den Himmel,
alles ist trübe und lichttos. Und iiber
diese weite, öde Fläche wandert eine
einsame Gestalt Grauenhast einsam
ist es ringsum kein tebendes Wesen in
der Nähe, steinig der Weg, überall
Steine nnd Dorngestriipp; ihre Füße
stoßen sich wund an den Steinen, die
Deinen zerreißen ihr Gewand, aber
sie muß weiter wandern, troßdent sie
so müde ist, die Füße so schwer, wei
ter, immer weiter. ,
Das ist ein Bild ihres künftigen
Lebens. die weite öde Gegend und
die einsame Gestalt ist sie selbst. Jn
ibr ist jetzt alles todt und still wie in
einein Grabe.
Der röthliche Schimmer am östlichen
Himmel verkündet den kommenden
Morgen, und da tomtnt es Ban zum
Bewußtsein, daß es noch Jemand gibt,
der aus sie wartet, ein Mensch, der ih
rer bedarf. Und dieser Mensch ist sein
Vater.
Sie erhebt sich Langsam, ihr sind die
Glieder so schwer als sei sie eine Grei
sin Aber der öde fteinige Weg liegt
vor ihr, und sie will ihn gehen, so
lange es einem Höberen gefällt.
Iangsam steigt sie zur Stadt hinab
und schlägt mechanisch einen Richtweg
ein, der durch enge« wintlige Gassen
und Gäßchen führt
Einntal ist sie diesen Weg auch mit
Gen-in gegangen, als sie beide noch
Kinder waren. Sie erinnert sich genau
des Tat-ed. Er wollte einen Bekann
ten aus der Citadelle besuchen, und sie
mußte itzrn einen Korb mit Früchten
tragen, den Herr Balthasar ihr mit
Cad.
Wie lustig sprang der schöne, blon:
k H de Knabe damals vor ihr her, wie
- glänzte in seinen Augen der Ueber
math. Er war grausam gegen sie, er
verhöhnte sie, daß sie so langsam ging,
denn er dachte nicht an die schwereLasi,
die sie trug Und sie lief ihm nach, bis
sie nihemlos und teuchend oben an
.tam. —- —
Eben will Billet aus dem Gewirr
der engen Gassen hinaus aus den
Last-las treten, da versperrt ihr et
was den Weg Ein Mensch ist H eine
lan ausgestreckte Gestalt. Mecha
nis , ohne Scheu beugt sie sich nieder,
denn sie dermuthet einen Todten. Sie
hebt die starren Glieder, den Kopf, der
schwer in ihrem Arm liegt, um zu
sehen, ab noch Hilfe mö lich ist. Da
Zifft sie ein Trugbild, it sie ihrer Sin
ne nicht Herr? Sie betastet den leblo
sen Körper-, reißt ihn mit lautemSchrei
empor, um zu sehen, sich zu überzeugen
Rein, dieser dlutüberströmte Leib,dieH
eingesallene, tvächserne Gesicht hat ja
luurn noch eine Aehnlichkeit mit dein
ledensirosendem blühenden Mann, und
doch —- es sind sein-« Zügel
»Gott strase knie«)" nicht so hart,«
schreit sie unf, »laß es diesmal Wirt- 4
lichkeir sein!«
DT beleuchten die Strahlen der auf
gehenden Sonne das Gesicht ErwinH
und — er lebt.
Zum ersten Mal im Leben verlassen i
silln ihre Kräfte besinnungslos sinkt j
see neben ihm zu Binden —
sie
Nun war Erwin Falk in sein Ba
terhaus zurückgekehrt: er lebte, aber
sein Lebenslicht tvar so schwach, daß
es jeden Augenblick zu verlöschen
drohte.
Eine alte Schußwunde in der Brust
war wieder ausgebrochen, der rechte
sent war zerschmettert, Brandwunden
Innsörper
Der alte hauöarzt machte ein ern
M, sorgen-obs Gesicht und sah
traurig an.
.EI Mel-eben in tänlich noch Wun
ders« erwiderte et auf ihre angstvolle
Frage, »tvatum nicht auch hier. Wir
haben einen Bundesgenossen — die
Innern-K
Erwitks Fiebetphantasien drehten
skch beständig irr gleichem Kreise. Da
hörte er wieder den Geschützdonnek der
Schlacht, da entsank ihm die Waffe
mitten im Kampfgewühh und als er
dann aus tiefer Ohnmacht erwachte,
war es Nacht.
»Noch Haufe!" war sein Sehnen.
Seine Vaterstadt war ja nicht weit,
und —- seine Füße wenigstens unver
Iest Nur das Schwere an der rechten
Gute —- top war sein Arm? Der hing
M wie eine Last, und die Wunde
staunte,
M et machte sich ans den Weg,
Wiss verbunden, denn er hatte
sum hatte ihm alles genom
M M Bauern nahmen ihn
. -—---- emit m ihren Wagen; dann
, uusmedet ßsp aber er
, M Dest. dann nn- ek wieder
,M W Ihn ist ei nicht
M M Maink das kann er
,J
O
! leicht zu Fuß erreichen. Da sind ja
« die Thürme von Mainz« da der Rhein
und die Brücke. Noch einmal alle
Kräfte zusammennehmen, dann ist er
zu Hause und geborgen. Ach, wie er
sich nach dem L;.terhanse sehnt! Nun
hat er die Brücke überschritten; ader
die Kräfte schwinden und ringsum ist
es so still, es weht ihn an wie Todes
geruch.
Am Ende ist das noch das Schlacht
l feld von Borodino oder Leipzig oder-—
Seine Gedanken verwirren sich, und
als er erwacht, da sieht er sich in einem
weiten, Zden Raume. Das iit ja nicht
sein Vaterhausz da sah et nicht rings
um fo hleiche Gestalten die sich in To
desoualen winden,da starrten ihn nicht
verglafie Augen an.
Und jetzt beugt sich iiber ihn ein
schreckliches Gesicht, von grauen Haar
ftriihnen umwallt,· böse, dunkle Augen
starren ihn an. Eine inöcherne Hand
greift nach ihm mit hartem Druck, sie
will ihm einen Ring vom Finger strei
fen, den Ring seiner Mutter-, den er
sich in allen Stürmen, die ihn um
braust, erhalten. Er will ihn nicht
lassen, er wehrt sich, aber die Hand ist
stärker als er; das ift wohl gar der
Tod, der ihn gepackt hat. Rein, es ist
ein feurige-H Weid, heiß faucht es ihn
an, Flammen sprühen ihm entgegen.
Hin-aus hinaus aus dieser Hölle!
Er springt auf, plöhlich in der To
desangst fühlt er die alten Kräfte wie
der. Da ift ein Ausgang! Andere
drängen sich herzu, sie wollen ihn zu
rückftoßem aber er ift einer der ersten,
und so ift er glücklich im Freien.
Mechanifch schlä»t er irgend einen
Weg ein, denn das k euertoeib mit dem
Glnthhauch ist noch immer hinter ihm.
Aber der Instinkt fiihrt ihn den rech
ten Wea5 die Straßen, in denen er jext
dahineilt, kommen ihm bekannt
vor. Wenn nur das Feuern-seid nicht
wäre. das ihm ietrt auf der .
Brust hockt und ihm den Athem
benimmt, und —- ach, der Arm!
Da führt er es wie einen heißen Strom
aus seiner Brust emporbrechen, und
dann weiß er nichts mehr. —
Das sind die Erlebnisse, um die sich
seine Phantasien bewegen. Nur durch
wenige Raume aetrennt liegen Vater
und Sohn. herr Balthasar darf es
noch nicht wissen, das; sein Sohn heim
gekehrt ist, es würde ihn tödten.
Und so wandert Ban von einem
Kranienlager zum andern, Tag uno
Nacht.
»Kind,« sagt der alte Hausarzt
ernst, »Dann schlafen Sie eigentlich?
Jch darf das nicht leiden, es geht wi
der meine Pflicht. Sie gehen ja zu
Grunde! Schwester Angelito muß
sich frei machen; ez giebt ja ietzt auch
nicht mehr so viel Kranke. Sie müs
sen abgelöst werden«
»Ach, thun Sie das nicht,« sagte
Billa, indem sie beschwor-end die Hände
erhebt, »ich bin start, stärker als Sie
oenten.« Sie lächelt unter Tor-Einem
bei aller Angst und Sorae ist ihr doch
so wohl, denn sie hat ein Himmelsge
schent erhalten —- die hoffnung.
Der alte hausarzt sieht sie kopf
schiittelnd an, denn ihre Gestalt ist
recht schmal geworden, die Züge so
durchsüchtig zart; aber er weiß, daß
besondere Zeiten auch besondere Kräste
geben, nnd daß er Billa gewähren las
sen muß.
Jndessen ist der Baron Neisenberg
auch recht ungeduldig geworden, er
schickt Christine von it zu Zeit. «
Der Baron sei nrei eni in entsetlp
cher Laune, sagt das Mädchen Er
. frage sich jeden Tag, warum er sich
s aerade eine leonertn genommen habe,
H
’ die ein Allerweltsengel fein wolle! «
»Hat denn ver Herr auch alles, fo
i wie er es gewöhnt ist? Des Morgens
die Chotolabe, Du weißt doch, sie Darf
nicht allzu fiiß fein, und ist auch
Abends das Bett newärmi. Bereiteft
Du auch feine Lieblinggfpeifen nach
meinem Recept?«
»Ja,j.1,« erwiderte Christine, »aber»
jedesmal, wenn ich ihm was bringe J
von dem ich weiß, daß es genau Ia e
reitet ist, wie die Jungfer es macht
dann sagt er doch: »Das Beste fehlt!«
Neulich fragte ich ihn, was er denn
eigentlich damit meine Da schnaubte
er mich aber schön an »Du dumme
Gans!« schrie er, und ich rannte da
von, als wenn nrir ver Kopf branntef
Zwan igftes CapiteL
vieJa der tadt begann allmählich
dresriegöpeftzu erlöschen, aber sie
hatte furchtbare Opfer gefordert. Ei
nes dieser Opfer war der Pra ekt
eatbon St. Andre. Der alte a
imr,der in Paris der Gnillotine
entronnen war, mußte in Mainz an
der schrecklichen Seuche zu Grunde
when Ganze Familien waren aus
gepude- ihre Geifer standen leer,
m sit-s net-Wes tschi-«
M Land war in Grunde gerich
tet, verarmt.
»Wir waren,'« so ereiihlt ein garde
d’honnenr aus dieser Zeit. «oft zehn
Tage lang ani Wache, und wenn die
Ablöfun kam, dann fanden unsere
Patroui en nicht selten die Posten als
Leichen."
Das war das Resultat der Nape
leonischen Herrschaft, die man einst
mit Begeisterung begrüßt, weil man
nach den Stürmen der Redolution von
ihr geordneten Zustände erwartet
hatte.
Inzwischen war die Biockade iiber
Mainz verbannt. und von den Welt
ereignissea erfuhr man nur, was Ge
neral Marmont, der Commandant
der Mainzer Besatzung,. fiir gut sand,
der Bevölkerung mitzutheilen
Von der deutschen Seite wurde die
Blockade taurn noch ernst genommen,
tein Schuß wurde mehr gewechselt.
Zweimal unternahm Marmont Re-«
tognoszierungen, aber er tarn nur bis
Hechtsheim und zum Fort Monte
bello, das war alles.
Inzwischen sah man den König von
Preußen in Biebrich seine Truppen
inspicieren; man sah, wie er, begleitet
Von seinen beiden Söhnen, dem Kron
vrinzen und dem Prinzen Wilhelm,
an der Front seiner Soldaten entlang
sprengte, begräbt von Hurrahrufen
und dem Schmettern der Fansarenz
in der Sonne blitzten die preußischen
Waffen. Endlich erweckte die sestliche
Beleuchtung Biebrichs und Hochheims
am Abend des 7. April und Geschüt
salven aus der Seite von Kastel in den
Bewohnern von Mainz die frohe
Ahnung, daß etwas Bedeutsames ge
tchehen sei, und am nächsten Tage ver
breitete sich das Gerüchi, Paris habe
lapitulirt, und die siegreichen Tru ven
seien in die französische Haupt adt
eingedrungen. Und endlich traf die
iranzöfrsche Besahuna don Mainz
ihre Anstalten zum Abzug.
Jn Scharen stürzte die Laut-bevöl
lerang in die Stadt, um sich zu über
zeugen, daß man von den Bedrückun,
unter deren Herrschaft die blühende
Stadt. das herrliche Land in einen
großen Friedhof verwandelt war, "
wirklich befreit werde. Die Mainzer
Jugend riß an der Rheinseite die zu
aemauerten Stadtthore auf, und die
ranzösischen Adler entfernte man von
den öffentlichen Gebäuden, hohnla
chend iiber die ohnrniichtige Wuth der
noch in der Stadt weilenden französi
schen Trunk-ern
Arn 30. April zog Marmvnt mit
seinen durch die Kriegspest furchtbar
decirnirten Truppen zum Neuthvr
hinaus. Da mußte er den jubelnden
Ruf vernehmen: «Die Deutschen kom
men!«
Wüthend drehte er sich aus seinem
Pferd um und rief, bis erhobene hand
zurFaust ballend: »Ja wenig Mona
ten rnd wir wieder hier!«
Aber er sollte sich in seinen Voraus
setzungen täuschen.
Jn unabsehbarem Zuge rückten jetzt
die Deutschen unter herzt-g Ernst von
Koburg ein, und bei ihrem Anblick
athniete die Bevölkerung aus« als sei
sie aus einem schweren Traume er
wacht-—
Jrn Falls-den Hause merkte man
wenig von allen diesen Vorgängen
here Balthasar hatte sich endlich von
langem, schwerem Kranlenlager erho
ben· Aber als er dann an das Bett
seines Sohnes trat, da wollten ihn
aus«-s Neue die lau-n gewonnenen
Kräfte verlassen. War das sein Er
win, diese Jarnergestalt? Der harte
Mann, der sieh jeder Gefühls
regung früher geschömi hatte, sank an
Erwin’s Bett nieder und zerfloß in
Thriinen.
»Den!en Sie an den Kranken, den
ken Sie an sich selbst. Erwin muß sei
nen Vater gesund wiedersehen, wenn er
erpacht,« mahnte Bis-Im Dann trieb
sie ihn mit sanftre Gewalt hinauö,und
Herr Balthasar folgte ihr wie ein ge
horsamei Kind. Er war nicht der
Mann vieler Warte, aber fortan be
handelte er das einst so tief verachtete j
Mädchen wie ein höheres Wesen, deinl
man unbedingt gehorcht. Wie anders
war das alles geworden!
Villa hatte einen schweren Kampf
gegen die Krankhezit gekämpr einen
Kampf aus Tod und Leben. Wenn
sich auch zuweilen ein schwacher Hofs
nungsstrahl zeiate, so schwand er wie
der vor der aufs neue drohenden Ge
fahr, und so qing der Winter unter
Hunnen und Bangen hin.
Und wenn Erwin auch vom Lager
erstand, würde er nicht ein Krüppel
bleiben? Würde er den zerschmetterten
Arm jemals wieder gebrauchen tön
nen? Würde die krante Brust über
haupt zu heilen sein?
»He-sie und vertraue,« hatte der ster- i
bende Arnold Falk gesagt, »einmal«
kommt das Glück zu Jedean«
Und Sibilla richtete sich aus an die
sem Wort, das Arnald wie eine schöne
Berheißuna ihr hinterlassen hatte.
wenn es allzu dunkel um sie her aus
. sah; sie kämpfte mit allen Kräften, die
I ihr zu Gebot standen, gegen den furcht
baren Feind.
Sie war dem hauöarzt eine tapfere
Gehülsin, wenn er an dem Kranlen
schmetshaste Operationen zu vollzie
hen hatte; sie wankte nicht, auch wenn
the das rz brechen wollte bei den
Leiden, d sie sah. Und wenn eau
Mk die Sünde der das W t dila
gen . in solchen Momenten entsent da
vonlief, dann zuckte lerne Muskel in
'XL Gesicht, ihre Hände gehorchten
» s
hne Zittern der deen schweren
d
. Der rühli war bereits einge
iejet til-Wer Juki-seit den Kranken
i
endlich siir gerettet ertliiren konnte.
Ttes erschüttert, unter Tdräinen reichte
der Vater ihm vie hand
Da wies der Arzt aus Sibillrn
»Danten Sie es ver," sagte er, «sie hat
nächst einern Höherm pas größte An
recht daran. Wäre sie nicht, so
mußte Jhr Sohn elend aus derStraße
umkommen; ihr e r Pflege haben Sie
eszu verdanken, wenn Erwin nicht ein
Krüppel geworden, wenn er seinen
Arm behielt. Jckt fürchtete, ich müßte
den Arm amputiren, aber Billcks
Pflege hat uns über das Schlimmste
fortgehol en.«
Herr galt, der steife, ungelente
Mann. ver von jeher so wenig das
Geschick gehabt, seine Gefühle im rech
ten Moment richtig zu söußern, that
diesmal in unendlichem Glücks- und
Dantgesiihl das einzig Richtige: er
zog das erröthenve Mädchen, das er
vor zwei Jahren aus dem Hause ge
wiesen hatte, in seine Arme und tüßte
es aus die Stirn. —
Jndessen träumte Erwin aus seinem
Lager der Genesung entgegen. Jhm
war zu Muth, als seien die Erlebnisse
der letzten Zeit schreckliche Phantas
rnagorien gewesen, unp nun erwacht
er wieder zum Leben. Aber dies
Leben war auch wie ein Trauter
und die zarte Mädchengestalt, die ihn;
umschwebte, wie ein Ausfluß diescri
Träume. s
Er hatte immer ihre Mitte empfun- s
den, selbst wenn das Fieber ihm dass
Bewußtsein raubte, und zuweilen ins
der Nacht glaubte er sie an seine-as
Bett zu selten« tniend in heißem Ge
s-« « tät-les Zins- Oinnsn aus sein«-n
Us« os s-·7-·- . --,-,--- q-.
Händen, und die hände waren feucht
von ihren Thriinen. Allmählich wich
dieser Traumzustand, die dumpfe
Adathie, die ihn umfangen gehalten,
verließ ihn. Ban waltete ans seinem
Bett in so gleichmäßiger Ruhe und
stiller Heiterleit, als wären solche
Schmerzensausdriiche fiir sie niemalo
vorhanden gewesen.
Vorläufig wurden nur siiichtigc
Worte zwischen dem Kranlen und der
Pfiegerin gewechselt, das Rdthigste be
treffend. Und nun legte sie schon ös
ter mahnend den Finger aus den
Mund: »Nicht so oiel sprechen, herr,
das areift an. wir müssen noch sehr
vorsichtig sein.'
Wie schön es doch war, sich so um
sorgen zu lassen, wie wohlthuend die
Liebe, die ihn umfing. Sein sonst so
wortiaraer Vater konnte sich jetzt nicht
genug thun in dem Ausdruck diese:
Liebr. Auch in herrn Balthasar be
gann eine neue Menschenseele empor
zuwachsen, sie war geboren in der Zeit
des Unglücks. Der Gedanke an das
.Jch« war darüber weit zurückgeke
ten. l
Nun saß Billa stundenlang am Las »
ger des Genesenden und las ihm aus
den Büchern vor, die ihr einst ihr gil
tiger Freund, Arnald Falt, geschenkt
hatte, und Erwin studirte das holde
Mädchengesicht Zug um Zug und
lauschte dem Wohlllang ihrer Stirn
me. Darüber hörte er ost kaum die
Worte, die sie las, ihre Stimme klang
ihm wie Musik.
Wie unbefangen und sicher sie sich
gab, ein hauch unbewußter Würde
umsehn-ehre ste, und doch war sie das
einfache, hescheidene Geschöpf geblie
ben, das sie immer gewesen
Erwin lonnte nun schon sein Lager
verlassen, aber ais er die ersten Geh
versuche machen wollte, da brach er
fast zusammen. Da war es wieder
Billa’s Arm, der ihn stühte, sorgsam
führte sie ihn durch das Zimmer.
»Einn· —- zwei, eins —- zwei,« kom
mandirte sie scherzend
»So, nun müssen wir aber noch
sparsam sein mit den Kräften, jetzt
setzen wir uns da in den bequemen
Lehnstuhl und nehmen eine Stär
iung.«
Und Erwin gehorchte glücklich lä
cheind.
«Sie sind eine Thrannin,« sagte er,
dankbar zu ihr aussehend.
Er wagte es nicht, das sriihere D u
zu gebrauchen.
Und wenn dann Billa mit ihrer
Imujmosuse Ses- Qirnmok seis- seines
Winles gewärtig, dann entspann sich
eine Unterhaltung. Erivin erzählte
aus feinem Kriegslehem er schilderte
die harbarische Pracht der alten Za
renstaot, das schwel erische, gewiß
reiche Leben, sag die Iegreichen Trup
pen in Moskau geführt, ehe die Flam
men emporloderten. Auch arausige
Scenen zogen vorüber, aber Ban
wußte dann geschickt das Gespräch in
andere, ruhigere Bahnen zu lenken, Die
den Genesenden nicht ausregten. Sie
erzählte ihreseits kleine humoristisch
Episoven aus ihrem eigenen Leben,
aus dem Kloster und dem Hause des
Baron von Reisenderg, nnd fröhliches
Lachen ertönte im Zimmer-. Herr Bal
l thasar Fall sam herbei und hörte dem
Plaudern behaglich zu.
»Ich sehe schon,« sagte der alte
hausarzt bei solcher Gelegenlxäz
«unsere junge Freundin sorgt je t
auch siir die Xslege des Geiste-, na -
dem sie dem örper alle Sorgfalt ge
widmet hatl«
Erwin war nicht mehr der über
mäthige herrensohm der alle Dienste
des ries unter ihm stehenden Ges ·ps:5
hintre-hin wie »etwas Selbstver änd
liches. Es la in seinem Wesen etwas
wie scheue E rsurcht und in einen
Augen ein« tiei empfundener anl.
W er nnt Han s ach. Er erwies
ihr alle die kleinen itterdienste, die
du«-Zier der gleichberechti ten Dann
. er Er holte ihr den tuhl, aus
E den ie sich letzen wollte, er riickte ihr
i den « iich zurecht, an dem «fie arbeiten
" wollte. Dann erröthete Billa wohl
iiliichtig, aber in holder Unbefangen-«
heit wußte sie immer schnell wieder
iiber solche Momente hinwegzugleiten
, Aber als Ermin einfi, da sie ihm eine
erbetene Stärkung gebracht. Miene
machte, ihre hiilfreiche Hand an die
Lippen zu ziehen, da wehrte sie ihm
erglühend und verließ eili das Zim
mer. Der jun e Mann säh ihr mit
leuchtendem Ge cht nach. —
Einige Tage später erklärte sie, iie
miiife nun wieder zu ihrem alten
Herrn, dem Baron von Reifenberg,
zurückkehren, der habe jeht ein risse
res Anrecht an sie; denn hier ei ihr
Wert vollendet und fte nicht mehr von
Nöthen.
Der Hausarzi fand Erwin baid
darauf aufgeregt im Zimmer auf und
ab gehend, er machte ein fpihbiibifches
Gesicht. »Beunruhigende Sympto
me,'« fagte er, »der Puls fliegt und
. das herz schlägt unregelmäßig. Jch
werde der Jungfer Sidan lagen, daß
sie Jhnen einen beruhigenden Trank
braut.« Dann ging er fchmunzelnd
davon.
Gleich darauf erfchien Billa mit be
forgtem Gesicht. «Fehli Ihnen etwas,
Herri« fragte sie. »Der Doktor sagte
mir, ich solle zu Jhnen kommen, Sie
brauchten mich nöthig.«
»Das ift auch fo," derfetzte Ermitt,
ihre beiden Hände ergreifend, die sie
ihm vergebens zu entziehen suchte.
»Ich brauche Sie nöthig, Sibilla, so
nöthig, daß ich Sie gar nicht mehr
entbehren kann. Laffen Sie mich eine
Frage an Sie richten: Was gebührt
demjenigen. der Ihnen ein fchon fast
verlorenes, toftbares Gut wieder
bringt«-«m
Billa fah ihn fcheu und unsicher an.
»Mein Vani, Herr,« erwiderte sie leise.
»Und wenn ed nun das Leben iii.
das mir Jemand wiedergegeben, das
tx-- cui-»Is- essvlnvsn Uns-P«
.-,.». »
Jhr Gesicht wurde seht aeifterbleich
wieder laa ver stehende, hülslose Blick
früherer Jahre in ihren Augen
»Du hast mir das Leben wieder
geschentt, Billa, Dir musz ich mit
diesem Leben danten mein Leben lanat
Ællst Dis dies Leben von mir anneh
men, willst Du als mein geliebtes
Weib an meiner Seite bleiben mein
Leben lana?«
Jn ihren Augen tiimpften Zweifel
nnd Seligkeit Aber dann legte sich
über ihr Gesicht ein ernste Ausdruck;
hoch richtete sie sich auf. » ein, Herr«
das tann nicht sein,« sagte sie mit
fester, tlanavoller Stimme. »Aban
Zech tann niemals das Weib eines
angesehenenManneö werden, Sie wis
sen das selbst am besten. Und ich, ich
tonnte es nicht ertragen, müßten Sie
sich vvr der Welt verstecken mit hrem
-Weibe, ich wiirde den Tod olcher
Schmach vorziehen.'
» Da nahm er sie mit sanfter, unmi
verstehlicher Gewalt in seine Arme.
»Nein, Billa, das hat Erwin Fall
J nicht nöthig, er wird Sibilla Zech mit
; Stolz ver ganzen Welt als sein Weib
? zeigen, denn sie trägt eine Krone, die
j sie hoch emporhebt iiber viele andere,
jdie Krone der edelsten Weiblichteitl
z Und wenn ich jetzt nicht mehr der reiche
sErwin Falt bin. so soll sich Sibilla
Zech doch nicht ihres Gatten zu schö
rnen haben, denn ich tann arbeiten, ich
fsiihle neue Lebenstrast durch meine
i Glieder rinnen, unv mit hülfe dieser
s Kraft will ich Sibilla Zech den Platz
, erringen, der ihr vor allen Frauen ge
biihrt!«'
»O Herr,« stammelte sie verwirrt,
stauqs --..----- -s
s»es ist ja nicht möglich, es tann ja
nicht sein, Sie und das Kind der
Eva Zech!«
»Er-a Zech’s Tochter soll mir eine
liebe Tochter sein, und ich heiße sie in
meinem hause mit Freuden willkom
men«, ertönte setzt eine Stimme.
Es war der alte Falt, der unbe
merkt der eben erlebten Seene beige
tvohnt hatte
Wer herrn Balthasar früher ge
sagt hätte, daß er einst freiwillig das
verachtete Betteltind als Tochter in
seine Arme schließen werdet
Ueber all der Glückseligkeit hatte
man nicht gehört, daß unten ein Was »
gen vor uhr. Ein schwerer, schleppen-s
der S ritt kam die Treppe herauf,1
und in der geöffneten Thlie stand der’
Baron von Ressenberg. Er sah ais
die drei glücklichen Menschen, au
Sibilla, die an ErwirA Arm hing
und mit seligem Lächeln zu ihm auf
schaute.
Da stie wieder der alte Jiihzorn in
ihm au. Drvhend erhob er den
Krückstoch »Ei, sieh doch,« rief er mit
zornfuntelnden Au en, «hiee scheint
ei ja lustig herzugeysem Die Jungfer
charmirt mit dem jungen deren, und
ich si daheim, hlale Trübsal und
s—
entbe der-,Psleaer«in, die hier nicht
mehr von Rote-en nn
Da trat ihm Erwin mit Ban am
Arm einen Schritt entgegen. Sein
Gesicht leuchtete vor Stolz und Glück.
J »den Bart-M sagte er. »ich stelle
cIhnen in der Jungfer Sibilla Zech
meine Braut vor, die bald mein liebes
Weib sein wird.«
»So, so, Monsieur, so mir nichts,
dir nichts!« lautete die Antwort. »Und
ohne mich um meine Einwilligung zu
fragenW
«Jch wüßte nicht, here Baron,'«
ne ehte Gewin, »daß Jungfer Sibilla
ni t frei ither sich verfü en könnte, da
gestatte näheren Ange örigen mehr
n .«
»Zum deutet auch,« rief ver Ba
— II
ron, seinen Krückstoet erhebend, »wenn
ich aber nun ihr Vater Link«
Da war es beraus.
O f- s
Der erste Gnadenatt« den der Kai
ser Franz einem Angedöri en des neu
wiedergeevonnenen deuts n Landes
aus dem linken Rheinuser erwies, war
die Erlaubniß zur Adopiion des jun
en Erwin Falk durch den Baron don
eifenberg·
»Der jungeMann heirathete ein ihm«
durch Bande des Blutes nahe eben
deg Mädchenf so motidirte der ardn
sein Gesuch, »e: selbst sei ein einsamer
Mann der teine näheren Anverwand
ten seines Stammes mehr beläßh er
wünsche, daß der alte Name n cht aus
stiirde, und daß seine großen Be
sißungen bei Hochheim in eine männ
liche, thatträstige band dereinst über
gin en.'
ald daraus sand die seierliche
Trauung des glücklichen Paares im
Dom statt.
Man bewunderte den stattlichen
Bräutigam, der die zarte. liebliche
Braut wie ein töstliches Kleinod zum
Altar sührte.
»Sei getreu bis in den Tod« so will
ich Dir die Krone des Lebens gebeut«
sagte der Priester dedeutungsooll, als-S
kr tdie Hände des Paares zusammen
eg e.
Billcks Treue bis in den Tod hat:e
ihr die Krone des Lebens eingetragen.
O I O
Ludwig der Achtzehnte saß jetzt aus
Frankreichs Thron.
Der Moniteur, der sriiher Napoi
ieon den einzigen, den größten Mann
des Jahrhunderts in den Himmel ge
hoben, veröffentlichte in jenen Tagen
folgendes Pasauill:
»Aus dem Karusseldtaß oder im
Einsee dourbon wird heute zum Var-·
its-il einer armen Familie aus Corsna
zum ersten Mal mit aller erdentlichen
m---s-a -.- -c--I-" .-I
Ist-UND IIIBIIIYIIO
Der Kaiser gegen den Willen aller-!
Ein tragi-heroisches Schauspiel.
Vorher:
Die Prinzen und Prinzefsinnen
ohne es zu wissen! Eine burlezle
Posse.
Und zum Beschluß ein Ballett von
Sklaven, und der Einzua der Kosalen
mit sonstigen Belastiaungen!«
Das sind die Wandlungen des Le
beni.
Endc
—
Unser Zimmcrgnrteir.
Wie behandelt man Blattpflanzen?
Kein erfreulicherer Anblick, wenn
draußen die Flor-en wirbeln und der
tiefe Schnee auf den Dächern liegt,
als im behaglichen Zimmer einePflanz
zengruppe, die mit ihrem frischen
Grün so recht alsVerbeifznnq kommen
den Frühlings im Winter steht. Frei
lich bieten nicht alle Blumentische in
eleganten Zimmern einen solchen An
blick; mehr als ein verstaubtes und
oerliimntertesGewiichH seistet dort sein
Dasein neben den paar neugetauften
Pruntstiicken, die auch ihrerseits teine
allzulange Glanzzeit behalten werden.
Und roch sind es nur ein paar einfache
Regeln, deren Beobachtung den Zim
merpflanzen das beste Gedeihen sichern
würde. Vor allem dürfen nur solche
im Zimmer überwintern, die dasiir ge
eignet sind, wie z. B. die schönste al
ler Zimmerpflanzem die Palme; die
setbe muß alle zwei Tage begossen wer
den, doch nie so, daf; das Wasser im
Untersatz stehen bleibt. Jhr droht Ge
sahr von der winzigen Schildlaue.
welche sich in den Blattrisven nistet
und allmählich die ganze Planze zer
stört. Hier heißt es scharf aufmerlen
und sobald man eines der runden.
gelblichen Wärzrhen auf der unteren
Blattseite sieht, mit einer gutenZahni
bürste und Seifenwasser recht gründ
lich die Rippen ausbiirsten. das töd
tet das Insekt. Fiir die zahllosen
Schiefbliitter gelten immer dieselben
Regeln: feucht halten« über-brausen
abwaschen! ·- ·
Uebrigens sind imsimmergarten du
Monde November und December nicht
gern gesehen. spähn oft trüben, nassen
Plage lind sen Phaner zum neu-»gu
Gedeihen nicht sehr förderlich, unt
manche Btumenfreundin mag ihreNotlt
haben. Heute beschränken wir uns
darauf, eindringlichlt ein richtiaee
Gießen zu empfehlen. Es ist ganz
unglaublich, wie viel Zimmerpflans
zen während dieser Monate ,,vergossen«
werden. —- Dann istSehutz gegen Zuqs
luit nöthig.——Knospende und blühende
Sachen wollen hell und meist tlihl ste
hen. Sie verspillern und vergeilers
sonst. —-- Man sorge durch Sprengen
für feuchte Luft; denn trockene Luft
läßt die Pflanzen zu viel Feuchiigteit
verdunsten· s
W
sechste Kopfe met senden-Inter
me.
Wenn diese austreten, erzielt man
durch Anwendung van warmem Was
er gute Erfolge. Die lchrner nden .
heile werden mittels eines S warn
met mit stät warmem Wasser heneht
und die "rme des Wassers allmäh
lich gesteigert, bis ei lo heiß ist, als es
eetr en werden kann. Zur jedesma
ligen nwenduna des warmen Wassers
genügen 10 bis 15 Minuten und das
erfahren tann ein bis zweimal tits
tich wiederholt werden. Nach de
Walchen muß logleich Kon und Ge
cht mit einem warmen handtuch fors
. liltig abgetrocknet werden.