Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 29, 1901, Sonntags-Blatt, Image 14

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    .
chkagende gseiieri
Erzählung aus Mainzcr alten Tagen von A. Not-dan.
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(A. Hinnius.)
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(18. FortsesungJ
Das Weingut in Laubenheim stand
zum Vertaus, denn seit ein großer nach
Holland bestimmter Transport edel
stet Weinsorten an der Grenze von
der laiserlichen Regierung mit Beschlag
belegt und nach Paris geführt worden,
unt dort össentlich versteigert zu
werden, war das alte Haus nach allen
Verlusten, die' die Zeitverhältnisse schon
vorher mit sich gebracht, dem Ruin
nag.
as Ausfahroerhot der Waaren
in's Ausland war noch nicht veröffent
licht, als dieKonsiscierung der Waaren
schon erfolgte, aher die Beschwerde
der beiden handelöherren hats ihnen
nichts. Und zu diesen schweren Sor
gn die schwerste um den einzigen
ohrr und Erben! Man hatte, seit Ers
win die russische Grenze überschritten,
keine Nachricht von ihm erhalten, man
wußte nicht, was aus ihm geworden
Mk.
«Billa, mit Deinem Fortgang ist
auch das Glück aus dem Hause gegan
gen der Wohlstand und unser ErwinL
h er noch lebt, und wenn —- in wel
chem Zustande mag er wohl seiniVieL
leicht zerschossen, ein elender Krüppel.
unser schöner, stattlicher Erwin.«
Und die alte Frau rana die Hände
nnd weinte bitterlich in Bill-is Kain
mer, und das Mädchen stand daneben
mit geisterhleichem Gesicht. Sie konnte
keinen Trost spenden, weil sie selbst
keinen hatte.
J s
So ging der Winter dahin unter
Rot und Sorge, und schon wurde wie
der eine neue Armee ausgerüstet und
alle, die srüher zurückgestellt waren,
auch die mit einem Gebrechen oder
Schaden Behasteten, eingetleidet. . Die
Vorstellungen der Aetzte vanen mang, "
man brauchte zu viel Material.
Kaum zwei Monate waren seit je
ner sluchtartigen Reise nach Paris
vergangen, da ließ der Kaiser schon
wieder aus dein Schloßhos zu Mainz
die Truppen an sich vorüber desilieren«
und wie die Regiinenter jetzt in langen
Reihen vorbeimarschierten, da mach
ten sie doch einen stattlichen Eindruck,
und der Kaiser brach in die Worte aus:
«Oh aue c’est beau!«
Er dachte trotz der letzten furchtba
ren Erlebnisse noch an keine Neinesis,
es ging ihm wie dein Spieler, ver durch
erhöhten Einsatz den Verlust decken
will, hier war der Einsatz: Menschen
leben und Menschenglück
Jn der Menge rief man wohl das
übliche »Vive l’Empereur!« Aber der
Ruf klang nicht mehr so vollstirnniig
wie früher, es waren bezahlte Schreier
in der Masse, und viele schrieen init
aus alter Gewohnheit. Andere dage
sahen zähneinirschend in stiller
uih dem militärischen Schauspiel zu
und stießen Verwünschunaen aus, die
von dem Lärm verschlungen wurden.
Vorläufig mußte man noch dulden
und schweigen.
Der Kaiser war sehr verstimmi zur
Revue geritten. denn er hatte neuer
dings in Erfahrung gebracht, daß
Oesterreich, das Vaterland seiner Ge
mahlin, sich von ihm abwenden wollte;
er fühlte, daß man in Europa nicht
sehr so unbedingt wie sriiher an sei
ten Stern alaubte.
vBei den Zurufen, die ihm nicht mehr
so begeistert wie früher entaeaen klan
gen, fchweiften seine Augen finste:
über die Menge. Da fiel sein Blick aui
einen Mann, der nicht weit von ihm
in der Menge stand. Seine kräftige,
breitichultrige Gestalt, das tiihne Ge
ficht mit dein ernsten, stolzen Ausdruck
waren allerdings auch nicht dazu an
gethan, unbeachtet in der Masse zu
verschwinden, und jetzt waren diese
Augen mit so drohendem, haßeriiill
tem Ausdruck auf ihn gerichtet, daß
sein Zorn emporrvallte. s
Er wandte sich an einen Herrn enit
einem unangenehmen, verkniffenemGe
echt, det- in ieinr Näh hilt. Es tvar
ouche, Herzog von Otranto. «
«Kennen Sie den Mann dort?'
fragte Napoleon mit scharfer Stimme.
, suche, der alles wußte, wandte
flüchtig den Kopf nach der angegebe
nen Richtung. «Majeftät meinen je
nen herrn im schwarzen Mantel und
breitrandigen Dut? Das ist ein Herr
von Greiffentalu aus dem Rheinaau.
Er erbte dort kürzlich das Stamm
chloß seiner Familie und besißt au
deni in Amerika bedeutende Län
dereieu. Er verteilt fein Geld in ver
schwenderischer Weise an die Armen
und thrt das Leben eines Sonder
·Iiir scheint, Sie werden alt,
, und damit auch lässig,« er
...s.-::-:r·s.x-g·s »s. Stier-«
« te W- ein
Äms mit einem solchen Gesicht im
isa MM peti- t, und daß
— sei-e gefährlich-et atur sind.«
«"; Mutes-Eber sterbe-n -
j—dtssiileu, Beein- denks
Æei W in zufammen
« XII-L « m
Rust
tyilW «W Ist
F s —
Kastel und traf überall seine Anord
nungen. Doch die Hauptsache, die
zweifelhafte Haltung Oesierreichs.
nahm alle seine Gedanken in An
spruch, er ahnte, daß dieser Haltung
ein weitverzmigtes Jntriguenspiel zu
Grunde lag.
Mit demGroszherzog von Frankfurt,
der, wie immer, wieder zu seinem Ein
psang herheigeeilt war, hatte er eine
sehr ernsie Uniterreduna unter vier
manches heftige Wort des Kaisers ge
gen den Großherzog erlauscht haben.
Nach dieser Unterredung reiste Dai
derg sofort, ohne wie sonst noch dem
Kaiser Gesellschaft zu leisten, in seine
Residenz zurück. Jn Frankfurt ern
pfing ihn sein Minister Aibini mit
besorgte-n Blick.
»Es warten unserer unangenehm
Dinge, hoheit,« sagte dieser
»Ja, wie konnte man auch denken,
daß die Gräfin sich in so iolltiihne Un
ternehmungen einlassen würde! Habe
ich das gewollt?«
«Jedenfalls müssen wir uns sowie
ren, oheit."
»A r wie?·'
. «Jndem wir die Gräfin fallen las
sein«
»Nein, nein.« rief der Großherzog
»das geht nicht. Lena ErthaiZ Un
möglichs«
»Und wie wollen sieh denn Hoheit
aus der Affaire ziehen-? Der Kaiser
will ein Opfer haben, so rnuß es die
Gröfin sein."
»Und warum nicht dieser Greiffens
klan, der ohnehin dem Kaiser mißlie
bna tu fchein scheint Jauche faaie .
mir neulich, daß er diesem Herrn eine
»reprimande« Seiner Maiestät zu
verdanken habe-"
»Mais —- hoheit werden sich anä
oigst erinnern, daß Herr von Greif-«
sentlau bei der ganzen Sache gar nicht
beteiligt war.«
»Aber man könnte ja leicht —- be
sonders da er dem Kaiser mißliebig zu
sein scheint —- .,oh mon Dieu«, welche
schrecklichen Verwickelungen, und das
alles kommt nun plö lich iiber mich,
der ich stets nur das este gewollt, der
nach allen Seiten schlichten, es jedem
recht machen wollte, der ich meinen Un
terthanen immer ein giitiaer Vater
war. ; Albini die Reaierunassoraen
lasten zu schwer aus mir, ich bin ein
alter Mann. Mag unser erlauchter
Nachfolger Eugen Beaukarnaisz der
Vicetönig von Italien, re aus seine
jüngeren Schultern nehmen!« Der
Großherzog vergaß ein paar Tbriinen,
küßte Albini aus beide Wangen und
sagte dann: «Thun Sie was sein
muß, «mon ami«, aber schonen Sie,
rvo Sie können. Jch wasche meine
hände in Unschuld, und das Bewußt
sein, das Beste gewollt zu haben, muß
mich trösten.«
Damit ging der Großherzog in sein
Privattabmett, das er hinter sich der
schloß. Sein Minister sah ihm mit
mokantem Lächeln nach.
.Dalbergsches Phrasenthum,« sagte
er, »man weiß, was man davon zu
halten hat, und thut nach eigenem Er
messen, was man siir gut sindet."
Ali die Gräsin von Fremont sich
bald daraus bei dem Großherzog mel
den ließ, wurde sie zu ihrem Erstau
nen nicht angenommen.
a i i
»Glauben Sie,« sagte an demselben
Tage Fouche zu dem General Mat
mont, dem Gouverneur von Maine,
»daß dieser Freiherr von Greissentlau
seine ganze Zeit wirklich nur philan
thropischen Bestrebungen opsert und
zum Zeitvertreib dann noch mit Cle
mens Brentano uder Ledenspyiloiw
Phie disputirt?« —
Sie saßen in dem kleinen Arbeits
zimmer des Gouverneurs von Mainz,
in dem früheren Osteinschen Palai3,
dessen große Fenster auf den Thier
markt mündeten.
»Er hat allerdings eine bewegte
Vergangenheit hinter sich,« versetzte
Marmont, »zweirnal tonspirirte er
gegen den Kaiser und kam dann wie
durch ein Wunder mit dem Leben da
von. Dann ging er nach Amerika,
obgleich rnan hier seine Dienste, das
weiß ich genau« nicht zurückgewiefen,
wenn er sie angeboten hätte. Dann
soll er sich in Amerika ein kleineZReich
gegründet haben — man erzählt Wun
derdinge von seinen Thaten.«
»Aber warum kommt er gerade ietzt
hierher? Ein Mann wie Greissentlan
thut nichts ohne Grund, und — ein
solcher Mann kann vor allen Dingen
. nicht unthiitig sein.«
»Man spricht von einer unerwideri
ten Leidenschaft des Freiherrn für die
Gräiin von Fremont.«
«Uniinn! Ei m etwas Wahres
daran lein, aber ein ann rnit solcher
Vergangenheit endet nicht damit, daß
er sich an die Schleppe einer Frau
hiin t.««
»Ich verstehe nichts davon,« verieste
Forsche, »die Beil-F waren mir stets
sent- M dtz häßliche, derknissene
W des seen-I m Dteante mit
I
,
den kleinen. verschsisien sagen sah.
dann konnte nean das wohl degreljen
Einen solchen Mann wurden die
Frauen nicht gefährlich, weil ee ihnen
« kein Interesse einslsßte
»Und doch heißt es in jedem compli
cirten Fall: «Cberchez la seinmel« det
seäte Marnwnt mit cdnischein Lachen.
» ebrigens muß dieser Greissentlau
viel Geld haben, denn et gab es mit
vollen Händen siir das Bvlt und die
Vettvundeten. die aus Rußland zu
rücklanien· Jn den Lazaretten liber
zeugte et sich selbst. ob seine Mittel die
richtige Verwendung gesunden hatten.
Er ließ sich selbst nicht einmal von ie
ner scheußlichen Kranlbeit, der-kriegs
pest, die mehr als man es zugesiebt.
hier haust, abschrecken.«
»Also ein Tugendbiindlet,« sagte
Fvuche rnit einer veröchtlichen Handw
wegung. ,.Gekade diese Edelmutbs
sanatitet sind die Gefährlichiten, denn
sie sind unberechenbar.«
»Freiherr von Greisfenllau!" mel
dete in diesem Augenblick der Kain
merdiener.
Es war, als wenn Greiifenllau, als
er fett eintrat, etwas davon ahnte,
daß rnan von- ihm gesxtzrvchen hatte. .
Vielleicht lag auch in den Gesichtern
der beiden herren eine leichte Ueber
raschung, daß dieser Mann gerade
fest, wie der Geist in der Fabel, bei
ihnen erscheinen mußte.
Sein Adlerblick ruhte durchbohrend
auf beiden Gesichte-m obgleich Fauche,
der schlaue Fuchs, wieder die Maske
der Undurchdringlichteit trug, die
man an ihm kannte.
Greiffenllau nahm in dem Sessel
Platz, den der General Marmvnt ibrn
mit verbindlichster Handbewegung bot
»Ich tvknme als Bittender. Exceb
len3," jagte er. »Wir baben hier einen
armen Teufel, der Mann sab einst bei:
fere Tage, nun ist er herunteraetoms
men verarmt. Sie werden begreifen.
der handwerterstand kann nie-: »
deihen, rvo Belian ihm rnit eisernem
Griss den goldenen Boden entzieht
Nur im Frieden blühen Wohlstand
und Intelligenz.«
»Seht gut. rr Baron,« sagte
Marmont rronis ,, .ich bin Jhnen ver
graben siir diese unarnstösziiche Wahr
it."
»Pardon,« versente Greiisentlau
ebenso ironisch, »ich vergaß, u wem ich
sprach. Also es handelt si hier um
einen armen Teufel, der mit seinen
zweiunddreißig Jahren noch icn dienst- .
pslichtigen Alter steht. Er hat Frau
und Kinder, das sünste Kind ist vor
acht Wochen geboren, die Frau schwer
krani. Nun sollte er einge ogen wer
den zur Armee. Er hat aneiinglich ge
beten und gefleht, sein Elend darne
stellt, daß die Seinen verhungern müs
sen, wenn ihnen der Ernährer fehlt.
Auch ein örztlichses Attest von dem
Medizinalrath Witkrnann konnte er
einbringen, daß er that-sachlich an ei
nem körperlichen Gebrechen ieidet.«
.Man tennt diese ärztlichen At
teste," wars Marmont ein, «wir tön
nen daraus tein Gewicht mehr lege-U
Bauche nieste oerständniszinnig.
reifsentlau wollte aussahren iiber
diese unerhörte Verdachtigung eines
fochgeachteten Mannes, aber dann be
ann er sich. Es wäre nicht tlu ge
wesen, seht, wo er etwas siir feinen
Schüyling erreichen wollte, den Gene
ral zu reizen. Er suhr also sort, als
habe er diese Aeußerung gar nicht per
nornrnen: »Nun hat also der Unglücks
Inensch, als man ihn per Zwangsmaß
regel preisen wollte, sich thatlich wider
sest Ei ist ein großes Verbrechen, ich
weiß es wohl, und ej steht daraus die
Todessirasr. Jn drei Tagen soll er
am Reimundithor erschossen werden.
Excellenz, geben Sie mir den arrnen
Kerl! zahle siir seinen Raps tau
end Ltores und schicke ihn mit seiner
p milie aus meine Besihungen nach
Amerita.«
Marmont schwieg einen Augenblick
und spielte mit dem silbernen Blei
stist, der alt Berlocke an seiner Uhr- j
tette hing
«Vrav, Herr Baron, das nenne ich
terrestr-ie- fsnto » II ans-et nicht
nichtsnutziges Subjekt.«
Jn Greiffenklaus Augen blißte es
freudig auf. »Das Geld ist nicht weg
geworfen, Ercellenz, denn ich aewinne
mir dadurch einen brauchbaren Ar
beiter. Glauben Sie mir. nur die
äußerste Verzweiflung trieb den armen
Schelm zu dem Verbrechen.«
»Um so mehr bedanke ich, Ihren
Wunsch nicht erfüllen zu tiinnen.'·
»Wie, Sie wollen nicht?« rief Greis
senklau aufsdtingend.
»Ich kann nicht, mein Herr. Be
denken Sie, wenn man den einen l-»
nadigt, häufen sich derartige Verge
sen bis in’ö Ungeheuerliche. Nachsicht
i biet am unrechten Plat, denn die
beinliinder sind ein renitentes Volt,
leicht zur Aussätzigteit geneigt-«
»Ich kenne meine Rheinländer,« rics
Greifsenklau, »ein terniger, gesunder
Mens nschla ist es, arbeitsam, und
fröhli in’s eben chauend Frei
willig ordnen sie ch der Autorität
unter, aber wo ihnen Tyrannei ent
gegentritt, da döurnen sie sich naturge
maß dagegen auf.«
»Sie urtheilen nicht gerade sehr
freundlich über die Anordnungen Sei
ner kaiserli Majestiit, mein Herr
Baron« nii chte sich jett Fouche rn’s
Gespräch, »wenn Sie von Tyrannei
s rechen«
p ·
Doch Oreiffenklonnchtete Hi da
rauf. »So wollen Sie also eine ganze
Familie zu Grunde richten?« wandte
er wieder an«Marmont. »Wenn
der ann aus böser Ubhchi acbandelt
hätte so Ade ja jedes Wort siir ists
zu d l, aber heer — er war in Vec
zusetsme sang, wahnsinnig vor unsiialiehem
n .'
Marmont erwiderte nichts, er zuckte
nur stumm die Achseln. »
Finster und driiuend stand Greis
sentlau dar den beiden Herren. «
»Denten »Sie denn nicht, da-? es eme
Remesis giebt, und daß die echnung
einst einen furchtbaren Ausgleich er
fahren muß-P
Seine Stimme tlang grollend Doch
als er in die starren, bewegungslvien
Gesichter der beiden Herren blickte.
lachte er bitter aus.
s »Sie werde-: meet-, ich spiel- Ih
;nen da eine Scene aus dem Cinna
! vvk. und ich fühle in diesem Moment.
« wie sehr ich mich an das falsche Pu
blikum gewendet habe·"
Er verbeugte sich vor denherren und
schritt hocherhobenen Hauptes an ib
nen vorüber durch den anstoßenden
Saal, dessen bis zur Erde reichend
Fenster sieh aus einen großen. mit ver
oldetem, schmiedeeisernem Gitter ge
fchmiickten Balton öffneten, hinaus
und die steinerne Flügeltreppe hinab.
Die Ossizisere und Adiutantem die
sich in diesem Saal und dem daran
stoßenden ebenfalls runden Vorraum
aufhielten. sahen ihm befremdet nach.
»Das war der Greissentlau," hieß
es. »Was hat er nur? Sollte man
ihm eine hohe Staatssielle angetragen
haben? Er sah so stolz aus« eigentlich,
als wollte er es mit der ganzen Welt
aufnehmen."
Jn dem eben von ihm verlassenen
Zimmer aber sagte Fouche zu Mar
mont: »Es wäre doch gut, wenn man
diesem Greissentalu etwas mehr aus
die Finger säbe, er hat ganz abson- ·
derliche Anstchten.'
Drei Tage später wurde der arme
Teufel am Raimundithor erichossen,
und der Freiherr von Greiiientlan zu
tausend Livres Geldstrafe verurtheilt,
weil er sich siir einen Hochverrather
verwendet und dabei unziemliche Neu
gerungen über die Regierung gethan
atte.
Siebzehntes Kapitel.
»Sie ben mich rufen lassen. Lena.
Wissen Die, daß ich aus dem Wege tu
ghnen war? Welchen Dienst verlangen
ie von mir?«
«Frang! Mit es denn immer eine
eigenniitzr Abicht sein, die Sie mir
unterschee en? Konnte es nicht etwas
anderes sein, meine Sehnsucht nach
Ihnen? Denn ich liebe Sie, IranzP
·Lena. Sie haben ja überhaupt tein
Herz, Sie wissen nicht, was Liebe ist.««
» .Und wenn ich es doch wii te, wenn
ich es wiederhole: Ich lie Dich.
Franz, ich habe Dich immer geliebt!'
Sie lehnte den schönen Raps an seine
Schulter und sah mit zärtlichem Blia
zu ihm ans. Wetche Welt von Gefühl
in diesen serrcht schimmernden dunklen
Augen lag, welch berückendes Lächeln
um diesen blühenden Mund.
Der purpurne Atlas ihres Kleides
tnisierte leise, er wars einen Glutizs
scheiu über ihr weiß-s Gesich-( Sie
zog ihren Arm durch den seinen und
wandelte langsam mit ihm durch die
lange Reihe der Gemächer.
.Ob ich Dich liebe, Franz! Jch will
ja nichtj als Dich!«
Da lachte er bitter aus. »Und das
Betst Du, Lena, die Du längst die
eine sein könnetesi. wenn Du nur
wolltest? Aber nur Weib sein, nichts
weiter als ein hingebendes Weil-, das
tannst Du nicht, denn Du willst herr
schen, herrschen überall. Jn zweiter
Reihe tornent erst bei Dir die Frau-«
Sie lachte leise vor sich hin. »Und
wenn ich Dir nun sage, Franz, daß ich
iiingst in Wien zwei glänzende Par
tien ausschlag? Da war zuerst der
Gras Els, er bot mir eine beinahe
sürstliche Stellung. Manche andere
hätte sich dadurch blenden lassen. Und
dann der Gras Wollenstein Du er
innerft Dich doch de- hiibschen, lusti
gen Pagen am Doie meines Lhei«itg.
»dasWoltensteinchen« nann.en ioir ihn
immer. Aber Lena Erthal wollte sich
nicht wieder uan Rang und Stellung
vertausen, sie dentt nur an einen, den
»sie immer geliebt hat, den sie schon
» liebte, als sie noch ein Kind war!«
»Und doch tonnte sie ihn adiveisen
um eines Greises willen.'
»So laP doch die Vergangenhei:
vergangen ein, Liebster, laß uns an
die Gegenwart denken, an die Zukunft«
die uns gehört, wenn Du nur willst!«
Sie zog ihn an's Fenster. Der
Mond war eben emporgestiegen über
dem Domthurm, den er mit Mit-masti
schem Licht übergoß. Silberschleier
hingen an den röthlichen Schnörkeln
und Arabesken, und als das Silber
licht den Reiter aus dem spitzen Dach
umzitierte, schien er sich zu bewegen
»Ein Bild unserer Zutunst,« sagte
ge träumerisch. Sie hob den weißen
rtn empor-. »Dies aufsteigende Ge
stirn und der Glanz, den ej ausstrahtt,
sei uns ein gutes Zeichen.«
»So hast Du endlich eingesehen,
Lenk, wo das wahre Gliick zu sinden
»Gut-ist« ries sie. »Ja Dir und
mit Dir, qus der stolzen höhe der
Menschheit Siehst Du, Franz, da s
nenne ich höhe, wenn wir hinahsehen
ans das Gewürm, das zu unseren Fli
ßen kriecht, und wir können ei haben,
nein, wir halten es in der hand. höre
mich ·an, Franz, und wenn Du
mich liebst, wirst Du t un, was kch
von Dir verlange. Es i sa so wenig,
nein, es ist ein gutes erl, das Du
thust. Stelle Dir vor: Ein Vater-, der
sein Kind an einen Unwitrdigeu ver
lanst hat« theils in unsinniger Bee
hlendunz theils auch ans moralische-n
Away-. Jener Mann, der Gotte sei
net Kindes, get-Im u den Mit -
sieg der Erde. er fürchtete ihn. nnd i
nieste sein Kind geos ert werden. Das
Mädchen —- nennen wir es o —·
sagte Mai-kleine mit leisem z cheln.
»wer noch ein Kind, eine PnL , die
nichts von der Welt wußte. e wasr
nicht unglücklich und auch nicht glück
lich. Jedenfalls wird sie ei leicht
überwinden, wenn man sie oon dein
Gatten trennt.«
»Aber Lena, was soll das alles?·
fragte« Franz erstaunt.
»Don mich!« ries sie, und wieder
brach der alte herrische Ton Indurch
»Alle sprechen wir oon ihr. ielleicht
liebte sie sogar schon einen onderen,t
noch ehe sie den Gatten kannte, mnn
weiß es nicht. Sie ist unbedeuteno,
ais Mensch nicht hoch zu rechnen. Nun
wünscht der Vater sein Kind aus die
sen nnwiirdigen Banden zu befreien.
er will sie zurück hisben Doch das
muß mit allen Künsten der Diplomntie
geschehen, denn er —- er würde sie nicht
lassen, nicht um ihrer selbst willen,
nur um äußeren Vertheil. denn er
tann diei Verbindung. die ihm ein
Relies giebt, in den Augen der Welt
nicht enthehren.«
Sie hatte sich so sehr in Eiter gere
det, daß sie gar nicht bemerkte, wie
Greistentlan·s Gesicht, das noch eben
im Sonnenschein höchsten Entzückens
geglänzt, immer finsterer wurde. der
alte, weltoerachtende Ausdruck lag
wieder daraus. «
»Du erräthst schon, Frank, wen ich
meine. Jener Vater ist Kaiser Frank,
und sein geopfertes Kind Maria Linse.
Er nichte das Band. das ihn an den
totsischrn Adoototensohn fesselt. zer
reißen, er. der Angehörige des a,ltesten
Fürstenhauses Europas-"
its-n Ums nebt m i Ö das alles att?
Mußte Kaiser Franz nicht ganz ge
dem Mann nat-, vor dem sich damais
die ganze Welt beugte? Mir»icheint,
die Ratten verlassen das Zchiitt Laß
die Großen ver Erde ihre Angelegen
heiten allein durchtiimvsen, Lena. was
kiimmern sie unst«
»Q. wie blind tönnt Jhr Männer
doch sein, wenn Othe nicht sehen wollt!
Du sollst der Mann sein, der leise.
unmerkhar hilft, jenes Band zu lösen,
und die Dir die Wege dazu aeehnei
hat. das hin ich, Deine Lenas Du hist
ein alter Widersacher Napoleong. und
doch wolltest Du niemals wieder die
and gegen ihn erheben. Nun, dies
i etwas, was nicht an sein Leben
geht, itn Gegentheil, ich sagte Die
schon, vielleicht thust Du damit ein
gutes Wert. Laß mich Dir berichten.
was ich gethan habe.«
Mit unteraeschlagenen Armen stand
ranz von Greissenklau da, gegen das
k nster gelehnt; hinter ihm das sil
erne Monlicht verschiirste die Konto
ren seiner Gestalt. Vor ihm stand
Lena, ihr meistei Gesicht leuchtete aus
dein Dunkel, und hier und da erglänz
ten die Purpurialten ihres Kleide-S
wie Blutstrodsem
(Iortsednng solgt.)
- --.—-- -———
tue Decken des Its-Ies.
.Wie fruchtbar ist der lleinite site-is
Wrnn man ihn nur zu tsslmen toeisz."
Das Decken des Ti ches gehört zu
den ttrinen täglichen ingen, an de
nen das Frauenleben so reich ist. Co
scheint etwas so Einsaches, Unweient
iiches zu sein und doch hängt sehr viel
davon ab, wie es geschieht. Wo nach
lässiF übereilt und ohne Nachdenken
der isch Bedeckt wird, da sehlt wäh
rend des ssens bald dieses, bald je
nes, die Schelle ist in steter Bewegung
nach dein dienstbaren Geiste, oder too
ein solcher nicht vorhanden, ist die
haussrau selbst gezwungen, sann-äh
rend zwischen Speisezimmer und Küche
unterwegs zu sein« das Vergessene zu
holen —- nach dem alten Spruch, »was
Du nicht im Kovse hast, mußt Du in
den Beinen haben," —- so das; sie, die
des Tages Last und Hitze am Koch
herde getragen, nicht zum ruhigen Ge
nuß kommt, sondern »nur kalt-: Schale
und getalgte Da den triegt.«
Nicht allein oll Sorgsalt, Umsicht
und Attnratesse beim Decken des Ti
sch-es walten, auch der Schönheitssinn
st. L—t--! t--4I.«Lat--— I--J- h
sUU III-I UUUU Ucllyungxsh 0suuy sus
Auge will berücksichtigt sein. So wie !
ein Blumenstrauß Herz und Sinn weis ;
inedr ersrent, wenn er in einer schönen
Vase steht, als in einem Scherben, so
niundet eine Mahlzeit viel besser aus
sauberern Tischzeug und mit blonken
Gerätden genossen, als mit den gegen
theiligen und von einem Tischtuche,
welches einer Landtarte gleicht und
die Ueberfichrsämmtlicher Bienenzei
s tel der Woche giebt.
Mindes, sleetiges Taselqeräth wird
die schönheitsliedende Frau nicht dul
den. Sie wird sür soieqelblonte Glä
ser, dito Poe ellan sorgen und aus dem
Tische tetn tiict leiden, on dem sich
eine ausgebrochene Stelle desindet und
sei sie noch so winzig; Deckel ohne
Griss, Tassen ohne heniel sind siir
sie unter seinen Umständen tischsiihig.
Jedes Gedeck sei zierlich artungirt.
Der gedeckte Tisch —- wohl gemerkt
hoben wir hier stets den täglichen Fo
milientisch und nicht die Ausnahme
tosel siir Gäste ini Auge — also der
steckte Tisch soll stets den Eindruck
r Sorglichleit und Lust und Liebe
machen, mit dem er hergerichtet ist.
Ei wirtt ddchst verstimmend, wenn aus
den ersten Blick die nerdss - hastende
band erlenntlich ist, die im lentenAm
gendlick das Tischgeriitd unordentlich
hingepoltert und das Tischtuch schies
snxqele t bot. Au diese Arbeit be
nn pru t ihre Zeit, um ordentlich, at
kurat, nett und ierlichsfinacht zu wet
den. Man does mit erst ers-nehmen«
dei- liee deckte Ti , vie-se
s Gast-ten ver EFÄIFJRMM
sit t.
Schließleq möchte ich stock an eiit
wichtiges etiniiitetit —- an fti che Blit
zteiäilteä. Ins keinem Eßtisch sollten sie
—-.-—.-.
state im Leis.
Eine Mutter fand ans dem Schreib
tisch ihrer Tochter das nachstehende
Lied, das dieselbe in ihr All-unt ge
schrieben halte:
Zelt möchte heim, mieli Kiqu dein Vater
ite.
Teiti Vetteka en zit,
Fort itiis der Wet verworreneni Ge
been-le
Hin stiller, tiefer Rnhl
Mit tausend Wünschen bin ich ausge
gan en
Oeitn lehr« ich mit bei idenein Ver
lange-ti;
Noch leiiiit ineiti Her-i iiitr einer Hofs
" iiiiiig sieimz
Ich tndchte heim!
Jeli möchte heim. das Schisilein sucht den
Linsen,
Das Bächlein läuft ists Meer; ·
To sliiid legt in der Mutter Arm sich
schlafen.
Und-»ich will aiieli nicht nicht-.
Meint-· Lied half icti in Luft nnd Schmerz
« · » « minnen-in
Wie ein Geschmeid iit Lieb· iiiid Leid ver
lliingem
Zin Dei-sen ltlieb mir noch der letzte
Reim;
Ich möchte heinil
Tiesbetriibt schrieb ldas sittgsiinie
Mutlethetz unter diese tuhtentie
Sehnsucht und Klage ihres Kindes die
nachstehenden Verse:
Mein Kind, tvarnin so traurig
llnd was liettiilit dein set-h
Tals dn verzweifelnd lieqest
In hofsnitnnelosem Echmergi
Tit tböricht« Kind, aeh’. suche
Tie Freuden doch nur aus
Zic lassen sich schon finde-m
Verlasse dich daraus.
Verein- anedrn Freude-.
Tie ärmer find als du.
Zo findest du hier beide.
Tie Freude und die Ruh’.
Und wenn dir auch hienieden
Nun keine Rosen blühn
Eo ist dir doch beschieden·
Ein Kranz von Jnnnergriim
W—
Lesen die Meintest-.
Anläßlich der Probesahrt des neuen
Dampsers vom Norddeutschen Llohd
»Krondrinz Wilhelm« schrieb der be
tannte Welteeisende Eugen Wolf ein
interessantes Feuilleton «3ur Psycho
logie der Seetranlheit', in dem er sol
aendeti Mittel belannt gibt: «Wer sich
nicht seesest zu siihlen glaubt, lege
sich möglichst slach aus den Riicten
auss Bett oder das Cajiitensovha.
sBeengende Kleider, sest zugeschnallte
Westen und Dosen, bei Damen vor
allen Dingen das Corset. müssen be
seitigt werden. Eine Schüssel tochend
heißest Wasser und zwei andtiicher
genügen, um die Seelrant it zu be
tiiinvsen. Das Wasser muß minde
stens 80 Centigrad haben, das hand
tuch wird in Stirnbreite zusammen
gesaltet, ins heiße Wasser getaucht,
auf-gerungen, so heis; wie nur ertrag
bar um die Stirvn gewunden, mit
einem Stück Holz. Schuhlössels hand
schuhtnövserH Zahnbiirste oder was
zur hand ist« so sest wie möglich um
den Kods getnebelt. Dieser im ersten
Augenblick laum zu ertragende heiße
Umschlag wird nach lurzer Zeit durch
einen zweiten ebenso heißen erseht.
Die Proeedur wird fortgesetzt, bis der
Patient ein Gesiihl des Behagens em
pfindet. Der Umschlag wird nicht
ausgesetzt. auch mu es stets möglichst
heiß um den Nov gelegt werden«
Trinlen, essen oder tauchen während
der Dauer der Umschliige hebt den
Nutzen der Behandlung aus. Das Ge
siihl des Wohlbehagens, das sich
durch Gähnen und das Bedürfnis,
den Körper zu strecken äußert, bedeu
tet den Ansang vollständiger Ueber
winduna der Seetranlheit. Dieses
Wohlbehagen tritt bei vielen nach ei
ner halben Stunde. bei den Meisters
innerhalb einer Stunde, voraus e
.sett. daß obige Borschrist streng , -
cis
obachtet wird, ein. Das Benusen
von Wohlgeriichen, das Parsiiiniren
des Körpers oder der Cabine ist zu
vermeiden. Das Stadium oer über
standenen Seetrantheit äußert sich in
Durst, der leineswegk gestillt werden
? dars; der Patient bleibt ruhig liegen
bis er Hunger verspürt. Sobald
letzterer sich sehr stari einstellt, trinkt
rnan heißen, ungezuckertem dünnen,
hellblonden Thee in leichtem Aufguß,
ohne Milchzusah und ißt hinterher
trockene-, geriistetes Brot (Ioast)
ohne Butter, Marmelade over derglei
chen. Zwei- Stunden später dars
man ungestraft vie Schiffsmahlzriten
einnehmen. Die ganze Cur dauert
nicht länger, als ich Zeit brauche, sie
niederzuschreibem sie ist gründlich
und wer sie von Ansana an besolgt,
bleibt siir den Rest der Reise und
wenn die See noch so bewegt wird,
von Seetranlheit verschont. Obige
Verfahren habe ich bei hunderten von
Menschen in langjähriger Neiseersahs
runa angewandt; es hat noch allen
geholfen, verdient deshalb in weitesten
Kreisen belannt zu werden.«
In Deutschland wurden lehtes
Jaifr siir 75 Millionen Ansicht-lauen
ver andt. Sollte das vielleicht um
dein Umstande zusamenhilngen, daß
do, wo zwei Deutsche sich zu arm-mi
kiåidem drei verschiedene Insi ten du«
nden sinds