Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 18, 1901, Sonntags-Blatt, Image 12

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Heier hoch und mit
. ««en Erdtrgsnrwald, gele
.-..re. Mit einem gnten Pferde
Wie man se wohl in einem Ritt von
xechj bis sieben Stunden von La Vic
vria aus erreichen, und ein Ausslug
dahin verlohntc der Miihr. Jm Jahre
1843 war die Kolonie gegründet wor
den. von ungefähr dreihundert Ansieds
lern. die meist aut- dem Breisgau in
Baden eingewandert waren. Unter
großen hoffnungen hatte man begon
nen, aber die Zukunft hieit dann nicht
Wort. Einestheils sollte es sich her
ausstellem daß der urbar gemachte Bo
den ins-günstig gewählt war, und au
ßerdem verhinderte die einsame Ab
seitslage, fern von allein Verkehr, ein
rechtes Aufblühen. Die Bauern von
Iovar verarmten mehr nnd mehr, doch
mit deu«fciter Hartnäetigteii blieben fie
an ihrem Beruf kleben und rangen
Jahr fiir Jahr dein spröden Boden und
der wikden Natur ringsum ihren kärg
iiehcn Lebensunterhalt ab. Sie blie
ben ganz unter stets-, und so tarn die
Zeit. daß die einsame Kolonie auf der
Küstentvrdillere von der Außenwelt
vergessen und zu einer halben Sage
wurde. Erst neuerdings war sie sozu
sagen wieder entdeckt worden, und man
hatte dort oben ein Stück des alten
Deutschlands vor 1848 wiedergefun
den, das sich in der abgeschlossenenEin
samteit der Berge und der Urwälder
faft unversehrt erhalten hatte.
Die Erzählung meines Wirthes hat
te rnich neugierig gemacht. und ich be
schloß. troy der Negenzeit, die aller
hand unliebsame Ueberraschungen und
Gefahren für den Reifenden in ihrem
nassen Schooße birgt, den Ritt nach der
Kolonie zu wagen. An einem Sonn
tag, den 9. Juni, brach ich Morgens 4
Uhr in Begleitung eines eingeborenen
Führers von La Victoria auf und ge
lanate aeaen 7 Uhr. nachdem wir ver
schiedene Flüsse getreuzt, am Ausgang
des Araguathales an. Hier steigt der
Weg zur Kolonie in die Küstentordille
re hinaus, und hier lädt auch eine länd
liche Herberge zur Ruhe und Stärkung
ein, bevor der eigentliche Gebirgsrin
beginnt. Bei einem landesüblichen
Frühstück, dag aus rohen Eiern, Maiiss
brod und Zuckerrohrschnaps bestand,
thaten wir uns gütlich, während um
uns trotz der frühen Morgenstunde
schon buntes Kneipenlehen sich regte.
Wohl ein Dutzend Venezolaner fiillte
die kleine Vorhalle; schlanke. geschwei
dige Gestalten, die mit ihren malerisch
umgeworsenen Colijas, ihren dunkeln,
blißenden Augen und ihren Machetag
und Revolvern ungefähr den Räubern
ähnlich sahen, von denen einst der Kna
be geträumt hatte. Aber die Räuber
waren ehrenwerthe Leute« mit denen ich
zusammen aus einer Flasche trinken
mußte und in deren Mitte ich so sicher
saß wie in Abrahams Schooß.
Nach halt-stündiger Pause wieder in
den Sattel, und nun die Berge hinaui·!
Aus den Rath des Führers ließ ich mei
nem Pferd, das ich in der Ebene nur
schwer geziigelt hatte, jetzt den Zaum
lpse hängen. Mit bewundernswerther
Vorsicht kletterte es langsam mit mir
auswärti, auf steilem mit Steingeröll
übersäetern Schlangenpfade. Langsam
versank die weiche Ueppigkeit der Tro
pennatur hinter mir, und die kalte,
kinfameWelt der Berae nahm mich auf.
Aus Sonne und Leben führte der We;
allmählich in Nebel und todte Eint-de
hinauf. Nun umfing mich die erste
Wolle, und in einem Augenblick waren
Sonne und Welt für mich unterman
gen. Zur Linien eine starre Felswand,
zur Rechten ein gähnender Abgrund m
den der kleinste Fehltritt meines Pfer
des mich hinabstürzen konnte. Taer
ein Regen, ein feiner, durchdringender
Staub-regem und ein kalter, schneiden
der Wind, der mir die feinen Troper
wie Nadelspitzen in’s Gesicht warf
Wir mochten zwei Stunden durch
das Wetter dahingezogen sein, als aus
dem Nebel vor uns eine duntie Masse
auftauchtr. Es war Wald, Gebirges
urtvald, wie er sich nicht selten In die
sen höher-c auf der Küstenlordillcrs fest
gesetzt hat. Er beherbergt noch den
Tiger, den kleinen ameritaiiischen Lö
wen, verschiedene Affen- und Schlan
genarten, und so drang ich nicht ohne
ein Gefühl der Bangigteit in sein ge
heimnißvolles Dunkel ein. Aber auf
dem ganzen Wege durch oen Urwald
schaute ich kein lebendes Wesen, rnit
Ausnahme der zierlichen Periguits-s,
kleiner grüner Papageien, die ich nicht
anders als zärtlich zu Zweien flieaen
fah. Eine Sage erzählt von ihnen, daß
die Treue bis in den Tod lcnnen
und, sobald der Eine stirbt, auch ter
Andere nicht weiterleben kann. Eine
tiefe, grauenhaft tiefe Stille lag rings
M im ganzen Walde — ich athmete
- erst erleichtert auf, da der Urwald sich
» e und bom.Rande hcr eine erste
hec- durchschimmertr.
« ·Dai war eine grn·«:, risse Ueberra
' , als ich nun los-im Austritt aus
»F « rtvald in unvermittelte-m Ge
« , deutsche Vanetnhäuser vor mir
feh. Ueber eiugsteriumigex hü
. . MMCVIMMUF
Jang
sticg Rit!
,ich bald ruht
. Tages. Der Les-» im
, .«cr noch, ein bleierner Himmel ver
« hüllte die Tropensonne und lafteti
schwer auf der Welt. Die triibe Re
genftimmung nahm dem Bilde vor mit
vollends alles Südländische. Es wa1
ganz wie ein Stück Heimath, das icl
hier plöhlich in der Fremde entdeck·
hatte.
Bei strömendem Regen iam ich vot
dem Schulzenhause an. »JB ’n wiifcht
Sauwetter heut’ Landsmann!« Das
waren die ersten lieblichen Begrü
ßungsworte in unverfälscht schwäbi
schem Dialekt. die mir entgegengerufen
wurden, als ich vom Pferdeftieg Der
Schulze Wilhelm Ruh, ein Mann in
den Dreißigerm rnit einem offenen.
klugen Gesicht, hieß mich willkommen
Und eben traten Frau und Kinder und
die alten Eltern, die schon 1843 von
; Deutschland herübergetommen waren«
: dem «Landsmann' treuherzig und zu
traulich wie einen alten Bekannten e
geniiber — ich war zu hause! e
sonders Großmutter Ruh. eine troh
ihres hohen Alters noch riistige und
lebhafte Frau, deren Mundwerk keinen
; Augenblick stillfiand. hatte mich bald
Esganz mit Beschlag belegt und tramte
Z alle Schubiösten der Erinnerung vor
; mir aus. Großvater Ruh hörte zu,
: ohne ein Sterbenswort zu sagen; nur
E hin und wieder nickte er wie zur Be
iriifiigung bei dieser oder jener Er
« zählung seiner Frau, indem er fiir ei
z nen Augenblick die Pfeife aus seinem
: zahnlofen Munde nahm
Auf meine Frage hin erfuhr ich, daß
» es wohl noch ein halbes Dutzend alter
Leute in der Kolonie gäbe, die ihre
; Gründung mit erlebt hatten. Vor al
lem sollte ich doch den alten Simon
z Müßle besuchen, meinte der Schulze,
z der wisse am befien in den alten Zei
g ten Bescheid. Während im Schulzen
5 hause, dessen Haupträume eine Kneipe
; und ein Kaufmanns-laden einnehmen,
die bäuerifche Eigenart nicht frei zur
; Geltung kam. fand ich beim alten
; Müßte das echte deutsche Bauernhaus.
Z Aber ärmlich war die Ausstattung
« überaus ärmlich: ein großer plumper
i Tisch im Wohnzimmer, eine hölzerne
! Bank an den Wänden beruin, und der
einzige Luxus war ein steifer. hochleh
niger Großvaterstuhl, in dem Simon
E Müßle, eine diirre« eisgraue Greifen
; gestalt, saß. Auch er wußte viel aus
den ersten Zeiten der Kolonie zu »r
ziihlen, von den großen Hoffnungen,
mit denen er und Andere an die Ar
s beit gegangen waren, und wie sie dann
doch nichts Rechtes vor sich gebracht
hatten. Aber in letzterer Zeit ginge es
ja nun auch viel besser, seitdem die
Jungen mit dem Kaffeebau angefan
gen hiitten —- und überhaupt die Jun
gen! Die lebten schon ganz anders als
die Alten, irn Vergleich wie die Für
sten, und dabei zeigte er auf seinen
Sohn, den jetzigen Inhaber der Bau
ernstelle, an dessen Barfußigteit und
. grobem, grauen Leinenanzug ich aber
nichts Fürstliches entdecken konnte.
Oder doch, er tauchte vornehrn eine
fonntägliche Cigarre, während der alte
Simon Müßle unentwegt an seiner
ausgegangenen langen Pfeife sog!
Um die Abendstunde entwickelte sich
trotz des anhaltenden Regenwetters
(es war ein rechter heimathlicherLand
regen!) ein buntes-, lebhaftes Treiben
vor dem Schulzenhause. Jung und
Alt aus der Kolonie tam hier zusam
men, um ein paar Sonntagsstunden
der Erholung zu feiern· Die jungen
Leute vergnügten sich mit einem Ke
gelspiel, das sie im Sand und Schmutz
h-- Ad««I-,I «--I«»-Inn0 Ist-CO-- mur
Uns Ists-ans unskzxsnyk q- ------ w-.
Mädchen standen in kleinen Gruppen
abseits und schauten dem Spiel zu.
Die älteren Bauern aber saßen bei ei
nem Glase Schnaps nnd sprachen siber
das Wetter, den Kaffeebau, die Ern
teaussichten Als es dunkler wurde,
erklang eine Ziehharmonita, und dazu
wurden Lieder gesungen. alte Lieder
aus den Zeiten der Großvater, die in
dem neuen Deutschland längst verges
sen sind. Jch saß mit ein paar Bau
ern im Herrenstiible zusammen und
mußte ihnen gerade vom neuen
Deutschland erzählen. Aber all’ das
Neue wollte nicht recht in ihre Köpfe
hinein, in denen noch das Deutschland
vor 1848 von den Erzählungen der
Eltern her lebendig war. Jn ihrer
langen Einsamkeit war die Uhr der
Zeit stehen geblieben.
Jm leeren Schulhause war mir
mein Nachtlager aufgeschlagen wor
den· Noch lange habe ich wach gelegen
und konnte den Schlaf nicht finden.
Jn einem fort tropfte der Regen auf
Baum und Blatt nnd von Zeit zu Zeit
warf auch der Wind tlatschende Tro
rfen gegen die Fenster-scheiden Schon
all’ die Stunden seit meiner Ankunft
in Tovar hatte es mir geträumä
dumpf und gestaltlos, die Erinnerung
an meine erste Kindheit. Nun trat sie
hervor aus dem Dunkel, hell und klar
—- ich sah meine heimath! Ein tleinei
mecklenburgisches Bauerndorf, zwi
schen grünen Obstbiiurnen vielleicht ein
Dusend Strvhdächet, die Scheunen
hoch und überragend, die Wohnhäuser
und Ställe bescheiden zu Boden ge
duckt. Und ich sehe mich selbst, den
kleinen nagen in Stulpftiefetn unt
kurzen en, der nichts anderes alt
Schutze werden will.
U- anderen W verließ ich nach
AMI
, z M
- enginth leg-it
v: --;trcP-Iigi JUK g
..., sales et U Stil die you-W
Jrachi der Tropen die wes
Fremden Jn mbisiwing W
das schwäbischc Bauernqu W
gleich einem Traum ans eq- H ek
Iwacht bin, gleich einem Trank Io- pe
Heimath, den ich in einem iman
Augenblicke der Sehnsucht unVI M
Heimwehs geträumt habe-.
——...-——--A—
II Herr-risi.
Aus dem Hochplateau ist ein Lager
· siir gesungene Boerensrauen und Kin
der errichtet. Eine weite Zeltstadt
von Stachelzäunen umgeben. um die
Milizsoldaten mit geladenen Gewehren
patrouilliren. Zwischen den Zelten
ärmlich gekleidete, halb verhungerte
Frauen und Kinder. in deren bleichen
ZGesichter die Noth ihre Furchen ge
schnitten hat. Vor einem morschen
« geslickten Zelt steht ein Kommando von
- vier Mann der britischen Miliz Der
Sergeant befindet sich im Zelt und re
- det aus zwei in demselben weilende
: Frauen ein.
Die eine dieser Frauen hockt, ein al
tes Kleidungsstiick ausbessernd am
Boden. Jhre Gewänder sind abgetra
gen und beschmut und das seine,
durchgeisiigte Gei icht bildet zu dieser
elenden Umhiillung einen wunderbaren
Kontrast. Die andere der Frauen iniet
« anscheinend vor einem hausen Lumpen.
Jhr goldblondes seidenweicheö Haar
- ist ausgelöst sällt lang hinab über den
: lichtweißen Nacken und segt den harten
« grauen Steinboden. Jhre Hände sind
Everschlungem wie im Gebet und sie
weint in stummem Schmerz, mehr in
sich hinein, als wild aus sich heraus
. Jn dem am Boden liegenden Hausen
, Lumpen gewahrt jetzt der Sergeant ein
; kleines, weißes Kindergesichtchen, wie
f eine verdorrte weiße Blume im duntlen
T Laub. «Good bye!« murmelt er halb
. laut zwischen den Zähnen, wieder ein
mal ein Opser des Lagertyphusl — E
I hilst aber nichts: ich muß meinen Be
" bßl missiihnnsp Dinan Imit und infi
raquhq zu den«heideanrauen: »Nun,
I wird’H bald, Jhr sollt vor den Colonel
tommen!«
-»Oh, mijn zoetes Kleintjes!« flüstert
die am Boden tnieende Frau. die bei-·
den weißenArme um das Bündel Lum
pen schlagend, als habe sie Angst, daß
man ihr das Liebste rauben wollte.
Die andere Frau hat sich stolz aus:
gerichtet. Jhre stahlblauen Augen
stammen, und um die hlutrotben Lip
pen zuckt es von innerer Aufregung,
als sie entgegnet: »Warum kommt der
Colonel nicht zu uns, wenn er uns et
was sagen will?! So wäre es Mode
fiir einen Gentleman!« Sie sprach
diese Worte in geläufigem Englisch
»Fiddle-saddle!« grunzt der Ser
geant: »Mode oder nicht! Jch habe
meinen Befehl zu vollstrecken und nö
thigensalls mit Gewalt! Verstanden!?«
»Ja, die Gewalt habt Jhr!" entgeg
net die junge Frau mit bitterem hohn,
»sonst wären wir alle nicht hier in die
ser Hölle von Lager, ein gesangenes
Voit wehrloser Frauen und Kinder!«
Daraus sich zu der am Boden Knie
enden niederbeugend und sie sanft um
schlingend: »Myvrouw helene hat-er
schmidt, kommen Sie. wir sollen zum
Colvnel gehen!« — Die Angekedete sah
wire um sich, suhr sich hastig durch die
langen haare und hauchte: «Mijn soe
tes Kleintjes! Es wird sterben, Marie
van der Sloot!«
Kommen Sie,« sagt diese energisch,
den Arm um die Taille der Weinenden
legend und sie emporziehend: »Wir
müssen gehen!«
man-but »Um-Ae- h;· Ins-»s- Ism
Sie ließ sich hinan-führen und ging
durch den goldrothen Sonnentag, der
die grauen Felsmassen erwärmte, daß
sie fast weißglühend erschienen, wie eine
Traumwandelnde . . . .
Am Fuße eines Abhanges waren
mehrere Schuppen aus Holz und Well
blech errichtet. Jn einen dieser Schup
pen geleitete der Sergeant die beiden
Frauen. Jn Gruppen standen indessen
die Gefangenen oben auf dem Dort-pla
teau, mit stieren, angstvollenBliclen den
Das-angeführten folgend. Was konn
ten die Briten von ihnen wollen? Et
was Gutes war es gewiß nicht! —
Jn dem großen, leeren Raum des
Schuppens herrschte blaugraues, kaltes
Zwielicht. Kalt und düster waren auch
die beiden Menschen. die in demselben
hausten. eDer eine saß aus einem lee
ren Faß vor einer großen Kiste, die er
als Schreibtisch benutzte, der andere
stand, die hände aus dem Rücken, vor
dem einzigen kleinen Fenster. durch das
der Raum nothdiirstig erhellt wurde
und sah regungslos und in Gedanken
versunken in die Ferne.
»hier, herr ColoneL sind die bear
derten beiden Frauen!« meldet der
Sergeant.
Der am Fenster Stehende wendete
sich nachliissig und sagte: »Gut — Jhr
könnt gehen!« —
Dann schritt er langsam, die Hände
auf demRiicken, einigemal auf und nie
der und blieb endlich dicht vor Marit
van der Sloot stehen, sie mit drohenden
Blicken anstierend: »Ihr Mann ist
Feldkornett Und steht gegen Sr. Ma
jestät Regierung noch unter Waffen?«
herrschte et sie an.
-« a, Sir!« Aus ihren blauen Au
gen euchtete furchtloser Stolz und Va
terlandsliebt ·
»Ist wißt VII-DE : ,
pudliten durch Sr. W M
erobert worden sind und nur noch this
ge irrequläre Rebellenbenden sich usi
rtrerem die durch Plündern und
Tannen die Ruhe des Landes stören.
Krug sordere ich Euch aus« rnir den
IIswthalt Eures Mannes augensth
; ttch anzusehen, der ein Redell ist —
7 « ' eng lachte aus: »Damit
i WNTM nehmt. wie uns?!«"
’ , ist«-N He- da Wesen ei
E lett-r Ist-. Sie is as rasen
temdersj IB er des W, dest- RO.
enihum wirO siegst-et usid er selbf
s rir immer qui Weiter vers-Inst
werden!« —
- »Im wenn Ihr ihn darin halt!« er
widerte unerschrocken Marie. »Ja mir
findet Ihr teine Bertiitherin!«
»Man wird Euch zwingen!« brauste
der Brite erzürnt aus. Man wirdEuch
nach Jndien verschicken, in die Pest
sümpse!«
.Gut!« sagte die junge Frau und in
f ihren Augen flammte die Begeisierung
des Märtyrertdums, »so wird es eben
ein neues Opfer der Chamderlain’schen
« Politil mehr geden!«
Der Ossizier stampste den Boden.
, »Man wird Euch zwingen!' Dann
sden Arm defehlend erhebend: »Vin
aus!« —
Marie gehorchte. Ein scheuen de
soegter Blick streifte Oelene Hader
schmidi, die in sich selbst zusammenge
brochen dastand, als müsse sie jeden Au
genblick niedersinken, wie ein vom Auge
der Schlange gelähmtes Vögelein.
s »Die wird nicht start genug sein!«
sliisierte Marie van der Sloot de
sorgt . . ·.
»Nun," wandte sich der britische Os
sizier rauh an das zurückgebliebene jun
ge Boerenweib. »Ihr Mann stelu auch
noch gegen Se. Majesiät unter Waf
fen?!" —
,,Ja, ja!« hauchte sie scheu, die irren
Blicke von dem Gesicht des einen aus
das Gesicht des anderen Manan glei
ten lassend. Doch sie sah nur harte,
bmimk Dei-Editor in denen die««limen
s
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L
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W—.. —...»—..-..
" glimmtenvfwiefjintzenaugem »L, lasien
Sie mich gehen!" rif sie dann plötztich
die Hände erhebend. »Mein Kind, es
« stirbt —- o! mijn zoetes Kleinties!«
»Sie können sogleich gehen, wenn Sie
sung gesagt haben, wo sich jetzt Ihr
· Mann verborgen liöltt« Der dritische
« Oksiziet war dicht vor Helene hingew
; ten, sie warf sich aus den Boden, rang
; die Hände und ächzte: »Ich weiß es
ja nicht! O. mein Kind, mein Kind!«
»Das ist eine Lüge!« ziirnte der Co
s lonel. »Woher wüßte man sonst alles im
; Lager, besonders wenn Sr. Majeität
Trunpen einmal einen Mißerfolg hat
ten?!« —
»Lh!« und die junge Frau troch aus
I den Knieem die Hände flehend erhoben
auf den Mann zu. »Seien Sie darni
herzigL Jch darf es- ja nicht sagen! Oh,
mein Kind!« .
»Es wird sterben,« entgegnete der
Brite hart, »wenn Sie uns nicht sagen, I
was wir wissen wollen! Wir werden
Sie sonst hier behalten! Wir haben
Zeit!« «
»Und mein Kind stirbt !'« gellte He
lene auf, die Fäuste vor die Stirn schla
gend. »Oh, ich muß hin !"
»So sagen Sie uns den Aufenthalt
Jhres Mannes !"
»Nun gut —- nun schnell ! Bei Wede
ner ist ein kleines Thal. das heu
fchreckenthal genannt, ein tleinet Bach,
der zum Caledon läuft, durchflieszt es,
hier steht er und Jan oan der Sloot mit
einem Komrnando von siinizig Mann.
Das hauptauartier ist in der Faun des
alten- Oben David Werden !"
Der Brite lachte ingrimmig. »Blact,
haben Sie aufnotirt ?« wandte er sich
an den Schreiber-. Als dieser bejahend
nicktr. fuhr er fort : .Dem alten Da
vid Verveer habe ich immer schon nicht
pettaut Er hat den Neutralität-Ab
geleistet. darum sind ihm einige Loth
britischen Bleies sicher!« —
»Jetzt können Sie gehen !« sagte er
rann turz mit einer verächtlichen Hand
bewegung zu helene Haderschmidt
»Das Uebrige werden wir allein schon
besorgen t«
Das arme, geöngstigte Wesen wantte
cus dem kalten, blaugrauen Raum hin
aus« wie aus der höllr. Draußen der
tiefblaue himmel und die goldleuchtende
Sonnenhelle blendete sie, sie mußte die
Augen schließen und tappte sich durch
dieses Meer von Farbe und Schönheit,
wie eine Blinde . . ..
Und dann tniete sie an der Leiche ih
res Kindes und heulte und schrie und
schlug die weiße Brust blutig und lachte
denn wieder und tanzte um die kleine
weiße Leiche in dem häßlichen, schwac
zen Lumpen . . . .
Gegend Abend ward helene ruhiger
und schlief ermüdet ein.
Ei war duntel im Zelt und Marie
saß stumm neben der lranten Frau, ih
rem hastigen Athem lauschend, während
sie die brennende Schläfe mit Wasser
fühlte. Jhre Gedanten flogen hinaus,
wie wilde Tauben, über Felsen und
Orden zu dem geliebten Manne, der in
Gefahr war, und itu all' den tapferen
Streitern für das Vaterland, die durch
den Verratb der tranten Frau dem Ver
derben verfallen schienen . . . .
Da glitt ein duntler Schatten in das
Zelt. Ein leichtes Rascheln, wie die Be
wegung einer Schlange· Dann war al
les wieder still
»Toho !«. sagte Marie ruhig, als ob
Jemand eingetreten wäre, den sie längst
erwartet hätte.
- «Mhndrouw !« entgegnete eine Flü
f sterftimrnr.
viele Ossen uns-ede
.n:f-gi- sag-;
—- esse
viele l"
..Toho, ich werde Dich Wie beklei
- ten.« sagte die junge Frau, mit einem
; pkötzlichen Entschluß aufsiedend.
»Qd. Meint-warm der Weg ist weit·
der Taho machen muß und die Posten
« cer Engelschen wiirden auf Md.idrouto
l
tchießen !"
»Wir werden uns durch die Pollen
hindurchschleichen Die Nacht ist dunkel,
und die Liede zu meinem Manne und
Fu meine-n Vaterlande wie-d mir Kraft
sehen. alle Mühen und Gefahren des
Weges zu übern-indem« —
»Gut.« sagte der Vasuto mit dum
. pfem Kehllaui. »Tai-o wird sehen, wo
Schild-wache steht. Toho schleicht tote
E:dwo!f.«
Geräuschlos. wie er getommen, schlich
er aus dem Zelle. Marie lauschte mit
anaedaltenem Anselm allein nur das
Rauschen des Nachtwindes in den ver
dirrtem sonnenverdrannten Gräsern
res Hochplateaus vernahmen ihre Ott
ren, und ab und zu den entfernten An
tuf eines driiischen Postens . . . .
.Mnnvroutv, lomrnt i« erklang Ia
die gediimdfte Stimme des Basuta.
»Englisch Soldat schläft l"
Marie zog hastig das dunlle Tuch um
die Schultern und schlürfte, vor Aufre
sung stöstelnd. in die Nacht hinaus.
Der Baiuto bedeutete ihr durch Ge
bet-den. daß sie sich auf hände und Füße
niedertauern möge. und führte sie so
leiechend zu einer schmalen Rinne, die
das Reaenwatser gewaschen haben muß
ie. Tode schliivste hinein und Marie
iolate ihm. entschlossen. für ihre Liebe
alles zu wagen.
So schlichen sie durch die immer tie
fer werdende Rinne und hatten bald
den Stacheldrahtzaun passirt, als To
ho plötzlich sich niedern-ruf regungs
los, wie ein erschreckter brauner Kä
fer. Marie folgte instinltiv seinem
Beispiel und lauschte angstvoll und ais
spannt. Sie vernahm Schritte, die
sich der Rinne näherten, und hörte zwei
Entensee-an in enalischer Sprache sich
mit einander unterhaitem
»Du, Jack,« sagte der eine, »blei;
ncur eyesl Es ist duntel wie in einem
Londoner Nebel! Man rislirs Arm.
und Beine zu brechen!«
,,Yes!" entgegnete ver andere. »Die
vertraelien Löcher und Sieine2«
.Stov hier!« Da wäre ich gleich in
eine Wasscrrinne gefallen! Don niei
Sweetheari, hop!« rief der erste Spre
cher, unv. vie aus die Flüchtlinge nie
derrieselnven Flieselftiietchen bewiesen,
daß er über vie Rinne hinweggesprans
gen sein müsse. Sein Rainerav solgte
ihm und dann verhallte-n vie Schritte
und vie Worte in der Ferne.
. . . Marie athmele aus, wie eine
vom Tode Erweelle und folgte. so
rasch sie konnte, vern voraneilendui
Toba. s
Bald daraus erhob sich dieser, reclie
sich und grinste: »Englifch Mann Inn
ge Nase gemacht. Wird sich nicht trie
gen mehr Mnnvrouw unv Toho!«
»Toho!« drängte die junge Frau,
»las3 uns eilen! Das Leben von vielen
tapferen Männern hängt von der
Schnelligkeit unserer Füße abs«
»Gul!« sagte der Braune ruhig und
leicht, und geichmeivig huschte er da
hin, mii vern flüchtigen Schritte einer
Antilove, vasz ihm Marie laum zu sol
gen vermochte.
Wie eine schwere schwarze hanv lag
die Nacht aus ver Welt, als wolle sie
diese ersticken. Nur vie schwarzen FU
senmassen reckten trotzig mit ungebeug
iern Nacken ihre Häupter empor. E·n
schwarzes, unendliches Nichts erschien
oben der Himmel und ein schwarzes,
unendliches Nichts vie Erde drun
ren . . .
Marie strauchelte über Geröll und
Ranlentvert. Aber sie mußte ja vor-—
wartg, sie mußte ihren Gatten erru
chen, noch bevor zwei Tage vergangen
waren. denn sonst war es zu spät!
Durch deröbete Felder, an ver
brannten Farmen vorüber führte sie
der Weg, und ruhelos, wie die Stun
den gingen, fo gingen auch Ihre
Fuße . . ·
Der himmel ward heller und heller.
Er nahm eine mattgraue, schmutzing
Färbung an, von der die weißgrauen
Morgentvolten grell abstachen. Dann
kam ein weißer, leuchtender Streifen
im Osten. Er war roth und goldger
und lühte immer intensiver in "oen
bunte-Treu Farben. Und dann tam die
Sonne und der Morgen, eine Unend
lichteit von Schönheit und blendendem
Farbenzauber.
Auf einein wildzerilitfteten Felsen
hielt Toho endlich an, trocknen die
schweißbedeckte Stirn mit der flachen,
braunen hand und sagte-:
»Mhnvroutv mag hier ausruhen
Toho will Meißtuchen holen. Nicht
Breit ist ein Kraah wo Toho Freunde
at.«
Während der Basuto mit rafchen
Schritten davoneilte, als habe «er nicht
die Nacht einen langen. beschwerlichen
Marsch zurückgelegt, sant Marie aus
einen Steinbloet nieder. Alle Glieder
fchmerzten ihr, als seien sie zerschlagen.
Die Füße waren wund geschwrllen, das
Schuhwert hing zerrissen in Fetzen nie
der und ließ die weiße, feine Haut het
vorschimtnern, an der das gewnnene
Blut in schwarzen Tropfen klebte.
I Jhre Augen brannten und in den
j Ohren hämmerte eg. Sie fühlte sich
« fast einer Ohnmacht nahe. Würde sie
l die Kraft haben, ihre Aufgabe zu er
filllens Würde sie schmählich unterlie
i
i
i
es- Zisse os- iss ist-s
F REPLAKe fiir das Ia.
Wiens Rein, fie durfte n
schwach werden, sie mußte ftari sein! s—-T
oho tam rnit Metßluchen und ge
t etern Fleisch. — —- —
Dann festen sie ihren Marsch fort,
und ruhelos, wie die Stunden gingen,
gingen auch ihre Füße . . .
ie Sonne stieg hoher, sie brannte
herab und ließ die Luft wie in weiß
lodernden Flammen sprühen. Dann
neigte sich die Sonne dem Westen zu
und sanl tiefer und tiefer hinter die
braunen Felsen. Der Otmmel ward
schwefelgelb, von blutrothen Wollen
strerfen durchzogen und das schwarz
gelbe Laub der vereinzelt wachsenden
Copparis war das einzige Dunlle in
dem Meer von Gold und Purpur.
Dann verglomm das Alles und die
Nacht legte wieder ihre schwarze Hand
auf die Welt·
Da sanl Marie van der Sloot nie
der und barg, bitterlich weinend, das
I weiße Gesicht in die Hände
»Tol)o!« hauchte re angstvoll. »Ich
tann nicht weiter! Rette Du meinen
Mann und die tapferen Kämpfer!«
»Toho hat Mynvrouw gesagt, daß
sein Weg weit sei!« —
»Ja. ja! Es ist zu weit fiir meine
Kräfte!« Sie ergriff des Braunen
Arm: «Eile, Toho« eile! Die Engel
xschen swerden die Eisenbahn benutzen
und dann zu Pferde dahiniagen, wild
wie die heuschreckenschwiirme, die Alles
oerwiisten!«
.Mynbrouw!« sagte der Eingebores
s ne ernst, «waren immer gut zum ar
, men Basuto. Haben seine Frau und
sein Kind gepflegt, als sieslrant waren.
Toho läßt für Mynbrouw sein Leben!«
Leicht, mit den geschmeidigen Schrit
ten einer Antilope glitt er dahin in die
unendliche, schwarze Dunkelheit und
verschwand dann zwischen den wie in
versteinerter Ruhe dastehendenFelgmas
sen
F Marie lag in sich zufammengetauert
aus dem Boden. Sie fror und zog das
: dünne Tuch fester um den Leib. Wie
; eine verscheuchte, weisse Taube saß sie
; dort einsam aus der braunen, harten
« tKlippe die lange, bange Nacht. Die
; Stunden schlichen vorüber so lahm, so
Erniide, als wären ihre Schritte auch
kraftlos geworden und wollten sie ein
wenig ausruhen an der Seite des ar
men Weibes, auf dem rauhen Geröll
Fern tlang das heisere Geheul einer
Oväne herüber. Sie uinschlich vielleicht
» die Trümmer einer verbrannten Farm
drunten-im Thal und grub die Leiber
der Gesallenen aus. um an diesen ihren
» hunger zu stillen?
Marie hätte laut aufschreien mögen
vor Jammer iiber ihre verwüstete Hei
math und vor Angst vor der unaewissen
Zukunft. Wenn nun Toho auch er
lahmte2 Wenn er nun ihren Mann
nicht mehr zur rechten Zeit ereilte?!
Wenn . . . ? Sie schlug das haupt ge
gen den Felsboden und betete —- ——— —
Und wieder zeigte sich fern, fern im
Osten ein schmaler, heller Streifen.
Er war roth. War das die helle einer
Feuersbrunst?! War das die Gluth
von der Farm Ohm David Verveers7l
Und ihr Mann!? Jhr Mann! s- — —
Sie wollte aufspringen und weiter
eilen, allein die wunden Füße versagten
ihr den Dienst und sie sanl nieder wie
ein weißes, gelähmtes Vöglein aus
brauner, harter Klipve . . .
Dann tlang Pferdegetrappel von un
ten aus der Tiefe herauf. Und in dem
blauen, leuchtenden Morgendunst sah
sie dunkle Reitergestalten sich bewegen.
Waren das die Engelschen, die da
lamen, um sie gefangen zu nehmen,
nachdem sie ihren Gatten erschossen
hatten?!
i Sie duate tich zusammen uno wim
merte leise.
Die duntlen Reitergeftalten wurden
größer. Es blitzte in dem Sonnenlicht
von Waffen. Nein, jetzt erkannte sie
die Nahenden, das waren ,,onie Men
schen«, das war ihr Mann! ,,Jan!
Jan!«
Und die weißen Arme ausbreitend,
flog sie herunter von der braunen Ber
gegböbe. Jhre blauen Augen, ibr klei
ner, blutrotber Mund jauchzten Sie
achtete nicht mehr der miiden Füße. die
sich an den harten Steinen aufs neue
wund stießen, daß das rotbe Blut über
die zarte weisze haut rann. Sie flog
dahin im Sonnenlicht, wie getragen
von demselben, wie ein Sonnenstrahl
selbst . . .
Und dann schmiegte sie sich an ihres
Mannes Brust und lachte und weinte
find glaubte vor Glück sterben zu mits
en.
Ueber den fernen Felsmassen rin
elte sich schwarzer Rauch empor, mit
einem schweren Gewölk das reine Blau
des Morgenhimnieltt bedeckend. Da
verbrannten die ausgesandten engli
schen Söldner die Farm des alten Ber
veers, die sie leer gefunden hatten:
Die Nebellen waren ausgeflogen!
Toho lachte selbstzufrieden: »Toho
bat doch noch schnellere Beine als die
Stahlriider und Pferdebeine der En
gelschen zusammen! Wird sich en»elsch’
Mann ärgern. Aber Toho löszt für
Mynvrouw sein Leben!«
»Nein, Toho!« sagte Marie und
reichte ihm die hand, »wenn dieser
ruchlose Eroberungstrieg beendet ist
und wir »ons old Ohm Paul« wie
derhaben, dann werden wir Dir eine
eigene Form taufen, wo Du mit Frau
und Kind leben sollst in Frieden und
Glück. Nicht wahr, Männchen?«
»Gewiß, mein Kind, Toho ist ein
braver Bursche!«
Und dann wollte Marie ihren Mann
fast mit Küssen ersticken» .