Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 29, 1901, Sonntags-Blatt, Image 9

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    -..--—...- . H., »L
ss J- Fesseln-nun
Nach eiter Seeaerichtäenischeidung von
A bert Wulfs von Kanten-. «
Draußen weht es start und herrscht
grimmig-« Februartältr.
Aber im Heizraum des »Hu-it Boh
Ien« mertt man nichts davon. Höch
stenS, daß mit jeder Sekunde die di
btirendeu Eisenblechplatten unter den
Fiiszen eine andere Lage einnehmen,
oder hin und wieder die durchgehende
Maschine nebenan den Schisfgtörper
in seinen Grundsesten erschüttert,
wenn der sie bedienende Assistent es
versäumt hat, rechtzeitig die aus dem
Fasser schlagende Schraube zu dros-.
eln.
» Sonst ist’s gerade so wie immer-,
denn die Ventilatoren sind draußen
nach Lee gedreht, und der eisiae Athen:,
der mitunter hindurchschlöat, erstirbt
schon wenige Zoll unterhalb ihrer
Mündung in der heißen, lohlenstaub:
gesättigten Atmosphäre
Gluthrother Schein strahlte senaend
aus den eoffneten Feuerlöchern der
beiden K-: el auf die nackten, rußae
schwärzten Obertörper der drei Heizer,
auf di-: dampfenden Schlackenhaufen
am Boden, auf die dunkel glänzende
Masseder Steiniohle, die im Hinter
grund aufgeschichtet ist.
»Na, Itolberg, heute ist’s schlimm,
toaH?« - übertönte eine Stimme das
schiirsende Gerassel der Kohlenfchaui
sein, zu dem das dumpfe Stampfen
der Maschine die Grundmelndie ab
giebt.
Der hünenhafte Heizer zieht die
rothgliihende Zchiirstange aus dem
Feuerschlund und richtet sich aus. Ne
ben ihm steht der dritte Maschinist,
der vor etwa einer Viertelstunde die
Morgenwache in der Maschine über
nominen hat und nun seinen gewöhn:
lichen Rundaang durch alle Raume
derselben macht.
Der erstere oerzieht arinsend die
Lippen. so daß seine weißen Zähne
unheimlich aus dem schwarzen Gesicht
leuchten.
»Das will ich meinen, Herr Ma:
schinist,« belräftigte er.
»Mir immer tüchtig feuernS«
mahnt dieser. »Unter 58 Umdrehun
gen dürfen wir nicht heruntergehen
Wo steckt denn der Reinbect wieder
mal?«
»Der ist oben in der Steuerbord
bunter beim Trimmen.«
Mai-fes «- ZA bona bot-O Ihn-h- biss
ser« als gestern?«
Der hilne wischte sich mit der rus
sigen Hand den Schweiß von der
Stirn.
»Na, Herr Maschinist, so ri: cht will
es immer noch nicht gehen mit ihm,«
erwidert er breit ---— gonnerhaft. »Er
ist nun mal solche Arbeit nicht ge
wohnt. Den besten Willen hat er ja
wohl, und ganz freundlich ist er auch
mit ung. Aber wo er nun auch noch
die Seetranllxit hat, da ist das solche
Sache mit dein Arbeiten. Na, ich bin
ja auch noch da.«
Der Maschinist zuckt ärgerlich die
Achseln. »Ein Elend mit diesen uner:
sahrenen Leuten. Sind zu nichts zu
gi: brauchen. Was ist er denn eigent
lich sriiher gewesen?«
»Er sagt ja, er make Fähnrich ac
wesen oder so was AehnlicheL « ertvi
dert der andere wichtig« ,,Zuletzt hat
er Schlosser gelernt-"
,,««’fäl)nrich? Warum hat das der
Kerl denn nicht gleich in Rotterdam
gesagt. Nie nnd nimmer hätte ihn der
erste Maschinist angenntstert! Na, ich
werde selbst mal nachsehen, was er
macht.«
Er wandte sich ab nnd itiea die
schmale, glattgetretene Eisenleiter em
por, die uzur oberen Bnnler hinaus
sührtr.
Jn dem durch eine Gliihlampe soär
lich beleuchteten, sast gänzlich mir
Kohlen zugeschiitteten Raum lehnle
----- fl-t-l--f-t.- Js
JTTUIUcU Uus Lilith ·UI«-»Susu,uuxs.s,
in mäßige Träumerei versunken. Erst
als ihn sein Vorgesetzter nicht allzu
sanft am Arm pactte schtat er ani.
»Da stehen Sie nun schon wieder,
anstatt zu trimmen!« polterte dieser.
»Glaubrn Sie denn, die Kohlen lau:
sen von allein in den Heiirauth Ron
nen Sie nicht arbeiten oder wollen
Sie nichts«
Eiteinbect erwiderte nichts, sondern
sah feinen Vorgesetzten nur starr an.
Und es lag etwas in seinem Blick,
was diesen miloe stimmte-. irr nahm
ihm« die schwere siohlenschaniel aus
der sand.
»« ufgeoaßt, Reiiibeck- Jch will
Ihnen mal ei en, was man bei rech
ter Arbeit seha ien tann.«
Polternd und stäubend rollten die
Kohlen unter seiner Schaufel durch
das Vunierloch. Nach zehn Minuten
war ein großer Hausen des schwarzen
Brennstoffs in der unteren heizrauni
bunter verschwunden
Der Maschiniit hielt inne, während
ihm der Schweiß in Strömen über
sein rusziaes, gutmüthiges Gesicht
lief. »Sehen Sie, so macht man das,
zum Donnerwettert Was ist denn
da weiter schrver dran für einen Kerl
wie Sie« -— sein Blick streifte die
schlanke, trastige Gestalt des Kohlen
ziehets. ,,Nacnentlich jetzt« wo noch
die ganze Oberbunter gestillt ist. Wie
soll das erst nachher werden, wenn
Sie die Kohle von da hinten an das
Loch herantarren miissent Und bei
ganz anderer Temperatur als heute.«
Reinbeet blickte erschrocken auf sei
nen Vorgesehten ·
»Wirk- es etwa noch heißer hier un
ten, here Mschinist?«
Sonntsegg Blatt
Beilage des »Nelsraska Staats- Anzeiger und Herold«.
J. P. Wittdolph, Herausgehen Grund Jslamk Nebr» den 2.I. Jiov. Um Jahrgang 22 No. Its !
Der lachte.
»Das will ich meinen. Als wir
das letzte Mal dieLinie passirten, hac
trn tvir 60 Grad im Heizrauni!«
Der Kohlenzieher sah ihn flehend
an.
»Kann ich denn nicht in der Ma
schine Arbeit betocnmen, Herr Ma
schinist?«
»Ich habe Jhre Bitte dem ersten
Maschinisten vorgetragen, aber der
" will nichts wissen davon. Sie müssen
schon hier aushalten. Glaube ja gern,
daß es Jhnen hart ankommt. Aber
. was hiltf’s? So etwas muß über
wunden werden« Nur Muth, Rein
bect. es wird sich schon machen!«
Damit aing er weiter, um auch die
Backbordbunter zu insviziren Eine
.Weile schaufelte Neinbect mechanisch
weiter, dann verfiel er wieder in
träumende Apathie.
Also er tam nicht in vie Maschine.
Mußte weiter arbeiten wie bishe»:.
Asche hjeoen — trimmen, Asche hieben
— teimmen, dann acht Stunden
Schlaf, und die Quälerei begann von
Neuem. Tag für Tag. ltnd mit je
dem Mal wurde es heißer hier unten,
mit jedem Mal die Arbeit schwerer.
Bis er in Montevideo antani. Und
dann? Ein araueg Nichte-, lag die
Zutunft vor ihm.
Gierig griff er nach der Blechtanne
voll lauwarmen Essigsvasferg, die ne
ben ihm an der Wand lehnte, und
leerte sie mit einem Zuge. Nur ein
mal obllia den Durst stillen, der ihn
unausgesetzt veinigtr. Nur einmal
die Haut gründlich von dem Ruß und
Kohlenstaub reinaen, der bereits bis
in die feinsten Poren gedrungen. Nur
einmal vie arschtvär,zte, öl- und
fchweißgeträntte Kleidung mit neuer,
sauberee vertauschen tönnent
Er zuckte wie unter einem Schlag
zufammen. Da war sie schon wieder,
-.:. ic-: -------- »L- «-cc;-.iht-« -»-«l«
UIL Use-subsuuv, »n- kplusupkuq quasi-s
volle, die nicht sterben konnte. Die
ihm plötzlich erschien, im Wachen wie
im Traum, Hand in ano mit ihrer
traurigen Zwillings chtvester, der
Neue, und sein Herzbiut trant, an
seinem Lebensmark zehrtr. Langsatn
sant er auf einen großen Zteintoh
ienblock nieder-, schan vie Hände vors
Gesicht uno weinte bitterlich.
lind während Die Thränen zwischen
seinen schlanten, geschivärzten Fin
aern hindurchrannen, zog Bilo ans
Bild an seiner Seele vorüber.
Sein Baterisau5. Lanaaestrect:,
einstöctia, mit schlichtein Ziege-wach
Im Rahmen der Haugtbiir die strasse,
militärische Gestalt seine-«- Vat—:rg, Des-J
alten Aintmanns.
Die diiinmriae Waloiviese, cvo er
so ost aus dem Tchnepsenstrich gestan
Ven, wenn er in den Ostersekien aus
dem Kadettentorps nach Haus kam.
Die Bank im Part, ioo er mit Eise
gesessen.
Eise!
Seine Thränen sind plötzlich ver
siegt. Mit irrem Blict starrt er in
das matte Rothgelb Der schwarzbe-v
schlaaenen Gliihlichtbirne, während
ein waynsmniger Schmerz in Brust
nno Hirn bohrt.
Da ist sie, vie süße, tteine Eise, de
ren zartes Hündchen in oer seinen
ruhte, deren schimmernde-Z Haargeloct
er tiissen durfte in träumender Mond
n IJIO —,. —
unp
Er sprian auf, seiner selbst nicht
mehr mächtig.
Das geht iiber seine straft is—
Der dritte Maschinist hat seinen
Runbgang beendet und steht, die Ma
schine bebienend, zwischen Hebeln,
Ventilen, Manontetern nnd Jnoitas
toten aus ber Plattsdrnt. Sorgsasn
wanderl sein Blick iiber dag- blanke
Gestänge der Maschine, das in flirrt
mernbent Durcheinanber stampfend
tth schnanbend aus nnd niederqleitet,
bis-«- herab zu den brei wuchtigen Kut
beln der Schrauben-beile, die abwech
feind aus dem Dunkel ber Bilge ans-—
tauchen.
Drei Tage schon ist das- qewaltige
Mtriebe ununterbrochen ini Gang,
nnd nach weiteren zwei Wochen
tontcnt vielleicht zum erstenmal wieder
das ztdnunando Stopp von der
Brücke. Da heißt eg nachsehanen,
daß lein Niet springt, teine Schranbe
sich lockert bei dem unablässigen Aus
und Nieder Der schweren Metallrnas
sen.
Timtimtitn -—-- titnni schrillt plötz
lich »die Glocke des Maschinentelegras
phen durch den Raum während ber
Zeiger an der hellerleuchteten Milch
glaöscheibe auf »Halt« springt. Mit
einem Ruck hat der Maschinist den
Stenerun shebei umgelegt, sanehend
schieben ch die Pleuelstangen noch
einigerna auf nnd nieder, dann sin
ten sie kraftlos zurück, ein Aechzen
wie ver iehte Seufzer eines Sterben
den —- die Maschine steht.
Frageno trisft sich der Blick des
Maschinisten mit dem des dienslthuen
den Assistenten, während in der offe
ne Thiir des Kesselraumschotteg die
hertulische Gestalt eines Heizers er
scheint.
»Gehen Sie doch mal nach oben
und sehen zu, was los ist!«
Der Assistent eilte die schlüpfrige
Stiege hinauf nach oben, wo durch
die settig schimmernden Stabe des
Griitings das Tageslicht bricht.
Eine lange Viertelstunde vergeht.
Langsam, unsicher, wie seines Halte-Z
beraubt, wantt der Schifsetörper hin
und her, während unter dröhnendem
Surren der Dampf durch das Kessel
» ventil abbläst.
» Endlich kehrt der Assistenl zurück.
Sein bleiche5, leicht aeschwiirztes Ge
sicht ist noch eine Schattirung sinsterer
als sonst.
»Der Kohlenzieher Reinheit ist über
Bord gesprunan und nicht mehr zum
; Vorschein aetominen!« meldet er dem
j Wachthabenden
l Timtim -- timm tönt im selben
lAugenblict der OkaschinenteLegriiph
Halbe straft vorang!
Aechzend und stöhnt-nd springt die
Maschine an.
l Drüben aber, im Heizraum starrt
lein hiinenhaster, rußiger Gesell in
l
das Feuerldch starrt so lange, bis
ihm die rolhstrahlende Hitze die Augen
thränen macht
»Zchade um ihn, er war ein guter
Kerl. Aber er tauate nun mal nicht
stirs Leben « murmelte er und ioars
- eine acmaltiae Schippe Kohlen aus
l Das war Reinbectg Grabrede
-—---—.—.-...
Juliette Lavardiu.
kitcsvcllctlc Voll Eule-sc Tempel
Der Staatsanwalt hatte eben seine
Rede beendet und der Prasident dein
Vertheidiaer derAnaetlaaten das Wort
Leichenblaß unter ihrem Iraueri
schleier, warf Fräulein Julietta La
vardin auf ihre Umgebung einen ruhi
gen Blick, dessen sanfter und gleichzei
tig doch stolzer Ausdruck zu ihren Gun«
sten einnahm.
»Sie haben ons- Wort, mein Herr,«
wiederholte der Präsident, sich an den
Vertheidiger wendend.
»Meine Herren Geselnoorenen,« ver
setzte dieser, »die Angeklagte hat mir
eine Denischrift überreicht, um mich in
die näheren Umstände und Ursachen
der That, die man ihr zur Last legt,
einzuweihen. Jn dieser Dentschrift ist
alles gesagt. Wenn Sie sie gehört
haben werden, werden Zie davon eben
so überzeugt sein wie ich. Es bleibt
mir also nichts weiter zu thun, als
Ihnen Diese Denkschrist dorzulesem
und darauf wird sich auch mein ganzes
Plaidoher hefchränlen.«
Nach dieser kurzen Vorrede lag- der
Vertheidiger folgendes vor:
»Sie haben mich beschworen mein
Herr, Ihnen die ganze Wahrheit zu
gestehen und ich gehorche Ihnen.
Die Erklärung die ich Ihnen liefern
will, habe ich dem Untersuchung-Erim
ter verweigert. Jhm gegenüber habe
ich Stillschweigen bewahrt, selbst alg
sein Eifer, die Beweggründe meines
Handelns zu entdecken- ihn zu Vermu
thnngen veranlaßte, die vollständig
unbegriindet waren.
Damals lebte mein Vater noch.
ps
UUU IUJ llUlelc IUIIUctUclL aUclllc lll U
tobt. Jcb elabe den Schmerz aehabt,
ihn zu verlieren, als die Untersuchung
meines «ltro«zessec.«s, abgeschlossen war.
Seine Tochter vor die Assisen aeftellt
zu sehen, war zu viel fiir ihn: die
Verzweiflung hat ihn getödtet, und
die Gründe« die mich »Zum Schweinen
verdamunein bestehen nicht mehr.
Jch bin zwanzig Jahre alt una in
Paris in einem Hause der Rue du
LZentier geboren, wo sich die Magazine
meines Vaters befanden. lfr stand an
der Spitze der französischen Industrie
Er zählte zu den bedeutendsten Rauf
) leuten von Maria und die Seidenstoffe
« des Hauses Lavaroin sind in der gan
Jen Welt berühmt. Meine Mutter,
Ieine Heiliae, starb wenige Monate
i nach meiner Geburt.
! Als kleines Ajtödchen lernte ich tcine
sandere Liebe und Pflege kennen, als
« bie meiner Amme, die mich anbetete.
Doch als meine Erziehung eine mehr
geistige Pflege verlangte, wollte mir
mein Vater diese zu theil werden las
sen. Er war ber Meinung, ich lebte
zu einsam und abgeschlossen Er sprach
Davon, mich in’s Kloster zu bringen,
dann aber verzichtete er darauf, so ver
zweifelt war ich bei dem Gedanken,
t- «" Haus verlassen zu müssen, in dem i
ich ausgewachsen war. Er nahm nun
eine Erzieherin in’s Haus, eine ältere,
ersahrene Frau mit freundlichem Her
sen, die meine Lehrerin, meine Gefähr
-. »i-’7osI·.’- i.
l
tin, meine Freundin wurde und michs
nie verlassen hätte, hätte mein Vater
sich nicht wieder verheirathet.
Jch war fiebzehn Jahre alt, als dies
fes Ereigniß mein ganzes Leben um
geftaltete. Ich sah meine Stiefmutter
zum ersten Mal eines Abends in unse:
rer Lage. Mein Vater hatte eg mir
mitgetheilt; er sagte, fie wäre eine rei
zenoe Frau, eine tinderlofe Wittwe
von dreißig Jahren.
Sechs Monate später zählte ich eine
Feindin in unserem Hause. Von An
fang an hatten wir uns nicht leihen
können, und dag Uebel wurde mit
jedem Tage schlimmer. Und doch hätte
ich sie geliebt, wenn sie es gewollt
hätte; doch leider hatten wir in allen
Dingen so ganz verschiedene Anschau
unaen. Sie tadelte meine Neigungen,
verfpottete meine Gefühle und kriti- f
sirte sogar meine Teiletten Mein f
Vater, dem unsere Zwietracht befläns !
dige Sorge bereitete, versuchte zuwei- »
len, uns zu versöhnen, mußte aber
balo darauf verzichten; er hoffte, rnich ;
bald zu verheirathen und so der pein
lichen Situation ein Ende zu machen.
Ftnrze Zeit nach seiner Verheirathi
una nahm er, da fein Cafsirer ihn ver-:
lassen hatte, einen neuen, einen gewis
sen Gilbert Bertrand, einen jungen
Menschen, der von meiner Stiefmutter
protegirt wurde, und ein Miindel ihres
ersten Gatten war. Ich war anwe
send, als er, kurz bevor er seine Thä
tigleit antrat, in unserer Wohnung
einen Besuch machte. Sein aeckenhaf:
tesz Gesicht, feine affectirte Elegan3,
die zu feinem bescheidenen Einkommen
in leinem Einklang stand, vor allem
aber der freie und vertrauliche Ton,
» in dein er zu Madame Lavardin
sprach, machten einen häßlichen Ein
» drei-f Auf kniest
) Fu anderen Zeiten hätte ich meinem
l Vater von meinen Empfindungen
i"ltittheilung gemacht doch ich hatte
darauf verzichtet, gegen den Willen sei
ner Frau anzniämpsen, wenn ich nicht
I direkt davon betroffen wurde und ob
» . uhl mir fein neuer Itaffirer ein in
stinktives Mißtrauen einflößte, so
, schwieg ich doch. Bald wurde er in un
seren Familientreis zugelassen, wurde
nnser Tisehgast, der Vertrante meiner
Stiefmutter, und erwarb sich das- volle
Vertrauen seines Chris, der ihm dac
selbe dadurch bezeugte, daß er ihn an
seinen Geschäften betheiligte und ihm
die freie Verfügung über die Kasse
ließ. Ein naher Lierwandter hätte
nicht besser behandelt werden können
Man theilte tnir sogar mit, daß
jedermann ihn alg meinen zukünftigen
Gatten betrachtete. und das-, mein
Vater, wenn man in feiner Gegenwart
darauf anfpielte, die Sache nicht in
Abrede stellte. Da er nie mit mir da
Von sprach, so hütete ich mich wohl,
eine Erklärung hervorznrufen Herr
Gilbert Bertrand niißsiel mir, nber
das war auch der einzige Vorwurf,
den ich ihm hätte machen können, denn
seine Haltung gegen mich war nach wie
dor korrekt.
Jch übergehe die drei Jahre, die
nach seinem Eintritt in unser Hang
verflossen. Wie diese drei Jahre waren,
können Sie sieh wohl einigermaßen
denken.
An einem Abend des letzten Zorn
tnerg, während unseres Ausenihalteg
auf dem Lande, wo wir uns, mein
Vater, meine Stiefmutter und ich, so
wie ein halbes Dutzend Gäste befanden,
zu denen natürlich auch Herr Gilbert
Berti-and zahlre, deuten ich nach Dem
Diner den Salon, um draußen die
frische Lust einzuathmen Hinter dem
Schlosse unter der Terrasse und von
Orangenbäumen geschützt, befand sich
eine Bank, auf die ich mich gern setzte.
Dort sassl ich auch an jenem Abend
nachdenklich und trauria, alsJ ein lste
riiusch von Stimmen, die leise iiher
meinem Haupte sprachen, zu meinen
Ohren drang.
Diese Stimmen erkannte ich sehr
bald; eg waren die meiner Stiefmutter
und des Herrn Bertrand, und sie spra
chen so fieberhaft und erregt und zit:
ternd, daß mich eine Ahnung überrann
ich würde Mitwisserin eines schreckli
chen Geheimnisseg werden.
Sie zanlten sich, die Elenden! Und
wag siir Gräuel wurden mir in dieser
Stunde enthiillt! Mein Vater war
doppelt betrogen, man hatte ihm nicht
nur sein Geld, sondern auch die Treue
seiner Frau geraubt. Jetzt gestand
der Elende seine Veruntreunngen und
das Defizit, das er an der Kasse be
gangen. . .. Dann suchten sie nach
einem Mittel, die Gefahr-, die sie be
drohte, zu beschwören, bis er plötzlich
sagte:
»Es giebt ein Mittel, wenn Sie nur
wollten!«
»Welche-IN
»Meine Verheirathung mit Jhrer
Stiestochter!«
»
»Unglücklicher! Sie würden es
wagen . . «
»Ich würde alles wagen, um dem
Zuchthaus zu entgehen . . . Mit Ju
liettes Mitgift würde ich dag, wag ich
genommen habe, wieder einlegen tön
nen. Bin ich übrigens erst einmal mit
ihr verheirathet, so habe ich nichts mehr
zu fürchten; ich glaube nicht, daß Herr
Lavardin boghaft genug wäre, seinen
Schwiegersohn vor die Geschworenen
stellen zu lassen!«
Auf diese Worte antwortete ein
neuer Augbruch von Schmähungen
und Thränen.
Sie widerstand noch im Namen
ihrer Liebe, während er ihr schmei
chelte, sie zu beruhigen bemüht war
und ihr von ihrem zukünftigen Leben
ein Gemälde entwarf, das er mit schö:
nen Phrasen vergoldete.
Bald beruhigten sich die Stimmen,
ich hörte nichts weiter mehr als
Zischeln, doch ich wußte genug und
blieb betäubt.
Sie kennen jetzt die Ursache meines
Verhaltens, mein Herr, uin zu begrei
fen und auch meinen Richtern begreif
lich zu machen, welche Gefühle meinen
Arm bewaffnet haben. Als mein un
glücklicher Vater alg blinder und ge
horsamer Sklave seiner Frau acht
Tage nach dieser schrecklichen Unter:
redung von mir verlangte, ich solle
dem Schurken, dessen Verbrechen ich
nicht enthüllen durfte, meine Hand rei
chen, als Herr Bertrand felbst, nach
dem er mit frecher Liixie mich seiner
Liepe versichert, sich mir anfindrängen
urtsuwry tnuctn rl lllll llll Ulllocls
ständniß mit seiner IJtitschuldigen eine
; Falle stellte, da blieb mir kein anderes
Mittel, als der Revolver, der sich zu
fällig im Zimmer befand.
Ich habe getödtet, doch meine Hand
lung war nicht vorbedaeht; sie wurde
mir bon der Nothwehr eingegeben, und
ich kann sie weder bedauern noch be
reuen.
Juliette Lavardin wurde freige
sprochen
-———.——·—
Zu hemmende Omwregcun
Echuhzeua wird geaen Rasse unem
Psinelich, wenn man die Sohlen Ini:
lainoarineni, gekochten Leinijl tränkt
und dag Oberleder öfters mit wenig
Ricinusöl einreibt. Hierdurch wird
gleichzeitig die Haltbarteit deS Leders
erhöht. Gleiche Wirkung erzielt
man, wenn man Klauenfett und Lein
E öl zu gleichen Theilen mit einander
kocht und damit, ioenn es noch lau
marm ist,« dag trockene Schuhzeug
einreibt.
Fijr das Waschen sarbiaer Stoffe
beachte man, das-, Essig, sogleich zum
Waschtdasser zugegeben, rosa und
ariine Farben erhält, zum letzten Was-:
ser gegeben, srischt er rothe Farben
aus. Soda erhält blau und purpur
roth, Pottasche bessert schwarz, aber
nur in reiner Wolle. Sind Farben
durch Säuren Verändert, so stellt man
sie wieder her, indem man sie mit ei
ner Mischuna von einem Theil Sal
miatgeist und zehn Theilen Wasser be
tupft, sind Flecken durch Altalien enti
standen, so wendet man in derselben
Weise Essig an. Säuren und Alta
tien heben sich gegenseitig auf, je fri
scher die Flecke find, um so besser ist
die Wirkung.
Rostslecke entfernt man don Eisen
durch Bestreichen mit Putzpomade, die
man mehrere Taae darauf läßt, nnd
durch Abreiben mit Wiener Ratt,
oder durch mehrtägigeg Einfetten uno
ziureioeu uui unaeloscyleui, ,le Pulver
gestoßenem Kalt von Stahl durch
wiederholteg Einreiben mit frischer
Zwiebel —-—- von lltirtel oureh tsinseiten
mit Vaseline tmehrere Taae lanat
und Abreiben mit verdiinntem Eali
miat aus Zeitastofsen Durch Wa
schen in oeroiinnter Essiav ooer Wein
steinsäure.
Ein gutes Fleckmasser bereitet man
sich aus einer Misrhuua Von einemTheil
Salz in vier Theilen Salmiataeist und
vier Theilen autem Spiritus. Hart
slecten werden durch Butter erweicht.
Haar- und Ftleiderbiirsten reinigt
man, indem man recht beisie Weizen
tleie in die Borsten streut uno nach
dem Erkalten heraustlopr Die er
taltete seleie nimmt alle llnreiniateit
mit heraus-. Sind Haarbiirsten aug
nahmgweise sehr schmutzig, so hilft ein
Eintauchen der Borsten in Salmiat
geist
Jm Französischen ist das Wort La
tomobil weiblichen Geschlechts, das
Wort Automobil aber nach einem so
eben erslossenen Diktat der Atademie
männlich· Dazu bemerkt ein Witzbold,
was denn nun dabei herauskommen
würde, wenn sich Lotomobil und Au
tomobil vereinigen sollten. Nun, wenn
die beiden zusammen kommen, giebt
es jedenfalls einen Hausen —Trüm
mer.
—
Das ums-Why
Rachdentliche Geschichte von Ostar
Blumenthal.
Oft und oft wurde der Fürst von
Trapezunt gefragt, warum er in der
Fülle des Lebens sich die schönste aller
Erdenfrenden versagt und sich keine
liebende Gattin gesellt habe? Wenn
die Frage von dser Neugier oder dem
Eigennutz an ihn gerichtet wurde, so
antwortete er ausweichend und ver
drossen. Als aber eines Tages der
berühmte Philosoph Kleobnlos aus
Jstrien zu ihm kam nnd mit der näm
lichen Frage das Herz des jungen
Fürsten zu öffnen versuchte, da be
kannte er zum ersten Male die Wahr
heit:
»Ich bin bei aller brennenden Sehn
sucht nach Liebe und Francnhuld ein
einsamer Mann geblieben, weil mir
einst in Deinem Heimathland Jstrien
ein Oratel verkündet hat, daß die
Fran, die ich wählen werde, mich be
trügen wird.«
»Und das hieltest Du für das Un
anszweichlichek« erwiderte lächelnd der
Philosoph
,,Jn, kennst Du ein Mittel, um dem
Rathschlufz der Götter zu entrinnen,
oder um jene Weissagung Lügen zu
strafen?«
,,Vielleicht.«
»Du meinst ich könnte die Frau, die
ich heimführe, mit so viel Spähern und
Hijtern umgeben, daix sie an ihr Ge
löbnis; gefesselt bleiben muß wie mit
einer unzerreiszbaren Kette?«
»Es aith keine Kette, o glaub’ es
mir, die Frauenlist nicht zu durchseilen
wüßte«
»So meinst DU, das-, ich vor mein
Hang die Furcht nnd den Schrecken
pflanzen soll, um auch den ver-wegen
sten Verfiiltrer zu entmnthigen?«
»Du kennst die Gewalt der Beaierde
nicht, mein edler Fürst! Sie wird auch
oor dem Tod nicht zurü"ckbet)en.«
»So giebt es- tein Mittel, um jenes
Lratel zu iiberwinden?«
«.’I
k-- ( -«.,«,- «.-..- -.. ..
»k« -.·— «:-.
»Es giebt nur ein einziges. Nicht
durch Furcht und Schrecken, nicht durch
Späher Und Hister . . . aus dem Her
zen Deines Weibes heraus mußt Du
die Verführuugen besiegen, die sich ihr
nähern werden. Du mußt so start
und unvergleichbar in Deiner Liebe
sein, Du mußt ihre Sinne nnd ihre
Seel-e so völlig beherrschen, mußt ihr
jeden Blutsgtropfen so lebendig Und
unentreiszbur mit Deinem Bilde erfül
len, das-, siir keinen anderen Gedanken
mehr Raum bleibt. Und nicht ihre
Pflicht gegen Dich » — nein, ihre Freude
an Tir soll der Schutz Deines Hauses
sein!«
tijeoankenvoll hörte der König die
Worte deg- Philosophen und liest sich.
leicht bewegen, ihm nach Jstrien zu
folgeri, um er bald um die Tochter des
Königs, die schöne Mgndane, tvarb.
Nie ist ein Ehebund von so Viel Glück
und Sonnenglanz erfiillt gewesen. Nie
hat sieh zärtlicher und genuskfroher Ju
gend zu Jugend gefunden. Und wenn
im Laufe der Jahre eine niiide und läs
sige Stunde tum, wo in der Gewohn
heil des Besitzes dag heiße Gliicksgefiihl
zu erlglten drohte, so machte in dein
Fiirsten die Erinnerung an dass Lralel
auf und trieb ihn mit ängstlicher Zärt
litlileit immer wieder in Mundaneg
Arme. Es gab in der Welt nichts
Ltkiditigecs und Groser, due- ilnn nicht
erst durch die Liebe zu seinem Weibe
netnerthet und verkliirt wurde. Fa
rz
H
selbst seine trhre und Ziege erfreuten
ihn nnr. weil er sie ihr wie Blumen zu
Fiisren schiitten konnte. So derrollten
ihm wohl zwei Jahrzehnte in wandel
lofem titliict Und alS eines Tages der
Philosoph Ftleohnlog ihn wieder ein
mal besuchte-, da fiihrte er ihn lachend
in Mandaneg Gemach nnd sagte:
»Sieh her nnd bekenne, das-, auch die
tstötter einmal gelogen haben!«
Jetzt aber nahm Mandane die Hand
ihres Gatten, strich ihm liebkosend
iilier die Stirn und sagte dann leise:
»Und ich habe Dich dennoch betro
gen!... Jetzt, wo sich mir und Dir
selwn die erften Silberfäcrnjns Haar
flechten, darf ichs bekennen. Aber es
war ein frommer Betrug der Liebe, den
Deine Großmnth verzeihen wird.
Zieh! . .. jenes Qratel, dass Dich so
geängftigt hat, es war eine listige Fäl
srhnng. Mein Verlangen, Dich allein
in besitzen nnd Dich ein ganzes Leben
lang an mich zu knüpfen, war so groß,
dafi iih jeneWeissagnng zu Hilfe nahm,
nm Deiner siir alle Zeiten gewiß zu
sein. Die Furcht, mich zu verlieren,
sollte Dir meinen Besitz nur um so
inniger aan Herz fetten nnd —- daß
im Dir alles bekenne! --—- die Sorge vor
meinem Wankelmuth sollte mich gegen
den Deinigen fchiitzen .. .«
Mit aliicklichem Lächeln fragte der
Fiirst nnn den Philosophem »So ist es
denn unanoweichlich, dasz wir von den
Frauen iiberlistet toerden?«
»Es ift unauglveichlich,« erwiderte
Fileobiilosi. »Ich habe ein umfangrei
cheg Buch darüber geschrieben, das fiir
die Ehemiinner aller Zeiten unentbehr
lich sein mird....«
Wie tief betrübend, daß dieses Buch
beim Bronde der Bibliothet von Tra
pezunt mit untergegangen ist!
Merkwürdig, daß die Frauen sich
immer solcher Dinge erinnern, die sie
vergessen sollten, während die Männer
nur zu oft vergessen, wessen sie sich
erinnern sollten.