Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 29, 1901, Sonntags-Blatt, Image 12

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    « W
- sie- Lriesziild den R.
H e l l s u t h.
W
Ein dritte-nd heißer Zenker Spen
W Die Friedriåfxraße hinab —
L des schmalen Scheiteasireis an der
ihnen Dänserseite -— tschi langsuur ein
Wes Mädchen. Die Mausgqchpfp
ne, nah unentwickelte Gesteh etwas
dortiber geneigt. sucht es behende den
Entgegenkommenden stutzt-weichem da
mit der große Karten. den ei an einem
Riemen über den Inn gehängt hat«
Niemanden belästige. Aus dem
schmalen, trotz der Hist bleiehen Gescht
schauen ein Paar sehr grerO dunkle
Augen mit einem miiden Ausdruck ge
rade vor sich hin.
An der Ecke der Kochfiraße staut sich
der Menschenstrom. Gesäbrte otier
Art versperren siir einige Minuten den
Uebergang. Das Mädchen reckt den
Kopf, nach einer Lücke spähend, durch
die es schlupfen könne. «
»Paula!« ruft in diesem Augenblick ;
eine helle Stimme hinter ihr. «
Sie wendet sich hastig um. Unsichek
streifen die großen Augen die Dante in
dem dustigen, spitzenbseseyten Batift- s
kleide, die sie lachend anschaut und sieh ,
augenscheinlich iiber ihr Staunen austi
rt.
si »Clara? bist du es wirtlichF ,
iommt es dann zögernd über die Lip--I
pen des großen, blossen Mädchens. -
»Na, aber gewiß! Habe ich mich -
denn so verändert. daß du mich nicht ;
mehr ertennfts« :
»Du —- du siehst so sein aus-I stot- —
terte Paulu, und ein sprechendet Blick .
gleitet über die elegante Toilette der
andern. Tie lächelt geschmeichelt und ;
dreht totett den modern irisirten, blon- "
den Kopf. ;
»So gehe ich jetzt immer,« entgegnet «1
sie in gesucht nachlässigem Ton. »Aber »
wir können hier nicht gut stehen blei- !
ben," fährt sie dann fort. »Wohnt ihr «
noch da draußen? Wo war es doch?· T
»Heirnstraße — —- —« L
»Ach ja! —- Na, dann können wirz
J
J-- Es---I- ---7«---- «-I.-- C .
Uns I- sssss zuzuussuiu Yes-»Je- o-,
wohne am Belle-Alliance-Platz Nr. 36,
eine Treppe.«
»Bist du da in Stellung?« fragte
Paulu.
Die Andere lacht laut auf. »Jn
Stellung! Du bist gut! Seh’ ich etwa
danach aus-Z«
»Nein! — aber ich tveiß nicht —- —
—- Berdienft du denn jetzt so viel beim
Blousenmachen?«
Clara scheint die Frage zu überhö
ren. Sie sieht aus einmal sehr inter
effirt in das große Schaufenfter eines
Juwelierladens. Ihr Blick fliegt über
die gleißende Pracht. bleibt dann aber
an dem Seitenfpiegel hängen, der ihr
Bild zurückwirft.
Diese graziöse, zierliche Dame in
dem eleganten Spitzentleide ist sie —
ja —- Clara Weinert und daneben
lang, dünn. in einem geschmacklosen,
blauen Kattunlleide und dem großen
Karton am Arm ihre ehemalige Schul
sreundin Paula Schulz. — — Wenn
sie noch Blonsen nähte, müßte sie auch
in solchem armseligen Kleide mit einem
Karton in die Geschäfte laufen und ab
liefern -- sie schüttelte sich.
Ein mitleiiger Blick streift das blas
se Kleid der einfügen Freundin.
«Arbeitet ihr noch immer Rüschen?«
ift dann die Gegensragr.
»Ja —- immer noch. -—— Und die
Preise sind so runter. Wenn Mutter
die halbe Nacht zu Hilfe nimmt, ver- l
i
dient sie nicht fo viel, wie früher den
bloßen Tag liber.
« Ich liefer’ ab und mach’ auch dies
Mit-mahnte Qum Ton-n hab» ich!
lein Geschick, und Großmutter tann
nichts mehr helfen, die hat im Winter
die Gicht gehabt und ist nun fast ganz
gelähmt.«
Paula bat das alles in einem gleich
miithigen Ton hingeredet, ohne sich des
Jammers, der in diesem Bericht liegt,
so recht bewußt zu werden. »Aber
jeyt sag rnir auch, was du machst!«
wendet sie sich dann etwas tebhaster an
die Gefährtin.
Die schaut ihr nachdenllich in das
Gesicht. »Amt« Kerl!« sagt sie lei
se. »Aber, weißt du," fährt sie dann
hastig fort, »Du mußt mit mir kom
men. Jch werde dir zeigen, wie schön
ich wohne. Und —- na ja, ich kanns
dir auch gleich sagen —-- ich hab ein
Berhöltniß —- ja, schon seit einem hal
ben Jahr! Mein Schuh ist bei Lebus
angestellt. Er bekommt ein großes
Gehalt, und Vermögen hat er auch
noch Da brauche ich natürlich nicht
siehe zu arbeiten. Alles, was ich nur
wünsche, lanse ich mir; er bezahlt
Iherhaupt alle meine Bedursnks s e Und
Ihm Abend gehen wir aus; Sonntags
Its-Um wir meistens weitere Art-flöge
I
l
i
Umgegend. Ich, ei ist zu schön!
W ich — — — na
» , dultklsteldftschtM
III-las singen hängen mit einem
W Mlandigen Staunens an
.· s " ! - » deyplaudernden Mund der«
VMMÆ
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w III-« has- ich immng
" -- « Mutter braucht
-I M sckbs hu
CIJsMMUht
Ihre-fes
IV W U U ask M
PM- Mk Ist
Eber me Dsse san doch nicht
Ist- sbr feist- enissesnet clara in
eine-ZU assoiedieandere die
HEFT-« Demut-FAMIL
- IS bade übrigens noch Viel, viel
mehr SEND-CAN drei goldene
Umwand-en Dresden singe. ja einen
Haarpfeil mit eine- SMetterling der
mit einem echten Brillanten befest·
i — — —
Ich komm mitk« unterbricht Pau
ta die Aufzählung.
Was schadet es daß der Magen
fåon feit mehr als zwei Stunden var
Sieger knurrt; mag auch Mutter auf
rufen warten sie maß die Herr
lrchteiten sehen.
Und sie danet ia schnell vorwärts daß
die andere idr kaum zu folgen vermag.
CIara tänzelte die Stufen hinauf, ;
schließt ihre Zimmertdiir auf und zieht »
die noch zögernde Paula iiber die
Schwelle.
Paulas große Augen wanderten von
einem Gegenstand zum andern I
Die rothen PliifchmöbeL der Tru
mean, der von der Decke die zum Fuß- I
baden reicht, Svachtel - States mit ro- -
then Uebergardinen, die fchönenSchriini I
te, das breite Bett mit der seidenen f
Steppdeele und überall Teppiche und to !
riele Nippesfachen —- — sie ift starr ?
ror Staunen. ;
Die um zwei Jahre ältere Clara hat z
ihr zwar stets imponirt. daß sie es aber :
einmal dazu dringen würde. eine so ;
feine Dame zu werden« das hätte sie din- !
nicht gedacht! Und wie die nun erft gar ’
die Schranke öffnet und Kleider, seidene
Unterrocke, Hiite und Schmuckfachen vor ;
ihr ausbreitet da findet sie teine Worte,
ihre Bewunderung aus udriicken.
Nur «Ah!" und ckk wie fchönl«
nnd dann mit einem tiefen staunqu .
Und das alles hat dir dein Bräutigam
gefchentt?« Ach. muß der gut fein!«
Clara nickt mit felbftbewußterMiene;
fie tramt immer nach mehr schöne Sa
chen aus«
»Wann werdet ier hachzeit macheni"
fragt Paula auf einmal unvermittelt.
Die andere dückt fich. einen zur Erde
gefallenen Fächer aufzuheben. Das ift
nmä unbestimmt« fant sie dabei Sie Eft
roth geworden, öffnet den Fächer und
fdckelt sich Kühlung zu. »Es ist auch
hier heißt«
»Ach nein! —- Ader wo schläft deine
Muttert« Paulus Augen schweian
luchend umher. Jeht wirst Clara ihr
einen prüfenden Blick zu. Soll das
une Falle sein? Oder ist sie wirklich noch
so dumm?
»Mutter?« lacht sie dann hart und
spöttisch aus. »Du bist ein kleines
Schaf! —- Denlst, die ist auch hier? Ree,
tie können wir hier nicht gebeauchen."
Und als sie in den Augen der Sechzehn
jährigen ein schreckhastei Verständnisz
ausdämmern sieht, wirst sie mit einer
troyigen Gebärde den Kopf in den
Nacken.
»Ich half Muttern gesagt, als ich von
ihr ging und sie mir Vorwürfe machen
wollte, daß ich dafür danke, meine Jn
gend zu verschinden in Armuth und Er
bärmlichteit. Ja. wenn ich nicht mit an
gesehen hätte, wie es bei uns zuging. als
Vater noch da war. Nie reichte das bis
clsen Verdienst Bald machte Vater
Muttern Vorwürse, daß sie nicht spar
sam genug wäre, bald wieder Mutter
Vatern, er verbrachte das Geld in den
Knefpen, und zur Abwechslung gad’s
auch wohl mal hiebe· Dann. als Ba
ter —- na ihr hol-M doch auch gewiß
gehört —- — dein Polier kam eine Uhr
fort, und Vater sollte sie genommen
haben. —- -- Aber was reden wir da
von, ein Ekel kommt mir an, wenn ich
isk .- L... . u
LUJU keiLUl Mut-c«
Wie ich meinen Julius tennen lerntz
—— nicht einen Augenblick habe ich mich
liesonnen, als er —- na, als ich hierher
zog. Und denkst. ich möchte zurüatau
schen? Nicht um die Meiji«
»Das glaub ich schon gerne!« entgeq
nete Paula überzeugungsooc Dabei
strich sie leise, wie liebtosend über den
bauschigen Aerrnel einer Seidenblousr.
’ »Ges·allt sie diri« fragte Clara, nun
wieder in den alten leichten Ton sal
lend Sie zog die Blouse aus dein
Karton
»Ich hab· sie erst vor einigen Tagen
bekommen und noch gar nicht angehabt.
Da — ach, wie sie dich tleidet!« Sie
hatte sie der anderen über die Schulter
gelegt. »Komm, sieh selbst. «
Paula trat vor den Spiegel. Scheu,
iast ver-schämt schaute sie in das Glas
Ja, wie die rathe Farbe ihren bleichen
Teint hob!
,,,Na bab’ ich nicht techt?« ries
Clara, die neben ihr stand und ebensalls
in den Spiegel sah
WAber was bast du?« unterbrach sie
sich, als sie bemerkte, wie Paulu, let
chenblaß werdend, die Augen schloß und
tastend nach einem halt suchte.
»Was ist diri« Sie umsaßte die
Schwankende und drückte sie in einen
Sessel
ch«—— ich —- ach, gieb rnir ein Glas
» Wa er«. stammelte das junge Mädchen,
ohne die Augen zu Zssnen »Mir wurde
aus einmal so schwach.«
Mhirnmeii Du bist wohl gar bn
rig?« schrie jeit die anbete, wirklich set
erschrocken, aus. ßzsi auch daran
nicht »Hei-acht habet Und da doch gesagt,
tu warst so la ist Geschäft
Sie wartete he W ab, son
dern holte ein srötcheth Untier nnd
kaltes Iris-hu Ubert-tm »
W
tat-at Ue
LWCY ist-Nu
»M-——,—«- y-. --. « ·-.-,-.. -... . ·
and-te Lippe-. Hirt-M Mi
töntean hause sein.«
.Yiacht nichts, « antwortete Elara
schnell. Use nur erst etwas nnd dann
mache ich eirii noch schneil eine Tasse
Kassen«l
«Rein. nein!« wehrt Paula ah. »Ich
muß nach Hause; Mutter wird schön
warten und Großmutter zanken; seit sie
sich nicht mehr rühren kann, zantt sie
immer —- ich mach’ ihr nichts recht.«
.Armer Kerl!« Claraj bis dahin la- X
chendes Gesicht ist ernst geworden; sie
siihlt ein grenzenloses Mitleid mit der
einfiigen Freundin Wie gut hat sie
selbst es doch geaen das arme Ding!
Da fährt ein Gedanke durch ihren
Sinn. »Paula ich werde dir heute
Abend ein hiibsches Vergnügen verschaf
sen, ruft fie.
»Du mußt mit zum Sommernachts
seft. Wi« fahren heute alle hin, und
Du mußt mit.«
Paula starrt sie an, als höre sie et- i
was ganz Ungeheuerliches.
—-—ich ——-? Du willst mich wohl
uzen ?« stößt sie dann hervor
Betoahrel Es ist mein Ernst Und «
dn sollst dich schon amiisiren dafür will
ich sorgen. Julius hatso viele Freunde
Um neun Uhr fahren wir mit der
Stadtbahn ’raus, —- die herren toins
men ditelt vom Geschäft, so ist es verab
redet Dann wird erst Abenbbrot ge
gessen und nachher getanzt. Du kannst ;
ja so sein tanzen Weißt du noch MU
reir nach dem Leiertaften aus dem hose ;
Rheinländer iihten ?«
Die großen Augen in Paulas blossem .
Gesicht beginnen aufzuleuchten. Seit
ihr fortgezogen, habe ich nie mehr ge
tanzt!« sagte sie leise. »Aber ich tann «
ja aus teinen Fall mit selbst wenn ich
Erlaubniß bete-nie- —ich hab ja nichts
anzuziehenf
Doch Clara die nun einmal daraus Z
erpicht st, der Freundin etwas ver-;
meintlich Gutes zu thun, redet ihr jedes
Bedenken aus.
Der Anzug sei das Wenigste. Die ;
kotb- Seidenblouse horae sie ihr aern T
und einen Rock auch; sie werde schnell ;
einen aus ihrer Gardetobe heraussus 7
chen und verlängern.
Und Paulas Augen hängen an der
Blouse wie von magischer Gewalt ange
zogen.
Die soll sie anziehen. und in der
Stadtbahn fahren —- sein Abendbrot
essen —- tanzen —«- —· —
Sie erhebt sich wie in einem piiitzsichen
Entschluß. —- -— »Um acht Uhr bin ich
bei dir. Clara«, sagt sie.
»Ich komme bestimmt!« —
Und wie iin Traum eilt sie nun nach
hause.
Noch ganz athemloi vom schnellen
Laus erklimmt sie die steilen Treppen,
die nach ihrer Wohnung siihren.
Aus der Schwelle derselben bleibt sie,
wie angewurzelt, stehen
Als sähe sie heute zum ersten Mal, so
prüfend schweift ihr Blick durch die
Stube — iiber den ärmlichen Hausrath,
den die grellen Sonnenstrahlen von
dünnen, weißen Shirtingdorhiingen nur
mangelhaft zurückgehalten unbarmher
Zig beleuchten; dann hastet er mit einem
seltsam starren Ausdruck an der Mut
ter, die in einem oermasehenen Kattuns
rccke an der Mihrnaschine sink· Sie sieht
furchtbar erhist aus; das haar ist nur
lose aufgesteckt und an einer Seite mie
der her-abgefallen — sie hat ja nie Zeit,
sich ordentlich zu srisiren — die Arbeit
drängt stets — — —
Das junge Mädchen stößt mit einer
heftigen Bewegung den Karion aus
den Nod-n
»Ich will meine Jugend nicht ver
sclinden in Armuth und Erbärmlich
teit«, sagte Clara nicht so? Und gleich
einer Fata Morgana steigt das schöne,
tiihle Zimmer vor ihr auf, die Gestalt
der Freundin in dem dustigen Spitzen
lleide als herrin darin, wie sie lächelnd
und piaudernd die kostbaren Sachen
ausbreitet.
Sie muß sich erst besinnen, als die
Mutter in dem sich stets gleich bleiben
den, tlagenden Ton die Spitzen ver
langt und dann hinzuseht, das Essen sei
noch nicht fertig, sie solle nur schnell in
die Küche gehen und nachsehen.
Die Mutter achtet nicht aus das
versonnene Wesen der Tochter. Sie hat
die Spitzen in Empfang genommen,
mißt flüchtig die Meterzahl. ob’s auch
stimme, und fängt an einzuträuselm
Doch die Augen der Großmutter, die
in dem alten Korhstuhl sitzt, der so recht
in die Sonne gerückt ist, sehen sorschend
in das Gesicht des Mädchens.
.Wo bleibst du heute so lange?«
sragt sie streng. Paula antwortet nicht;
hastig geht sie in die kleine Küche, Die
Thür hinter sich schließend.
Als sie noch einer Weile wieder ein
tritt und einen Raps mit Kartoffel
» suppe aus den Tisch stellt, wiederholt die :
i alte Frau ihre Frage· i
; Noch immer schwei t das Mädchens
k Dann aber, als sie ginter den Stuhl
der Geliihmten tritt, um ihn an den
Tisch zu schieben, sagt sie: »Bei Elara
Weinert bin ich gewesen. Die wohnt
wie im himmel, und so herrliche Klei
der hat sie usw andere wundervolle Sa
chen, —- aäes von i rein Bräuti am.
UnHukiCi t Abend soll ieh
mit ihr aussehen Zum Sommernachtis
fest werden wir fahren. Sie will mir
eine esthsstdene slonse her und was
IRS-Joch braucht darf doch,
EIN III-W MUI W
W He noch tin-er W dest
Si der Sees-time N. Sie hat
das J —- tatsi wisend Darum-—
: als mätse str die klare-, durchdringen
des Augen der alten Frau meiden.
«Vu wirst nicht gekni« sa t die
Großmutter in hartem Ton. .M t der
Clara — ja, das wäre gerade die
Rechte.«
Paulus Augen irrten zur Mutter
hinüber. Die schaut sie wohl etwas
mitleidig an, sagt dann aber auch:
»Nein, Paul-Zehen das geht nicht. Mit
der Clara Weinert — nein, das darfst -
du nicht« ;
»Warum denn nicht ?'· !
»Weil das teine Gesellschaft iiir dich
ist! Du sollst ein anständiges Mädchen .
bleiben«, entgegnet die Großmutter
Paula bricht in Thränen aus. »Als .
wenn ’mal Tanzen so toag Schlimmes -
wäre«, ichluchzt sie. «Jbr gönnt mir .
bloß tein Vergnügen! Jch will aber
auch ’mal was vom Leben heil-ein« Da- -
mit stürzt sie aus dem Zimmer uno
schlägt die Thiir trachend hinter sich zu.
O O O
Es ist Abend. —- Clara. die in einem -
mattblauen Ioulardtleide. in dessen "
herzförmig-m Halsausschnitt sich gela
licher Crespechisfon bauscht, entzückend
aussieht. nestelt noch an dem Anzug der
Freundin herum. ;
»So, jeht lannst in den Spiegel
sehen. Kennst du dich noch?« fragte
sie lachend.
Wie ein Kind den lichtet-glänzenden
Weihnachtsbauny mit so ungläubig
staunenden Blicken schaut Paula das ·
Spiegelbild an
Das soll sie sein? j
Wie hiibsch sie ist, lommt ihr gar
nicht zum Bewußtsein; sie sieht nur
das schlanke Mädchen in dem eleganten.
ileidsamen Anzug; die bauschige, ro
the Seidenblouse, den glihernden
Gurt um die Taile und den silbernen «
Pseil in dem dicken, schwarzen haar- ,
lnoten. s
Ihre großen Augen strahlen aus.
.Wie im Märchenl« flüstert sie. »Wie
Aschenbriidel —- sonst in der Küche im .
Leinentittel und jetzt in Seide und j
Sammet.« T
Hoffentlich ift auch der Königs-sahn
dal« neckt die andere, der es riesigen
let-»- mmäe di· unt-Kofan- Nenmo in .
sp-» ...--,.. -.. -...-.--»--.- -.--,
einen sarbenpriichtigen Schmetterling
verwandelt zu haben. ·I
Und außerdem siihlt sie auch etwas
wie Schadensreude in ihrem Innern.
Mag sich die alte Großmutter ordent
lich ärgern! Denn wenn Paula auch
nur erzählt bat, sie habe die Erlaubniß .
sebr schwer belommen und den ganzen ?
Nachmittag in der Küche gesessen und T
geweint, und als endlich die Mutter «
nachgegeben und dabei gesagt: «Ein- i
mal wäre am Ende nicht so schlimms« i
da sei die Großmutter sehr böse gewor- I
den und hätte gerufen: »Ja einmal i
—- einaral ist gerade genug! Der erste i
Schritt vom Wege ist ost Urban-wiß
voll siiA ganze Leben!« —- so weiß
sie doch ganz genau, was man über sie
gesagt haben wird.
lind während dieser Gedanken ber
wendet sie die größte Sorgfalt daraus, »
die blasse Paula so dortbeilbast wie i
nur möglich zu schmücken. Sie soll i
I
gesallen da, wo sie stobinsiibren wird.
Und es ist ihr nur zu gut gelungen.
Das tindliche naide Staunen, mit
dem Paula ibre satt übergroßen, nacht
schwarzen Augen in dem gefüllten
Saal umherschweisen läßt« die schüch
terne Besangenbeit, mit der sie, bei ei
nem musternden Blick, die langen, sei
digen Wimpern senlt, verleihen ibr in
dieser Gesellschaft einen doppelten Reiz.
Die herren — meist blasirte Lebe
miinner —- welche Clara umringen, ge
ben ibrer Verwunderung laut Aus
druck·
Clara, in dem sicheren Gesiihl, hier
herrschende Königin zu sein, freut sich
des Lobes, das man ihrem Schützling
sollt. und nimmt es als eine ihr selbst
dargebrachte Huldigung aus«
«Tanzt nur erst mit ihr,« lacht sie,
»dann werdet ihr mir noch viel mehr
danken!«
Und als der Tanz beginnt, geht
Paula aus einem Arm in den andern.
Wie tanzt sie ader auch! Einer Fe
der gleich fliegt sie über das spiegel
glatte Parteit. Kaum fühlbar lehnt
sie sich aus den Arm ihres Partners,
und dennoch liegt verhaltene Leiden
schaft, schrantenlose hingahe in ihrer
haltung.
»Wie im Märchen! s- Wie im Mär
chenl« dentt sie immer wieder.
Mit vollen, degehrlichen Zügen
schliirst sie den Schaum von dem Be
cher der Freude, der schale Bodensah
bleibt ihr noch erspart.
Schon dämmert im Osten der jun
ge Tag, als Paula langsam die Trep
pen zu ihrer Wohnung ersteigt. Bei
jeder Stute verlangsamt sich ihr z
Schritt, denn ihr ist es, als gehe stej
nun wieder einer grauen, trostlosen
Oede entgegen. Aber tann sie den«he
ranschenden Zarbergarten nicht wieder
aussuchen? Sie hat es doch schon ei
entlich fest versprochenl Wie sehr der
keine, schöne herr —- hans haben sie
hn nannt —- und »Da-is im Glitt-IS'
hat hm einer stack-gerufen als er mit
ihr ans der Tereasse promenirte ——— ja,
tote hat er zugeeedet, sie solle doch am
; Wen Sonntag wiederkomment
l Und sie wird htugehetn sang erpißl
l Mag Groß-man auch noch Iov ! va
E gegen einwenden
Mie. iele- ichllest sit W di
chite ex Ins-te tte nur unbemerkt
XI M tistlcplQ W- W sit
tin users-www ie. vski
t
das näch; F; d; W Iris
Jn der M eitht sie N
der Ober-kleiden satt undächttg dem lei
, sen Knistern der Seide lauschend; He
zieht die Schuhe aus, mn urnhitrbar
I durch die Stube in die Schlastarnmer
zu schleichen. Da bleibt iie elschkeckend I
aus der Schwelle sieben Arn Fenster 4
hinter der Nähmaschine steht die Mut- ;
ter, der Kopf i ihr aus die Brust ge- i
sunten, sie schl·st. s
Jn dern grauen Licht des anbrechen- «
den Tages sieht das Gesicht spitz und »
gelblich saht aus, wie das einer ganz -
alten Frau. Sie hat wohl das Ber
siiumniß der Tochter einbringen wol
len, ist aber, von Müdigkeit iiberwiit- «
tigt, eingeschlafen. Die Lampe, dem »
Erlöschen nahe, brennt noch, ein unan
genehmer Dunst erfüllt den Rat-nn
Starr sieht die Tochter aus die Schla
sende. i
Das vertiirperte graue Elend und —- I
deine eigene Zulunstl söhrt es durch -
ihre Gedanken. Ja, so wird es ihr T
auch rnnl gehen, wenn sie nicht —- — «
sa, was denn? -- — Wenn —- sie es
nicht macht wie Claral «
Und wieder steigt vor ihren Augen
der lichtstrahlende Saal mit den sriibs J
lichen, lachenden Menschen aus, vors
ihren Ohren ertönen auss Neue die lo
fendem ichmelzenden Weisen der Mu
il.
Noch einen scheuen Blick wirst sie aus -
die bleiche Frau.—-Soll sie sie nicht I
lieber werten?
Nein «- dann giebt es Borwiirsr.
Mit wenigen, lautlosen Schritten
steht sie in der Kammer. ·
Da wendet sich die Großmutter "
schwerfällig in ihrem Bett; schlasbe- ;
sangen schaut sie der Eintretenden ent
gegen. i
»Bist Du es. Paula?« s
Sie erhält leine Antwort. ’
»Der erste Schritt vom We e!« mur
meln die welken Lippen der reisin. ;
.....—-.- i
Wie s ch der steifer insokmirt.
Der deutsche Kaiser hat sich bei dem -
Empfang des Oberbürgermeisters ;
Kirschner und des Stadtbauraths hof- Z
rnann in Hnlsertuistoet über die jüng- T
sten Vorgänge in der Berliner Stadt- z
vertretung und die daran getniipsten ;
össentlichenErörterungen sehr genau in- j
sornurt gezeigt, uno oao scheint arer ;
und da überrascht zu l,aben. Wenig-s «
stens hob man diese Wahrnehmung aus z
verschiedene Seiten mit einer solchen»
Betonung hervor, als ob man darin ei- ;
was ganz Besonderes erblicken zu sollen
meinte. Diese Annahme ist aber ebenso
ungerechtfertigt, wie die bei anderenGei z
legenbeiten schon oft genug geäußerte T
Besorgniß, daß der Kaiser iiber die öf- !
fentliche Meinun nicht gut informirt d
werde. Daß der aiser der leßte wäre, «
der darauf wartete, bis ibn ein Mini- s
fier über die öffentliche Meinung auf
zutlriren fiir ut sände,tiinnte man wohl .
aus seinem äharatten seiner persönli- E
chen Eigenart allentbalben bei einiger -
Menschentenntniß als zweifellos anneh
men. Aber selbst abgesehen davon —
der Kaiser hat es gar nicht nöthig, auf
die Information eines Minister-Z zu
warten. Dafür giebt es ja eine eigene
Behörde, die sich dieser Ausgabe mit
größter Sorgfalt, Gewissenhaftigleit I
und Unparteilichteit unterzieht: das
Literarische Bureau des Staats-Mini- i
l
steriumL.
Diese nützliche und nothwendigeBes
börde hat allerdings nicht ausschließlich
den Zwei-, den Kaiser über die öffentli
che Meinung auf dem Laufenden zu er
halten-sie besorgt dasselbe Geschäft auch i
siir die Reichsärnter und die preußischen ,
» liebe Kinder« die ihm freilich aber dann
» am liebsten sind, wenn er sie endlich i
i
Mir-nimm US gkevi in ganz uunap ;
land teine Partei und teine nennens- i
werthe Zeitung, die da nicht zu ihrem
Recht tärnr. Jeder Resiortchef betomnrt
tagsau5, tagein die benierlenswerthen
Auslassungen der Presse aller Richtun
gen, soweit sie sich aus fein Arbeits- -
gebiet beziehen, in Auslchnitten zugesi
schickt, und dieMaszen schwellen manch
mal zu einer so behäbigen Dickleibig
leit an, daß man beinahe glauben möch
te, es geschähe darin eher etwas zu viel,
als zu wenig. Die Presse hat also in
Deutschland nicht den geringsten Grund
zu der Klage, daß man an den maß
gebenden Stellen ihre Stimmen nicht
hören wolle.
Die vornehmste und wichtigste Ar
beit des Literarilchen Buteaus ist aber
die Zusammenstellung des its-Herbe
richts. Es ist selbstverständlich, daß man
sich bei diesem Berichte einer um so grö
ßeren Sorgfalt und Gewissenhaftigteit
befleißigt, und diejenigen, die sich noch
immer nicht von der veralteten Auffas
sung loszulölen vermögen, daß lolche
Arbeiten nur unter dem Gesichtspuntte
des Wohlgefallens gemacht werden dür
fen, liinnen sich versichert halten, daß
auch da mit peinlichiter Unvarteilichleit
verfahren wird. Mögen die Blätter lon
serdativ oder ultramontan, national
liberal, freisinnig oder sozialdemokra
tisch sein« sie sind dem Leiter alle gleich
durchgeaelert hat und fiir den laufenden «
Tag als überwundenen Standpuntt be- i
trachten cann. Das ift ihm nicht zu ver
denken, denn es ist wahrscheinlich teine i
vergnllgllche Arbeit, sich durch all den Z
Musi, den ieder Tag immer wieder ge- ;
btert, hindurchzuwinden Freilich«
macht auch da die Uebung den Meister.
Ein geschulter Leiter riecht es, sozusa
gärk ob in einein Blatt etwas Brauch
es enthalten lit. lllllerdin S nat-sitt
selbst ihn- nranchrnal etwas enfchli- I
; sie- T— leis to Mk sprich-se- uns-et
lenseschlasenhaben— man latdi «
hin kann. Doch dirs sind nur selttne
III-Minnen und auch diese kleinen Lu
cken werden nachträglich au efsillt
IN der sericht grändli benust
wird, dafur isi die Rase, die ich einmal
— wenn auch nicht direkt, so doch indi
rekt —- vom Kaiser bekommen habe, der
beste Beweis. Ich hatte zu der Zeit, als
ich Mitarbeiter des Literarischen Jn
reaus war, einen Lektor während seines
Urlaubes vertreten und— der Böse hat
te die band im Spiel-ich übersah ein
mal einen kleinen Artikel, den der Kai
ser selbst in der betreffenden Zeitung ge
lesen hatte. Am nächsten Tage erschien
bei uns ein Flügeiadiutant auf der
Bildsliiche und fragte. warum der Ar
tikel im Kaiserbericht gefehlt habe. Mir
steclt der Schreck noch heute in den Glie
dern.
Es liegt aus der Hand, daß zu der
Zusammenstellung des Kaiserberichts
viel Urtheil gehört, denn es braucht
wohl nicht erst betont zu werden, daß
die Zahl der Preßstimmen, die dem
Kaiser tagtäglich unterbreitet werden,
eine gewisse Grenze nicht überschreiten
dars. Das ist ja eben die Aufgabe eines
solchen Leseinstituts, das; es aus der
Masse die charakteristischen Stimmen
heraussucht und sie sachgemäß sichtet.
Der Bericht geht, wie sich das bei einer
so wichtigen Sache wohl von selbst ver
steht, durch mehrere Hände und wird
öfter bei der Kontrolle noch durch einige
Einzelheiten vervollständigt. Alle wich
tigen Tagessragen werden, wie bereits
angedeutet, mit Beriieksichtigung der be
merkenswerthesten und charakteristi
schen Stimmen aller Parteien behan
delt, und außerdem werden auch noch
solche Sachen lgnzugesiigh von denen
man annimmt. aß sie den Kaiser per
sönlich interessiren können. Der Bericht
wird alle Tage in je drei Eremplaren
sertiggestellt, von denen eines dem Kai
ser nach seinem jeweiligen Aufent
haltsort zugeschiett wird, während die
beiden anderen gleichzeitig dem Reichs
kanzler und dem Minister des Jnnern
zugehen.
Der Bericht unterliegt übrigens, wie
schon mein vorhin erzähltes Erlebniß
zeigt, der Kontrolle des Kaisers selbst,
denn der Monarch begnügt sich natür
lich nicht mit den ihm doch mindestens
um einen halben Tag verspätet zugehen
dsn Miräcsbnsiskn feind-en bHik sitt- Cler
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zahl Zeitungen, die er gleich den ge
wöhnlichen Sterblichen alt- Tagesbl
tiire benuht
Aus dein Gesagten dürfte wohl beut
lich genug hervorgehen, dafz es eine völ
lig unbegriindete, nur aus der Unkennt
nisz der Verhältnisse beruhende Behaup
tung ist« wenn gelegentlich dieBesorgnlsi
sum Ausdruck gebracht wird, dass der
Kaiser iiber die Stimmung im Lande
nicht oder nicht genügend unterrichtet
sei. Jtn Gegentheil, es ist außer dem
Kaiser und den beiden hohen Beamten,
denen der Bericht ebenfalls zugeschickt
wird, in ganz Deutschland wohl nie
mand in der Lage, über die öffentliche
Meinung in allen ihren Schattirungen
so gut und so genau insorrnirt zu sein«
Selbst der reichste Rat-ob dürfte wohl
die Kosten scheuen, ein derartiges Bu
reau mit einer Anzahl Beamten zu un
terhalten, nur unt die bemertenstoerthen
Preszstitntnen über die fchwebenden Fra
gen tennen zu lernen, und ein solcher
Apparat, der neben feiner niiylichen
auch seine theure Seite hat, ist unbe
dingt nothwendig. wenn man jenen
Zweck erreichen will. Kurz, —- es ist nach
alledem wohl teine Urberlreibung, zu
sagen, daß in Deutschland die öffent
liche Meinung, soweit sie sich in der
ins-s- Iunhksist XVI-wand stoss- syst-O
als der Kaiser.
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—— Drei Brüder t r a sen
sieh nach fünfzig Jahren in hohem Al
ter« Ferdinand Gehaltz, 92 Jahre all,
Karl, 89 Jahre alt, und Fritz, 87 Jahre
alt. Das Wie-versehen ersolgte in dem
Heim des zweiten Bruders in Chipvei
wa Falle-. Fritz war der erste, der das
heim des Vaters in Deutschland vor
einem halben Jahrhundert verließ,
ohne jedoch anzugeben, wohin er sich zu
wenden gedöchte· Er begab sich nach
Australien, wo er sich ein Vermögen
erwarb, unterließ aber, den Seinigen
ein Lebenszeichen von sich zu geben,
und als er später schrieb, erreichten
seine Briese ihr « iel nicht, da die Fa
milie lich inzwis en in alle Winde er
streut hatte. Karl Setzt-I verließ fein
Vaterland bald nach Abreile von
Iris und begab sich nach Amerika, wo
hin Ferdinand ihm bald folgte. Diese
Beiden verloren lich hier zu Lande aus
den Augen und suchten sich lange Jahre
vergebens. Schließlich erfuhr in den
achtziger ahren Ferdinand, daß sein
Bruder arl sich na New Ulm in
Minnesota gewandt ha e und eilte hin,
um ihn zu besuchen. Rew Ulm war
aber geradezu der Zeit von dem furcht
barenOrlane heimgegtcht worden, und
aus der Liste der odten stand der
Name Karl Schuld dtnand hielt
seinen Bruder daher f r todt. Karl
war jedoch mit dem Leben davonge
tonnnen, verließ aber die Gegend, und
verzog nach « "«Z)pewa lli und dort
wurde er von dlrn Au kalter, der in
seinen Forschungen nicht nachgelassen
hatte, endlich gesunden und auch der
Aufenthalt des Bruders erdinand
schließlich ermittelt Dte egrtihung
der Brüder, die sich in einem halben
Jahr undert nicht esehen hatten, war
eine aus her-l . g »
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