Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 11, 1901, Sonntags-Blatt, Image 16

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    Erzählung aus Mainzer alten Tagen von A. Rotbart
(A. Hinnius.)
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(11. FortsekungJ
» Cis-en Moment blieb sie zaghaft in
M Thär flehen, aber als sie den-kran
ken irn Lehnstuhl fab, trat sie muthia
näher, denn Kranken und Hilslosen
» her war Ban — sie war die
mgettetene —- niemals zaghaft. Ja
stefcherkte in solchen Fällen selbst teine
persönliche Gefahr, das hatte sie schon
zweimal-im Leben bewiesen.
»Brtzeihung, herr Var-um« sagte
sie, obgleich ibr der Kranke durchaus
nicht freundlich entgegensab und sogar
die»·dand erhob. als wolle er ihr die
Thur zeigen. »Berzeihun«a! Die Haus
tliiir stand offen, und auf der Treppe
und irn Vorzimrner sah ich Niemand,
der mich anmelden konnte. Da ver
nahm ich den Ton einer Glocke, hörte
Sie auch rufen, und so trat ich ein.«
Unter dem Klang der weichenStirni
tue verlor sich der sinsiere, seindliche
Ausdruck in dem Gesicht des Kranlerr
Wieder sah er verlangend nach der
Karaffe mit dem Labetrunk, und Bil
la, den Blick wie eine stumme Auffor
derung nehmend, holte schnell das
Verlanate und füllte das Glas-.
Er trank in langen, durstiqen Zü
en, denn er war fast oerschknachtet.
ch, wie das wohl that!
»Bitte, sa te der Baron jetzt ganz
sanft, »mil! ie mir auch die Krücken
Wu, oder ruft Sie lieber den Die
ner «
Aber sie war schon dem Winl seiner
Augen-gefolgt, und da war das Ver
langte.
«Danlel« sagte er, sich mühsam auf
richiend. Doch es wollte nicht so recht
sehen.
»Bitte, siühen Sie sich aus mich.«
»Auf Sie?« fragte er mißtrauisch
lud-re- » ihr-- zarte Gestalt musietle.
Ein leises Lächeln huschte über ihre
seinen Züge. .Jch habe im Kloster
einmal einen alten Mann aufgehoben
der sich den Fug gebrochen hatte; ich
bin stärker als ie glauben.«
Schon hatte sie Kopf und Nacken
her-abgeknqu seinen Arm legte sie
iiber ihre Schulter, und nun richtete
sie sich allmählich mit ihm empor.
«So,« sagte sie mit dem triumphi
renden Lächeln eines Kindes, »sehen
Sie? Jch habe recht. Und nun neh
men Sie meinen Arm, in die andere
Md Pie Krücke. Eins- —- zwei —
So waren sie langsam durch das
·mrner gegangen, Schritt siir
ritt. »Rechien — Linken, wie
exerzirendes Soldaten,« sagte Billa.
Doch plöslich blieb der Baron sie
hest und ssah in das sonnige, lächelnoe
Mädchengesichi, das ein Grübchen im
Kinn eigte. Sie war für ihn wie
eine pötzlich vom Himmel Gesallene.
»Ja, aber wer sind Sie denn eigent
lich?«
Und dann brachen sie beide in lau
tes Lachen aus, so aus dem Herzen
kommend, so fröhlich. wie es wohl seit
langer Zeit in diesem Zimmer nich:
erklungen war.
»Bitte. führen Sie mich zu dem
Lehnstuhl zurüch ziehe Sie den Bor
fang am Fenster etwas aus und dann
age Sie mir, wer Sie eigentlich ist,"
sagte der Baron, auf dessen griesgrä
migem Gesicht noch immer ein Lächeln
g.
Sie that, wie ihr aeheißen, und nun
fiel ein Sonnenstrahl nenn- auf des
Mädchens blonden Kopf, und das
Zimmer sah plötzlich wie oon Zonnen
lchein durchleuchtei aus
Unwilltiirlich alitt fein Blick bin
iiber zu einem Bilde an der Wam,
das stellte eine Dame dar, wohl die
Mutter des Barons, oder eine ältere
Verwandte, denn sie trug die Mode
vergangene-: Tage. Das Bild hatte
ebenso klare, graue Augen wie das
Mädchen da vor ihm, und jetzt, da
noch immer das Lächeln auf ihrem
Gesicht lag, da glich es dem Bilde, be
sonders in den Augen.
Doch er hatte sich wohl zu viel zuge
mulhei, es über-fiel ihn jetzt doch eine
leichte Schwäche, er lehnie sich zurück,
bleich und ma t.t
Da war sie wieder an seiner Seit-,
hilfsbereit wie eine echte Fran, der
ohne besondere Anweisung der feine
Instinkt das Richtige eingiebL Der
arme, reich-» einsame Mann, wie leid
er ihr ihar Ihr weiches Herz umfaßte
in unenxs sem Mitgefiihl alle lei
den Ge . sie, Menschen und
Ihm. Mit der kleinen arbeii Hhirieu
Fand, die sie mit lolnischem Wasser
sfeuchtet, strich sie ihm sirnsx über
utkn und Schläfen, daß er erleichtsrt
Infathinetr. Ach, wie das wohl that!
Und nun tarn sie endlich dazu, den
Mag herrn Fall s auszuführen,
M et, der Mißtrauische, gab ihr die
W zu feinem Secretär und wies
the Winsfach an, dem sie wichtige
entnahm die sie herrn
Fall sollte.
«Cie Do eineBeerie Deren
klinkte der Baron mii einem
auf ipe zierliche Kleidung.
sie wieder mit dem
G M. »nur eine Diene
Der verschwundene Diener erschienl
inzwischen, aber die Strafpredi t blieb I
aus, der Baron hatte sie verge en.
Mit leiser Stimme gab Ban dem
Diener noch einige Anweisungen; es
war plötzlich so behaglich im öden
Zimmer geworden.
»Komm Sie nicht mal wieder zu
einem einsamen, tranken Manni«
fragte der Baron, als Billa sich end
lich zum Gehen riistete.
»Wenn ich dars, gern,« erwiderte
das junge Mädchen, »oder ich schicke
auch mal Schwester Angelika aus
dem Kloster der welschen Nonnen; die
hat mich erzogen und weiß immer
überall, wo es fehlt.«
Als Billa endlich gegangen war, da
war ihm zu Muth, als sei es dunkel
um ihn her geworden und die Sonne
zur Ruhe gegangen.
Achtes Capitel.
» »Was nur der junge herr gegen die
’ Billa hat,« dachte ifrau Pütz, die dicke
: Haushalterim Jetzt gönnt er ihr nie
i mehr Blick oder Wort, er scheint sie gar
z nicht zu sehen. Er konnte sie niemals
J recht leiden, hat sie sein Leben lang ge
reizt und geärgert, aber so arg wie fest
hat er es noch niemals getrieben."
Als Ban ihm neulich eine Speise
reichte, und er underseheni ihre hand
dabei berührte, da fuhr er zurück, wie
vor einem aiftigen Insect. Das hatte
dem Mädchen weh gethan. Ban setzte
sich still an das untere Ende des Ti
sches, wo sie mit der Haushalterin ih
ren bescheidenen Plah einnahm, aber sie
berührte die Speisen laum und unter
drückte mühsam ihre Thriinen.
Ban flammte ja aus einer schlechten
Jomilis· ihrs Mutter m-» wes-frassen
vielleicht irgendwo aus der Landstraße
gestorben, ihre Großmutter eine alte
Vettel. aber sie selbst hatte sich niemals
etwas zu Schulden tommen lassen, sie
verdiente solche Verachtung nicht«
Auch angesehene Familien haben
ihre dunklen Punctez die Mutter des
jungen Herrn war mit einem Offizier
durchgegangen, die Familie Falk stand
aber deshalb doch erade so geachtet
wie früher in der ätadt da. Warum
wollte man also ein Mädchen verant
wortlich halten für seine Hertunst, das
niemals etwas Böses ethani
»Was bieteit Du staulafsen feil,
dummes Geschöpr fuhr Frau Piitz
die Magd an, die mit Besen und
Scheuettuch in der Hand dem Selbst
gespräch der Haushalterin zugehört
hatte. »Weißt Du nicht, daß Du das
Zimmer des jungen herrn rein machen
sollst?«
Die Magd trollie brumrnend von
dannen, aber sie war übellaunig und
unwillig, denn sie sollte Billcks Arbeit
übernehmen und sand es überhaupt un
erhört, daß das hergelaufene Bettel
tind bessere Kleider trug ais sie und
ihre Mahlzeiten mit der haushiilterin
am herrschaftlichen Tisch einnahnr
Was war sie denn? Von der Straße
aufgeleien, während sie Christine die
Tochter eines angesehenen Weinbaw
ern in Gonsenheim war. Man sah es
ja, der iiinaere Chef hatte einen Narren
an ihr aefressen und man konnte sich
schon an den siinf Fingern abzählen,
warum. Und siir solche schlechte Person
kenns- Is des vaoi O hinnÆOsnI U
Gestein war ec- gewesesn, da stand
Billa wie irnmer im Zimmer des jun
gen Herrn, das Kleid aufgesteckt un
ter Dem die wohl-:efvrinten Füße in Den
Kreuzbänderfchuhen sich tbar wurden
die aufgestreifien Aermel ließen dies
schlankem rosigen Arme frei. Sie fang
leise vor sich hin; es klang wie Vogel
zwitfchern, als sie fest die Möbel ab
ftiiubtr. Beinahe war sie fertig, nur
noch der Schreibtisch zu ordnen, da
ging die Thiie auf, und herein trat der
junge Herr.
Ban erschrak und erröthete·tief, wie
jett immer, wenn fie ihn fah, denn sie
lonnte die Gartenscene nicht vergessen.
»Was thuft Du hieri« fragte er un
wirfch. «
; »Ich ordne Jhr Zimmer-, herr,«
" sagte sie, »wie es jeden Tag gefchieht.«
»Geh hinaus, ich will allein lein.'«
Sie ging stumm hinaus, nachdem
sie ihre Reinigungögerälhe zufammen
geraffi.
Erwin trat an feinen Schreibtifch;
er ergriff einen kleinen Gegenstand,
der dort gelegen — es war ein Frauen
kon aui schwarzem Papier geschnit
ten, eine Silhoueite, wie man sie in je
ner Zeit liebte —- einen finsteren Blick
daran werfend, zerriß er das Bild
in Atome.
Dann trat er zu Frau Piis in die
Küche. »Ich wünsche nicht, daß Ban
ferner mein Zimmer reinigt, sie fchniif
fett in meinen Sachen herum; bitte,
Adern-W Sie das künftig selbst«
Frau Plis nahen ihre herausz
derndfte Stekltmg an. »Ne- i, junger
tr, des Ihrs-c weit, die Ban
lt n dafür sank ich sie ani.
—ich bab’ leise Zeit file solche
s neben Ahn wenn-e Jenes net-e- in«
- so kann es ja die Magd, die Theistin’«
l besorgen, Sie werden sa sehen, was
l daraus ivlgt«« » ·
Und die Magd, die Chrisiin’. be
sorgte am nächsten Tage Lille-? Arbeit
aber widerwillig und ungeschickt Eine
z- schöne Vase stürzte dabei mit Donner
gepoltee vom Schreihtisch herunter;
aber Frau Piitz empfand bei diesen
Tönen reine, echte Schadensreude.
Ban indessen stürzte hinaus bis
an das Zimmer des jungen herrli.
»Ach, Christin» was hast Du gethan.
die schöne Vase, die ich immer so ge
hütet!" — Ader sie verstummte und
zog sich leise wieder zurück, denn da
stand auch der junge Herr. Doch das er
wartete Donnerwetter blieb aus.
Die einzige, di: heute Grund hatte
sich zu freuen, war die Magd, denn die
so gestrenge Haushalt-tin schalt eben
falls nicht« sie warf ihr sogar einen hei
nahe liebevollen Blick zu und verzehrte
dann behaglich ihr Frühstück
Marienandacht und MaienzauberS
Welche Poesie liegt in diesem Wort.
Leise sintt die Dämmerung hernie
der, die bereits die Hallen des Dorne
füllt. die Kerzen an den Pseilern ver
breiten magischen Schimmer, ihr Licht
dringt nicht hinauf bis zum Gewölbe,
und so wächst der schöne Raum die ins
Unendliche. Dustende Frühlingshlus
men umkränzen daöBild der jungfräu
lichen Gotte-mutter· und vom hohen
Chor ertönen helle Frauenstimmen zu
ihrem Lob und Preis, der diese In
dachten geweiht sind. —
Erwin Fall war etwas zu friih zur
Marienandacht gekommen, die im
Monat Mai allabendlich, wenn die
Sonne zur Rüste geht, stattfinden
Noch war Niemand in der Kirche, und
so schritt er langsam durch den hoch
wöldten Raum. Seine Schritte
allten auf den Steinplaer in hellem
Klange wieder. und die weißen Ge
stalten der Kursiirstem die aus ihren
.
.
l
Grabmalern thronten, leuchteten ihm
gespenstrsch entgegen. Das schritten
eiserne Thor zum Kreuzaana stand
wert offen; es war da, als wenn eine
weiße Gestalt lustig, wesenlos vor
ihm herschwebte. in den Rreuzgana
hinein, wie ein ruheloser Geist.
An dem Grabe des minnialichen
Sangers Frauenlob vorüber ging er
langsam wei;er. Nur noch ein letzter
Sonnenstrahl fiel wie ein Scheidearusz
durch die hohen, aothischen Fenster, de
ren reiche Steinhauerarbeit kunstvol
len Spitzenmustern gleicht. «
Der Blick alitt hinaus auf den ariis
nen Rasenfleck, der, eng begrenzt don
dem Kreuzgang, an der vierten Seite
den röthlich schimmernden Dontthurm
zeigt· Unendlicher Friede laa über
dem Ganzen; selbst die Thurmsalten,
die sonst treischend den Thurm um
treisen, haiten bereits die Ruhe ne
sucht. Aus dem bochwuchernden Gras
tauchte hier und da ein Kreuz hervor,
eine Trauerweide mit einer halbver
fallenen Bank darunter vollendete das
stimmungsvolle Bild.
Und weiter schritt Erwin. Drüben
am Ende des Rreuzaanaeg tauchte die
weiße Gestalt wieder aus; der lehre
Sonnenstrahl war verschwunden, und
nun vergrößerte das hereinsallende
Zwielicht alle Bienenstände
Draußen die Unruhe der Welt, hier
der tiefste Frieden!
Grabmäler, über die man hinweg
schreitet, und an der Steinmauer die
Waffen, die der da unten ruhende
Schläfer einst getragen, der längst zu
Staub und Asche geworden. —
Wenn Erwin nur Jemand gehabt
hätte, der ihm saaen konnte. was
ihn eigentlich bedrückte! Er war
tein Traum-er, er haiie sich niemals
mit unnützen Gedanten geplaat und
war gern mit den Alters-genossen aug
aezogen zu sröhlichexn Tr:iben. Beicht
stuhl und Kirche waren ihm sonst nicht
sonderlich sympathisch, Und die Prie
ster mied er· Und nun laa es ihrn
plötzlich wie ein Alp ans der Brust.
Wenn er im thnischen Kaiser mit
den Kameraden zusammentraf, en
denen mancher unter Napoleons Ad
lern hinkt-abgezogen war, dem erhoff
ten Ruhm entgegen, so langweilte ihn
bald ihr Gespräch, und die Unruhe
trieb ihn fort. Sonntags im Garten
seld hatte er früher manch lustiges
Abenteuer bestanden, aber diese Belu
stigungen widerten ihn seht an, die
flinken Dirnen fand er frech und reiz
loI. Es war ein unerträglicher Zu
standl
Wenn nur der Vater nicht so rnit
Hand und Fuß dagegen gewesen wäre,
daß auch er sich in die Nobelgarde ein
reihen ließ! Darum war er natürlich
rnit sich und der ganzen Welt unzu
frieden, er, der immer unternehmungis
lustige Erwin Falkl —
Jnitpischen war die weiße Gestalt,
die er noch eben arn äußer en Ende des
Kreuzganges gesehen, ver chtvunben; er
hätte gern gewußt, wer hier noch außer
ihrn irn gespenstischen Zwielicht unter
Gräbern lustwandelte. Aber alles
blieb still. Er stieg eine kleine Treppe
empor, die zu einem der Seitenthiirme
hete; aber die Pforte war verschlos
en, auch nicht das Urndrehen eines
Schlüssen hatte er vernommen.
Endlich legte er den Weg, den er ge
kommen, langsam wieder zurück. —
Die Kirche hatte sich bereits rnit An
diichtigen gesiilltz leise fette die Orgel
eierfn und nuiäoäegteszkth Iphigen
ang vorn a . ne
einzelne Frauenitiinine schwebte iibee
dein Ganzen, in subelnden Ihnen stieg
keu"Mmrviih-end die anderen leise
- ' « na angen. i
See-entkeimen sub cwin itM
!
pp- wiss-;
-—i--k-v
Cdsor auf, indessen Dämmerlicht die
ernßen Geßnlten der Sängerinnen der
weischen Rennen, verschwammen Nur
" eine lichte Erscheinung lpb sich wie eine
weiße Taube von dern duntten Hinter
grunde ab. sie sah aus wie eine ichiine
Verheißung, und die Töne. die ihrem
- Munde entitrsmtem vollendeten diese
Vorstellung.
Mancher Andachtiae, der sich aus
- dern Weibwasserberlen die Stirn netzte,
iab befremdet auf den jungen Mann,
der mit bald geschlossenen Augen an
der Säule lehnte, und hielt ibn viel
leicht fiir einen Fremden oder einen
jener Ungläubigen, die noch von den
Wir-ten der Revolution her alles der
spotteten und es Aberglauben oder Ab
; götterei nannten.
Erwin aber fühlte lich wie in andere
Regionen emporgehoben, wie durch
einen Schleier fah er durch die Weib
rauchwollen die Kerzen, das Marien
bild und die Sängerin. Erst als
: längst die Töne verhallt waren, fast
alle Andachtigen die Kirche verlassen
hatten und eine Kerze nach der anderen
erlosch, trat auch er hinaus in den won
nig milden Maienabend.
Es war spät geworden, zu Hause
wartete das Abendessen, und Erwin
schritt deshalb eilig iiber das Höfchen
der Schulterftaße zu. urn sich nach dein
Flachsmartt zu begeben·
Da sah er wieder eine helle weibliche
Gestalt vor sich, aber sie bog nicht in
die Schusterstraße ein, sondern schritt
- eilg durch den engen Durchgang der
Universitätsbiiuser, urn vielleicht durch
die winlligen Gassen und Gäßchen
- einen Richtweg einzuschlagen.
Kannte er das Mädchen? Er wiirde
auf eine Frage mit zorniger Abwehr
geantwortet haben. und doch folgte er
»Im Its-«- sv Chors-und «-n-»c-O du«
---- -- ---.7-·-7 ---------
die Sängerin aus dem hohen Chor in
der Marirnandacht gewesen war, die
er, seit sie wieder im Dom gefeiert
wurde heute zum ersten Mal besticht
hatte? Was ging ihn das überhaupt
an; er hatte sich n emalö um die wel
Zschen Nonnen und was zu ihnen gehör
te geliimmert.
i Noch immer schwebte die helle Ge
. stalt vor ihm her, gerade wie vorhin
im Kreuzgang, und noch immer folgte
er ihr in der stillen, menschenleeren
Gasse. Jeht trat ihr enr Fremder ent
gegen er versperrte ihr den Weg, schien
sie mit Anträgen zu belästigen und sie
schließlich in die Enge su treiben. Sie
hatte sich an ein haus gedrückt und sah
sich nach einem Beistand um, rührende
- hilflosigleit in dem holden Gesicht.
Da war er mit ein paar Schritten
an ihrer Seite, hatte den Fremden zu
rückgestoßen, daß er taumelte, und
Billas Arm ergriffen.
»Das Mädchen steht unter meinem
Schuh!« ries er. »Unterstehe Er sich
nicht, es anzugreisen.«
Wüthend wollte der andere denStocl
erheben, aber ein Blick ans den kräfti
gen jungen Mann und dazu die geball
te Faust die er ihm unter die Nase
hielt, er tickten alle Kampfgeliistr.
«Bitte,« sagte er höhnisch, »ich will
nicht stören!" Dann machte er sich aus
dem Staube. —
Noch lehnte Billa an dem hause, in
dessen Schutz sie sich gesliichtet; er legte
leise den Arm um sie und sah in ihr
liebliches Gesicht. Verlockend blühte
ihm ihr rother Mund entgegen, aber
diesmal widerstand er der Versuchung;
leicht streiften seine Lippen ihr blondes
Haar.
Da richtete sich Billa aus. Ein Blick
in Erwins Gesicht —- und ein tieses
Ergliihen. Sie erlannte erst seht die
Situation, in der sie sich besand.
»Du solltest doch nicht in so später
Stunde allein durch diese einsamen
Straßen gehen,« sagte er in so weichem
Ton, wie sie ihn nie von ihm gehört.
Sie wollte etwas erwidern und
lonnte es doch nicht·
Ins-s Ins-«- mn Hoff In Fuss-I- In
—
----· I- q- .- -s
thunfx Du tannst meinem Vater sagen,
dass ich noch eine Verabreduna fiir den
Abend habe«« fügte er dann tn der al
« ten, schroffen Weise hinzu.
So trennten sie sich.
—
Neuntes Kapitel.
Jn ihrem Zimmer angekommen,
wars Ban eilig Tuch und Schleier ab,
um sich in die unteren Raume zu bege
ben, wo ihrer die gewohnten Pflichten
harrten. Da erhob sich vor ihr eine
dunkle Gestalt, so plötzlich und unver
muthet, daß sie einen Schreckensruf
nicht unterdrücken konnte.
»Stil! doch," sliisterte Frau Bac
dara Zech, «lennst Du denn Deine alte
Großmutter nicht mehrt«
Der Mondstrahl fiel hell auf Billa’s
hleiches Gesicht, aus dem der Ausdruck
ohen Glückes wie weggewischt war.
ie hattest ch in der rche hei dem
Klange ihrer eigenen Stimme so welt
«entriickt gefühlt, hoch emporgehoben
über alles Riedere, Gemeine, und dann
— tvie ihr das her-s hoch aufschwell,
als e r sich u ihrem Beschützer aufwarf
und darauj einmal anders smit i r
xprach ’als onst! Es war ju nur ern
o lur er Moment etoesen, und doch
hatte te in diesem oment alles ver
gessen, toas er ihr bisher angethan,
und nichts war eblieben als ein un
eheures Dante iihl sitt ihn. So
satte sie ihr immer betreten, und
nun —- roar das wieder alles vorbei,
das ganze Elend ihrer herlunst stand
wieder riesengro mit dieser alten
Frau vor ihrem lies. .
« he, Großmutterl« »
. a, ts. ich wes schon. M Ist
Deine gewöhnliche neede,« lautete die
- psindi
« eit «
—- -. -. ----.--,
.
Entgefnung.» Ader ich bin nicht ern
ch, weiß ja, Du haft jeii keine
Die snosi so scharfe Stimme tlang
deute versöhnlicher als sonst
»Ich will derweil warten. geb nur,
Kind, und wenn Du wieder kommst,
dalt ich Dich nit lang’ auf.«
Und wieder strich die knöchernehand
itder Billaj haar, aber widerwilliger
noch als früh-er bog das Mädchen sich
zurhiiC die Berührung thrt iksm seist
we . —— —
Während die herrscht-it im Eßzink
met speisie, schricksChkistim die Magd,
leise die Treppe hinan zu Billas Zim
mer.
Sie hatte vorhin, als sie vom Boden
herunterkom, dort sprechen hören, und
so sehr sie auch ausgedaßt, Niemand
datte sich dann aus dem Hause ent
fernt. Hatte die hochmüthige Prin
zeß, die so tugendstolz that, vielleicht
einen Schatz? Wenn sie sie doch einmal
an einer schwachen Seite fassen könnte,
sie, die ihr immer als ein Muster von
Pflichttreue vorgehalten wurde!
Leise, aus Socken schlich sie näher.
Richtig, da rührte sich etwas. Und
nun sah sie durch den Thürspait den
Schimmer einer Kerze, und dei diesem
Kerzenschein die alte Hexe, wie sie vor
Billas geöffneter Trade stand, in der
diese ihre Kleidungsstiicte uufzudewahs
ren pflegte, jedes einzelne Stück der
auönahm und dann einen,wie es schien,
schweren Gegenstand aus irgend einem
Winkel dervorholte und ihn unter den
Kleidern verbarg, die sie sorgfältig
wieder auseinander schichtete.
Christine frohlockte. Das datte et
was zu bedeuten, da ging was nicht
mit rechten D inane
mit rechten Dingen zu. Sie hatte es
ja immer gesagt, diese sanste Demuth
war nichts als Heuchelei.
Leise glitt sie die Treppe wieder
hinab, es war die höchste Zeit. Sie
holte schnell aus der Küche die blanken
Wassereimer und lies zum Brunnen.wo
sie um diese Zeit ihr Schas erwartete.
Billa hatte der Alten von ihren Er
sparnissen gegeben. was sie entbehren
tonnte, und diese nahm die Gaben, die
sie sonst geringschiihig betrachtet hatte,
dantbarer als sonst an.
. Damals, als das Mädchen eben aus
dem Kloster in das wohlhabendesauss
mannshaus zurückgekehrt war, hatte
sie von Billa verlangt, sie solle ihr von
den reichen Vorkiithen in Küche und
Speiselammer zustellen, was sie, ohne
daß es aussiel, irgend erreichen lonnte.
Aber de- hatte sie ungefähr eine ähn
liche Abfertigung erhalten wie Erwin,
als er Billa im Garten einen Kuß rau
ben wollte. Sie mußte die Erfahrung
machen, daß sie sich in det Enkelin, die
in solchen Dingen unnahbar war,
gründlich oerrechnet hatte. —
(Fortsehung solgt.)
——-- «-.
anel Saus-O schauten-en
Onkel Sam kennt die Kühnheit und
Erfindungsgabe seiner «herren Ver
brecher" und undurchdringlich er
scheint das Bollwerk, in dem die Ver
einigten Staaten ihr Schatzamt ge
borgen haben. Unser Goldvorrath hat
gegenwärtig eine höhe erreicht, die er
in der Geschichte des Landes nie zuvor
gehabt hat« 496,000,000 Dollars in
gemiinztem Golde lagern zur Zeit in
dem hauptschatzamt und in den über
das ganze Land oertheilten Unter
schahämterm Jn der Subtreasurn zu
New Yort allein befinden sich zur Zeit
170,000,000 Dollars in gemiinztem
Gold.
Die eigentliche Goldtammer im
Hauptschatzamt zu Washington befin
det sich dirett unter dem imposanten
Mittelbau des hauptschatzamt-Ge
bäudes. Sie ist 75 Fuß lang, 20 Fuß
breit, 12 Fuß hoch und könnte, der
ganzen vorhandenen Caparitiit nach,
mehr als zehnmal so viel Gold in sich
--.k--I-.--- -J- h-- --f--L-4- -Is«--II
—
MUIIIIHIUILUI, ils-ils »Es HLIUOtlIIIIIs Ists-III
Goldvorrath der Bundegregierung ge
aenwiirtig beträgt. Die cytlopenhait
masiiven tlmiassunggmauern bestehen
aus mit Crinent gedichteten Graun
dlödem sind durchschnittlich 1275uß
Sirt und innen und außen mit je einer
Panzerplattirung · von gehörtetem
Stahl betleidet. Jn der Mitte des
Mauerwertes selbst befindet sich in der
ganzen höhe desselben ein nmlaufens
der hohlraum welcher mit genau ab
gedrehten Kugeln aus gehärtetem
Stahl angefüllt ist.
Sollte es je einem Berbrecher gelin
gen, unbemerkt von der Wache, die
äussere Mauerhälfte zu durchbohren,
so würden diese Stahltugeln allen
weiteren Bohrversuchen nniiberwinds
lichen Widerstand entgegensezem info
fern, als sie dem Bohrer stets neue
Angriffsfliichen bieten und auf diese
Weise sein Bordringen verhindern.
Die Thüren der Kammern —- es sind
ihrer nur zwei —- bestehen ebenfalls
aus gehörtetem Stahl, sind mit je ei
,nem Zeit-Schloß versehen, welches
ihre Oeffnung nur zu einer ganz be
stimmten Setunde überhaupt ermög
licht, und haben ein Gewicht von je 120 «
Centnern. Zu diesem Schutz kam vor
4 Jahren noch eine äußerst empfind
liche elektrische Sicherheitsverrichtung,
(
welche in verbrecheisches Eindringen in »
das Gewölbe zur absoluten Unmög
lichteit macht. Sobald nämlich die
schweren Stahlthiiren geschlossen sind,
wird jede von ihnen noch mit einer
ganz dünnen Thlir von Eichenholz
überschlofsem welche beim Eintritt in
die Kammer in zwei Flügeln gegen die
s Mauer aufgellapdi weeoxn .-.»,. so
- dnld nun Jemand den tleinen Mei
; sing-Riegel, der sie schließt, auch nur
berühren wollte, so würde augenblick
lich ins Zimmer des Wachthabenden
eine große. elelteifche Glocke läuten.
Zugleich aber würde auch jede Polizei
station der Stadt alartnirt werden.
Bis heut iß noch niemand so liilin
gwesen, einen ciubruchsverfuch in die
Goldlammet von außen der zu wagen.
Aber auch von innen diirfte selbst eine
bloße Anniihetung in drei-technischer
Absicht iinzlich ausgeschlossen fein
Eber n könnte ein Dieb« mit Aus
sicht auf Erfolg, hoffen, die Umfas
iungsmauer mittels Sprenggelatine
zu zerschmettern, als auch nur eine der
vielen starken, ital-lernen Gitterihuken
zu öffnen, welche den langen Cortidok
zur Goldlammer abtheilungsweise
verschließen.
Seit dem spanisch - amerilaniichen
Kriege werden die Gewölbe dem Belu
cher nur noch gegen Vorzeigung einer
vom Schahmeister visitikten Einlaß
tarte geöffnet, welche auf die Person
lautet, nur zur einmaligen Benuyung
berechtigt und dem Wachthabenden
oorgezeigt werden muß, der sie dem
Besucher abnimmt. Man wird von
dem Knssiker« welcher zugegen ist, sehr
freundlich empfangen und, je nachdem
er Zeit hat, auch recht angenehm unter
halten. Er zeigt dem Belucher z. B·
eine jedenfalls zur Beiichtigung file
Fremde eingerahmte 10,000 Dollar
Note und weidet sich un dem Erstau
nen des Beluchers, der es laum zu
teilen vermag, daß ein Stückchen bunt
bohrt-dies Nani» einen In hobenMertb
repräsentiren kann. Dieses Erstau
nen zur Verdlüffung zu steigern, und
sich dabei höchlich zu amiisiren, veran
laßt ihn, dem Fremden ein unschein
dares Päckchen in grauem Hanfpadier
in die Hand zu geben und ihn zu fra
gen, wieviel das unscheinbare Päckchen
nahl werth sein möge in den Augen
des Haltenden
Dieser riith hin und her und er
fährt das Päctchen enthalte »nur it
000,000 Dollars in Zehntausenddols
larnoten«. —- Tableaul — Auf dem
Tische liegen zwei Beutelchen. Der
freundliche Beamte heißt den Frem
den das eine, kleinere, aufheben. Der
Fremde thut’z. Das Beutelchen ist
20 Pfund schwer und enthält »ein Ta
schengeld von 250Doppel-Adlern oder
Zwanzigdollar - Goldstücken«, mithin
ein Stimmchen von 5000 Dollorsl
Dann heißt der immer freundliche Be
amte den Erstaunten das andere, we
nig größere Beutelchen aufheben und
—- lacht herzlich. Der Befucher aber
nicht; er ift nicht im Stande, das
«Beutelchen« aufzuheben, denn das
Ding wiegt »nur 80 Pfund« und ent
hält 20.000 Dollars in Adlern oder
Zehndollar - Goldstücken etc. Wun
der iiber Wunders Staunen iiber
Staunen!
Geld —- rnithin auch das gemiinzte
Gold —- ist überhaupt nur ein Ad
ftraetum im Schasamt Millionen
in Metall und Papier gehen tagaus,
tagein durch die hände der Clerts, wie
die Waare durch die Finger der La
dendiener. Von dem Zeitpunlte an,
da das Varrengold in die sogenannte
.Efsah-Office«, oder das »Prodier
Amt«, eingeliesert wird, bis zu dem
Augenblicke, da eß als Münze oder in
Papiergeld die Maschine verläßt, und
entweder in den Verkehr hinaus oder
in die Gewöle zuriialIandert, bat es
ein ungemein coindlirirtes, aber wie
ein Uhrwert genau arbeitendes Checti
und Contrechectsssystem zu vassiren,
das eine Unterschlagung auch der ge
ringsten Summe sast ganz unmöglich
macht; völlig unmöglich aber ist eg,
daß auch die kleinste Desraudation
unentdeckt bliebe
Der augaemiinzte titolrvorratb
wird nur dann gezahlt« wenn bei ei:
nein Wechsel in der Präsideutschait
auch ein Schatzmeisrer den anderen ab
löst. Da der Schatznteister für den
gesammten actuellen Gelddorrath der
Regierunq verantwortwortlich ist, io
muß bei seinem Abgange auch der aus
gemiinzte Goldvorrath Stiiet sitr
Stiiet ausgezahlt werden; eine Arbeit,
welche das gesammte Zählpersonal
ungefähr einen Monat in Anspruch
nimmt. Der Betrag mu bis aus der
Cent stimmen, was au bisher« stets
der Fall gewesen ist. Erst dann iibers
nimmt der neue Schadmeistet sein
Amt nnd händigt seinem abgehenden
Collegen eine Quittung über den liber
nommenenEetrag aus. Daraufhin
erhält der ErsSrhacmeister seine Cau
tion wieder und dars sich mit ruhigem
Gewissen ins Privatleben zurückziehen
Der neue Schatzmeisteh ebenso die
höheren Unterbeamtem haben Caution
zu stellen; die Clerts dagegen, durch
deren hände das eigentliche Geld tiigs
lich geht, sind cautionssrei. Für sie
übernimmt der Schatzmeister selbst die
Verantwortung« Jrgend eine nen
nenswerthe Gesahr läust er dabei
nicht, denn das oben erwähnte Thea
system arbeitet zu vorzüglich.
Zum Schluß sei noch erwähnt, dass
eine Million Dollars in gemiinztern
Golde nette 3695 Pfund, handelsge
wicht, wiegt. Der ganze gegenwärtige
Goldvorrath der Union wiirde also die
respettable Schwere von rund 917
Tonnen Goldes erreichen. Mit diesen
Gewicht diirste die Union in sinanztel
ler Hinsicht heute an der Spiße alle
Rationen der Welt stehen.
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