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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Oct. 18, 1901)
·- argen chcil TUTTI schicktc sich ,unggesellen-Friihstüci einzu ,,...e-.- Er war recht verdrießlich eingestanden- daran war nur die späte Ferienkneipe schuld, die nach auge wohnter Sitte sämmtliche Kollegen am Abend des letzten Schultages vor den großen Ferien zu vereinigen pflegte· heute nun würden sie sich ans vier Wochen nach - allen Jiichtungen der Windrose zerstreuen — die Verheira theten mit Kind und Kegel in iraend eine bequeme Sommerfrische, die Junggesellen als Hochtourisien in die Alpen oder als Strandbummler an die See Auch Dr. Karl Miiller beabsichtigte etwas derartiges; sein Koffer stand schon gepackt und das Rundreisebillet wallte er sich nachher holen. Es war ein-Elend, immer so allein zu sein; keinen Gleichgestimmten zu haben, mit dem man die Naturschön heiten genießen konnte. Ja. er hatte eben den Anschluß verfehlt Als jun ger Lehrer mit wenig Gehalt, sogar noch Schulden von den Universitäts fahren her, hätte er es für ein Unrecht gehalten, sich zu binden, und nun, da er in behaglichen Verhältnissen lebte, hinderten ihn wiederum seine zweiund dreißig Jahre, so leicht und blindlings ans die Brautschau zu gehen, wie es wohl ehedem möglich gewesen wäre. Jn seinem Alter waren die Augen offen! Er sah die gezierte Gespreizt heit der jungen Damen in der Gesell schnit. Er bemerkte ihre innere Hohl heit; ja mehr als alles schreckte ihn die Zusammengestoppelte Halbbildung der modernen Frauen zurück. Warum konnten sie sich nicht einfach und natür lich geben als anmuthiges junge Mäd chen. deren größte Schönheit ir. ihrer frischen Jugendlichkeit bestand? Ader mit nichten; dsi mußte disputirt und distutirt werden; man wollte für geist reich gelten und mertte dabei taum, daß man sich fortwährend BlößenZab! fu«-»s St LJUch scllu Hund Legt-un Uns-u ken über die Frauen wie iiber die Ehe. Seine Freunde prophezeiten ihm des wegen einen schauerlichen Reinfall, denn er besitzt. von beiden taunr eine blasse Ahnung. Das habe er so recht in einer plauderhasten Stunde verra then, als er ihnen ein unmögliches, weil überirdisches Bild von seiner Ehe mit der geträumten Zukünftigen entwars. Wie alle verschlossenen Cha raktere hatte er plötzlich den Drang ge fiihlt, sich wenigstens einmal alles von der Seele herunter zu reden. Er sprach mit Begeisterung, mit Ueberzeugung, wie er sich die Frau als treue Gefähr tin dense; wie ihr reger Bildungstrieb sie mit der Zeit zum besten Kameraden des Mannes erheben müsse, ohne sie dadurch zur Stockgelehrten ausarten oder zur Halt-gebildeten herabsinken zu lassen, wie sie vielmehr gerade des halb in erster Linie zur guten Haus srau und treuen Mutter befähigt, ih rem Gatten, ihrer Familie ein ge niiithliches Heim zu bereiten bestrebt sein werde-. Er redete sich ins Feuer sin die Ehe-, die er als engste-s geistiges Band, als Gemeingut zweier Maine iral verschiedenen Wesen bezeichnete-. —- Er ernteie Spott sür seine Aus führung.·n! Man n:nnte ihn den Jurischen Müller«. Der Spottname blieb an ihm haften, ob er sich auch von da an still in sich selbst zurück-zog und die reichen Schätze seines tiefen Ge müthslebens sorgfältig vor aller Welt vorkam-a Fett einer Beziehung hatten feine z lnnde recht mit ihrem Spott: er oaßte nicht fiir Damenbelanntichaften, denn er war lintifch, unbeholfen, oft unt dag rechte Wort verlegen. Arn wohlften fühlte er sich in feiner Klasse bei feinen ,,Jungen«· Die liebten und verehrten ihn, roeil er trefflich ver stand, ihnen auf die einfachfte Weise Kenntnisse mitzutheileIL nämlich durch feine ernste innige Hingabe fiir die Jugend-. Seine Jungens-" hattcn’s gut; sie befaßen noch Eltern, Verwandte, die sich um sie sorgten, aber er? Er ftand anz allein. Jrgendwo in einem lecken in Hinterpommern hatte noch eine alte Tante von ihm gelebt, der er alle Jahre zu Weihnachten eine Geld anweifung zu senden pflegte; die letzte kam zurück mit dein Vermert: »Adres fatin verstorben.« So war auch dies letzte lofe Verwandschaftsband zerris en. Was half alles Grübeln? Nur schnell jetzt den Kasse-e getrunken, der wie gewohnlich Vom langen Stehen kalt geworden war, und dann fort! — Aha! da lagen auch noch einige stiefe neben feiner Tasse. Hm! Bü chetanzeigem Lotteriereklamen, Ge Mftsempfehlungen — Aber was war denn das? Da lag ganz zu unterft ein k· sinkiches Briefchen in weißem Kon » M; der Auffchrift nach sicher von Distributed Kopffchüitelnd befah Dr. · sÆt den Brief erft von allen Sei « ty, ehe er ihn recht umständlich mit .si-yi Riemen-r Music Ein feines zm Mit strömt-! ihm enthgen. Er « , »Has- per-! M mir hten Nagen usu oer angen. r en « legen ou wollen« sefäfät mir. en aule ei In Nclte im K andcnz ich werde - ,-.«angszeichen ein Sträu ask-n in der hand halten. Alles andere münd « lich. Santa. z P S Kommen Sie ja pünktlich, denn ich warte nicht. D Q« Fassungslos blickte or auf das Briischm So viel war sicher siir ihn war es nicht bestimmt. Er nahm das Konvert zur Hand, darauf stand in flüchtig hinarworscner Schrift: »denn Kari Müller, Königstraße.« Der Titel Dr. phil. und die Hauswirt rner fehlten. Er holte das- Adreßbuch herbei und schlug den Namen Müller nach. Du lieber Gott! fünf Seiten nur »Müller«! Wer sollte Zeit und Geduld haben, sich da hindurch zu fin den? Er sicher nicht. Doch halt! ein -Ausweg: erschlug »Königstraße« aus die besaß zwar auch 154 Hausnuw Imer-n aber das ging doch eber an. »Kat! Muller, Tischler-; Karl Mül s ler Brauineister; Karl Müller, Dienstrnann: Karl Müller, Brosch tenkutscher; als er beim zehnten Mül . ler in der Königsstraße anlangte, klappte er wütbend das Buch zu. i Dieser verwünschte Allerweltsname! hätten sie mich wenigstens Thilo oder Gurnar oder meinetwegen Adolar ge nannt! Wie besorge ich nun den Brief an die richtige Adresse? an dem Briesträger einfach zurückgeben, bringe ich nicht fertig, dann wird er aus der Post gelesen und sie spotten wggln da ,-uf-·- »Ist- ·ä Innnnr un vergehen, bis er in die richtigen Hände gelangt; folglich nußlos; denn dem jungen Mädchen scheint’s doch Ernst zu sein mit dem Schreiben. — s-— Ueber hauvt gefällt mir der Brief; er ist kurz und schneidig gehalten. —- hallo, alter Bursche, das wäre etwas fiir Dich! Geht’s auch? Jawohl, denn sie kennt ja den Briefschreiber noch nicht persönlich; nach Form und Jnhalt des - Briefes scheint’s tein udles Mädchen zu » sein. Gut! Ich gehe hin und gebe mich für den anderen Müller aus. Bin so alt geworden ohne einen tollen Streich --— heute wird er gemacht, und dann i geht’s mit frischem Muth auf die Rei ; se. Ach, ich fühle mich gleich um zehn . Jahre jünger! . - Vergnüglich pfeifend schloß Dr. Müller damit fein Selbstgespräch Heiter, wie seit Langem nicht, besorgte er noch verschiedene lleine Obliegenhei ten, speiste dann in einem nahen Re staurant zu Mittag, kaufte in einem. Blumenladeu eine täftliche weiße Nel le, die er in’s Knopfloch steckte, und so I geschmückt, wie noch nie zuvor in sei nem Leben, begab er sich nach der »Sie · gessäule«, die sich inmitten schöner An lagen erhob, die sich wiederum in sanf- « « ter Neigung bis zu dem nahen Flusse » · hinzogen. Auf der anderen Seite wur . den sie von einer fiattlichen häuserreihe, j mit dem Blick in’s Grüne, begrenzt Die Sonne prellte ganz unerträglich auf das Denkmal; es war so heiß und « leblos ruhig, daß sich tein Blättchen rührte. Die Vögel schliefen in den » Zweigen —— alles ringsum brätende,i, schwüle Mittagsftille. Keine Men- « schenseele war zu erblicken, am allerwe- s l nigsten eine Dame mit einem Sträuß- f ! chen in der Haup. Mit-km trübe Ahnungen von Schabernack und Necke- E rei stiegen in ihr aus; eben wollte er ’ s einen der Seitengänge betreten, wo ein « · halbwegs fchattensvendendes Pläßchen - mit einer zierlichen Bank war, alg z plötzlich dicht hinter ihm eine weibliche i l Stimme in zornigem Tone erklang: [ , »Also Sie sind der feine Herr, derf l jungen Mädchen den Kon verdreht und : i ihnen allerlei Hirngesvinfte vor lun- I iert? Wirlich reizend. das muß i sa- I l flsss I Erschrocken, beinahe entsetzt ob des ! unerwarteten Ueberfalles wandte er sich um l Vor ihm stand eine ältere, aut geklei- ? - deie Dame mit hochrothem Gesicht — . i — ob vor Zorn oder von der Hitze,1 " wagte unser Held nicht zu untersuchen; : er entschied sich aber für das erstere, als i I jetzt eine wahre Sintfluth von Vor- » würsen, Fragen und Ermahnungen aus - ihn einftürmte, ohne ihm Zeit zum » Antworten zu lassen, denn ein: »Aber gnädige Frau«, das er ziemlich verlegen stammelte, ward sofort durch einen neuen Redestrom hinweggeschwemmt· »Ich bin Jhre »gnädige Frau« nicht; diese Art Titulationen sind nichts für mich; ich heiße Frau Engelke und da mit basta; das ist mein ehrlicher Na me, dessen ich mich nicht zu schämen brauche. Aber jetzt kommen Sie, da mit ich erst die reine Wahrheit erfahre!« »Aber Frau Engelke, ich begreise noch immer nicht —- —-—'« »Brauchen Sie auch nicht. Wird Jhnen schon zeitig genug klar werden. Jhre albernen, verdrehten Briefe, die werden wohl das Einzige sein, das Sie begreifen. Aber jetzt kommen Sie — sonst . . . .« Und die lebhaften grauen Augen der alten Dame schossen Blitze, vor denen Dr. Müller eine Art Gruseln fühlte, um so mehr, als er jetzt einige Leute er blickte, die, durch das laute Sprechen aufmerksam gemacht, rasch näher ka men. Nur kein Aussehen erregen, war jetzt sein einziges Bestreben. Er konnte Ia schließlich mitgehen, was la daran? Die Dame würde ja auch ru iger wer den und Vernunstgriinden zugänglicher sein. Aber wie, wenn es eine abgekn » tete Geschichte wäret Wenn man ihn AJtt in eine » -»« m prüfender »f« km H egleitetin hin· w sah ehkiich böse und auf ebtcxcht aus; dazu athmeie vie gesta- ertqu lichten so viel neinviikgecnche Solid tiit und Ruhme-kein daß enden Se danlen fofort wieder als unge - tigtes Mißtrauen verworf. Er fand auch nicht lange Zeit, seinen Gedanken nachzuhängen Bot einem zweistöckigen Hau e as den Anlagen machte die Dame Halt· schloß die Hausthiir mit einem bereit gehaltenen Drücker auf und bedeutete ihm mit einer grimmigen Handbetoe gung, vorauszugehen Er bemerkte gerade noch, daß sich. ein gut gepflegtes Borgärtchen an der Frontseite hinzog, deren Fenster fast fämmtlich Blumen schmuck zeigten. Grün in Grün. Unwilltiirlich zog et einen Vergleich zwischen seiner öden Junggefellenwoh nung, die sich in einem modernen Häu serrneer unter den lauernden Blickkn der Nachbarn befand, und diesem gewiß traulichen Heim, ohne ftörendes Bis-Fi vis und mit dem freien Ausblick in die maletifche Ratutfcenetir. Ein halb unbewußter Seufzet entrang sich ihm. »Jegt wird Jdnen wohl bange?« hörte et hinter sich. Hilft nichts, mit gegangen, mit gefangen.« Er roar mit feiner Begleitetin un merklich die Treppe emporgestiegen, die in’s erfte Stockwerk führte. Jetzt ging die Dame auf eine Glasthiir zu, die sie wiederum mit einem Drücker öffnete und sorgfältig hinter sich verschloß. als sie beide eingetreten waren. »So, da wären wir ; nun hier het -in bitte « Er verbeugte sich stillschweigend und folgte ihr in ein großes, byhaglich aus gestattetes Wohnzimmen »Bitte, nehmen Sie so lanae Platz, bis ich das Mädel herbeigeschafft habe,« fagte die alte Dame, indem sie zugleich das Zimmer verließ. Dr.Miiller gehorchte abermals, wenn auch mit sichtlichem Unbehagen. Bis dahin hatte er sich innerlich über die ganze Sache höchlich ergöht Aber der Verlauf, den nun die Dinge zu nehmen schienen, war ganz und gar nicht nach seinem Geschmack. Wer konnte wissen. was voraufgegangen war. ehe er in Mitleidenschaft gezogen wurde ? Und wenn er bis jetzt auch noch an die Recht lichteit der alten Dame glaubte —- wie war es damit bei der in Frage kom menden jungen Dame bestellt? Sie gehörte gewiß wieder zu den über sbannten emanzipirten Frauenzim mern, die ihn so grenzenlos langweil ten. Er befand sich in einer für ihn unwiirdigenSttuation, da war es schon arn besten, sich ganz unbemerkt aus dein Staube zu machen. Er griff nach fei nem Hute und näherte sich der Thür. Nein, das war ja die falsche ! Natür lich, sein übliches Pech ! Aber wie gr bannt blieb er davor stehen, als plötz lich zu ihm herein ein helles Lachen er scholl, so natürlich und so erfrischend, daß er am liebsten mit eingeftimntt hätte, auch ohne den Grund zu tennen ; jedenfalls vergaß er darüber alles um sich het« Er lauschte gespannt, ob sich das La chen wiederholen würde, statt dessen vernahm er eine melodische Stimme. »Aber, Tante, tdie lonnteft Du nur ? Ein solcher Streich von einer fo guten, klugen Frau! Dagegen ist ja Dein Kindslopf von Nichte die reine Weis heit !« Und wieder klang das fröhliche La chen wie Musik in seinen Ohren. Er hätte die Thür da vor ihm mit feinen Blicken durchbohren mögen ! Die ärgerliche Tante führte jetzt al lein das Wort, dann folgte »selunden: langes Schweigen, Dis auf euunur wahrscheinlich die Nichte in ein leiden schaftliches Schluchzen ausbrach; da zwischen hörte er einzelne, abgerissene Worte, wie : »Wirtlich glauben — nicht so grausam —- zu Tode schämen — —« Sein mitfühlcndes Herz zer flofz dabei fast in Rührung und er ballte die Faust »iiber die schreckliche alte Frau«. Als er aber gar den Angst rus vernahm : »Tante, meinem Vater zu Liebe thuUö nicht !« — da lonnte er nicht länger an sich halten ; ohne sich zu besinnen, öffnete er rasch die Thiir und trat nun unvermuthet in's nächste Zimmer ein Ein unerwarteter Anblick bot sich ihm dar: Mitten im Zimmer stand die alte Dame, fast aschfarben vor Er regung. Jn der einen hand hielt sie ein paar Briefe wie eine Trophäe in die Luft, mit der anderen suchte sie sich von einer schlankem jungen Dame loszu machen, die zum Erbarmen weinte und schluchzte und sie dabei mit allen Zei chen der Angst fest umtlammert hielt. Beim Erscheinen des Fremden barg die Weinende in heftigem Erfchreeten das » erglühende Köpfchen an der Schulter s der alten Frau, während diese voll Eschweigender Genugthuung ein paar i Mai mit dem Kopie nickt-« l Dr. Müller nahm das Wort. All’ i seine sonstige Schlichternheit war ver i flogen. Hier fühlte er sich als Mann, dessen Amt es war, Schwächere zu schühen «Verzeihen Sie, Frau Enaelte, daß i ich so indislret hereinfalle, aber die be I sonderen Umstände, denen ich den Ein s tritt in Jhr Haus verdanke, dürften I mich unschuldigen Jch will vers uchen, I soweit meine Person dabei in Betracht s kommt, Jhnen das unliebsam erschei · nende Abenteuer kurz zu erklären. Jch erhielt heute Morgen ein Briefchen, das ich öffnete und las, weil es meinen Na E men und die Straße, in der ich wohne, ! »als Auffchrift trug. Es war jedoch nicht fiir mich bestimmt ; tmde be schloß ich, einer plötzlichen Laune fal gend. mich fiir den Adressaten auszu geben, zumal mir der Ton des Briefes gefiel und aus dem Inhalt hervorging. , fönlich unbekannt sei.'« f »Ist-NR Danl !" seufzte die alte Y Dass qgs W Salt Auf, Wäbkclld ! die Mk vie Ltzaeu verrenkt-voll zu its sehst-: Jan-« HW Dis mit dich f« —- abet tofprt Mit-re fett hete gebar e Stellung annahen Eli sie dez Gifte-es M forschend ecan ruhen fühlte. »Dann sind Sie also nicht der Schauspieler Karl Müller« der Schul den wie ein Majar hat und deshalb mit thörichten jungen Mädchen aus guter Familie anhändeln will ?« fragte die alte Dame ironisch. »Ich heiße allerdings Karl Müller ; bin aber nicht Schaufpieler, sondern l daß der Empfäneer der Schreiberin Dr. phil. und seit Jahren Lehrer am v hiesigen X.:Gymnasium.« »O Tante,« hauchte das junge Mäd chen, indem es Miene machte, eiligst das Zimmer zu verlassen. »Du bleibst l« gebot Frau Engelle turz und scheinbar bestimmt, aber dem « Herrn vor ihr entging es nicht. daß ein , feines Rath der Verlegenheit in ihre « welken Wangen emporftieg. , »Bitte, Heeroltor, setzen wie uns,« fagte sie mit erzwungener Haftung. »Ich zittere, so sind mir der Schrecken und die Aufregung in die Glieder ge- ; fahren. — Sie haben also dies sonderk . bare Geschreibfel weder verfaßt noch ge- ; tannt,'« fuhr sie fort, indem sie ihm die ; Briefe, die sie vorhin in der band hielt, 2 uber den Tisch hinuber reichte, an dem sie beide Platz genommen hatten. Noch H . ehe er jedoch antworten konnte, geschah etwas Unerwartetes. Aus dem Wintel, in den sie sich vor - hin zurückgezogen hatte, trat die junge - Dame mit blitzenden Augen, an denen : noch Thränenspuren bemertlich waren, Vor die Sprecherin hin. «Tante, nun iit’s genug! Es war ein toller. übermitthiger Streich von mir, aber tein Verbrechen — ——« »Ei. fieh nur einmal die Rathe an«. unterbrach die Tante sie mit gutmiithi gem Spott. »Gut. dann erzähle Deinen »tollen« iibermiithigen Streich, denn daß ich Recht habe, Näheres darüber zu erfahren, wirft Du mir doch zugeben.« »Ja, ich will alles erzählen, aber dann —- dann reile ich zu meinem Va « ter zurück, denn die Behandlung er ; trage ich nicht« Nachdem sie ein auffteigendesSchluch zen energisch unterdrückt. fuhr sie fort: »Wie Du weißt. feierten wir neulich Elfes Geburtstag Auf einmal, als wir fehr lustig waren, brachte eine von uns eine tolle Heirathsannonce zur Sprache, die grofze heiterleiterregte Wir beschlossen. darauf zu antworten. : Es wurde durchs Loos bestimmt, wer · fchreiben follte; mich traf’s. Wir lagen alle miteinander das Blaue vom him mel herunter«, —- hier unterbrach ein - fröhliches Kichern Käthes Erzählung « Die anfängliche böfe Schmollmiene war wieder dem übermitthig glücklichen Ausdruck gewichen, der ihrem Gesicht- « ; chen einen seltenen Reiz verlieh. »Nun. der Herr fiel auf unseren Brief herein und antwortete«, fuhr sie ; frrt, »wir natürlich umgebend desglei T chen. Sein letzter Brief setzte allem die Krone auf: er enthielt außer der An gabe feiner beträchtlichen Schulden ei nen begeisterten Lobgesang auf meine ungeiehene Schönheit und die Bitte um eine Zusammenlunft. Du, liebe Tante, ; tamft gerade von einem Spaziergang ; zurück« als ich noch die Auffchrift auf tie Gewährung feiner Bitte zu schrei ben hatte. Jn·meiner«Cil·e und-Angst vor ais-it vergaß ich olemierrnanrra Einzelheiten ieiner Adresse « ich - glaube. Hof« 4 Treppen bei irgend einern ’ Schneider. Das fiel mir aber erst nach träglich ein, als-die Epistel bereits lange ; im Kasten steckte, doch tröstete ich mich ’ mit der Findiateit der Post. Jn meiner Vaterstadt daheim tamen nämlich alle Briefe an. Nun gut. Du« liebe Tante, " warst so freundlich. das Rendezvoua mit herrn Dottor Müller statt Deiner un wiirdigen Nichte mit dem obsturen Mi men zu übernehmen.« Dabei machte der Schelm mit dem ernsthaftesten Gesicht von der Welt eine tiefe Verbeugung. Kopfschüttelnd hatte die alte Dame bis zu Ende gehört. Endlich sagte sie ziemlich tleinlaut: »Du tannft reden wie ein Buch, Mi the; man merkt, daß Dein Vater der Professor Ehrhardt ist. —- Ja, ja, nun soll wohl am Ende die alte Tante mit ihrem unverbesferlichen hinter-s an al lem Unheil schuld fein? Und doch tommt alles nur von Deiner unverbes serlichen «Genialitiit«, wie es Dein Ba ter nennt: mir ist aber das gute deutsche Wort »Unordnung« lieber dafür. — Mir fiel nämlich nach Tisch ein, tvir tönnten da drüben ein halbes Stünd chen Kahn fahren. ich fuchte Dich also in ’ Deinem Zimmer, weil Du doch Mit- ; tagsrube halten wolltest. Du warst nicht da, aber Deine fämmtlichenSchub- « kächer standen wieder mal halb offen. Jch sab hinein, sing an aufzuräumen, . und dabei fand ich die fremden Briefe, die ich natiirlich las. Da ich Dich nir gends fand und Marie behauptete, Du wärest im Hute fortgegangen, so ver-· zichtete ich aui mein Nickerchen und ging selbst, um Schlimmeres zu verhüten. Wo wars-i Du denn übrigen-ji« fragte sie mit neuerivachtern Mißtrauen. « ch stand mit dem Opernglas Fe rvaf net am Bodenfeniter. das aus die Siegessäitle geht. Möglicherweise tain hätte ihn doch flir wein Le gefeheni —- Statt dessen er Dich. liebe Taute, mit einem i rrn. Das fiel mir aber nicht , uf, weil Du hier fo viele Be haft. Nur. daß Du in der gro onnengluth gerade vor der Sie ·ule standest, konnte ich mir nicht erklären. Jch eilte in die Wohnung O nde dor’s Gesicht. z » Da muß ich also wohl gute Miene iucn bösen Spiel macheni Jch hoffe aber daß Mamfell Uebermuili künftig fu« Streiche hübsch bleiben läßt. Die Geschichte konnte recht schlimm ablau fen. Nichts für ungut. Herr Dvltor", sagte die Tante zu diesem, indem sie ihm herzlich die Hand reichte, auch Rathe be tarn eine Hand zu fassen, auf die sie ei nen innigen Kuß drückte. »Und nun niussen Sie erst ein Gläs chen Wein mit ans trinken. damit Sie nicht gar zu schlecht von der alten Frau denken. die Sie so gegen Ihren Willen hierher fchleppte«, wandte sich die alte Dame wieder an Dr Müller. Er war es zufrieden, ja er freute sich, einen Vorn-and zum längeren Vorweis len dadurch zu erlangen; denn er mußt-. immer wieder Köthes anmuthiges Ge fichtchen betrachten; er glaubte noch im- E mer ihr melodifches Lachen zu hören. Sie war so ganz anders als alle jun gen Damen die er kannte, freilich auch anders als sein geiriiumtes Ideal. —- ; Als aber beim Glase liihlen Nheinweins z die lomifch fatale Gefchichie begraben « war und Rathe so fröhlich und natür- . lich zu plaudern verftand, da wußte er, » all feinen Prinzipien zum Trotz: »Die oder leine·', denn vor der iieghafien Wirtlichieit verschwand jedesteal, wie « ein bleicher Schemen. Orts-m tell-n fass-»I- fnlnfsr mode-» . Nach seiner Rückkehr von der Ferienreise s wurde er in dem netten Haufe mit dem » allerliebsten Vorgarten ein fo eifriger J Gast, daß seine Kollegen am Stamm tisch sich meist ohne ihn behelfen mußten « und verwundert fragten. oltr denn jetzt H den Einsiedler ganz und gar hervorteb- T ren wolle. Aber noch mehr Staunen i erregte bald darauf ein offener Brief ! mit der Anzeige: Rathe Ehrbardt, Dr. l Karl Müller. Verlobte.« i Der glückliche Bräutigam tüninrerte sich weder um Meinung noch Verwun- · terung Er führte iein Käthchen heim 1 und besaß in der Folge einen Schatz an ; ibr, der viel töftlicher war, als er es je » in seinen tühnften Träumen fiir möglich gehalten hätte. Und diesen Schatz cer dankte er nur —- seinem Allerwelts- 1 namen! Ja. es ist manchmal doch gut, E »wenn man Müller heißt!« pr - — Sonnen. « DOM Stizze von Lieshet Dill.; —--.0.— « Sie saßen in großem Kreis in Grup pen, wie sie sich gerade zufammengefuw den hatten. unter den Säulenreihen des « weißen Saales. Jn die Mitte. gerade . unter den Kronleuchter, dessen Krnstall prigmen und Kerzen ein fliminernveo Licht verbreiteten. war ein Flügel ge rückt, vor dein ein junger Leuinant tan. —- Eine üppige Btoredine in orangegei dem Schlepptleid. eine Notenrolle in der Hand, verbeugre sich lächelnd und sah sich im Kreise um, wo es noch immer summte und flüsterte. —- Eine viel töpfige Gesellschaft plötzlich zur Ruhe zu zwingen, war teine leichte Aufgabe. Es war schwül im Saal —- trotzdem tie Ordonnanzen die breiten, rothen Vorhänge zurückgeschlagen hatten und durch die offenen Fenster von dem Gar ten heraut ein warmer Luftzug tam — und ein Duften von Nelten . . . Noch cm llllthlged uukoutzen von Spanier teg und Sporen —--- von Agrassen auf weißen Seidenschrrhen, von schönen, nackten Schultern -— aus duntlem und hellem Frauenhaar — ein Stuhlriicken in der Ecke· »Pst »S« rief eine Erret lenz in weißem Haar, an der Thüre. Eine schlanke, dunlelhaarige junge Frau in hellrorhem Ernpiretleid njlnn leise Platz in dem tiefem Sessel in der chle, den ihr der große, blonde Leutnant hingeschoben hatte. Sie lächelte zu ihm aus. der hinter ihr stehen blieb, den Arm aus die Lehne des Sessele gestützt Das Paar war im letztenAugenbliel von dem Adiutanten aus dem - Garten her leigeholt worden. Sie hätten beinahe vergessen, zu kommen. Jeßt saß die junge Frau in der Erle, wo die Andern gedrängt saßen und standen —- alle mit dem Rücken gegen sie. Jm Saal die Sängerin begann. — Jhre mächtige Altstimme füllte den gro ßen Raum. Die Andern saßen und starrten wie gebannt zu ihr hin — der Adjutant stand dem Paar zunächst. — Auch er sah dorthin ——- aber seine Augen waren nicht bei der Sache. Er stand sehe ruhig —s sehr tadellos —- wie immer — aber ersah aus wie einer, der Worte hören will. die nicht siir ihn bestimmt sind und die seine Seele tressen, wie brennendeFunten —— — -—— Aus seinem Gesicht trat ein gequälter Ausdruck scharf hervor . . . Die Frau in der leuchtend rothen Seidenrobe legte den jungen, weißen . Arm lässig aus die Sesseltante. —- Sie sah mit weltvergessenem Lächeln in den ; Saal. Sie hatte den Kopf ein wenig s vorgeneigt — ein weiches Leuchten ging aus den dunklen Augen. »Du Schönes« sagte der Leutnant, iiber sie gebeugt. Sie sah zu ihm zu rück. »Wie blaß Du wirst! Dein Gesicht sieht so gespannt aus —- so unruhig wie Deine Augen —- —- —- Sei barmher l zig Butsu-—- -- —« Ez« Je Frau wend ein seian l r weißes Spi niiichlein in ihren Händen ——-wort -. »Es geht nicht«, sagte sie endlich. Der Leuinant machte eine Bewegung. — »Großer Gotil Bringe mich nicht zur Verzweiflung mit dem ewigen: Es geht nichii Alles in der Welt geht wenn man den Muth dazu hat. Drei Wochen bin , ich- einsam gewesen — Jnez —- — » Die Brillanispange an ihrer Schulter J blitzte hin und her -— sie hob und senkte I sicksp » »Es endet nicht gut, Du wirst se hen —-s« iagte sie leise. Der Adjutant drehte sich um« —- Sie schwiegen. Sie sahen ihn gar nicht. Im Saul ein Händellatschen —- ein Bravo rusen. Jemand bestürmte die umringie Sängerin um eine Zugabe. ,,Carmen!« ries ec« irgendwo. »Ach ja —— bitte: Car men5'« wiederholte es sich. Die Sänge rin gewährte lächelnd. —- Erwartunge volle Stille trat ein — »Tie Liebe von Zigeunern siammet — Fragt nicht nach Recht. Gesetz und Mochi — Liebst Du mich nicht« bin ich entflam met —! Und wenn ich lieb: Nimm Dich in Acht!« Der Leutnani neigte sich tieser herab. Seine Augen brannten. Die hand auf der Lehne berührte den weißen Nacken der Frau, die, weit zurückgelehnt. an seinem Blick hing. — Uud mit diesen Augen sprach er aus sie ein. Und aus dem erschreckten Ausdruck ver Frau wurde ein ratdloiee Lächeln. Wie seine Augen hin und her sprechen, wie sie quälen —- wie sie bitten —— locken . . . tie der legte Schatten von Angst in dem schönen Frauenantlin verscheucht ist und I lykc Bewegungen May well-In um« sanfte Liebtofungen. Das war teine Komödie mehr. Jeht wußte der Eine, der von ferne stand und mit selbstquiilerischer Grausamkeit sei-en Blick sah, das war Ernst. Der Zweifel, der an ihm fraß, war Gewiß heit geworden! »Nimm Dich in Acht!« Sie spielte mit dem dort, wie sie mit allen gespielt hatte, aber sie wußte nicht« daß sich nicht mit allen spielen läßt, die junge Frau. « Die Paare drängten durch die Säle — der Flügel wurde beiseite geschoben. Arn Arm der Ereellenz wurde die Sän gerin in den Gartensaal geführt. Die Musit natnn ilire Instrumente wieder auf. und der Adjutant hatte alle Hände voll zu thun. —- -— Aber trotzdem hatie er etwas vom Boden retten können, was er hastig verbarg. , Ein seines,» weißes Tüchlein war’s, den dem unruhige Hände die Spitzen tanten gerissen hatten — in nerdöier Angst. -— Ein Duft ftieg aus dem Bat tist aus« der ihn derauschte . . . Dort an der Thür schimmerte es dellrotd. —- Vor feinen Augen drehten fich die Paare im Saal. —- Es tanzt und schleift —- und klirrt. —- Es wehen Schleppen und Spitzen —- es funkelt und dreht sich, und im Walzer wiegen sie sich auf dem Parauet. »Der Adjutant trat vor die blafse Frau, die verträumt und zitternd stand — und neben ihr in aualrollem Sehnen verzehrt sss der, dem sie gehörte. »Wollen Sie was Raditz«?« fragte der junge Leutnant sehr höflich, als er den Adjutanten sah. Sie waren beide sehr formell und sehr aufmerksam zu einander. — Der Adjutant verdengte sich stumm vor der jungen Frau. Die sah ihn er schrocken an Das schöne, todtenblasse Gesicht rötheie sich leicht »Pardon —- Raditz —- aber ich habe bereits ——« der Leutnant legt die Hand ; auf feinen Arm i Die Frau lächelte — aber es war et Iwas linsictzeres in ihrem Blick — ,,Ach sol« —- Der Adjutant richtete sich aus. Er sak: ihnen nach, wie sie ein paar Schritte in den Saal gingen. Dann zog der Andere sie an seine Brust. — Der weiche, wehende. rathe Seäkenslor legte sich im schmieaeuaesTanz um den ichlanten Fra::enleib—-der dunkle Kopf Log sich etwas zurück s-— die volle, lofe vlutrothe Nelte in dem dichten, dustigen haar leuchtete und verschwand und tauchte wieder auf -—— irn leichten, schwe benden Tanz-— -«-— und die diassen Wangen der Frau rötheten sich heißer nnd heißer. «- i s Der Tanz war zu Ende. Der weiße Saal war leer. Der Adjutant stand am breiten Fenster, das nach dein Garten hinausging. — Ein schwüleg Dusten nach Ssnimernacht und rothen Nelten drang herein. — —- Der Leutnant hatte den Adjutanten leicht gestreift. »Bitte um Entschuldigung«, sagte der Adsutant sehr höflich. Der Leutnam taki idn an. »Sagen Sie —- Raditz — wollen Sie etwas von mir?« sagte er tchars. »Von Ihnen will ich nichts!« tlang"s zurück. »Aber das endet nicht gut — mein Lieber -——« feste Raditz sehr leise hinzu und sah dem Leutnant ins Ge sicht »Jch verstehe Sie nicht!« sagte der achsetzuaend und ging weiter, das Spitzentuch suchen« das die schöne, blasse Frau verloren hatte . . · Der Adiutant lachte. Aber es war tcin gutes- Lachen -——-OO.-— —- » B ii r g e l. Die Eheleute Georg Berthold und Katharina, geb. Adler, begingen ihr silbernes Ehejubiläum.