Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 04, 1901, Sonntags-Blatt, Image 11

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    » » x«---.« «-.;«-«.. «.-(-..,-.. —
Es ist aber auch ein großer Tisch,
sagte Carolina
Nun, vielleicht hat er ein wenig an
Gewicht zu enoninien, weil sein Ma
gen jetzt heiser ist.
Und dann, Frau Baranin, wenn ich
ihn aus der Straße aus die Erde setze,
fängt et an, sich mit aller-. Hunden zu
heißen.
Sein Charalter entwickelt sich, Ca
roline.
Aber sein Gehör nicht, denn was dee
Johann »?lppell« nennt, hat er gar
nicht.
Caroline holte einen grünseidenen
Pompadour. Thnn Frau Baronin
ihn nur mal wieder in einen alten Sack!
Mitiam nahm Zuccherino und ver
suchte ihn hinein zu stecken. Carolinel
rief sie entsetzt, er geht nicht -—-- mehr -—
hinein!
Sie ließ den Hund fallen und sank
ans einen Stuhl: Wir haben ihn zu
gut gefütiert, das ists-!
Caroline schüttelte nur den Kopf.
Nun, was willst du sagen-?
Es liegt dies in seiner Natur!
Wie denn, in seiner Naturs
Er ist gewachsen! Caroline sagte das
Wort ganz leise, als iei es ein Ber
brechen.
Wir müssen ihm Branntwein geben!
Hörst du« Carolii:e? Täglich einen
Theclöfiel. Miriam nahm Zuccherino
in Den Arm nnd hötschelte ihn, woran
er sie ins Ohtläppchen biß —- —
lkssin halbes Jahr später. Alt-; einem
Bücherladen lam eine kleine schlanke
Dame nnd wollte aus dem Bürgersteig
weitergehen, als sie am Schansenster ei
nen Herrn stehen sah, der ihr belannt
vorkam
ists-(- —.-I
UUJUD UlIl Lille
theMien! Der junge Mann war errö
t.
Das Welch aliietlicher Zufall!
Seit wann bist du hier«-Z
Seit vorgestern.
Komm mit und frühftiicke bei mir,
willst du? Seit vorgestern. Ulls Und
nicht zu mir getommen?!
f Meine Kameraden ließen mich nicht
ort.
So? Werg alanth Gestehe es hat
Titel-as lentc Mal bei mir nicht gefal
en
Ulrich zögerte. Du warst so beschäf
tigt mit dem tleincn Knäuel von weißer
Wolle, daß man zu wenig von dir hatte
und —
Miriam la te aus belleni Halse-:
Also eiferiiichtig auf Zucrherino!
Nun. weißt du, ainiisant war das
nicht.
Wo haft du ihn denn? Hast du ihn
fortgegeben?
Das nicht, aber er isi so verständig
daß du ihn tanm wiedertennen wirst.
Und verläuft er sich nicht? Wird nicht
getreten? gebissenr
Nein, und ich nehme ihn nie mehr auf
den Arm! Doch lassen wir Zucchetino
nnd erzähle mir von wichtigeren Din
gen.
Ulrich war angenehm überrascht. Das
ist allerdings nen; das liifze lleine
Scheusal iit dir nicht mehr wichtig«
Tu siehst, ich habe mich gebessert und
— ernst werdend —- du mußt bedenken,
Ulrich, wie allein ich bin, da schließt
man sich sogar an einen Hund an!
Der junge Mann druckte seiner Bale
die Hand, er wollte etwas sagen, aber
sie waren vor ihrerWohnung angelangt.
Als sie in den Vorranm traten, erscholl
ein lautes« schrilles Gelläss.
Was ilt denn das wieder sitr ein Kö
ter, der uns io empfängt?
Ein großer, gelblicher Spitz stürzte
Ulrich wüthend entgegen, und als dieser
ihn mit dem Stock abwehren wollte, biß
er sich in seine hole fest.
Na, das iit ja auch ein liebliches
Thier! Du billige Bestie, wirst du meine
neuefte Hose loslassen! »
Seine Vase hatte sich auf einen i
Stuhl geworfen nnd lachir.
Du hast wirklich eine Arena-Jede von I
greulichen Thieren; da war mir oeri
Kleine doch lieber. Wie kommst dn zu ’
diesem Vieh? Der hat wohl den nied
lichen Zuccherino todtgehissen?
Die kleine Baronin wand sich gera
der vor Lachen. Sieh ihn dir doch ge
nan an, iiir was hältst du ihn?
Für einen infamen, hissigen Spitzt
Erkennst du ihn denn wirklich nicht?
Es ist doch ein alter Betannterl Er
laube, dasz ich ihn vorstelle: Zuccherino,
derer von Pomerino, aus Florenz.
Jetzt brach Ulrich in schallendes Ge
lächter aus: Also meine Erwartungen
noch übertroffen, und gelb ist er auch
geworden!
Zuccherino, willst du still sein! ries
Mim und streckte die Hand aus; da
schnappte er nach ihr.
Ulrich fuhr mit seinem Stock dazwi
schen. Da wurde er ganz wüthend,
sprang aus ihn ein und biß ihn in die
hand. die sofort blutiiherströrnt war.
Miriam nahm eine Reitpeitsche von der
Wand und schlug Zuccherino, der heu
lend davonlief· Dann was-die sie sich zu
ihrem Vetter, der bemüht war, ein Ta
ichentnch uin seine Wunde zu binden
Nein, nein! Erlt mus; die Wunde ge
waschen trerden! O, wie es blutet! Du
hist ganz blaß! Das gräßliche Thier, ich
vergiste es! Johann, rief sie aus den
Flur, lausen Sie doch schnell zum Dol
tor!
Nein, nein! wehrte Ulrich, das ist
ganz nnnöthig.
Aus alle Fälle, so ein Biß ist «ost
giftig.
Sie wusch die Wunde ans, ki- blutete
stark. Sie zitterte, als sie Ulrtchs hand
verhand. Sie war sehr blaß und
kämpfte mit den Thränen.
Ulrich hob mit der gesunden band
ihren Kot-s und sah ihr in dieAugem
hast du Angst meinetwegen?
Miriarn nickte. ohne auszusehen.
Mini! sagte er leise und innig, und
sah sie glückstrahlend an.
O, hätte ich doch nie dieses Thier
gehabt!
Sage das nicht, denn . . . .
Es kommt Jemand, unterbrach sie
ihn, sollte das schon der Doktor sein?
—- Sie iies nach der Tbiir und tam
mit einem kleinen, dicken Mann wieder.
Ja, er ists Johann tras ihn aus der
Straße, das Glück!
Der Arzt untersuchte die Wunde
und gab Verordnungen. Dann ging
er, um desinfizirendes Verbandszeug
zu holen. —
Siehst du« Ulrich, sagte seine Base,
hatte ich nicht recht, den Doktor holen
zu lassen?
Sie saß aus einem Sessel neben dem
Toilettentisch; Ulrich nahm einen an
deren, schob ihn zu ihr und nahm ihre
Hand. Sie erröthete start und senkte
ihren Blick.
Nun, tannst du mich nicht mehr an
sehen, Mim? Und er legte den Arm
um sie, sie ließ es geschehen. Verstehst
du mich?
Sie nickte und beide sprachen lange
tein Wort. Nach einer Weile sagte
Ulrich: Jch segne diesen Zuccherino!
Dieses schauderhaste Thier? Und
als er tlein und gut war, mochtest du
ihn nicht!
Der kleine Zurcherino hätte uns fast
auseinandergebracht, aber der große ..
Da kam der Arzt mit dem Ver
bandgzeug
Unter einer Tritte.
Novelette von H. W a l d e m a r.
—-.— F «.
»Du hast gut reden, Heddy, Dir legt
Niemand irgend welche Hindernisse in
I den Weg. Du kannst Deinen Alex se
; hen, so oft Du wills -—« hier brach
« Loras Stimme. und ihre Augen füll
ten sich mit Thriinen.
»Meine nicht, Liebling, seit wann
« hast Du Franl nicht gesehen?« fragte
Margarethe Starke, den Arm um die
Schultern der etwas jüngeren Freun
din legend
,,Seit einer Woche.
»So wird er wohl bald tommen,«
, tröstete sie, obwohl sie selbst nicht du«-an
i glaubte.
)
)
Ol«
»Wie kannst Du nur so etwas sa
gen, da Du weißt, daß Onkel Vormund
ihm das Haus verboten hat. Schrei
ben kann er auch nicht, denn Onkel
kontrollirt alle meine Briefe, ’S ist zum
Verzweifeln.«
»Habe doch Geduld, Lora, LTrank
wird eine geeignete Stunde abwarten,
es ist doch selbstverständlich daß die
Unterredung mit Deinem Onkel ihn
start dedrimirte· Laß ihn doch erst
zur Ruhe und Ueberlegung gelangen.«
L ,,Deprimirt.'s Na, ich danke, was ich
: aus zweiter Hand darüber hörte, war
F schon schlimm genug, wie mag es erst
» dann gewesen sein! Und der Spott,
mit dem Onkel ihn bedachte, machte die
« Sache auch nicht besser.«
,,Spott?«
»Nun ja, weil Frant nur Leutnant
ist und noch teinen Krieg mitgemacht
hat. Solch’ ein alter Soldat wie On
tel, der im Kriege zum Invaliden ge
worden, sieht ja auf alle anderen Men
schen verächtlich herab, die nicht drast
ßen waren im Pulverdampf. Und so
sagte er zu Frank, er sei noch so jung,
das; er gewiß davonlaufen würde, wenn
er die Kugel pfeifen höre. Jst das
nicht start?«
»Frank wird aber doch wiederkom
men«, wiederholte Margarethe unbe
irrt.
»So sagte auch er, als ich ihn einen
Augenblick unten im Flure sprach.
Aber wie soll er das möglich machen?
Doch ich höre Onkel kommen. .-«-.—
thei, wir sollen mit ihm spazieren ge
heul«
«- si
Oberst Holler war Loraz Intel und
Vormund. Jn letzterer tFigenfctHit
hatte er sehr unzioeideutig dem jungen
Bewerber um Lorag Hand die Tdiire
gewiesen. Und als Frant Matt-en
schüchtern einwars, er wolle noch mar
ten, wenn er zu jung erscheine, da hat
te sich Oberst Holler terzengerade aus
gerichtet und zornig ausgerusem
,,Warten wollen Sie aus Lora? Des
sollen Sie auch, mein Leutnant, ver
lassen Sie sich daraus, Sie sollen war
ten, ich werde schon dafür sorgen, und
zwar bis zum Ende aller Tages —
Damit ist die Sache ein siir alle Mal
erledigt!«
So sagte er auch der Nichte, nachdem
Frant Mattern gegangen war. Aber
bei all seiner Strenge konnte er nicht
hindern, daß Lora liebte und sich each
dem Geliebten so sehr sehnte, daß txe
innerhalb einer Woche blasz und schmal
wurde.
Als der alte Herr eintrat, erhoben
sich die beiden jungen Mädchen und
gingen ihm entgegen.
Mit einem Scherzivort begriiszte er
sie und lud sie ein zum Spaziergang
Noch hatten sie das Zimmer nicht
verlassen, als der Diener meldete, ein
alter Soldat, der Spitzen zu vertan
sen habe, bäte darum, diesel« n Dein«
gnädigen Fräulein verlegen ,a dür:
sen.
»Ein Soldat, derSPitzen verkauft?«
ries Lora erstaunt. »Ich tause leine,
aber vielleicht tönnte ich sie ansehen.
Jst der Mann im Flur?«
«Nicht draußen, mein Kind, wo es
s zugig ist. Lassen Sie den Mann her
eintommen. Werner.«
»Ja Befehl, herr Oberst!«
Der alte Soldat ging sehr aufge
«,richtet trotz seiner weißen Haare. Sein
.Anzug schlotterte ihm um die Glieder
und sah sehr abgerissen aus. Die
Mütze hielt er in der einen Hand, wäh
rend die andere ein Paclet in Wachs
tuch eingebunden trug Offenbar
fühlte der Alte große Vetlegenheit
beim Anblick des eleganten Zimmers
. und seiner Jnsassen, besonders den
Oberst streifte er mit raschem, for
schendem Blick. Da man jedoch von
ihm verlangte, daß er seine Anwesen
heit ertläre, begann er mit zitternder
. Stimme:
»Ich bin ein alter Soldat, der ne
, benbei noch etwas verdienen möchte-,
gnädiges Fräulein. Jch habe schöne
Spitzen, vielleicht thäten Sie mir wel
che ablaufen. —- Jch hab’ den französi
schen Krieg mitge.macht Bei Sedan
haute mir solch’ ein Hund von Franzo
. sen eins über den Schädel, daß ich bei
nahe drausgegangen ivär’. — Es will
jetzt aber nicht mehr so recht gehen, der
Kopf ist schwach.«
»Bei Sedan?« Welches Regiment?«
unterbrach ihn der Oberst kurz, ihn
scharf musternd.
Ein anhaltender Huftenanfall des
Invaliden verzögerte die Antwort.
,,Bar,erische Jäger, Herr Oberst —
« ich habe nur eine sehr lleine Pension
—- Familie — — Sorgen giebth immer,«
stammelte —er weiter, sich unter des
Obersten Blicken sehr unbehaglich füh
end
»Ich focht auch bei Sedan mit —
Der Oberst verlor sich in Erinnerung
I Dies beniitzte der Alte, um zu dem
jungen Mädchen sich zu tvenden
»Luz- Utsthlls csskuo lUuLUl Ilsls UUI
dem Schlachtfelde überreicht, nachdem
ich wieder aufgewacht war —« Er
« legte die Hand auf die linke Brust, wo
- auch neben dem Eisernen Kreuz die
Kriegsdentmiinze hing.
« »Das ist ja sehr interessant,« meinte
der Oberst. »Sie müssen wiederkom
« men und mir mehr erzählen, sagen wir
morgen Nachmittag um drei Uhr. Hier
nehmen Sie einstweilen die Mark. —
Lora, mache Dich fertig, es ist die
höchste Zeit.«
Der Soldat mochte an seine Spitzen
denken und annehmen, die Gelegen
heit, ein Geschäft zu machen, ent
, schlüpfe ihm mit dem jungen Mädchen.
Er machte einige hastige Schritte auf
- Lora zu.
« »Die Dame kann jetzt nicht länger
. warten, guter Mann aber morgen hat
sie Zeit, die Spitzen zu besehen. Kom
men Sie, ich führe Sie hinaus.« Und
der alte Herr wich nicht von der Seite
des Alten, bis er ihn aus per Straße
» wußte.
; »Grethel«, begann Lora am Nach-«
mittag, als die Beiden zusammen sa
ßen, »der alte Soldat hatte es Dir recht
angethan. Du wandtest ja keinen Blick
: von ihm ab.«
F »Ich? —- Lora, Lora, jetzt weiß ich’s
’ gewiß, Liebe ist blind!«
»Was willst Du damit sagen, Gre
- thel?«
i »Daß unter der Perriicke und in
iden schlotternden Kleidern Niemand
anders steckte als Frant Mattern.«
z Grethelt Bist Du sicher?«
l »Ich glaubte es zu sein. Wenn Du
- Dir seine Blicke, sein Bestreben, sich
! Dir zu nähern, vergegenwärtiast, wirst
Du meiner Meinung sein, Lora.«
! »Und wenn es wäre, was nützte es
s mir? Hat Onkel nicht gesagt, dasz
! wir morgen um drei Uhr Oberlings
« besuchen sollen?" «
»Das ist schade, aber -- nu, wir
wollen schon sehen, was sich machen
läßt, Lora.«
Oberst Holler lies-, seine Nichte nicht
aus den Augen. Was er jedoch sah,
; machte ihm kein Vergnügen. Daß an
statt Zucker Salz aus ihren Obstkuchen
nahm, wunderte ihn weniger-, als dasz
M vermeinte-He am Abend zu sskmelt
i
l
i
wie sie es sonst nur zu gern that. Soll
te sie wirklich dem Leutnant nach
trauernk Er konnte es sich kaum
denken. Und doch Loras blasses Ge
sicht, ihre tiesliegenden rothgeweinten
Augen stempelten seine Vermuthung
zur Gewißheit.
Sie that ihm leid, er war kein hart
herziger Mann, wenn er auch ans Er
füllung seiner Wünsche rechnete, die,
nach seiner Meinung, doch nur »in Lo
ras eigenem Besten waren. Dass die
Jugend das nicht einsehen wollte, sah
man wieder hier.
Er bestand daraus, daß die Mädchen
« den Besuch mit dem Rade aussiil)rten.
»Die Lust wird Dir gut thun, Kind.
Jch habe Unterhaltung genug, weiszt
ja, daß der alte Soldat kommen wird.«
»Ich wollte doch seine Spitzen sehen,
Onkel.«
»Er kann ja wiederkommen. GLI
wiire mir lieb, wenn Du meinen Brirf
an Oberling piinltlich besorgtest.«
»Wir könnten früher ausbrechen und
» ihn aus dem Wege erwarten,« meinte
Grethel, als sie’ mit der Freundin sich
rüstete. Aber auch dieser Plan wurde
durch Oberst Holler vereitelt, der dem
»alten Manne entgegen gehen wollten
So blieb den beiden Mädchen, die recht
enttäuscht aussahem nichts übrig, als
« auszubrechen.
« Der Oberst tras den Alten am Fuße
des kleinen Hügels, der in ziemlich
scharfem Falle die Straße mit seinem
Besitzthume verband. Da die Sonne
so glänzend schien, meinte der Oberst,
sie könnten auch gerade so gut hier
plaudern. und der Jnvalide könne sich
: dadurch den Weg und den Berg erspa
. ren.
i Er hatte noch nicht ausgesprochen,
als ein durchdringender Schrei ertön
te. Sich umwendend, sahen die Bei
den eine Dame aus dem Rade in ra
sender Eile den Hii el herabsausen.
Der Oberst sah as entseytey weiße
Gesicht der Näherlammenden, da dach
te er an die scharfe Biegung, die der
Weg machte am Fuße des Hügels, an
die Mauer, die quer davor lag, und er
verlor den Kopf.
«Bretnse — bremse!« schrie er. »Ist
denn Niemand, der —«
Und es war Jemand da, der hals.
Als die Maschine heransauste, stellte
sich der alte Soldat so, daß er Lora
um die Taille fassen und hemmte-krei
ßen konnte. Freilich ging es nicht so,
wie er sich gedacht, denn Lorag Kleid
hatte sich gefangen und so rollten die
Gerettete und ihr Retter und das Rad
in die Grasböschnng Lora war sofort
wieder aus den Füßen, blasz und zit
ternd, aber nnverletzi.
,,·«’frant, bist Du wirklich nicht ver
letzt? Ach, diese Angst!«
Der alte Oberst kam herzugehum
pelt.
»Sie haben meiner Nichte dag Leben
gerettet, Herr, womit tann ich Sie be
lohnen?«
Der alte Soldat sprang empor.
Ohne sich darum zu kümmern, daß
seine schwarzen Locken unter der sehr
aus ihrer Lage verschobenen weifnn
Perriiete zum Vorschein lamen, nahm
er Lora’g Hand und sagte fest und sei
ner Sache sicher: «Hiern1it, Herr
Oberst!«
Oberst Holler war sprachlos-. Doch
j bevor er zu antworten vermochte, lam
Altargarethannd übersah mit einem
Blick die Situation. Sie schielte das
junge Paar voraus und brachte mit
’ dem Oberst, dem sie indessen einige
m..4-:r.- ......xs.«.. smx m«s« »N« käm-L
Uktunx xkquuH »u« »s-» ».»-, q«»«.".
Der alte Herr zog sich in sein Zim
mer zurück. Er war zu viel Soldat,
als daß er nicht Matterng energisches
Eingreifen für richtig erachtet hat«-.
- Daß er selbst das Opfer der List ge
« worden, änderte nicht-J an der Thatsai
che. Mit einem nnbehaglichen Gefühl
erinnerte sich der Oberst, daß er selbst
geschrieen hatte und rathlng aemesen,
während Jener, dem er fein Hans ver
schlossen hatte, handelte und Lora ret
tete. ——- —
,,Jch sollte um Entschuldigung bit
;ten, Herr Oberst,« begann Mattern,
als ersterer in das Wohnsimmer trat,
« »aber ich mußte irgend einen Weg aug
findig machen, unt mit Lora zu reden,
und so kam es, wie wir erlebten -—««
»Sie denlen, es geht Ihnen so ganz
« ohne Strafe hin, dass, Sie einen alten
Offizier zum Besten hatten und hin
teer Licht fuhr-ten ?« fragte der Oberst
mit leichtem Lächeln. »Ich hätte aroße
Lust, aus eigener Altachtvolltommen
heit Jhr Urtheil zu sprechen, und
zwar: Lehensliinaliehe Gefangenschaft
? —- dort,« er dentete auf Loka, die ihre
k Hand in die Matter aeschoben hatte,
als cniisfe sie zeigen, das-, sie auch jede
Strafe mit ihm zu traaen bereit sei,
,,steht Ihr Gesangenwiirter!«
—-.0-— —
Zlcr Roman einer ’ch:inlpieleriu.
—..-——
Clara Clert empfand einen unendli
· chen Schmerz, als sie ihr Kind verlor.
I Die berühmte Tranödin betete das klei
I ne Wesen an, in dem sich das lebhafte
. Ungestüm ihrer excentrischen Natur
: tonzentrirt hatte, und sie spielte ihre
Muttertolle mie aller- - - mit Leiden
schaft! Aus Verehrung fiir das kleine
Geschöpf hatte die stiinstlerin ihr Le:
ben völlig umaestaltet, Die Wiege gab
i ihrem ganzen Hause ein erhabenes An
I sehen! Die Ton-Liebende hatte sich
Z in eine heilige Mutter verli)andelt, und
! die Taufe des Kleinen war fiir sie der
L höchste Weiheatt. Man sah sie in New
Yort nicht mehr anders als in ernsten,
würdigen Gewändern, gravitätisch ein
herschreitend und jeden Gruß nur mit
einem reservirten Lächeln erwidernd
Alle Haitptstiidte Ameritas kannten
und lobten diese Umwandlung; Euro
pa dagegen, etwas skeptisch veranlagt,
xpöttelte ein weniax die Dichter der
eiden Erdtheile schmiedeten Verse iiber
das Wunder vollbringende Kind, und
dem Erstgeborenen von Clara bereitete
man in allen Zeitungen der Erde ei:
nen so bedeutungsoollen Empfang, als
wenn er der einzige Sohn eines Kai
sers wäre, der erleichzeitig Erbe eines
immensen Reiches werden sollte.
So gab man auch dem Tode des
Kindes in der Presse der ganzen Welt
eine internationale Bedeutung, zumal
er so überraschend, so plötzlich und aus
so furchtbare Weise eintrat. Mehrere
Könige und Königinnen sandten der
Künstlers-n Beileidstelegrumme, die sie
- unter aniinen las und dann auf ihren
Möbeln derstreute
»Campbell, Sie werden Seiner Ma
jestiit annoorten, nicht wahr? Jch habe
nicht die straft dazu.«.... Sie ließ
den Körper ihre-; kleinen Engels ein
balsamircn, genau nach den eghptischen
Gebrauchen; ohne viel Mühe erhielt sie
die Erlaubniß, das Herz des Kindes
bei sich zu behalten, fiir welches der
Juwelier eine Toppeltassette aus Gold
und Glas ciseliren mußte. Sie ord
nete dies Alles mit bestimmter vriester
licixer Stimme an, das Einzige wo
rüber sie zwischen den Schinerzanfäli
len zu sprechen sähig war . . . Aber, als
der kleine Todte hingebracht wurde in
seinem Sorge, aus tostbarem Holz ge
schniszt, mit seinem reisenden Köpfchen
aus den Spitzen hervorragend, war die
Künstlerin in ihrem Verzweiflungs
, .
sammer bewunderungswiirdig Vor
der Bahre niedertniend, zeigte sie ein
so vollendetes Gebahren, eine so genia
le Mimit, wie sie sie nicht zu suchen
brauchte. Der Augenblick gab es ihr
ein, die Situation inspirirte sie. Als
man den Sarg ausob, richtete sich Cla
. ra Clart todtenbleibkauh und größer
. schien sie geworden, sie hob beide Ar
me in die Höhe in symmetrischen Be
- wegungen, und ihre gestreckten Finger
spreizten sich sternförmig; sie wurde
· ohnemächtig, fiel in gerader Linie, wie
ein Schiffsmast, der·sich niedersenkt.
- Es war beängstigend und erhaben zu
gleich. Die Bedorzugten, die das Glück
hatten, dieser Seene beizuwohnen,
werden ewig die Erinnerungen an das-H
» unvergeszliche Schauspiel bewahren.
· Niemals hat die Kunst, von der Na
: tur unterstützt, eine volledeiere Form
siir die Darstellung der tiefsten Zer
tnirschung gefunden Der Bildhauer
Smithson sand hier den Vorwurf zu
,emer Andtomeda, die der Triumph
seines Lebens werden sollte. Der Poet
« Hartywill bewunderte sie, tief bewegt,
im äußersten Winkel des Liiatinies, wo
er sich einen bequemen Platz erwählt
« hatte, von dem aus er Alles genau be
« obachten, sieh sammeln konnte, ohne
· durch die Händedriicle eines aufdring
lichen Geistes belästigt zu werde n; er
überdachte, erwog Alles nnd blieb un
zbeweglich im Halbsrhattem die Din
T ge, die er sah und hörte, setzten sich in
I ihm fest, in der fruchtbaren Tiefe sei
: ner Seele, und sehr bald nahm das er
lebte Drama eine künstlerische Form
an; denn Vor dieser Kinderbahre kam
ihm die erste Jdee zu seiner Klistem
- nestra auf Aulis, ein Wert, das ihn
E zum Fürsten unter den aineritanischen
Dramatitern erheben und ihm die Ehre
erweisen sollte, mit Shakespeare ver
glichen zu werden.
Nach der Beerdisauna ginan Beide
an die Arbeit, und die Früchte, die der
Tod dieses Kindes tragen sollte, be
gannen zu keimeu: nur Clara Clart
that Nichts; man schloß das Theater,
iro sie spielte. und das Publikum fügte
sich, trotzdem es eines großen Genusses
beraubt war, widerstandsloT weil es
ilim dadurch gestattet war, an der
Trauer seiner Lieblinqs - Tragödin
tiseilzunehmem Nach einer Woche wurde
cag Theater wieder eröffnet, aber Claia
Clark erschien nicht aus der Bühne;
man feierte selbst ihre Abwesenheit
durch diskrete Kundeebunxsem wie sie
in solchem Falle kie Verehruna einer
ganzen Bevölkerung auszudrücken ber
inaa Dann nahmen die lfreianisse
ihren Laus; aber es verbreitete sich ch
Gerücht, daß Clara Clark fiir immer
der Bühne entsagt hätte.
Trotzdem arbeitete Hardnwill an sei
ner Tragödie und bestimmte im Stillen
iie Muttertolle der Klntemnestra fiir
die schmerzbeweate Mutter. Bei öste
ren Unterhaltungen versuchte der Autor
die Aufmerksamkeit der Traaödin siir
Etiiek und Rolle zu werten. Er sagte:
»Ihr Schmerz inspirirt mich, liebe
Freundin, uiid meine Zuneiauna leiht
mich siir Sie arbeiten; Id- errichte dem
like-in kleinen Wesen ein Denkmal, da
mit noch die tommencsen lijeschleebter sich
Jetrer Verzweiflung erinnern, dir sn
groß und so schön ivar.«
»Danie, mein Freund, danke von
ganzem Herzen! Aber sehen Sie, ich
will nicht, ich kann nicht, ich darf nicht
mehr auf der Bühne erscheinen. Jsh
will nur noch einem Schmerz leben, dem
meinen! Jch weihe mich dein Geoenken
und ich will es pflegen in der Einsam
keit.«
Zweifellos war sie ausriehtia, aber
der Psychologe weis-, auch, daß die Auf
riclstigkeiten in der Seele aufeinander
frlgen, und daß sie sich widersprechen
können, ohne unvereiubar zu sein, noc
auggesetzt, daß man ihnen Zeit und
Muße läßt, eine durch die andere zu er
setzen.
Er erlaubte sich daher zu antworten:
um« hip Matt-r miirde an dem
Denkmal, das meine Kunst der Here
zengnoth einer Mutter setzen will, ihre
Mitarbeiterschaft oerweiaerenk Das ist
unmöglich! Nein, liebe Freundin, Sie
werden die Pflicht nicht versäumen, die
Jhnen Jhre Mutterliebe und Ihr
stünstlergenie auferlegen! Sie schul
den Jhrem Kinde das momentane
Opfer, das Sie Ihrer eaoistischen Nei
gung zur Zurückgezogenheit bringen
wollen, es ist ein Opfer seinem Grade
geweiht, eine Huldiguna der stunst fiir
die Mutterfchaft! Sie werden spielen,
trie tnan betet, denn das Talent ist ein
Priesteramt und das Kunstwerk ein
Gebet. Sie werden die Priesterin sein,
die fiir Ihre Erinnerung einen Gotte-J
dienst abhalt, und JhreRolle, Vertrauen
Sie mir. wird der Trauergesang eines
zum Kultus gewordenen Gedentens
sein.
Er citirte einige Verse, die wunder
bar waren. und die var Erregung zit
ternde Traaödin hörte zu und begleitete
mit Schluchzen daes Linde der- lnrischen
Wortselstvallg. Die Schönheiten der
Sprache erschiitterten sie, und während
sie im Fauteuil wie hinaegossen lan,
fühlte sie ihre Haut unter Scheuern sidh
zusammenziehem auf dem Umweg ihrer
Nerven drang dar- Fluidum der Kunst
in ihr Hirn ein, und in der Tiefe ihrer
Augen sah man unter dem Schleier
ihrer Thriinen Lichter aufleuchten
,,Ach!« rief sie auc-, ,,.iilhtemnest:a
hatte ihre Rache! Aber an wem kann ich
mich rächen, da doch Niemand mein
Kind getödtet hat?«
»An Gott!«
Dieser Ausruf gab ihnen die Idee
zu einer Steue, die die schönste des
i Dramas werden sollte, diejenige, wo
I
,- »—.- -·.. .».- —-«..—-- W
stlytemneftta dem ganzen Olymp mit
. ihrem iniitterlichen Zorn droht.
i
I «
f
i
Seitdem interessirte sich Clara Tiers
mehr und mehr für die Dichtung, die
zum Theil ihr Wert wurde. Der Ante-i
, glaubte gewonnenes Spiel zu haben.
»Wird es nicht eine wunderbare That
einer Mutter sein« die ganze Weit ais
Zeugen zur Todtenfeier eines Kindes
zusammenzuwian Aus ganz Amerika
und Europa wird man herströmen, nm
Sie zu sehen. Man wird überall wis
sen, daß Clara Clarl dieses Stück, das
fiir sie gemacht. von ihr inspirirt, mit
idren eigenen Worten geschrieben, von "
Zeugen ihresLeides stenographirtward,
spielen wird. Man wird wissen, daß
Clara Clart nach diesem Stück kein an
deres spielen wird, und daß alle Die
jenigen, die sie ein letztes Mal hören
wollen, herbeieilen müssen! Der Erfolg
wird ein fabelhafter sein, nnd Sie wer
ten sich vom Theater zurückziehen, in
dem Sie der Welt eine schöne Legende
hinterlassen: diejenige einer Mutter-,
rie ein Voll zuianimenberief, um ihr
Kind zu feiern, und die danach siir im
mer rserschinand!« Die Tragödin ant
H wert-rie: »Ich werde spielen.«
Sofcrt ging die Nachricht wie ein
elektrischer Strom von Stadt zu Stadi;
die Erregung lvar kolossal. Aus allen
Theilen des Globus kamen Depefchen
mit Bestellunaen fiir Logen zur Pre
«mii-re. Die schleclzteslen Plätze des
- Thurierg wurden zu nie dagewesenen
Preisen verkauft. Der Vorderfan
brachte eine fabelhaste Einnahmeziffer.
Niemand hatte seine Ausgaben und
« Mühen zu bereuen.
Clara Clart war nach jeder Rich
: tuna erhaben.
Schon im ersten Alt in der Szene
I wo Klytemnestra Jphigenien die Zeit
vertreiben will und einer «Thonpuppe
ein neues Gewand anzieht und diese
nachher in ihren Armen wiegt. war sie
von hinreißender Naturwahrheit, und
das Haus eroröhnte im Beifallssturni,
« als die Mutter aus-rief: ,,Dodo, kleine
. Puppe! . . . Man sah, daß die Künst
lerin weinte, und während der tiefen
.Herzensangst der Menge durchbrach
nur ein Schtnchzen die Stille: der ein
zige Applnus ging von dem schlagenden
Herzen ans.
Im zweiten Akt war sie wunderbar
in ihrem Schrecken über die Meldung
des weissagenden Kalchas, daß ihre
Tochter geopfert werden müsse; das
Flehen im dritten Alt, als sie sich zu
den Füßen Agamemnons windet,
driickte eine solche Wahnsinnsangst aus,
» dasz die anwesenden Aerzte für ihren
Verstand fürchteten, und im Zwischen
att glaubte man, daß die Vorstellung
Unterbrochen werden müßte.
Aber die reinste und vollendetste
Schönheit, die Ergänzung des Lebens
durch das Genie, eine wahrhaft gött
liche Schöpfung bot sie im vierten Akt
in den zwei erschütternden Szenen, der
Abschied vor dem Tode und die mütter
liche Verzweiflung iiber den Verlust
dec- tiindegz Clara Clark fand die
furchtbare Allgetvcii der erlebten Mi
xnxiten wieder, die, heranfbesehworen
l non erstanden und die sie nun von
l Neuem vor den vereinigten Nationen
durchlitL Eine tolosfale Erschiitte
rnng bemächtigte sieh Aller; die Hände
« der TUtenge zitterten; die Todesfnrcht
schniirte Allen die Fiehte ,:11. Wenn iin
Theater Feuer ausgebrochen wäre,
hätte die Erregung nicht größer fein
trinnen. Mein brachte ohnmiichtige
Frauen hinaus.
Nach einer solchen Zauberwiriung
fragte innn fich, wag der fünfte Akt
noch bringen tiinnte Die Sensation,
die den .ss)·ohepnnlt erreicht hatte, konnte
nictzt übertroffen werden« wirklich!
Die .tiritiler, die noch einzig nnd allein
die Herrschaft iiber sich bewnhrt hat
ten, meinten, dirs-, des-Z schlecht aufge
bante Stiiet hier aufhören nnd nach
diesem Triumph der Vorhang fallen
mithin
Clara Glut-l selbst nicntiaute ihrer
eigenen straft und hatte nicht ohne Be
denken die Gesuer der Schlußszene
dorxuiggesehem wo sie die Götter be
schin-;)st und verdammt.
Aber alle Befürchtungen wichen, und
die iirrregung bemächtigte fich von
Neuem der Ziihörer, als die Tragödin
erschien, bleich, erschöpft, gestützt von
ihren Frauen. Die zitternden Arme
ein wenig vorgestreckt, trug sie die Ur
ne, die die Asche Jphiaenie’5 enthielt.
Sie schleppte sich zum Altar, nnd
der an die Götter gerichtete Fluch, den
Autor wie Publikum glaubten aus
ihrem Munde mit Vehemenz heraus
ichmettern zu hören, löste sich in der
dumpfen Zilage eines schwachen Ge
schöpfes aus:
Ein einziger Schrei. aber er war
entsetzlich.
Klntemnestra, am Ende ihrer Ver
wiinfehungen angelangt richtete sich
anf, wie wahnsinnig, nm die Asche sie
gen die Statne der Diana zu schleu
dern, und die rachedurstige Mutter
rief: »So soll Dein Angesicht, o grau
saine Göttin, die Asche meines Kindes
deckcn!« Elara Clart schwang die
lirne in ihren Armen: aber die Kräfte
schwanden ihr, nnd der Zufall wollte
das Furchtbare, das-, die Urne zu
schwach geworfen, auf die Erde fiel, zu
Füßen der Statue, und in Stücke zer
brach, während die Mutter in Wirt
lichteit in Ohnmacht fiel.
Da sah man, da die Tragödim um
ihren eigenen Schmerz noch einmal zu
erleben, ihre Kassette aus Gold und
Glas in der Theaterurne versteckt hatte
das Herz des Rinde- auf den Boden
rollen . . . .