Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 27, 1901, Sonntags-Blatt, Image 14

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    - - OOOO s oooooOOW Mer--sms»T-1ssM-HAIM ·
chkagende Zsetieri
Erzählung aus Mainicr alten Tagen von A. Not-dau.
(A. HinniusJ
MADE-III Kind-DIE wxmwstc
(9. FortfetungJ
Da ging die Thür auf, und in ih
rem Rahmen stand derjenige, um den
sich die Sorge der drei Männer in die
sem Augenblick drehte, der junge Er
wirh hoch und schlank, mit kräftig cla
ftifchsein Giiederdau, die blauen Augen
sprühend von Lebensluft, das Bild der
Gesundheit Als er die drei Herren in
so ernstem Gespräch sah, trat er be
scheiden zurück.
«Jch wollte Jhnen nur sagen, Va
ter,« begann er, nachdem er Herrn
Sitz-er begrüßt, »daß ich heut noch vor
dem Comptoirschluß einen Gang ma
chen möchte, um einen Freund zu tref
ie.·:, der mit der Post von Met; an
kommt-«
»Schon gut,« erwiderte der Vater,
in drisen Gesicht der Stolz über den
blühenden Sohle aufleuchtete.
»Glasw- Sie, Herr Krätzer, daß
der GenercF Marmont ein Krankheits
atteft iiher unsern Erwin gelten läßt«
wenn er ihn sieht?« fragte der jüngere
Chef, Arnald Falt, als sich die Thür
hinter dem Hin-ausgehenden schloß.
»Ich glaub’s nicht. Doch sei ruhig,
Bruder, schließlich ist Seiner alles
verschlingenden Majestät Gold beinahe
ebenso lieb wie Menschenileisch und
too Du nicht weiter kommst, steht Dir
mein Privatvermögen zur Verfügung«
Da umschlang die Hand des älteren
Bruders die des jiinaeren im festem
Druck. Was alle die langen Jahre,
die Crmahnungen der Eltern nicht
vermocht hatten, das brachte die Härte
des Schicksals zwischen ihnen zu Stan
de —- Einigteit —
VierteSKapiteL
Das Kaiserpaar war abgereist, und
die Stadt ruhte aus von den Festen
Und Paraden, die in unaufhörlich-er
Reihenfolge sich abgelöst. Es war still
geworden im goldenen Mainz, iiver
oem der Maienglanz des Wonnemonde
tag; wie ein Ausruhen war es über
die Stadt gekommen.
Auch in dem Hause mit dem Ma
kienbliimchen über der Thiir war es:
still, dort grollte Madeleine de Fre
mont mit dem Schicksal, mit Gott und
der ganzen Welt. Sie hatte gestern
die Nachricht erhalten, daß Emmerich
Joseph von Dalherg im Begriff stehe,
eine neue Verbindung einzugehen mit
einer reichen Erbin, der Tochter der
Marchese di Brignole - Sale in Ge
nua.
Sie kannte die Dame, die nicht mehr
jung und überhaupt früh gealtert
war, wie es das Los der Südlände
rinnen ist« Sie konnte sich weder an
Schönheitjoch an Jugendreiz mit der
Gräfin von Fremont messen.
Ihr her litt nicht darunter, denn
was war i r der Herzog von Dalberg
anders gewesen als ein Mittel zum
Zweck! Aber sollte sie nun fortan ihr
Leben in der Einsamkeit weiter füh
ren, sollte sie ihre Jugend und Schön
heit vergraben?
Sie war dazu geboren, in der gro
ben Welt, mitten in der Bewegung zu
leben; nun siihlte sie sich wie eine Aus
gestoßene, vor der sich die Pforten des
Paradieses zugethan haben.
Patiö, das einzige, herrliche, die
Stadt, in der es sich allein der Mühe
verlohnte, zu leben, war ihr fortan
verschlossen, Wien —- der KaiserFranz
Har— der Schwiegervater Navoleong.
Bieueicvr oarre oag atanzenoe Miete
burg ibre Erwartungen erfüllt, aber
wenn es wirklich zum Kriege mit Nuß
land lam, dann bot ihr die nordische
Hauptstadt vorläufig nicht dag, wag
sie vorn Leben verlangte.
Dieser kleine eiserne Mann rnit dem
verschleierten Blick, der sich zu so
durchdringender Schärfe zusvitzen
konnte, beberrschte ja die ganze civili
sirte Welt. Franz von Greiisentlau
hatte recht ebabt, wenn er vor Jahren
sagte: » an muß Europa fortan
meiden, wenn man Napoleon aus dern
Wege aehen will.« —
Die Dornuhr hatte bereits die zwölf
te Stunde geschlagen, Madeleine be
sand sich noch irn Morgentleide und
starrte trübe zum Fenster hinaus. Die
enge Straße verbarg ibr viel von dem
Glanz des schönen Maientages, aber
daran dachte sie nicht. Sie hatte eine
schlechte Nacht gehabt, was tümrnerten
sie wonnig linde Lüste und Vogelge
sang-het ut hatte sie nach Wiesbaden
hin ahren wollen, wo es fest viel
distinguirte Fremde gab; aber dann
ersteht sie, daß dort die Erbgroßherzo
irk Stepbanie von Baden, die Nichte
mir-nis, sich aushielt, und sie wollte
keinem Mitglied dieser verhaßten Fa
bese nen.
« rau rästn haben noch nicht Jhre
c olade getrunken,« sagte Toinette
sit tusniervollem Blick.
»Man-; sie heranz, ich mag nichts
« II ich vielleicht alles für die
»Mhtte bereichteuk« fragte die Zofe.
werde M eilt, wenn
»Mir-!
s. bxa . Las rn· allein.«
M verschwand Seinem,
nachdem sie das unberührte Frühstück
s abgeräumt.
I Da fuhr draußen ein Wagen vor.
, Madeleine hatte es nicht gehört, die
, Außenwelt war in ihrer augenblickli
z chen Stimmung siir sie versunten, sie
s hörte nicht einmal, dasz Jemand die
ienge, gewundene Treppe herauskom.
; Zornia sah sie Toinette, die ganz ver
s stört hereinstiirzte, entgegen.
»Ich sagte Dir doch, daß ich allein
sein wollte!« herrschte sie die Diene
rin an.
«Es ist hoher Besuch da,« sliisterte
die ausgeregte Zofe, »und Frau Gräsin
noch nicht in Toilette2 Seine Hoheit
der Großherzog von Franksurtl«
»Der Großherzog —'«
Das Wort erstarb der Gräsin aus
den Lippen. Was wollte ein Dalberg
bei ihr, der Bersemten?
Doch sie kam kaum zum Besinnen,
denn Toinette sagte: »Seine hoheit
wird gleich im Vorzimmer sein. er
folgt dem meldenden Diener sast aus
den Fuß.«
Nun siegte doch das Weib in der
noch eben von Weltverachtung Erfüll
ten, aber ein Blick in den hohen Pfei
lerspiegel sagte ihr, daß Madeleine de
Fremont trotz ihrer achtundzwanzig
diahre noch keine Toilettenrassinements
brauche, um schön zu sein.
Das Morgentleid von weißer chine
sischer Seide mit dem reichen Spitzen
besatz sah aus wie ein Feengewand,das
duntle Haar war leicht und ungetün
itelt am Hintertops ausgenommen,und
über dem goldenen Pfeil, der es hielt,
ringelten sich einzelne Locken auf den
weinen Nacken herab.
Karl von Daldera sah das alles mit
einem Blick, als er jetzt eintrat. '
Ein eiiig bochrniithiaer Ausdruck lag
in dem schönen Gesicht, zwischen den
feinen Brauen eine leichte Falte, als
Madeleine aus einen Sessel deutend,
fraate: »Welcher glücklichen Schick
salgiiiauni habe ich einen so illustern
Besuch zi: danken Z«
Da rückte er seinen Sessel dicht zu
dem ihren heran und nahm ihre beiden
Hände trotz ihrer leisen Abwehr fest in
die seinen. «Lassen wir alle Formali
taten und conventionellen Redensarten
beiseite. Es ist Karl von Dalberg, der
alte Freund, nicht der Großherzog, der
zu Lena Erthal kommt. Wissen Sie
noch, liebe Lena — lassen Sie mich Sie
so nennen. ich könnte ja beinahe Jhr
Großvater sein — wie ich Sie einst auf
den Knien geschaukelt, wie ich damals-,
als Sie in tollem Uebermuth, weil der
wildenLena nichts wild genug war, die
Pferde Jhres Oheims beinahe zu
Schanden gefahren hatten, die Schuld
von Ihnen abzulenten wußte? —- Jch
sage das nicht, um mir jetzt damit ein
Relies zu geben, sondern nur um an
alte, liebe Zeiten zu erinnern. Den
ten Sie daran, mein liebes Kind« —
seine weiche Stimme sprach dieseWorte
mit besonders einschmeichelndemsilang
— »und Sie werden vielleicht eneigt
sein, mir Gehör zu schenken. tauche
ich Ihnen zu sagen, wie sehr ich die
letzten Vorgänge bedauere? Wäre
mein Reife meinem Rath gefolgt, so
müßten wir jetzt nicht auf so Unliebsas
mes zurückblicken Jch wußte wohl,
daß diese Verbindung ungefähr dag
selbe bedeutete, als wenn man ein
feuriges Rassepferd mit einem schläf
rigen Maulthier zusammensvannt. Sie
wären unglücklich geworden, Lena,
danken Sie Gott, daß es nicht zu einer
Verbindung kam. Oder reizte Sie die
Herzogstrone so sehr? Es giebt noch
andere Kennst-I hin man nomine-»
i
kann, und nikine schöne, stolze Lena ist
ganz dazu naaethan, sich ein tanzen
des Schicksal zu schaffen. Sie lösten
an jenem Abend die Verlobung, Grä
fin, das weiß alle Welt. Jch sorgte
dafür, das) es deiannt wurde, und —
ich konnte Sie ob dieses bandelns auch
nicht tadeln. Emmerich Joseph ist
ein guter Mensch, aber stir eine Lena
Erthal paßt er nicht«
Der seine Diplomat schwieg einen
Moment, er mußte seinen Worten Zeit
lassen zu wirken, aber er bemerkte auch
mit Befriedigung, daß unter diesen
Worten der eisig hochmüthi e Ausdruck
geschwunden war und die gräsimdas
Kinn leicht in die Hand gestiigt, ihm
Zenit wie in stillem Sinnen gegenüber
a .
»Ja, ich löste die Verlobung,« wie
derholte die Gräsin die Worte Dai
bergs, und es ging wie ein S immer
der Genugthuung über ihr G regt.
»Sehen Sie wohl, liebe Lena,« suhr I
der Großherzog fort, »e3 ist ganz so,
wie mein Nesse es rnir beschrieb, und
ich konnte Ihnen deshalb, wenn ich
auch gewollt hätte, nicht zürnen. Nun
zürnen auch Sie dem armen Emmerich
Joseph nicht, wenn er, doch ein wenig
durch diesen-schnellen Resus kompro
mittirt, im »depit arnnureux eine neue
Verbindung einatan Liede war ei
nicht, Sie kennen Ia die Dame, kann
sie sich mit einer Lena Erthal messen?
Sie können nur ein Bedauern iir den
armen Bräutigam haben, der ch vor
der Weit ja nur rehabilittren wollte,
—-—-——-..-l-—...l—M-ll..l
Mk—
als er so plöslich und grausam ber
schmäbt wurde."
Madeleine wirbelte der Kons.
Ja welch anderer Auffassung wurde
ibr plöhlich die Sache dargestellt. Da
nach war ja sie diejenige. die den het
zog gedemiitbigt, nicht er sie. — Viel
leicht hatte sie sich doch zu sehr in eine
Bitterkeit ver-rannt, zu der sie gar
nicht berechtigt war, denn sie hatte ja
dem Her og den Verlobungsring saft
vor die iiße eroorien und dann das
Zimmer verla en, ohne sich weiter um
ihn zu kümmern; was sollte er eigent
lich anders thun, als was er geil-ani
Der Großheron hatte wieder eine
Kunsipause eintreten lassen, nachdem
er den Spieß so geschickt umgedreht,
dann begann er wieder: »Sie iverden
sich doch nun nicht in die Einsamkeit
vergraben wollen, das sähe ja ganz
nach einer böswillig berlassenen Bran
aus. Nein. Lena. das dürfen Sie
nicht. Zeigen Sie sich der Welt, so
stolz und unnahbar wie Sie immer ge
wesen, und die Lasterzungem wenn es
welche giebt, werden schweigen«
»Ja doch, aber wo, sagen Sie mir,
on.-"· rief die Gräfin leidenschaftlich.
Und alle die trüben Vorstellungen,
die sie sich noch eben gemacht, zogen an
ihrem Geist vorüber.
»So darf ich Ihnen einen Vorschlag
machen, Frankfurt ist sreilich iein Va
ris, aber man nennt meinen Hof einen
Musenbof. Urtheilens Sie selbst, ob
die Menschen recht haben, und kom
men Sie morgen Abend, wo ich wie
der empfangr. Wollen Sie, Lena?«
»Nein, nein!« wollte sie rufen. Noch
lam ibr der Gedanke nach allen den
bitter-en Kämpfen, die sie durchlebt,
ganz unmöglich vor.
, »Natürlich kommen Sie,« fuhr Dai
" berq mit seiner einschmeichelnden
Stimme fort, »denn Sie werden sich
sagen, daji der Welt am leichtesten der
Mund gerchronen wrro, wenn man Sie
bei mir gesehen hat. »Da können teine
Conilicte gewesen sein,« wird es hei
ßen, »was faselt man nur?««
Und nun ging der Großherzog im
leichtesten Conversationston aus an
dere Dinge über, denn es besaß wohl
selten Jemand so die Gabe interessan
ter Unterhaltung wie er.
Er hatte von ver Gröfin noch teine
Zusage erhalten, aber ein Karl von
Dalberg sprach überhaupt keinen
Wunsch aus, der ihm nicht bereitwil
lig gewährt würde.
Tie Zeit verging wie im Fluge, eine
Stunde war dahin wie ein Traum,
und als Dalberg endlich Abschied
nahm und noch einmal mit seinem son
niaen Lächeln in der Gröiin Antlitz
schaute, da la aus ihrem Antlitz ein
Lächeln und re sagte: »Ich komme,
Hoheit!«
Fünftes Kapitel.
Es war in der That ein Musenhos,
den Karl von Dalberg überall, wo er
residirte, urn sich versammelte. Wohl
Niemand hat es so wie er verstanden,
die bedeutenden Männer und Frauen
seiner Zeit u begeisterungsvoller
Freundschaft für sich zu entflammen.
Wäre er nichts als ein reicher, vorneh
mer Privatmann gewesen, so stände
sein Bild rein und ungetrübt vor den
Augen der Nachwelt. Aber der Staats
mann Dalberg, dessen schwantender
Charakter ihn jeder Strömung folgen
ließ, forderte nicht mit Unrecht die
schärfste Kritik seiner Zeitgenossen her
aus. —- Jm Thurn und Taxisschen
Palais, dem späteren Bundesraths
palast. in der Eschenheimer Gasse hat
te der Großherzog von Frankfurt sei
ne Residenz aufgeschlagen, und hier
wurden jene berühmten Ubende ge
feiert, die, frei von jedem steifen Ce
remoniell, nur der Geselli keit im an
muthigsten, geistreichsten wande ge
widmet waren.
Madeleine de Fremont trat zum er
sten Mal in einen Kreis, von dein sie
viel klstki dort Ko saß-I- sts-muss nnd
eigener Anschauung tennen gelernt
hatte.
Da sah man den ernsten Denters
tovs Friedrich Christoph Schlosserg
neben dem seinen, satirischen Gesichte
Meris, der von Darmstadt herüber
gekommen war. da trat ClemensBrens
tano ein mit seiner Schwester Bettina,
die seit einem Jahr die Gattin Achims
von Arnim geworden. Die drei Eng
verbiindeten waren aus der Reise nach
Italien, um den Spuren Goetbe’g zu
solgen und in Rom Karoline von Wol
zogen nebst ihrem Gemahl zu tressen.
Der Bankier Bethrnann schüttelte
Clemens Brentano so tordial die
hand, als hätte er ihm niemals seine
ereentrische Nichte, Auguste Butmann,
entführt, von der er nach kurzer Ehe
längst wieder geschieden war.
Jrn Kreise der schönen Geister gab
es keine Conslicte and banalen Strei
tigkeiten, und wo sie dennoch anstan
chen wollten, da vertrieb te ein geist
reiches Bonmot des Groß rzogs.
Die leidige Politik war an solchen
Abenden verbannt, und selbst derFiirst
Metternich, der, eben aus der Durch
reise von Wien nach Paris, bei dein
Großherzog abgestiegen war. mußte
siir kurze Zeit den ernsten Staats
inann abstreisen, der nur einen Le
benszweck kannte, die Geschicke der Völ
ker mit aewandter hand zu knien.
Nur ein getrönteö Haupt besanb sich
außer dem Großherzog in diesem
» Kreise freier Geister, das war die jun
ige Erbgroßherzogin Stephanie von
s Baden, Josepbinens Nichte. Noch war
i sie ein lächelndes, rosigeMinty das niit
den Napoleoniden zu un eahnter bhe
emporgestiegen, von Gl ck und G anz
umgeben, einer sonnigen Zukunft ent
gegen zu geben schim; noch ahnte sit
—
nichts von des Thritnen. die iß der-«
einst in reichem Maße oergießen sollte
als sie, aller ihrer Do ringen he
raubt. eine unglückliche urter, ein
sam und freudlos nach Rapoleoni
Sturz dastand.
Die Dichterin Amalie von iwis
trug eben ein von ihr verfaßtes di
vor, das in etwas steifen Alexandrii
nan den Geniuz der Kunst feierte
während Prinzessin Stephanie, die sick
bei den langathmigen Versen herzlick
langweilte. mit dem Grafen Brust unt
ihrem Vetter Tascher de la Pagerit
hinter dem Fächer ein scherzhaftet
Wortgefecht führte.
Nun zog sie Madeleine neben sich
auf das tleine Sosa, das, halb von
seidenem Vorhang versteckt, in einer
von großen ausländischen Blattpflans
zen gebildeten Laube stand.
Was tümmerte es sie, wem ihr groi
' ßer Oheim feine Gnade oder Unanade
angedeihen ließ! Sie hatte sich herzlich
gefreut, die einfti e Freundin ihrer
Tante Josephine wiederzusehen, die sie
an die töstlichen Tage ihrer Mädchen
zeit im Tuilerien - Palast erinnerte
und es gar nicht bemerkt, dasz Marse
leine anfangs nur widerstrebend aus
den tordialen Ton eingeganaen war,
den die Prinzessin sofort anschlag.
Stephanie erzählte von ihrem Auf
enthaltin Wiesdadm von dem neuen
Kur-hause, dem Leben, das man dort
führte
Eine interessante Fremde, die sich
seit Kurzem dort aufhielt« zog die Ast
aen der ganzen Gesellschaft auf MI
Sie war sehr elegant und hatte ein
distinguirtes Aeußere, schien viel von
der Welt gesehen zu haben, aber eg
umgab sie ein mostisches DunleL Ob
alxich sie nicht in den Hoftreisen ver
tehrte, denn dazu war man tektz des
nnrnsbmsn Nompnä don fi- trnsk ers-saht
genug über ihre Familie orientirt, hat
te die Prinzeisin doch zuweilen mit ihr
gesprochen und sich an ihrer Unterhal
tung erfreut.
Von Zeit zu Zeit besuchie sie ein
Herr, von dem man nicht msilxte in
welchem Verhältnis er zu ihr stand,
ob Gatte oder Bruder. Er seh ebenso
elegant und dornehm aus wie die
schöne Frau, aber gerade dies geheim
nißvos Dunkel, das die Fremd-n um
gab, machte sie nur um so interessanten
Jetzt wurde datI Gespräch unmer
chen. Der Großherzog nkiherte sich
der Gruppe, in feiner Begleituna be
sand sich ein Herr, eine neue Erschei
nuna
«Pardon, princesse,« sa:«s Dalberg
»wenn wir stören Aber der Freiherr
von Greitfenllau möchte den Damen
vorgestellt werden. Wem ich niazt
irre, so ist es ein alter Belamzter ron
Ihnen, Grösin!«
Da standen sie sich Plötzlich gegen
über, die sich jahrelang nicht gesehen,
und wohl zum ersten Mal verlo: die
stolze, weltgewandte Madeleine die
Fassung. Sie schaute dem Mann, dcr
sich ties oor ihr verneigte, mit geister
hastern Blick entgegen und sand nicht
gleich das richtige Wort· Doch das
war nur ein Moment, iiir alle ankern
nicht bemerkbar, die Konvenienz, die
hier ihren Herrscherstab schwang,
machte ihre Rechte geltend.
.Der Baron ist erst heute oon Enas
Hland hier angetommen,« sagte Dai
berg erläuternd. »und wird uns viel
Jnteressantei berichten können. Unse
reni Freunde Brentano haben wir es
; zu verdanken, einen so interessanten
Gast, der uns so viel aus der Welt be
richten kann, bei uns zu sehen.«
! Ei war allerdings eine bedeutende
» Erscheinung, dieser Mann mit dein
I Adlerblick der, breiten eckigen Stirn
; und dem energischen, sestgcschlossenen
s Munde. Die traftvolle Gestalt paßte
; zu dem Ganzen, nur nicht die langge
j gliederten, schlanten hande. Man
sah ei ihm an, daß er rnit dein Leben
hart getämpst, aber, wenn auch viel
leicht nicht überall als Sieaer hervor
i
k
i
i
L
)
gegangen, so doch niemals unterlegen
war
»Erz«cihlen Sie uns, Baron, von
Jhren Erlebnissen,« hatte der Groß
herzog in seiner liebenswürdigenWeise
gebeten, und der Freiherr sprach ein
sach und schlicht, aber vor den Augen
der staunenden Zuhörer entrollten sich
gewaltige Bilder, sesselnd in ihrer
Naturwahrheit. Da stand man am
seliiaen Ufer, das von den lang dahin
rollenden Wogen des großen Oceans
bespiilt wurde. Geheimniizvoll rausch
te der Urwald, und der südliche Him
mel glühte im purpurrothen Schim
mer, der, sich in violettsbliiuliche Far
bentöne auslös«end, die ganze wunder
volle Pracht über das Meer ergießt.
Der Schrei des Jaauars. das Krei
schen des lustigen Assenvoltes und das
Flattern der Vögel, die wie glänzende,
buntsarbige Edelsteine aus der grünen
Wildniß auftauchen, giebt dem gewal
tigen Bilde Leben und Bewegung
Ifth tritt der rathe Krieger aus der
Fel enhöhle, in der er aus Jagdbeute
aelauert hat, hervor. Die Adlerseder
schmückt seine Stirn, und an seinem
Gürtel blin der Tomahawi. Er ist
dem weißen Mann feindlich gesinnt,
denn er ahnt ej instinktiv, daß der
Träger der Civilisation rastlos vor
wärts dringen wird in die Wildniß,
und die Ureinwohner des Landes an
dieser Civilisatian untergehen müs
sen. Es ist ein Rassentamps aus Le
ben und Tod, dieser Kampf um die
herrschast der Erde. —
»Und Sie sind aus allen Gesahren
glücklich hervorgegangen?« fragte die
Prinzessin Stephanie lebhaft.
»Mit einigen Dentzetteln, die man
mir mit ab, hohem« sagte Greissrni
klars- · wetmal ..cttete mich aller
M
I dingt meine Underschämtheit —- ich
, · bitte um Verzeihun fiir das harte
lWori. Unsere Aniedeiung war von
den Apachen Na ts überfallen, dir
meisten davon getö tet, die andern, un
ter denen ich mich befand, gefangen.
Man hatte uns die Hände und Füße
mit Stricken gebunden,aber das weiche
Moos des Urwaldes bot uns ein leid
liches Lager. Jch war sehr müde, doch
störte mich das Gespräch der rothen
Krieger. die darüber beriethen, aus
weiche Weise ge uns am nächstenMor
gen in das enseits befördern woll
ten. Da rief ich endlich, in dem sehr
rechtfertigten Wunsch nach Ruhe, denn
wir hatten die vorhergehende Nacht ge
iiimpft und waren am nächsten Tage
. durch die Sonnengluth meilenweit ge
: wandert, man möge nun endlich
« schweigen, denn wir wollten schlafen.
Darüber schlief ich ein. Die rothen
Krieger mögen wohl sehr erstaunt ge
wesen sein über den iecien Gefangenen,
; denn ich erfuhr später, sie glaubten,
: daß ich vom großen Geist ganz beson
ders begünstigt sei, und tvagten sich
nicht an unser Leben. Zu unserer Ue
? berraschung wurden wir am nächsten
« Tage nicht getödtet, sondern mußten
. weiter wandern durch den Urwald, bis
wir in das Lager der Apachen kamen.
Dort sasz der Häuptling in der vollen
Würde seiner hohen Stellung auf ei
nem thronartigen Sessel. Man bedeu
tete uns, dem Thron des Häuptlings
auf allen Vieren rutschend, das Ge
- ficht zur Erde, zu nahen. Jch aber ging
s aufrecht zu der kupferfarbigen Majes
; stät, setzte mich neben ihn und schni
; telte ihm freundschaftlich die hand.
Der Herr konnte sich über diese Reci
- heit zuerst nicht von seinem-Erstaunen
! erholen, schließlich rettete sie aber wie
F der mir und den- Meinen-das Leben.
denn man hielt ne nur sur moguch.
wenn man sich unter dem besonderen
« Schutz des großen Geistes befand." —
Der Baron hatte seine Erzählung
beendet. Jetzt ertönten Flügel- und
Harfenllänge und Achim von Arnim
recitirte dazu melodramatifch eine
Dichtung Dalherg’s: «Gefiihle eines
Christen«.
Es war eine fchöneFrau im weißen,
griechischen Gewande, die mit den
brillantenfuntelnden Fingern in die
Goldfaiten der Harfe griff, eine ver
törverte Mag. die Gräfin Tafcher de
la Paaerie, alberg’ö Nichte, und ne
ben ihr Meister Dufset mit tsem häß
lichen Kiinftlergesicht und dem weltber
lorenen Blick.
lind als dann der Vortrag beendet,
da erbob sich ftiirmifcher Jubel, man
feierte den Dichter. Weinend, in fen
timentaler Gefühlsfchwelgerei sanken
sich die Damen in die Arme, Bettina
diiinderte einen Lorbeerbaum, der mit
anderen Blattpflanzen das Zimmer
schmückt-, fischt daraus mit get-vierten
hönden einen Kranz und überreichte
ihn dem Großherzog mit pathetischen
Worten, indem sie einen Weiheiuß auf
feine Stirn drückte.
(Fortfehung folgt.)
—
Gsdltche steästnsssIarraem
Jn der letzteren Zeit hatte man aus
unserem Süden fast nur unerfreuliche
Gefchichten gehört, die sich fo ziemlich
alle um das Lynchmord - Univeer
drehten. Jetzt kommt endlich einmal
eine andere Kunde, obwohl auch diefe
in das Kriminalfach einfchliiat.
Bekanntlich ift eine Reihe Südstaa
ten nicht mit Zuchthäufern egliickt;
ihre Sträflinge werden an Ko lengru
ben-. Steinbriichei und andere Unter
nehmer ohne befondere Garantie aus
aepachtet, und es find schon viele.ent
setliche Geschichten über die Grausam
keiten bekannt geworden, denen fie dort
unterworfen werden. Da und dort
hatte sich, wenn man von besonderen
Standalen und Ungefeglichteiten hör
te, eine Legiilatur zum Einschreiten
aufgerafft und einen Unterfuchungs
Ausschuß ernannt, der auch ein Bis
chen untersuchte. Das war gewöhn
lich das Letzte, was man von der An
gelegenheit hörte, bis wieder eine neue
h-o«-0;«- TJIIAOZAII IIan fass mfsns
.......». -....-..-.. --..., -.. ,.-«
ging.
Jndeß scheint ej doch, daß einige je
ner GreuelsGeschichten das öffentliche
Gewissen mehr, als blos vorüberge
hend, geweckt haben. Waren ja doch
nicht blos »Nigger« unter den Opfern
derselben.
Nach neuerlichen Meldungen haben
drei Südstaaten, nämlich Mississippi,
Louisiana und Texas, eine bessere Lö
sung der Frage gefunden, was sie mit
ihren Striiflingen anfangen sollen.
Bot-erst wenigstens ist man mit den
Erfolgen des betreffenden Experimen
tes ganz zufrieden, dessen Ausführung
auch da, wo Zuchthiiuser vorhanden
sind, nicht unmöglich ist. Mississippi
hatte in diesem Falle das erste Vorbild
geliefert. Die beiden anderen genann
ten Staaten folgten dem Beispiel bald,
und es ist davon die Rede, daf; auch
Georgia, Alabama und andere baum
wollziehende Südstaaten in nächster
Zukunft das gleiche thun werden.
Es handelt sich nämlich um die Be
schäftigung der Sträflinge auf beson
deren Farmen, in- diesem Falle Baum
woll-Farmen, wo ste fiir den Staat
selbst arbeiten, ihre Kost und Behau
sung selber verdienen und überhaupt
daran gewöhnt werden, sich mit regel
mäßiger ehrlicher Arbeit der hände
selber zu erhalten. Mississippi hat
bereits zwölf große Sträflings-«’sar
men irn YazoosStromdelta, welche
unter Kontrolle des Staates stehen.
Man berechnet, daß diese Formen
heuer im Ganzen einen Profit von
LBQOO bts 150,000 Donau itber
Kmmtliche Untosten der Kultivirung
des Landes« dte Interessen aus das
angeleate Geld und den Unterbalt der
Striislinge hinaus erzielen werden,
und man ist schon daran, noch weitere
12,000 Acker Land, welche der Staat
Mississippi kürzlich ungetauft bat, siir
diesen Zweck zu benuhen. Auch haben
bereits verschiedene einzelne Counties
dieses Sträslingssarm - System mit
Erfolg probirt.
Natürlich ist die ganze Strösltngs
; Beschäftigung eine heilte Frage, mit
der sich betanntiich schon viele unserer
Staatsbehörden und Gesetzgebungen
den Kopf zerbrochen haben, und es
tommt viel daraus an, Schädignngen
der Interessen der sreien Arbeit dabei
zu vermeiden, daher mit der Wahl der
Striislings-Beschiistigungen sehr sorg
siiltig zu sein.
Allgemeine Regeln lassen sich da
nicht ausstellen sondern die örtlichen
Arbeitsverhältnisse sind in erster Linie
maßgebend. Es mag sein, daß nur
nichtgewinnbringende Arbeit sijr die
sen Zweck angängig ist; es mag aber
da und dort auch sein« daß das Ge
meinwesen die Striislingsarbeit ge
winnbringend verwertben tann. In
der südlichen Baumwollzucht ist diese
Seite der Frage nicht von solcher Be
deutung, wie sie anderwärts wäre,
und bis setzt ist leine ungünstige Wir
kung dieser Striislingssarmen aus die
sonstige Arbeit sowie auch aus das
Baumwollengeschiist ersichtlich, dessen
Preise sich behauptet haben. Die
Baumwolle, welche der Staat Missis
sippi ziehen kann, scheint nicht genü
gend, um einen »umstürzendrn« Ein
tlust tu üben. Das weitere wird trei
lich von dem dauernden Bestand des
vorliegenden Systems abhängen« und
es muß noch eine offene Frage blei
ben. ob die ganze Sträflingsarbeit
im Süden unbedenklich in der Baum
wollzucht berwerthet werden könnte.
Was übrigens das Interesse der
freien Arbeit an dieser Frage anbe
langt, so wird man sicherlich von die
ser Seite weit weniger gegen ein sol
ches Shstem einwenden, als gegen die
bachtweise Beschäftigung der Sträs
linge in Kohlengruben und überhaupt
solchen Betrieben, welche der organi
sirten Arbeit wenigstens nahe stehen.
Und im Allgemeinen ist ebenfalls die
Ausbachtung der Strästingc für die
sonstigen Arbeits- und Geschäftsan
teressen nicht günstiger, als ihre Ver
wendung in der vorliegenden Form,
öffnet aber den schlimmsten Mißbräu
chen Thür und Thor!
Und die Sträslinge selber, die doch
sozusagen auch noch Menschen sind?
Es braucht kaum näher dargethan zu
werden« daß es eine viel bessere mora
lische Wirkung üben muß, soweit eine
solche überhaupt noch möglich ist, wenn
sie ibre Strafe dirett im Dienst des
Gemeinwesens abbüskem als für sogut
wie unverantwortliche Privatpersonen:
ebenso braucht nicht besonders ver
sichert zu werden« daß sie besseres Ob
dach, bessere Pflege, besser Disziplin
baben und ständiger an derselben Lo
kalität beschäftigt sind, und überdies
in der freien Luft des Feldes. Dies
alles kann nur gute Folgen haben, im
hinbliek auf den allgemeinen Zweck
des Strafwesens, und die Gewöhnung
an geregelte und gesunde Selbsterbals
tungs - Arbeit der einen oder anderen
Art wäre auch dann, wenn das Ge
meinwesen keinen weiteren Profit da
bei errielte, für dieses ein entschiedener
Gewinn. Wenn nicht alle Anzeichen
trügen, hat sich Missippi ein wirk
liches Verdienst mit dem Vorantritt
auf diesem Wege erworben, -——- was
nsoch nicht sehr häufig vorgekommen
it.
Den Fall Santos besinnt ein Varde
der Berliner Luftigen Blätter in sol
genden Versen: »Der LitftschifierSaw
tos im »Aeronef« —— Versteht die its-e
schichte aus dem »ff«, — Er hat das
Problem der Lentbarteit Gelölt in
der voraeschriebenen Zeit, —- Er hat es
gelöst mit Eleganz, —- Das beifi a peu
pres, beinahe, nicht ganz, ——— Es fehlte
zur Lösung, wie man hört, — Eine
Kleinigkeit, gar nicht der Rede werth.
— Und hätte der Wind nicht so start
aeweht, —- Und hätte sich nicht der Bal
lon gedreht, —- Und wäre das Wasser
stoifgas nicht entwichen, — Und hätte
der Schwerpunkt sich auöaeqlichem —
Und hätte das hintettheil sich nicht- ge
senkt, —- Und hätt’ sich das Ganze bes
ser gelenkt, —- Und hätte der Motor
weiter getrieben, —- Und wär’ der Bal
lon länger oben geblieben, — Und
wäre er nicht mit riesigein Krach —
Statt vorwärts zu fliegen, gebunrst
auf ein Dach, —- Und hätte der Rand
nicht am Giebel gehangen, —- Und hät
te sich nicht die Gondel verfangen, —
Und bätte sich nicht die Maschine ge
neigt, —- Und hätten nicht alle Ventile
»estreitt, — Und wären die Seile nicht
durchgeschnitten, —- Und hätt’ Santos
nicht nuf dein Giebel geritten, — Und
bätte er tönnen heruntertaumeln, —
Statt hilflos oben am Dache zu bau
meln, — Und wär' sein Ballon nicht
in Festen gerissen-—- Und hatt« man die
Lumpen nicht fortfegen müssen, —
Das Alles ist ja doch schließlich dens
bar, —- — Dann wäre sein Lastschiff
völlig lenkbar !«
- o
Eine Schauspielerin, deren Augen
wie Diamanten glänzen, ist nie be
sorgt, sie aus Nellamezwecke zu der
lieten. s