Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 08, 1901, Sonntags-Blatt, Image 12

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    III Ehrgeiz Irrfiihrc
: -—-O-——
ffsteiebtes nnd Ersundenes
Ists dem Theaterlebem
Von-Max Zitzer.
In einem weltsrernden Winkel des
Ha russtschen Reiches war es, w;
ch gesunden, ein start vorgeschritte
ner Posten sür deutsche Bühnentunst,
die dort hauptsächlich von der deutsch
sprechenden Judenschaft unterstützt, mit
Ich nnd Weh ihr sechsmonailiches Da
sein srisiete.
Sie hatte ihr Talent zur Bühne et
vni spät entdeckt und gehörte zu jenen
nnielbstständigen Begabungen, die je
doch bei schönen Mitteln sehr viel An
passungsfähigkeit mitbringen und bei
richtiger Anleitung sich bis zu künst
lerischer Höhe emporzuschwingen ver
mögen.
Er war einer jener Vielen, die beru
fen, aber nicht augertoren! Wenig Mit
tel —- nichts von Aeußerlichteiten. das
blenden konnte; aber ein Funke von
Genie —- rnan mußte ihn an glücklichen
Abenden sehen. Anfangs der Dreißig
stehend und nicht genug leichtsinnig,
war er schon etwas iliigellahm gewor
den. Ungewidert von deni Um und
Aus des Theaterlebens, mied er den
Verkehr der Kollegen. An seinen Idea
len und hoffnungen bankerott gewor
den, hatte er sich noch zu guter Zeit von
den wüsten Kneipereien der Anderen
losgesagt, um nicht auch noch den in
neren Halt zu verlieren.
Ein Dutzend Jahre· die Blüthe sei
nerMend hatte er der Schauspieleret
geb . Nie hatte ihn noch während
dieier Zeit eine s einerKolleginnen ernst
lich tu fesseln vermocht. —— Dann tom
»Sie« und sie war so ganz anders alJ
die Anderen. Fesselnd als Talent sil
jeden, der sich auf echte Begabung ver
stand, blieb sie dennoch im Privatver- «
lehr fiir die Meisien fast-gänzlich in- .
teresseloi. Fedlten ibr doch so ziemlich
alle Eigenschaften die man im Umgang v
mit Künstlerinnen sucht. ;
Nichts weniger als pilant und ga: s
nicht geistreich. war sie —- obne eigent- ;
lich dumm zu sein — von einer Art s
naiven Beschränktheit in Tbeaterdin- 2
gen. Gar nichts von Theaterblut Es ;
lag Alles in ibr noch wie im Schlafe. H
Man hatte das Empfiuden, daß sie all’ :
die Schlünfrigteiten der Leute um sich Z
herum abnte· aber nicht recht begriff. i
Dabei war sie dreiundzwanzig und
schon ein Jabr bei der Bühne und war z
--- brav geblieben ;
Jdt Gesicht — hübsch. ohne eigent- l
lich schön zu sein — war ein seltsames !
EIseIrble von Unregelmäßigkeiten. Z
Der Mund mit den Perlenzäbnen der l
s naip lächeln konnte — nie hörte man .
last lachen — dieses etwas aufstre- !
bende Pariser Kirschen —- und über all’
de- Sonbrettenbaften ein Paar bunt
ler Tugen, die — wie auf einer ande
res Welt — voll süßer Melancholie
runber blickten und zu sagen schienen.
Laßt mich! Jch weiß es, ich schlase —
laßt mich, ei isi so süß, nichts wissenl
Schlummernde Rose nannte er sie«
stets: das gefiel ihr, weil — er es sagte.
Er hatte sich erst aus Jnteresse am
Ungewöbnlichen zu diesem Rätbsel bin
aezogen gefühlt und unmerklich, seiner
selbst unbewußt, vergaß er die Auflö- l
sung zu suchen, denn --- er liebte sein ?
Rätbsel bereits. Und als er sie eines I
Tages fragte, ob auch sie ibn lieoen l.
Mante, erwiderte sie verwirrt: »Ach, i
weiß ich ej denn selbst?«- Dabei schien ’
sie ihm doch fo ergeben. »Was finden (
Sie alsdann an mir-" fragte er mit I
melancholischem Lächeln. »Ich weiß (
nicht. Sie sind gar nicht so wie die An- l
deren.« Sie duldete es, daß er sie im (
Coulifsenduntel an sich zo und seine
bessres-den Linsen an die i riaen arub. l
»Weißt Du es nun s« flüsterte es« jetzt
heiß in ihr Ohr. »Ja, Du Lieber!«
Die fchlummernde Rose war er
l
i
i
i
wacht; der Prinz aus dem Zauber-»
lande ist gekommen und hat sie mit fei
nem Kuß erweckt und sie war sein
geworden. Das Weib war erwacht in
ihr — und damit Alles-, was bisher »
geichiu:nmert, Gutes und -—— Schlim
mes.
Ein heißes Ringen begann. Unter
Max Bolton’s geistvoller Anleitung
fiuditte sie nun ihre Rollen, um mit
jeder einen neuen Triumph zu errin:
gen. Man hatte jetzt die deutliche Em
pfindung einer werdenden Kunstgröße
gegenüber zu stehen.
Die Saison ging zu Ende und die
Mist-re begann.
Bei Max sollte sie die Liebe, aber
auch das Elend kennen lernen. Sie
wollten nun zusammen in’5 Engage
ment gehen und sparen, denn sie waren
arm und konnten sich noch nicht heira
then. Aber welcher situirte Provinz
Direktion oer sich auf fein »Geschäft«
versteht, engagirt eine junge Dame, die
nicht frei ist! So etwas zieht nichts
M bleibt für die Dahin-DR Nein!
Der Provinzmime bringt nicht nur fein
Talent auch seinen Ansiruch auf das
bischen Iazniliengliick mit als Einfatzt
So waren sie genöthigt. zu obsturen
kleinen Wandertruppen zu gehen, deren
allerdings nicht viel nach
uwünscht-nagen fragen dürfen,
mit Hei-He Sterne bekommen
war ja die Rath da! Noth
sielelyti auch erkennen.
denn siebelds daß ihr jedwede
, U UMÆMFI Mk stärken
» . e
« OF
« JACOB-Zwet
likiai Eines mußt Du vom-.- uavs
damals hatte sie den Mund mit feine :
Hand gedreht nnd ieife weiser zitirte .
sie ans Wallenfteim .Max. bleib bei ;
mir —- gehe nicht von mir, Max! Jch «
inag’s und wills nicht glauben, daß ’
mich bei Max verlassen kanni« Und k
jetzt? — Er ertapbte sich selbst zuwei- -
legt bei einer gewissen Kälte ihr gegen- -
u er.
Ein Gefühl der Verantwortlichkeit «
nin ihre Jugend, ihr Talent, das hier
vertiiininern sollte, bedrückte ihn —- er
wurde nervös, ei gab Streit und sie
trsniite entsehltch lange bbgexteim tage
lang schwieg sie trohig noch fan
den sie sich immer wieder. Die Liebe
lam unb machte Frieden. So ging ei
lange Zeit. Zwei Jahre waren ver
strichen und beide immer noch bei pri
niitiven Puppen-«
Als die beiden »Stars« wurden sie
zwar immerhin besser honorirt als die
übrigen und dennoch —- ivelch’ ein Da- T
sein —- welche Entbehrungens Blos ,
vor dem allerschliminsten, vor lbanger ;
geschützt· Er litt uin sie; ihm selbst «
half ja sein bischen Lebeniphilosophie ;
hindurch. Seine Bediirsnißlosigleit «
war etwai. was einein saß zur Bewun- ;
berung zwang. Oft wenn sie nach z
dem Theater ihr spartanisches Abend
essen verzehrt hatten, steckte er sich eine s
Cigarette an —- das war sein einziger «
Luxus —- dann zog er sie an sich und :
lächelte sie so lange an, bis sie auf feine
Frage: «Schatz, bist Du glücklich«, nicht
anders antworten konnte, all ebenfalls
tot-hmüthig-gliicklich zu lächeln. —- .
»Nicht wahr«, sagte sie bei solchem An- L
lcsse einmal in ihrer unnachahmlichen ;
Weise — »mehr als sich satt essen, tön- ;
nen doch auch bie reichstenLeute nicht ?« E
»Nein. Du»Siißes'. hatte er erwidert E
..·« —-a-.- Ir-.-.t- ·
ullU «Zcu OWUI, lUu tut-use- suuschsq
aber wir wollen uns treu bleiben!«
lknd da siillten sich ibre Augen, wie z
einst, mit Tbränen und »Max. bleib’ -
bei mit — gch’ nicht von mir, Max«
sprach sie wie damals.
I I I
Eines Abends war große Aufregung ;
unter unserem Theaterbölkchen. Man i
denke nur; sie besanden sich eben in h»
einem kleinen Restchen von viertausend
Einwohnern und der Direktor des gro
ßen Stadttbeaters in B. war in höchst
eigener Person anwesend. Aus der
Suche nach Talenten befindlich, war
er durch versäumten Eisenbahn-An
schluß gezwungen, in h. zu übernach
ten. Aus dem Bahnbose war ihm
wahrscheinlich der bektograpbirteTbeai
retzettel mit der Ankiindigung don
.Maria Stuart« ausgesasen und in
der Voraussetzung eines recht lustigen
Abends, war er gekommen. das
Trauerspiel zu genießen. Genug, er
war da, der Theater-Gewaltige. Dort
saß er in der ersten Reihe des nicht
eben uneleganten kleinen Saa
les. Man bemerkte das häufige iro
nisch überlegene Flüstern mit seinem
Begleiter —- Max, der das Stiick in
szenirt hatte, spielte an diesem Abende
nicht. — Und was die Uebrigen boten
—- es war ja nicht geradezu lächerlich,
aber so recht ernst nehmen konnte man
die Leutchen da droben auch nicht; da
siir hatte schon das keineswegs löni -
liche Kostiim an diesem englischen Do e
gesorgt. Nach der zweiten Szene än
derte sich aber das Bild. Von dem
Moment, als Erna Wagen die Szene
betrat, sab man den Direktor mit ge
spanntester Aufmerksamkeit dem Spie
le dieser schottischen Maria folgen.
Einmal blickte er aus den Theaterzets
tel und schien seinem Begleiter eine
Notiz zu dittiren. Er blieb bis zum
Schluß.
Drei Tage später kam ein Schreiben
an Erna Wagen; es enthielt einen sebr
schmeichelhasten Vertrag an dasStadp
Theater in B. Sie waren bald einig.
»Wir verbluten uns in diesem Hamps«
batte man gemeint, »wer weiß. wann
uns s olches wieder geboten wird· Mita
i
pfcn wir fortan redet einzelne und wer s
etwas erreicht. zieht den Andern nach «
ins Glück.« Sie hatte erst ein Wenig
geweint, aber man hatte ja, nun er al
lein angagemcnt abschließt-n konnte-«
auch wieder Placcment an einer besse
ren Bühne bekommt-n und gar in der
Nähe von B, und so tdnntesn sie sich
denn fleißig bissuchcn . Alle-s stimmte
ja so hübsch zusammen Also gingen
sie sechgWochen später, frischen Muthes
in die Zukunft blickend, auseinander
Jn B. wurde Erna gestattet, eine
Antrittgrolle nach eigenem Belieben zu
wählen. Sie entschied sich für eine von
» den Rollen, die sie mit Max studirt
hatte und machte am ersten Abend
gleich Sensation. Das Glück berausch
te sie. Eine neue Welt schloß sich ihr
» auf. Sie hatte sich ihr Leben nicht
, mehr ohne Max denten können nnd —
j nun ging es doch! Er fehlte ihr zwar
i vielfach, aber mit den Erfolgen fing sie
; an, sich selbstständiger zu fühlen.
- Sie liebte ihn immer noch, aber ohne
I eigentliche Sehnsucht Dieses Freisein
Z machte ihr Muth; sie lernte ihn ent
! hehren.
I Jeyt erst sah sie, toie entfeslich diese
Vethiilinisse,waeen, denen sie nun ent
; rennen. Sie ließ das in ihren Briefen
an Max fii len. Ei that ihm weh,
! denn diese rhiiltnisse hatten für sie t
; Beide auch selige Stunden gehabt. ;
; tte sie das vergessen und nur das j
j riibe behalten« Er erinnerte sies
i nicht derer-. Seine stiefe blieben »
l
hen; ei perbitterte sie und sie wurde
ungerecht —- tvie nur ein Weib es wer
den kanns stand er doch im eigentlichen
Können iiber ihr und hatte ihm nur
das gleiche Gliirl eman elt.
Ali er sie nach e nigenonchen in B.
aufsuchte, lag schon etwas Fremde
zwischen ihnen.· Es tam iiber ihn wie «
ein banget Ahnen des Verlustes und
als er den zarten Körper in leiden
schaftlicher Bewegung an seiner Brust «
hielt, ging ein leises, schmerzlichez
Vibriren durch seine Stimme. wie er
nun halb vor sich hinsprach: «fie ift
mir nicht mehr gut, wie einsis
.Ueber Alles, Max, über Alles««
hauchte sie an feinem Munde. .aber«
— vollendete sie zögernd, »ich will zu
meinem Mann aufblicken Sinnen-" ,
Er hatte tief verletzt geschwiegen; er
war zu stolz, sie daran zu erinnern, «
daß er ihr Meister geweiemdafi sie
Alles, Alles nur durch seine Mithilfe !
geworden· Er reiste ab, sie hatten sich
zum letzten Male gesehen. !
Schon nächsten Tages hatte sie ein .
Schreiben Bolton’5 folgenden Inhaltes —
erhalten:
»Seht geehrtes Fräulein!
Jm Vollgefiihle einer Leidenschaft, :
die teine Rücksichten lennt, haben Sie .
sich mir einst zu Eigen gegeben. So '
fchien es. Vielleicht habe ich Sie aber —
doch zu wenig erkannt, oder ich habe »
ee nicht verstanden, mir diele Liebe zu i
erhalten. Vielleicht auch hat der Ehr- !
geiz Ihr herz erstickt; fiihle ich doch z
seit Langem, daß Jhre Liebe mir nicht F
mehr gehört wie ernst. Genug. Jhre «
Worte von gestern haben mich aus ei- i
nem glücklichen Traum graulam aufge- I
riittelt. Sie lniipfen Jhre Liebe an
Bedingungen Sie haben meinen«
Glauben an selbstlvs aufopfernde Nei
gung zerstört; ich fühle. daß es siirj
mich leinen Weg mehr zurück giebt.
Si- sub-n neu-eilen können. das-i Sie
mir einst sagten: ..Was ist mir Karg E
ritsre, wenn Du mir nur bleibst.« « -
Also endet unsere Liede wie —» nun, !
wie bei »Leuten vont Theater«. Jch
glaube Jhnen nunmehr teine größere E
Freude bereiten zu können, als wenn
ich Jhnen Jhre Freiheit zurückgebe. l
Leben Sie gliietlichl Kann ich auch T
niemals vergessen, —- der Gedanke an
die namenlose Enttäuschung, die Sie
rnir bereitet, wird rnir Kraft geben, zu
verschmerzm
Max Bolton."
O I .
Drei Jahre waren seither verstri·
chen «- eine lange Zeit beirn Theater,
wo man Glück und Leid doppelt em
psindet.
Erna Waagen hatte das Gläd nicht «
gehalten. was es versprochen. Ihren
Talente sehlte der Menton den sie frü- -
her in Max besessen. Das Unselbits ·
ständige ihrer Begabung batte sich gar s
bald gezeigt, als neue schwierigere Rol- ;
len an sie herantraten. s
Die schmerzliche Swsenleiter nachi
abwärts wurde wieder angetreten und
wir sinden die arrne Magen wiede
unter dein Druck jener entleslichen
Verhältnisse bei kleinen ambnlanten F
Theatergesellschasten. Balton’s Spur
hatten sie schon seit Langern verloren.
Jni jährlich erscheinenden Theater
alnranach hatte sie vergeblich nach sei
nem Namen gefarscht. Was machte
aus ihrn geworden seintl Sie betete
ihn an. aber niemals sollte er von
ihrem Unglück erfahren; sie änderte
ihren Namen, unt ihn, wenn er sre nicht
längst vergessen, gänzlich von ihrer
Spur abzubringem ·
Sie hatte Allein entsagt. Es galt
ihr nur noch, zu Ende lämpien.
Ein Zug herben Leibes hatte sich
um ihre Mundwinkel eingegraben und
den einst so lindlichen Zügen etwas
madonnenhast Leidendes gegeben. Sie
tpar schöner geworden.
Und Max-il Sein Leben hatte nun
gänzlich den Inhalt verloren. Er selbst
war sich leinestsernekensarnpses mehr
wckih. Fllk Vlkscs Weis Mille et scro
gen ein Künstler werden, das Ziel war
ihm verloren
Er sant wie ein Stein im Fallen:
je tiefer, desto schneller. Moralisch
haltlos geworden, trank er jetzt. Nicht
eigentlich aus Leidenschaft, taum au
Bedürfnisz; er suchte Betäubung --
Vergessenheit Künstlerisch war er fer
tig und sristete sein Dasein bei den
allerjämmerlichstenWandertruppen, so:
genannten Schmierm. Es war hohe
Zeit und gerade vor Thorschluß, als
ihm unerwartet durch einen entfernten
Verwandten, der tinderlos gestorben
war, ein ziemlich bedeutendes Vermö
gen zufiel. Es fiel ihm nun ein, daß
sein Leben vielleicht doch noch zu etwas I
nützen könnte. Er dachte an die vielen l
Schicksalsgenossem die es trotz Talen z
ten niemals zur Anerkennung bringen ’
und ohne Glück und Protettion ewig -
im Schatten bleiben, wie er. Hier gab !
es also für ihn noch Arbeit. Sein Ent- l
schluß stand fest; er wurde Theaters J
direktor. :
Jm Frühling nächsten Jahres sollte
Max Bolton die Leitung eines ange
sehenen Stadttheaterz übernehmen und
so benützte er nun die Zeit bis dahin
zu Kur-streifen Getreu seinem idealen
Vor-sah, wollte er das Talent in sei
nem verborgensten Verstecke auffinden
und art’I Licht ziehen. Geflitsentlich
vermied er es, größere Bühnen zu te
suchern Dort bedurfte man seiner nicht
sehr; au fürchtete er dte Möglich
te
teiteiner uns mit Sena.
» crf eanettLansern
JichtsrehrtIMM s
l ci- W M ww- listi- et
angenpninien; oder hat sie ihren Ra
inen geändert. damit er ihre Spur ver
liere? Er konnte ihr vielleicht noch
mals lii ig sallenl Er mußte schmerz
lich lä ln. bei solchen Erwägungen.
Und dieses Mädchen hatte er sin eiwae
«Anderee« genannnenl llm ihretwlllen
wäre er nun beinahe verdorben und zu
Grunde gegangen! Es erschien ihm
nun alles das so lachhast — so thiiricht.
Und dennoch liebte er dieses Weib noch
immer! er liebte sie in unauslöschlicher
Erinnerung daran, was sie ihm einst
gewesen — er liebte die schlummernde
Rose von einsi. wie sie in seinen Träu- (
men zurückgeblieben —- aber er be
gehrte sie nicht mehr, wie sie dann ge
worden war.
Aus seiner Tournese durch Oesler
reich war er eines Tages in einem llei
nen freundlichen Landstödtchen ange
langt.
Durch den Prodinzberichi einer groi
ßen Zeitung war er aus :ine Schau-« T
spielerin ausmerlsam geworden. von
der es hieß. daß hier ein bedeutendes
Talent, unter unwürdigen Verhält-;
nissen schmachtend, an schöner Entsal
tung gehindert ist. Das war also sein
Fall!
Arn Abend sand er sich piinltlich
zum Beginn der Vorstellung in dem
als Musentempel adaptirlen hkbscheii
kleinen Saal ein.
Seltsame Laune des Zufalls-.
Jn diesem selben Saale hatten sie z
nun dor drei Jahren Beide neben ein- .
ander gemirni — zum le ten Male — !
und nun hatte sie das chicksal aus
einander gerissen und uie Welt von ,
Mike-erstehen und unversöhnlicher Bit- "
terleit zwischen ihnen ausgelhiirrnt, dasz
sie sich nimmer sinden lonnten. Jn
ähnlichen Gedanlen dersunlen, hatte
Max die ersten Szenen des Stückes
achtlos an sich vorübergehen lassen;
doch je t —- was war das? Aessle ihn
seine Zbantasie di seQStimmeZ Er
cis-A- k «. —-.t »J- ; .-.-«Jsb nsv ds
»Hu-( Ins-u uni, WI- ue »aus-» --. ---
Gewißheit! - Es ioar Ernali
So mußte er sie ioiederfebenil Jm
nächsten Augenblick toniite sie ihn be
mertt haben — er saß in der ersten
Sesselreihe.
Er wollte ihr die Beschämung eines
solchen Wiederfeheno ersparen und
machte eine Bewegung. um sich zu er
heben, aber seine Kräfte versagten; es
ivar all das Weh jahrelanger Leiden,
das sich in diefem einzigen Augenblick
in seinem herzen zusammendrängte
und ihm die Brust zii zersprengen
drohte —- er sant zitternd in den Stiioi i
zurück.
War ei nun das Geräusch. das e. !
dadurch verursacht —- Erna«ö Blick
muste auf ihn gefallen sein —- :oie,
oder ioar das Spieiik Geifterhaft starr
blickten die weitgeiifineten Augen Evie
rn’j Leere —- die Lippen bewegten sie-tu
als wollten sie sprechen s— ohne Laute
hervorzubringen Thetis ergreifendcs
stumm-ei Spiel —- ooch nein s-- diå !
roar nicht mehr Komödie —- sie wanlls .
ja nnd rnit dem Ausdruck trampfhiaften
Schmerzej nach dem Herzen greifend, :
brach sie mit einem tiesen Seufzer be- «
wußilos zusammen . . » Der Vorhang ?
fiel —- das Stiick war aus!
i o I i
Tief erschüttert war Max niii rasch z
zurückgewonnener Willensirafk im ;
nächsten Augenblick hinter die Szene 7
geeilt und machte sich nun m«: sen an- I
deren Mitgliedern um die arnse Waa- !
gen zu schaffen. Man hatt: sie in die f
Damengarderobe gebracht, dori war fie z
erf-. nach langem Bemühen aus risse-«
Ohnmacht erwacht. k
Sie richtete sich endlich mait aiif « .
ihr Blick fiel auf Max —- ein iiberirdis ,
sches Lächeln fiog über die müden Züge E
—- doch schon im nächsten Augenblick Z
schmierte sie fiebernd zusammen —- sie z
hatte in leßter Zeit von seinem Glück
gehört; er war also getommen, um sie
zu verhöhnen —- fagte jie fich. Und i
dennoch, wie tonnte er sie hier vermu
then? hatte sie ja einen anderen Na
men angenommen.
Max hatte unterdessen die Anderen :
leise aebeten. ihn einiae Minuten mit !
der Dame allein zu lassen, da er die al
leinige Ursache dieses Unsalleo sei, wol- ·
le er es nun aus sich nehmen« durch
Aufklärung eines scheinbaren Mißver
ständnissen dem Fräulein die Ruhe zu- "
rückzugeben -
Im Augenblick noch voll Unmuth
gegen den Urheber dieser Störung. wa
ren die Herrschaften dennoch alsbald
aus das Liebenstviirdigste umgestinimt,
als er hinzusügte, daß er der Direktor
eines bedeutenden Stadttheater5. eben
aus der Suche nach Mitgliedern sei . . ·
Sie waren allein! Zum ersten Male
nach so langer Zeit! Sie liatte dass
Gesicht mit den Händen bedeckt, gleich
sam als wollte sie das Licht einer grau
samen Erkenntnisz noch lange von sich
serne halten: was lonnte denn iiir sie
noch Gutes kommen?! Endlich, nach
langer aualvoller Pause näherte er sich
ihr leise; langsam zog er ihre Hände
vorn Gesicht. »Fräulein Waagenfs
sagte er zögernd, seine Stimme zitterte
so eigen. —- Sie blickte erstaunt aus —
ihre Busen hatten einen seltsamen
Glanz, ganz verklärt vorn Sonnen
schimmer eines traumsernen Glückes.
Ja! er war es wieder, der zu ihr sprach
—«— seine Stimme klang so bewegt —
er litt also und so war er uninö lich
» gekommen, sich an ihrem Unglücks« zu
l weiden. Wie edel er war; seine Groß
s muth beschämte sie ttes —- der sann
war gebrochen! Sie begann leise zu
weinen; er ltes neben ihr aus einen
Mel nieder. « ruf begann ee aber
mbls zögernd, »ich wuste nicht, daß
Sie ungliialich seien.« »Lasfen Sie
mich,« fchluchzie sie aus. »ich war vorn
Ehrgeiz verführt, ich habe mein Schick
sal verbient.« Er ftrich ihr sanft über
das Haar, und mit der anderen Dand
ihre beiden schmalen diinde in der sei
nen haltend, fahen«fie sich lange tief in
die Augen. Er liimpfte sichtlich einen
schtveren Kampf mit sich zu Ende.
»Und Du bift brav geblieben?« rang es
sich endlich largsam lief aus feiner
Seele empor. ie sah ihn mit einem
Ausdruck starrer, unsiiglicher Verwun
derung an. »Und Du — Du glaubst
mirs« »Ja, jeßt wieder.« er lächelte
schmerzlich. »Nun denn —- ja, fa. fal«
sagte fie, zu feinen sähen niedersin
tend. »lonnte ich denn nach Dir noch
Jemandem angehören?« Er hab fie
empor. »Willst Du mich also nochi«
jubelte er. Sie hatte den Kopf glück
ttunlen an seine Brust gelehnt und
fliifterte leise wie einstmals: —— »Max.
bleib’ bei mir! Geh« nichl von rnit.
Max-«
f-- ROD- -
I n l in e.
—...-.
Die Geschichte eines Wunders von
H e i n r i ch L e e.
Jch rveiß nicht, ob dem geehrien Le- ’
ser vie Berliner Stadtgegend belannt
ist, die das »Chansonettenviertel«
beißt. Sie liegt am nördlichen Ende
der riedrichstrahiy an der Eile der
Elfa ersiraße, und hat ihre Bezeich
nung von den vielen kleinen Varietä
tbeatern und Tirigeltangels, die sich
liier baue an haui befinden. Die -
Glanzzeil des Chanionettenviertels ist
der Abend. Dann ergießt sich aus den
mit lockenden Plalaten delieblen Fen
stern sirahlendes Licht, vor der offe
nen, aber mit Teppichen verhangenen
Thür, aus der vielveriprechende Mustl
herausbringt. steht ein strarnm ge
wachten-Or Partien entweder in moree
oder in Jagdunisorm oder im Kostiim
des Mittelaltisrs, und ladet zum Ein
treten ein. Wer auch tönnte, wenn
man er die genannten Platate liest,
der Ver uchung widerstehen? Da wird
Einem verheißen: »Die Rose von Se
dilla, der Neid aller Spezialitätenbiih
nen«, — der BligdichterT —- ,,ein
weiblicher ileberringlamps«, — »das
Wunder der Pseistunst« — ja, aus ei
nem Platat lesen wir sogar: «3wei
MillionenMenschen sind in diesemLotal
vor Lachen bereits gestorbeni« Dabei
ist iiberall der Eintritt stei. Höchsteni
daß ein kleiner Preisausschlag siir das
Bier genommen wird, und wer wollte
den nicht gern und willig bezahlen.
Eines Abends machte ich mit einem
Agenten, der Talente entdecken wollte,
durch das Chansonettenviertel einen
kleinen Streiszug Mein Begleiter
iam leider nicht aus seine Kosten. Er
suchte ein .,Talent' -»- die Damen
aber, die sich hier produzirten, genüg
ten seinen Ansprüchen nicht. Jn ihren
Bewegungen und ihrer ganzen Vor
tragsart erinnerten sie zu sehr noch an
tsen Kapellmeister. der ihnen sür ein
billiges honorar diese Künste beige
bracht hatte Die Entdeckung-reist
war also umsonst gewesen
cZum Schlusse gelangten wir in ein
L al in dem eine Damentapelle zu
hören Int. Als Ungarinnen «srisirt"
saßen aus einem Podium ein halbes
Dupend mehr oder minder junge
Mädchen, welche die Geige spielten
oder wenigstens so thaten, denn bei ei
nigen von ihnen mochte der Geigen
bcgen auch nur mit Schweinesett be
strichen sein, und sie leisteten nur Sta
tistendienste. Ein durch die Noten
pulte im hintergrunde versteckter Herr
spielte Klavier, ein anderer neben ihm
die Klarinette --- dagegen war wieder
die Pause sammt dem übrigen Schlag
zeug bei einer Dame aufgehoben die
ganz vorn an der Brüstung sasz und
dann und wann bei einer ihr geeignet
scheinenden Stelle indem ie sreunds
lieh hob-di ins Rubin-Im Tab dem
Schlegel sonst auf dae Raldsell glei:
ten ließ.
Wo aber hatte ich diese freundliche
und ieineswegs häßliche junge Dame
nur schon einmal gesehen? Richtig
irr- vorigen Jahr aus dem »Domtnii«
in Danzig, dem bekannten großen
Jahrmartt. Ganz deutlich stand mir
wieder die Szene von damals vor Au
gen.
Ein Zelt, in dem sich .Fatme, die
berühmte Sonnarnbule,« produzirte.
Das Zelt, von Menschen gefüllt, im
F jntergrunde die Bühne. von einem
orhang geschlossen. draußen die
Stimme des Ausrusers. endlich das
letzte Klingetzeichem und der Vorhang
geht in die höhe.
Auf der Bühne erscheint im feierli
chen Fracl ein herr, der ein in ein tür
kifches Rostiim gekleidete-s weibliches
Wesen hereiniiihrt —- Fatme. Fahne-,
so erzählt er, ist mit ilhersinniichen Ei
genschaften begabt. Er wird ihr so
gleich, so siihrt er sort, mit einem dr
eien, schwarzen Tuch die Augen ver
binden, wovon sich dasPublilum über
! zeugen tann — dann bäte er die herr
i schaften, der Reihe nach irgend etwa-H
» aus ihren Taschen hervorzuholm und
E Fatine wird daraus sagen, ohne also
« den Ge enstand gesehen zu haben, wo
« rin derselbe besteht. »
s Gesagt, gethan. Fatme laßt sich auf
einen kostbaren goldenen Stuhl nie
« der, der sich aus der Bühne befindet,
und ihr herr und Meister holt das an
: eldete schwarze Tuch hervor. Dann
; fordert er die herr chasten vorn ersten
TM sus. lich til-gen kalt Qui die Allm
I eran zu dem und das Tuch In
-
" priisew such mir galt diese Einla
dung« und ich muß noch heute eslehen,
- daß mir selten ern Were-, s wsrzei
- res. underdiichti erec Tuch in meinem
Leben zu S te gekommen ist als
das, welches nun der Derr im stack
der schönen Zatme mit einem jedes
Mißtrauen zerstreuenden, ja sast rau
samen Drutt um die Augen tn ste.
Dann trat er. um auch jeden weiteren
Verdacht, daß er mit Jatme in trüge
rischen Beziehungen stände. von vorn
herein zu enttriisten, drei weite
Schritte, so lang die Bühne war. von
ihr und ihrem Stuhle bei Seite und
sagte zu dem Verm der in der vorder
sten Reihe zuerst saß: »Wenn ich jetzt
um einen Gegenstannd bitten dürste.
mein Herrl«
Der Angekedete griss lächelnd in die
Tasche und holte, es in die Höhe stre
itend, ein Messer hervor.
»Nun. Fauna was ist das?« wandte
sich ihr Meister, nur leicht seitwärts den
Kops zu ihr wendend, an das Wunder
mödchen.
Das ganze Zelt hing wie gebannt
an Fatmeii Lippen.
Leise, erst wie tastend, bewegte sre
die Lippen, dann hörte man sie spre
chen mit einer zarten, seinen, zittern
den Stimme: « -
»Ein Messer!«
Ein Gemurmel der Befriedigung
erhob sich im Publikum. Aber dass
Wunderbarste sollte erst noch lommen.
Der Meister bat den Messerbesi er,
ihm dieses aus die Bühne zu rei en,
und er suhr mit seinen Fra en sort:
.Fatme! Was siir eine le hat
das Messer?«
Wieder wandte er ihr nur leicht den
Kopf zu, wieder regten sich leise ihre
Lippen, und ei lam daraus hervor:
»Schildpatt! Aus Ehrenwort — es
stimmte abermals.
»Fatme! Und wie viel Klingen hat
dae Messer t« .
«Drei!«
»Und hat es außerdem noch et
—--0«
»Ja, einen Korlzieher. eine Nagel
feile und einen Cigarrenabichneider.«
Triumphirend eigte der artige herr
das Messer im ublitum herum. Al
les stimmte.
»Und kannst Du mir auch lagen,
Fatme, welche Fabritmarke auf der ei
nen Klinge ital-if
Einige Damen im Publikum fingen
an. sich zu graulen, denn Iatrne löste
—— unglaublich, aber wahr —auch die
te Franc
Ein Geldftitek lam an die Reihe. eine
Uhr, ein Kamm, eine Schachtel mit
Medi tnpulpern, und Fatme tonnte
auf rund des aufgelledten Etitetts
sagen, aus welcher Apotheke die
Schachtel siammte, und wieviel Pul
ver der Patient daraus am Tage neh
men sollte. Endlich, von ungeheurem
Beifall belohnt, und nachdem der Verr
im Frack Fatmen wieder das Tuch ab
genommen und sie sich vor dem Publi
kum dantend verneigt hatte. war die
Vorstellung zu Ende. Noch auf dem
Plage draußen dauerte die Aufregung
der Herauoiträmenden an. Wie konn
te mau lich dietes Wunder ertlären?
Jemand behauptete-, wie das immer in
solchen räthtelhatten Fällen geschieht,
daß Spiegel dabei im Spiele wären,
aber dagegen sprach unwiderleglich das
Tuch. Andere sagten, Iatmeo Ant
worten wären schon durch die Frage
ltellungen des herrn im raa eingege
ben, aber auch das war o sendarer Un
sinn, denn diese Fragen hatten etwas
durchaus Ungcszwungmes. Schließlich
irsollte Jemand die Ertlärung in ge
wissen unterirdischen elettrilchen
Drähten finden, auf die der herr im
»Frau trat. Ader auch diese Erklärung
Hans natiiktich ihk hinfäaich Reis-.
nichts von alledem! Fatme mußte
wirtlich eine Sonnambule« eine hell
seherin, fein.
Und nun saß sie hier, in Berlins
Chanionettenviertel unter einer Da
mentapelle und schlug die Pauke.
Während der Baute baten wir sie
an unseren Tisch zu einem Glase
Bier. Jch hatte mich auch nicht ge
töuschi. Sie war es wirklich — Jot
ine, die im vorigen Jahre aus dem
Danziger Drminit gewesen.
Jch sragte sie, warum sie ihre Kunst
von damals ausgegeben habe. Jhre
Antwort war, daß sce mit dein Herrn
im Irack einen Firach gehabt hätte,
nnd daß er überhaupt ein ganz ordiniii
rer Mensch gewesen wäre, ver ihr nicht
länger epaßt habe. Die ganze Ge
schichte fei doch auch nur ein gemeiner
Schwindel gewesen.
«Schwindel?« suhr ich hetrosfen aus
- wieso?« -
Sie schwieg.
» Jch verpflichtete mich, wenn sie mir
; das Geheimnisz enthüllen wollte, ihr
. ein Glas Porter kommen zu lassen, der
eine Spezialität im Chansonettenvieri
» tel ist.
»Und 'n Cognar«« setzte sie hinzu.
»Und einen Cognae.'·
Daraus sagte sie:
; »Ich hab’ doch blos immer die Lip
pen bewegt. Gerth hab’ ich doch gar
nicht. Gereb’t hat er. Er war doch
Banchredner.«
--— — - -If-— ————
E mir-schnitt- 1 Pfund exis
g bene 1 Tag alte Kartofselm i fund
durch ein seines Sieh geriebenen wei en
Käse (Quari), 1 Ei Z Unzen Meh , 2
Z Löffel Zucker und 1 Prise Salz per
riihrl man gut und formt die Masse in
den mit Mehl besittubten diinven Me
T lettartig. Man l die Schnitte se
- dann aus ein bemeh I satt und baut
. sie in suttee galt-um«